Kitabı oku: «Stills Faszienkonzepte», sayfa 9
Goodman schreibt über PMP:
„Andrew Taylor Still offenbarte in diesem Buch seine Seele und sprach aus ganzem Herzen. In einer schmerzhaft persönlichen Sprache legte er ein für alle Mal die Grundprinzipien der Osteopathie dar. Wir erleben ihn hier als den großen Metaphysiker, den Entdecker des Gesetzes von Verstand, Bewegung und Materie, der aus seinen Erfahrungen heraus erkannte, dass die Welt noch nicht entwickelt genug war, um seinen einzigartigen Beitrag würdigen zu können.“332
Es zeigt sich, dass Still viele seiner Äußerungen aus Philosophy of Osteopathy in PMP korrigiert bzw. verfeinert hat. Während er beispielsweise im Zusammenhang mit dem dreifach differenzierten Wesen des Menschen in Philosophy of Osteopathy noch schreibt: „Alle rein verstandesmäßigen Schlussfolgerungen sind schlecht“ (im Original „bad“), hat er in PMP das Wort „bad“ in „based“ geändert, so änderte dass es dort heißt: „alle mentalen Schlussfolgerungen basieren“ sc. auf den sinnlichen Wahrnehmungen, Anm. d. Übers.]333, was im Kontext des Werkes wesentlich verständlicher ist.
Man berichtet, Still habe kurz nach der Veröffentlichung von PMP die Auslieferung des Buches gestoppt und versucht, die schon verkauften Exemplare zurückzuholen, da er der Überzeugung gewesen sei, das Buch spreche eine zu deutliche Sprache, und befürchtet habe, unzureichend vorgebildete Menschen könnten es unsachgemäß anwenden.334 In PMP scheinen zwei Still-Bücher kombiniert zu sein:
eine Ausarbeitung der in Philosophy of Osteopathy dargestellten Still’schen Philosophie unter Einbeziehung eines Großteils seiner viszeralen Methode, ergänzt um das Biogen-Kapitel, und ein noch nicht ausgereifter Vorläufer von Stills letztem Buch Research and Practice, in dem es um eine regionale Betrachtungsweise des Körpers geht.
Goodman schreibt über PMP auch:
„Noch rätselhafter ist, dass Still kurz nach dem Erscheinen einen sofortigen Stopp der Veröffentlichung verfügte. Daher wurden keine weiteren Exemplare verbreitet. So plötzlich, wie das geheimnisvolle Buch erschienen war, verschwand es auch wieder von der Bildfläche. Es verblieben so wenige Exemplare, dass viele Leute sogar die Existenz des Buches an sich in Frage stellten. Im Lauf der Jahre wurde es zu einer Rarität und heute ist es eines der am schwersten zugänglichen Dokumente in der Geschichte des osteopathischen Berufsstands.335
Georgia Walter, zwischen 1969 und 1986 Bibliothekarin im Kirksville College of Osteopathic Medicine Museum, erinnert sich an „Gerüchte“, wonach Still das Buch zurückgezogen habe, konnte dafür jedoch keinen Beweis finden. Zwar besaß, wie sie sagt, das Museum, dieses Buch noch nicht, als sie dort zu arbeiten begann, bekam allerdings später einige Exemplare von ehemaligen Studenten geschenkt.336
Folglich war PMP 80 Jahre lang nahezu verschwunden, bis es Osteopathic Enterprise, eine 1986 u. a. von den osteopathischen Ärzten Jerry Dickey und Larry Bader gegründete Firma von dem Exemplar, das Stills Enkelin Mary Jane Denslow besaß, reproduzierte. Doch auch heute werden davon nur etwa 100 Exemplare pro Jahr verkauft.337 Dass das Buch nicht sehr verbreitet war, zeigen einige Zusammenfassungen von Stills Werk. Shilton Webster-Jones, Korektorin der British School of Osteopathy (ausgebildet von John Martin Littlejohn) stellte Stills Schriften 1954 überblicksartig in der J. Martin Littlejohn Memorial Lecture dar,338 erwähnte aber dabei PMP ebenso wenig wie Jocelyn C. P. Probys ein Jahr zuvor in ihrer Zusammenfassung Still’scher Bücher im Rahmen der gleichen Vorlesung.339 Auch Robert Suter erwähnte PMP nicht, als er über die Beziehung von A. T. Still und Sir William Osler schrieb. Er spricht dort nur von Stills „drei Hauptwerken“.340 Allerdings ist es interessant, dass Robert Fulford D.O. offenbar sehr vertraut mit PMP war, denn er schrieb: „Bei Problemen, die mir nicht lösbar erscheinen, greife ich zu Dr. Stills Philosophy and Mechanical Principles of Osteopathy“.341
Da, soweit es Anzahl und Inhalt von Stills Bezugnahmen auf die Faszien anbelangt, ein Unterschied besteht zwischen Philosophy of Osteopathy und PMP, wird behauptet, dass man durch Vergleichen der beiden Bücher eine die Faszienkonzepte betreffende Entwicklung in Stills Denken zur Zeit der Jahrhundertwende nachverfolgen kann. Anders als in Philosophie der Osteopathie werden die Faszien in PMP nicht in einem eigenen Kapitel behandelt. Allerdings befasst sich ein kleiner Abschnitt am Anfang des Buches mit diesem Thema. Darüber hinaus findet man in beiden Büchern verstreut viele, zum Teil sehr profunde Bezugnahmen auf die Faszien.
Was PMP in puncto Faszien fehlt, macht es durch seine Bezugnahmen auf die Membranen und die Behandlung der Eingeweide wett. Für das Faszienkapitel in der vorliegenden Studie werden Stills Membranenkonzepte eine breite Basis bilden.
PMP ist aber nicht nur wegen des aussagekräftigen Abschnitts über Faszien wichtig für diese Studie, sondern auch, weil es Licht auf einige sehr bedeutende Einflüsse in Stills Leben wirft – vor allem, wenn man die Entstehung des Biogen-Kapitels verfolgt.
OSTEOPATHY RESEARCH AND PRACTICE
Stills viertes Buch, Osteopathy Research and Practice (1910), ähnelt im Stil zeitgenössischen medizinischen Lehrbüchern,342 was vor allem aus der Gliederung und den Abschnitten über Definitionen, Symptomatiken, Ätiologien, Prognosen und Behandlungen hervorgeht.343 Er schrieb es, um „die Wahrheit so genau wie möglich darzustellen und den Osteopathen dabei zu unterstützen, von der sichtbaren Wirkung auf die oft unsichtbare Ursache zu schließen.“344 Berichten zufolge fand auch dieses Buch nur wenige Leser, weil es jahrelang vergriffen war.345 Osteopathy Research and Practice erweist sich als aufschlussreich, weil es relativ wenig über Faszien enthält und den Fokus auf Membranen und viszerale Osteopathie richtet. Als Stills letztes Buch ist es relevant in Bezug auf die Entwicklung seiner Konzepte sowie auf die Bedeutung, die diese über die Zeit für ihn hatten.
WEITERE BÜCHER VON STILLS
Es gibt einige Hinweise darauf, dass Still noch andere Publikationen vorbereitet hat. Illustrated Practise [sic] of Osteopathy und Variationen dieses Titels erschienen im JO zwischen 1900346 und 1902.347 Womöglich handelt es sich dabei um frühe Bezugnahmen auf Osteopathy Research and Practice. In der Tat wurde aber am 18. Dezember 1899 das Copyright für Illustrated Practice of Osteopathy erteilt.348 Im August 1900 berichtete das JO, dass Still eine „Praxis“ vorbereite, die bald erscheinen und als Lehrbuch der Osteopathischen Praxis eingeführt werden solle.349 Und im Januar 1902 hieß es, er stelle seine „Praxis der Osteopathie“ fertig.350
Still beantragte offenbar zwei Copyrights – 18. Dezember 1899351 und 9. Februar 1900352 – für Illustrated Practice of Osteopathy und damit für ein Buch, das gar nicht zu existieren scheint, denn keiner der beiden Copyright-Anträge bestätigt die Einreichung der erforderlichen zwei Beleg-Exemplare. Von Interesse ist, dass Still die Illustrationen aus A Textbook of Anatomy by American Authors353 als begleitendes Bildmaterial für seine Practice of Osteopathy erbat.354 Dass offenbar einige Still-Artikel wie The Buzzard355 aus dem Manuskript von Dr. A. T. Still’s system [System?] on Independent Philosophy entnommen wurden, besagt folgender kurzer Hinweis im JO: „Die veröffentlichten Artikel stammen aus dem Manuskript Dr. A. T. Still’s system [System?] on Independent Philosophy, das bald erscheinen wird.“356 Es scheint allerdings keinerlei Beleg für diese Publikation zu geben.357 The Publishers’ Printing Company (New York) schrieb am 28. Oktober 1897 an Stills Freund John Musick: „Wir haben das Manuskript, die Schnitte und den Scheck für das neue Buch von Dr. A. T. Still erhalten. Wir werden mit der Bearbeitung beginnen und Ihnen sobald wie möglich Fahnen zukommen lassen.“ Debra Loguda-Summers, Kuratoriums-Assistentin am Still National Osteopathic Museum und am National Center for Osteopathic History konnte bestätigen, dass alle im Kirksviller Museum vorhandenen Still-Bücher entweder von ihm selbst oder vom Verlag des JO verlegt worden sind.358 Am 30. August 1897 beantragte Still ein Copyright für Obstetrics und für Osteopathy, A text book devoted to the principles and practice of Osteopathy as applied to the treatment of disease.359 Eine von Lawrence W. Onsager veranlasste Suche nach Bestätigungen für Stills Copyrights begann allerdings erst mit dem Jahr 1898, schloss das Jahr 1897 also nicht mit ein.360
Nach dem Tod seines Freundes Musick (13. April 1901) äußerte Still: „Ich bin bereit, für ihn [Musick] ein weiteres Buch zusammenzustellen, und zwar A. T. Still’s Complete Work of Osteopathy.“361 Aber auch für das Erscheinen dieses Buches gibt es keinerlei Beleg.
Jorunal of Osteopathy
Im Journal of Osteopathy (JO), von der ASO zum ersten Mal im Mai 1894 herausgegeben,362 veröffentlichte Still über 200 Artikel, wovon die ersten Abdrucke von Ansprachen sowie Aufsätze zur Organisationsgründung und zu Erfolgen der ersten Graduierten363 waren. In den letzten 10 Jahren seines Lebens erschienen von ihm nur noch wenige Beiträge. Der letzte bedeutende war der Nachdruck seiner Rede vor der Missouri State and Mississippi Valley Osteopathic Association zu seiner Philosophy of Immortality.364 Bis R. P. Schnucker D.O. 1991 die meisten von Stills Aufsätzen unter dem Titel Early Osteopathy in the Words of A. T. Still herausbrachte, waren die JO-Artikel kaum aufzutreiben. Vor 1991 besaßen nur zwei amerikanische osteopathische Colleges alle frühen Bände des JO, die Stills Aufsätze enthalten: das Michigan State University und das Kirksville College of Osteopathic Medicine.
In diesen Aufsätzen findet sich manch einzigartige Still’sche Idee, die sonst nirgendwo in seinen Schriften erscheint.
Unveröffentlichte Manuskripte
Das Still National Osteopathic Museum beherbergt unter anderen folgende unveröffentlichte, katalogisierte Texte:
Hand- und maschinengeschriebene Originaltexte von Still (Aufsätze, Reden, Briefe) außerdem Briefe an Still, Nachrufe, Kondolenzschreiben und weitere Texte, die sich auf Stills Tod 1917 beziehen, sowie verschiedene Still betreffende Dokumente. Größtenteils handelt es sich dabei um Originale. Die Sammlung enthält auch einige Referenzexemplare von anderswo aufbewahrtem Textmaterial. Dokumente, bei denen Stills Autorenschaft fraglich ist, sind in den Box- und Ordnerlisten vermerkt.365
Der Hauptteil dieses Materials wurde dem National Center for Osteopathic History (NCOH) von Elizabeth Laughlin, der Witwe von Stills Enkel George Andrew Laughlin, gespendet (aaO.).
Verschollene Texte
Einige von Stills Texten werden wohl kaum wieder auftauchen und alle Berichte von Personen, die angeben, diese Texte gesehen zu haben, sind mit Vorsicht zu behandeln, denn „auch eine vertrauenswürdige Quelle kann ungenau sein – weil zum einen die Erinnerung über die Zeit blasser wird und weil zum anderen auch Augenzeugen, deren Aufmerksamkeit ja oft nur einseitig konzentriert ist, ein Geschehen nicht völlig unverfälscht wiedergeben können.“366 Mit dieser Warnung im Hinterkopf wird hier durch Nacherzählen der in Interviews und zusätzlichen persönlichen Gesprächen gemachten Äußerungen von Jerry Dickey D.O., John Jones, III., D.O., Harold Magoun junior D.O. und Ed Stiles D.O. sowie anhand von Zitaten aus dem Buch von Charles E. Stills junior D.O., Frontier Doctor, Medical Pioneer, über die verschollenen Still-Texte berichtet. Dies ist höchst wichtig, denn es zeigt sich, dass das gegenwärtige Bild von Still nur unvollständig ist, weil einiges Textmaterial aus seinem Nachlass offenbar von Mitgliedern seiner Familie absichtlich zensiert oder gar vernichtet wurde. Da Still geschrieben hat, dass die Wohnstätte von Seele und Geist die Faszien sind367, muss man seine Faszienkonzepte auch in Beziehung zu seinem Interesse am Spiritismus setzen.
Cheryl Gracey, Kuratorin des Still National Museum of Osteopathic History, erklärte: „Das einzige Notizbuch, das wir von Still besitzen, ist ein etwa 6 mal 15 cm großes, in rotes Leder gebundenes Büchlein mit 30 unlinierten Blättern. Es wurde von hinten nach vorne beschrieben, und zwar nur die Innenseite des Umschlags und einige Seiten.“368
Um diesen Bericht zu vervollständigen, müssen erst drei von Stills Enkelkindern identifiziert werden: Stills Tochter Blanche heiratete George Laughlin, D.O., (1873–1948). Sie hatten zwei Kinder, Mary Jane Denslow (1924–1991), Ehefrau des osteopathischen Forschers Sted Denslow (1906–1982), und George Andrew Laughlin, D.O., (1918–1981), Ehemann von Elizabeth Peterson (Laughlin), die später einen Großteil des in der A. T. Still Collection am Still National Osteopathic Museum, Kirksville, aufbewahrten Materials spendete. Das dritte Enkelkind ist der schon oft erwähnte Charles E. Still junior (in der Folge als Charlie bezeichnet), Sohn von Charles E. Still senior. Er war mit Doris Still verheiratet.
Einer A. T. Still Manuscript Collection genannten Broschüre zufolge gingen die Still Manuscripts nach Stills Tod 1917 zunächst an George und Blanche Laughlin. Ein Feuer in deren Haus zerstörte jedoch 1925 nahezu den gesamten, dort befindlichen Nachlass an Still-Texten.369 Einiges von dem Still’schen Textmaterial war jedoch der Osteopathy Collection 1887–1941 am Smithsonian Institute (Smithsonian Institution Research Information System Archives) übergeben worden. Nach Blanches Tod gingen die Erbstücke an ihren 1981 verstorbenen Sohn George Andrew, dessen Witwe Elizabeth die Behälter mit den Manuskripten aufbewahrte. „Obgleich die A. T. Still Memorial Library schon vorher einige Manuskripte erhalten hatte, erfolgte die Hauptschenkung, die über 2000 Seiten umfasste, im Frühjahr 1990.“370
Jerry Dickey, D.O., zufolge, der sich hier auf Stills Enkelin Mary Jane Denslow beruft, wurden die übrigen Materialien aus Stills Nachlass irgendwann zwischen 1959 und 1981, als George Andrew Laughlin noch lebte, von der Familie gesichtet.
Gegen Ende ihres Lebens teilte Mary Jane Denslow ihrem Kirksviller Nachbarn und Freund Jerry Dickey mit, dass um 1970 oder vielleicht auch schon 1963 die noch lebenden Enkel von Still dessen Manuskripte „akribisch durchforstet hätten“. Ein anberaumtes Familientreffen habe Folgendes ergeben:
„Die Mehrheit plädierte für die Säuberung der vorliegenden Informationen … alles, was auf spiritistische Tendenzen hinwies, wurde herausgenommen. Denn der Familie erschien dieses Material zu explosiv, es hätte definitiv die Dinge ins Wanken gebracht und seine [A. T. Stills] Reputation und damit auch die ihre [der Enkel] ruiniert … die Mehrheit der Familie entschied, dass sie ihre relativ anerkannte Stellung nicht gefährden wolle.
Daher beschlossen sie [die Enkel], dass dieses Wissen bzw. dieser Aspekt von A. T.Still nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfe.“ 371
Dr. Dickey erzählte, Mary Jane habe ihm mitgeteilt „dass es einen Koffer mit ausschließlich spiritistischem Material gab, das von der Familie durchgesehen wurde … Es wurde Charlie anvertraut. Er packte es in einen muffigen Koffer, er besaß einen Koffer voll mit diesem Zeug.“372
Allerdings, so erklärte Dickey weiter, habe sich Mary Jane damals als Minderheit in der Familie gegen jede Säuberung der Werke ausgesprochen und gesagt: „Das war auch ein Aspekt von ihm [Still]. Wir dürfen nicht darüber entscheiden, was die Leute sehen dürfen und was nicht. Dazu haben wir kein Recht.“373 Dr. Dickey beschrieb, wie es dazu kam, dass er das Material sichten konnte: „Charlie ließ mich das Material nur sehen, weil seine Cousine, die er achtete, ihm das befahl … Als er [Charlie] dann meiner Frau Kathy und mir erlaubte, den Koffer durchzusehen war er hypernervös … Von sich aus hätte er das wohl niemand gezeigt. Er wollte dieses Wissen nicht mit mir teilen.“374
„Meine Frau und ich saßen in ihrem [Charlie und Doris Stills] Apartment in Scotsdale, Arizona, und während sie uns sehr nervös beobachteten, konnten wir schätzungsweise eine Stunde lang das Material durchsehen. Ich bezweifle ernsthaft, dass außer uns jemand das Tagebuch [Stills Tagebuch im Koffer] gesehen hat.“ 375
Dr. Dickey äußerte über den Inhalt des Koffers:
„Es war ein ganzer Koffer voller loser Blätter, nicht nur ein Tagebuch … Manches machte überhaupt keinen Sinn, denn es waren zusammenhanglose Gedanken auf einzelnen Papierstücken … Meine Aufmerksamkeit wurde vor allem von einem Taschennotizbuch gefesselt. Es war braun, besaß Taschengröße, war gebunden und das Papier war liniert. Es war fest eingebunden und offensichtlich in Stills Handschrift geschrieben, von der ich viele Beispiele gesehen habe. Er benutzte immer einen Bleistiftstummel. Ich nahm das kleine Notizbuch und ging es durch und schließlich begriff ich, dass es sich um eine Serie von Antworten auf spezielle Fragen handelte, aber die Fragen waren nicht in dem Buch. Und ohne die Fragen ist die Information nutzlos. Allerdings belegt es zweifelsfrei, dass er Spiritist war, weil er – da können Sie mich ruhig zitieren – sogar das Medium namentlich identifiziert hat.“ 376
Still habe, so Dickey, in diesem Buch „sein Medium als ‚Matah aus dem Orient – beantwortet Deine Fragen‘ identifiziert … Wir [Dickey und seine Frau Katy] haben versucht, es als ein Wort aufzuschreiben, aber es sah komisch aus. Das ‚h‘ [in Matah] ergab keinen Sinn. Wenn er also über eine indi(ani)sche Frau spricht, dann meint er eine Frau vom Subkontinent [im Unterschied zu einer nordamerikanischen Indianerin].“377
Die Autorin befragte Dr. Dickey daraufhin, ob es in dem besagten Material um Osteopathie gehe oder um rein Persönliches. Dr. Dickey: „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil es sich bloß um Antworten handelte. In einigen Fällen ging es auch um etwas so Banales wie Längen und Breiten. Es waren immer ein oder zwei Sätze, ohne jeden Kontext, offenbar eine Anwort, aber eben ohne die Frage.“378
Interviews mit Ed Stiles ermöglichten zusätzliche Einblicke in den Umgang der Still-Familie mit jenem explosiven Textmaterial. Ed Stiles begann das Interview mit folgender Eröffnung: „Sie wissen, dass behauptet wird, Still sei Spiritist gewesen. Ich denke, dass sich dafür einige Argumente liefern lassen.“379 Er betonte aber, dass sein Forschungspartner am Pikeville College of Osteopathic Medicine, Robert Davis, dafür keinen stichhaltigen Beleg gefunden habe.380
Stiles erzählte auch, dass er George Andrew McLaughlin mehrmals jährlich zu besuchen pflegte. „Nach dem Abendessen führte er mich immer in das Wohnzimmer. Er öffnete ihn [einen gläsernen Bücherschrank aus Stills Wohnung] und gab mir dieses [Stills] Buch zu lesen. Er sagte, lesen Sie das, und ich las. Dann kam er ganz überraschend, nahm es und schloss es wieder weg. So verhielt es sich jedes Mal, wenn ich dort war.“381
Carol Trowbridge, die die Laughlins ebenfalls besucht hatte, erinnerte sich zwar an den gläsernen Bücherschrank, nicht aber an dessen Inhalt, geschweige denn an Bücher von Still.382 Obgleich John Jones III. D.O. und Charlie Freunde waren, erfuhr Dr. Jones nur aus anderen Quellen, dass Charlie, ein Tagebuch von A. T. Still besaß. Als Dr. Jones ihn danach fragte, erklärte Charlie: „Es ist eigentlich kein Tagebuch … die Leute nennen es zwar das Tagebuch, aber ist eigentlich keines. Es ist ein Terminkalender für ein Jahr.“383
Als Dr. Jones darum bat, das „Tagebuch“ sehen zu dürfen, sagte Charlie, „es stünden einige Dinge darin, die nach Meinung seiner Enkel sogar innerhalb, sicherlich aber außerhalb des Berufsstands dazu führen würden, Still eher als Spinner zu betrachten oder aber als Person, die groteske Ideen vertreten habe. Bevor man also seine Reputation beschmutze, wo es doch nach ihrer Meinung schon genug Auseinandersetzungen um ihn gebe, werde man das Buch lieber vernichten.“384
Trotzdem erhielt Dr. Jones die Erlaubnis, sich kurz das Buch anzusehen, das er etwas anders beschreibt als Dr. Dickey.
„Die Seiten waren etwas vergilbt, aber nicht sehr. Und der Einband mag zu Beginn weiß gewesen sein, doch über die Zeit hin kann sich die Farbe geändert haben, auch durch Schmutz, jedenfalls war sie beige. Ich kann mich nicht an die genaue Größe erinnern, vielleicht 20 cm hoch und 13 cm breit. Es sah ein wenig wie ein Taschen-Terminkalender aus, den man zu Neujahr bekommt. Ich spreche von einem, den man als Geschenk bekommt. Das Buch war etwas breiter als diese Art. Es sah nicht aus wie ein gewöhnliches Tagebuch. Doch es war etwas breiter als ein Geschenkkalender für jeden Tag. Die Seiten waren auf jeden Fall breiter, daran erinnere ich mich … Weiterhin handelte es sich hauptsächlich um Bleistiftschrift.“ 385
Als die Autorin danach fragte, ob Charlie ihn auf die Bezeichnung „Matah aus dem Orient“ hingewiesen habe, antwortete Dr. Jones: „Charlie hat mir in der Tat den Abschnitt gezeigt, aber sofern ich weiß, hatte ich damals den Eindruck, es ginge um eine örtliche Indianerin, die als Medium wirkte.“386
Erneut befragt teilte Dr. Jones mit: „Ich erinnere mich, etwas von dem Zeug über das indianische Medium gesehen zu haben. Der Abschnitt, den mir Charlie als besonders charakteristisch für die spiritistische Sichtweise zeigte, war in sehr schlechter Handschrift geschrieben. Ich habe es so verstanden, dass er von einer indianischen Frau sprach. Ich verstand es so, dass es eine Frau war mit dem Namen, den er verwendete, obwohl er nur sagte, dass es sich um ein indi(ani)sches Medium handelte.“
Dr. Jones sagte weiterhin, er habe versucht, Charlie davon zu überzeugen, dass man das „Tagebuch“ retten müsse, und ihm vorgeschlagen: „Sie könnten es in einem Umschlag versiegeln lassen, der erst in 20 oder 50 Jahren geöffnet werden darf.“ Doch Charlie Still habe das nach einiger Überlegung abgelehnt. Er habe, so Jones, Charlie dann zwei Wochen vor dessen Tod noch einmal besucht und obwohl er sich „entschlossen hatte ihn nicht im mindesten zu bedrängen“, eröffnete Charlie ihm, er habe darüber nachgedacht, doch die Enkel hätten nun einmal diese Vereinbarung getroffen und nach seinem Empfinden, sei sie immer noch gültig und er werde sich daran halten.387
Georgia Walter erklärte gegenüber der Autorin, sie habe gewusst, dass Charlie Still einige Texte von A. T. Still besaß, aber sie sei sich keiner „geheimen Texte“ bewusst. Sie erzählte, wie nach der Vollendung von Charlies Buch Frontier Doctor, Medical Pioneer sein Haus in Arizona gebrannt habe: „Die gesamten Papiere zusammen mit Bildern und fast allem, was er sonst besaß, wurden dabei vernichtet.“388 Dr. Jones sagte jedoch: „Ja, ich weiß von dem Feuer … Aber das sogenannte ‚Tagebuch‘ war unversehrt, ich sah es später in einem Haus, dass Charlie und Doris gemietet hatten.“389 Von der Autorin befragt, ob sie etwas von Stills Tagebuch bzw. von Papieren wisse, die Charlie Berichten zufolge aufbewahrt habe, antwortete Carol Trowbridge, die Charlie ebenfalls gut gekannt hatte: „Ich weiß, das klingt komisch, aber ich habe Charlie niemals danach gefragt und er hat mir auch nichts darüber gesagt. Ich weiß nichts über das Behältnis mit dem Material.“390 Dr. Jones meinte zum Verbleib des Tagebuchs:
„Ich halte es für das Allerwahrscheinlichste, dass Charlie es in die Mülltonne geworfen hat und niemand um seine Bedeutung wusste.“ 391
„Ich sprach mit seiner Frau und seinen Söhnen nach seinem Tod über das Tagebuch. Doch sie wussten nichts darüber und sagten, falls sie es fänden, würden sie mit mir Kontakt aufnehmen. Daher glaube ich, dass er es einfach in den Müll geworfen hat. Er sagte ja, er werde es zerstören, so wie unter den Enkeln beschlossen. Monate später habe ich die Familie noch mal besucht, aber sie hatten nichts gefunden.“ 392
Die einzigen noch verbliebenen Kostproben aus A. T. Stills unveröffentlichten und nicht katalogisierten Notizen enthält demnach das von Charlie verfasste Buch.393 Es bestätigt weder noch verteidigt es die Säuberung bzw. Beseitigung von Stills spiritistischen Schriften und Notizen, gewährt aber weitere Einsichten in Stills Interessen und bietet einige Beispiele aus Stills nicht verfügbaren Schriften. Charlie besaß, wie er in seinem Buch schreibt
„ein metallenes Behältnis, in das Papa [Charles Still, Sr.] Briefe zusammen mit Schriften von Charles Stills gelegt hatte. Sie waren über 60 Jahre gelagert worden.“394 Er offenbart auch, dass er sich bei der Arbeit an seinem Buch nicht nur auf die Aufzeichnungen seines Vaters, sondern in einem Punkt auch auf die Notizen von A. T. Still gestützt hat,395 und er erzählt aufgrund dieser Lektüre:
„Während der ersten Wochen seiner Meditationsversuche probierte er [A. T. Still], wie seine Notizen zeigen, offenbar erneut einige der Techniken aus, mit denen er es schon 10 Jahre zuvor versucht hatte, als er sich in den Spiritismus vertiefte … Damals hatte er Kontakt mit dem Geist [A. T. Still] einer Matah genannten ind(ian)ischen Frau aufgenommen und ihr einige philosophische Fragen gestellt. 396
Charlie beschreibt auch ein rotes Taschennotizbuch/-tagebuch, dass A. T. Still bei sich geführt habe, um seine „philosophischen Betrachtungen“ aufzuzeichnen. Da dieses Notizbuch vorgedruckt war, standen Still für seine Aufzeichnungen nur die Seitenränder zur Verfügung. Charlie stellte fest: „Sein [A. T. Stills] Abkürzungssystem und seine durchgehend schlechte Rechtschreibung machen es dem Leser schwer, mit absoluter Sicherheit die Bedeutung der Sätze zu erfassen.“397
Ken Bacher, der Charlie beim Verfassen seines Buches half und ihn mehrmals in seinem Apartment besuchte, bestätigte der Autorin, ein rotes Notizbuch gesehen zu haben, dessen Seitenränder in denkbar schlechter Handschrift beschrieben waren. Von einen Koffer voller Schriftstücke wusste er jedoch nichts.398
Für die Autorin ist es schwer nachvollziehbar, wie Charlie allein aufgrund der Eintragungen an den Seitenrändern eines vorgedruckten Notizbuch einige poetische Texte von A. T. Still wiedergeben konnte, die er ebenso wie zwei von Stills immer wiederkehrenden „philosophischen Betrachtungen“, nämlich Sammlung und Kontinuität im Denken, in seinem Buch veröffentlicht hat.399 Charlie zeigte A. T. Stills Notizen auch einer im Raum Denver ansässigen Bibliothekarin namens Per Brown, die zusammen mit drei „osteopathischen Verwandten und einem Psychologen“400 versuchte, die Eintragungen in dem roten Notizbuch genauestens zu interpretieren. Eine Zusammenfassung ihrer Interpretation findet sich auszugsweise in Charlies Buch. Grundsätzlich stellten sie fest, dass die Handschrift sehr schwer lesbar war und eine Menge Fehler und Wortumkehrungen enthielt, die zum Teil im Nachhinein korrigiert worden waren. „Vermutlich ist es vor allem falscher Satzbau, der den Sinn des Geschriebenen unklar bleiben lässt. Bei einer richtigen Syntax könnte sich aus den Äußerungen eine völlig andere Bedeutung ergeben.“401 Im Verlauf der Forschung wurde deutlich, dass Harold Magoun junior D.O. einer der besagten „drei osteopathischen Verwandten“ ist, die in Charles E. Stills Buch beschrieben werden. Dr. Magoun bestätigte das auf Anfrage.402 In den späten 1970er-Jahren erhielt Dr. Magoun junior die Erlaubnis, private Texte von Still zu sichten. Wie er bestätigte, ging es darin tatsächlich um spiritistische Themen.403 Was die anderen „Verwandten“ anbelangt: Per Brown ist heute schwer krank und wird zweifellos kein weiteres Licht auf den Inhalt werfen können, und der dritte „Verwandte“, ein Patient von Dr. Magoun, der sich damals mit Spiritismus beschäftigte, ist inzwischen verstorben.
Details des Tagebuchinhalts werden im Abschnitt über den Spiritismus behandelt. Dr. Magoun bestätigte, dass das Tagebuch, das er zu sehen bekommen habe, nicht das in Charlies Buch erwähnte gewesen sei, sondern ein etwa 12,50 cm x 15 cm großes und ungefähr 1,5 cm dickes „von dunkler Farbe und ohne jeden Vordruck“. Es enthielt also um die 50 bis 60 Seiten.404 Kurz nach Charlies Tod 1995, schenkte seine Witwe Doris das Textmaterial aus Charlies Besitz dem Still National Osteopathic Museum. Die neun Seiten umfassende Inventarliste der katalogisierten Schriftstücke enthält aber weder einen Hinweis auf die von Dr. Dickey erwähnten losen Seiten noch auf die von Dr. Jones und Dr. Magoun beschriebenen „Tagebücher“. Nur ein einziger Ordner könnte einige dieser Dinge enthalten haben.405