Kitabı oku: «Anjuli Aishani», sayfa 5

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KAPITEL 7 – FREITAG NACH DER SCHULE

Glücklich über den verfrühten Schulschluss schlenderte ich zum Parkplatz und steuerte auf mein Auto zu. Auf dem Weg dorthin fiel mir Nathans Corvette, deren schwarzer Lack in der Sonne funkelte, ins Auge. Sie war wirklich nicht zu übersehen.

Ich dachte an den mysteriösen Schüler und stellte mir vor, wie er wohl gerade in Rektor Smiths Büro dem Schulleiter gegenüber saß und sein Verhör über sich ergehen lassen musste. Unweigerlich schmunzelte ich bei diesem Gedanken.

Der sonst so coole Nathan bekommt eine Standpauke vom Rektor. Das passt nun wirklich gar nicht zusammen.

Immer wieder machte ich mir Gedanken darüber, was er wohl angestellt hatte. Eigentlich würde ich ihm nicht viel mehr als einen kleinen Schabernack zutrauen, aber wenn jemand aus dem Unterricht geholt wurde und bei der ernsten Miene von Mrs. Jacobs – da musste schon was Schlimmeres passiert sein. Vielleicht würde ich mich ja trauen, ihn am Freitag nach der Schule zu fragen. Wieder kribbelte es in meinem Magen bei der Vorstellung, mit ihm alleine zu sein, ihn näher kennen zu lernen, wobei das eigentlich alles war, was ich im Moment wirklich wollte.

Als ich endlich mein Auto erreicht hatte, schloss ich auf, warf meine Tasche auf den Beifahrersitz und setzte mich hinein. Bei einem Blick unter meine Tasche schreckte ich plötzlich schockiert auf. Jetzt fiel es mir wieder ein. Da lag mein Mathebuch, welches mich sofort an die anstehende Mathearbeit und damit auch an Alex‘ Angebot, mir Nachhilfe zu geben, erinnerte. Ich schlug die Hände vor dem Kopf zusammen.

Das war auch Freitag nach der Schule – so ein Mist! Was soll ich denn jetzt nur machen?

Fluchend startete ich den Motor und verließ das Schulgelände. Schon seit einer gefühlten Ewigkeit hatte ich kein Treffen mehr mit einem Jungen gehabt und jetzt gleich zwei auf einmal? Welche Ironie des Schicksals. Zwar verspürte ich bei dem Gedanken an beide Termine eine heftige Nervosität, hätte jedoch trotzdem gerne beide wahrgenommen. Es ging mir ja nicht darum, irgendeine Beziehung zu den Jungen aufzubauen, sondern nur um gute Noten – das redete ich mir zumindest ein.

Mathe oder Kunst, was ist wichtiger? Eigentlich ja das erste, aber die Note in Kunst wird auch automatisch die Zeugnisnote sein und Mathearbeiten gibt es noch mehrere.

Ich war hin- und hergerissen, wusste nicht, wie ich mich entscheiden sollte. Als ich schließlich durch die Hofeinfahrt unseres Hauses fuhr, hatte ich immer noch keine Entscheidung getroffen, war mir jetzt jedoch sicher, dass vielleicht doch ein paar Gefühle aufkamen, die nicht sehr viel mit Schule zu tun hatten.

Es war vor allem Neugier, die beiden besser kennen zu lernen, aber auch das Gefühl, begehrt zu werden, das mich wünschen ließ, ich könnte mich mit beiden treffen. Es war bereits einige Monate her, dass ich zuletzt so empfunden hatte. Von Julien hatte ich mich nämlich schon getrennt als feststand, dass wir umziehen würden, um lernen zu können, mit dem Schmerz umzugehen.

In den zwei Wochen, die ich bereits die Floresville High besuchte, hatte ich noch nicht das Gefühl gehabt, dass mich irgendjemand, abgesehen von Daniel und Kathy, wirklich näher kennenlernen wollte.

Ich schüttelte den Kopf, als ich endlich ausstieg und die Fahrertür hinter mir zuschlug. Nathan musste sich ja unweigerlich mit mir treffen und Alex wollte bestimmt nur nett sein. Wahrscheinlich hatte er sogar Mitleid mit mir aufgrund meiner schlechten Mathematikkenntnisse.

Wieso sollte einer der beiden Interesse an mir haben?

Als ich das Haus betrat, kam mir direkt meine verwirrt dreinblickende Mutter entgegen.

»Anjuli? Was machst du denn schon hier? Ist alles in Ordnung?«

Typisch meine Mutter. Natürlich machte sie sich sofort Sorgen um mich.

»Ja, alles okay, Mum. Mein Kunstpartner musste sich beim Direktor melden, deshalb hat mir die Lehrerin erlaubt, nach Hause zu gehen.«

»Beim Direktor melden? So so … was hat er denn angestellt?«

»Ich habe absolut keine Ahnung. Aber es wird bestimmt nichts Schlimmes gewesen sein«, versicherte ich ihr.

»Das will ich auch hoffen. Musst du dich nicht mit dem treffen und ihn besser kennenlernen?«

Sofort bereute ich, meiner Mutter von dem Projekt erzählt zu haben und suchte verzweifelt nach einem Weg, ihn sympathisch wirken zu lassen.

»Äh, ja genau. Aber er ist wirklich nett. Das muss ein Versehen sein mit dem Direktor. Er hat auch angeboten, mir Nachhilfe in Mathe zu geben, weil er da so gut ist. Das geht wirklich in Ordnung, glaub mir, Mum.«

Ein bisschen schäbig kam ich mir schon dabei vor, sie zu belügen, aber ich wusste, dass sie ein Treffen mit einem Jungen, der sich wegen einer Straftat beim Direktor melden musste, niemals zulassen würde.

»Okay gut. Ich fange dann jetzt mal an, Essen zu machen. Dauert aber noch ein bisschen. Ich hab ja erst in einer Stunde mit Dir gerechnet.«

»Macht doch nichts. Ich hab auch gar nicht so viel Hunger. Ich bin mal oben in meinem Zimmer«, sagte ich noch und ging die Treppe hoch.

So, jetzt habe ich meiner Mutter von der Nachhilfe und von Nathan erzählt. Für was soll ich mich nun entscheiden?

Natürlich hätte ich einfach einem der beiden absagen und nach einem neuen Termin fragen können, aber wo sie mich schon extra gefragt hatten…was sollte ich auch als Grund nennen? Nein, ich verwarf den Gedanken wieder.

In meinem Zimmer angekommen, ging ich sofort auf meinen Schreibtisch zu, nahm ein Stück Papier und einen Stift heraus und legte mich damit in mein Bett. Ich beschloss, mir eine Pro und Contra Liste zu machen, um mir sicher sein zu können, dass ich das Richtige tat. Im Nachhinein kommt es mir lächerlich vor, aber diese Entscheidung war wirklich nicht leicht zu treffen.

Wird der, den ich aussuche, womöglich mein zukünftiger Freund sein? Hat überhaupt einer der beiden Interesse an mir als Partnerin oder wollen sie nur Freundschaft?

Bei Nathan war ich mir eigentlich sicher, dass er keins von beidem wollte. So wie ich ihn einschätzte, ging es ihm nur um eine lästige Schulangelegenheit, die man eben hinter sich bringen musste. Alex dagegen schien schon eher zugeneigt zu sein und schlecht aussehen tat er wirklich nicht, aber

Will ich überhaupt schon wieder eine Beziehung? Bin ich bereit dafür?

Fragen über Fragen, die ich in diesem Moment noch nicht beantworten konnte. Ich beschloss, eine Nacht darüber zu schlafen, und hoffte, dass ich am nächsten Morgen schlauer sein würde. Dem war jedoch leider nicht so. Auch am folgenden Tag nicht. Wir hatten bereits Donnerstag – ich hatte also nur noch ein paar Stunden Zeit, einem der beiden abzusagen.

Da weder mittwochs noch donnerstags Mathe auf dem Stundenplan stand, hatte ich keine Gelegenheit gehabt, mit einem der beiden über das kommende Treffen zu sprechen. Gedankenverloren saß ich in der Mittagspause am Tisch und stocherte in meinem Essen herum. Plötzlich spürte ich ein leichtes Tippen auf meiner Schulter, drehte mich um und blickte in Kathys besorgtes Gesicht.

»Alles in Ordnung bei dir, Anjuli?«, fragte sie vorsichtig. Ich nickte schnell und versicherte ihr, dass alles okay sei, um nicht noch mehr Wirbel um das Thema zu machen, doch sie schien mir anzusehen, dass ich sie anlog.

»Wenn du reden möchtest – ich bin für dich da, okay?«

Sie sah mich so vertraut an, dass ich einfach das Bedürfnis hatte, ihr von allem zu erzählen und sie nach ihrem Rat zu fragen. Ich seufzte – wusste nicht, wie ich anfangen sollte.

»Also um ehrlich zu sein habe ich da doch ein kleines Problem«, stammelte ich. Wenn ich es nicht Kathy erzählen kann, wem denn dann?

Sie war bis jetzt, neben Daniel, mein einziger richtiger Freund an der Schule und Daniel wollte ich auf keinen Fall mit meinen Jungsproblemen nerven. Als Mann würde er wahrscheinlich gar nicht verstehen, warum ich aus dieser kleinen Entscheidung so ein Drama machte.

»Also, du weißt doch von dem Kunstprojekt, das wir machen müssen, oder?« Sie sah mich neugierig an. »Ja klar, weißt du denn jetzt endlich, wer dein Partner ist?«

»Ja, seit Dienstag.« Ich konnte einfach nicht vermeiden, dass sich meine Wangen rot färbten.

»Oh nein«, sagte sie schockiert, als sie bemerkte, wie sehr ich mich schämte.

»Sag mir nicht, dass es so ein ekliger oder spießiger Langweiler ist.«

Ich grinste bei dem Gedanken und sah ein, dass ich es mit Nathan dann eigentlich doch ganz gut getroffen hatte. Schnell beruhigte ich Kathy, deren Blick erahnen ließ, dass sie sich auch gerade vorstellte, wie ich mich mit so einem Ekel treffen musste.

»So schlimm ist es dann auch wieder nicht. Aber ich habe trotzdem so große Angst, mich mit ihm zu treffen …«

»Wer ist es denn jetzt? Spann mich nicht so auf die Folter«, fiel sie mir ins Wort.

Ich schaute mich noch mal um, vergewisserte mich, dass uns auch wirklich keiner belauschte und flüsterte dann leise: »Es ist Nathan Hawk.«

Kathys Augen weiteten sich und sie sah mich entsetzt an. »Was? Nathan ist dein Partner? Wow! Was hast du für ein Glück!«

»Glück nennst du das? Als ob der sich mit mir abgeben würde.« Ich betonte das mir extra etwas abfällig, um ihr zu verdeutlichen, wie stark der Kontrast zwischen ihm und mir war.

»Aber das ist ja noch nicht mal das größte Problem…«, fuhr ich fort. »Wir haben ein Treffen für morgen nach der Schule ausgemacht.«

»Ist doch super.«

»Jetzt lass mich doch erst mal ausreden«, sagte ich energisch, grinste jedoch danach, um ihr zu zeigen, dass ich nicht sauer, sondern froh darüber war, dass sie mir zuhörte. »Das Problem ist, dass ich mich vorher schon für die gleiche Zeit mit Alex verabredet habe.«

»Alex Jones?«, fragte sie in einem Ton, der nicht sehr begeistert klang. »Was willst du denn mit dem?«

Überrascht von dieser Reaktion erklärte ich ihr, dass er angeboten hatte, mir Nachhilfe in Mathe zu geben. Als ich fertig war, packte sie mich an beiden Schultern und schüttelte mich.

»Und jetzt ist dein Problem, dass du dich nicht entscheiden kannst, ob du dich mit Alex oder Nathan triffst? Oh Anjuli, du musst echt noch einiges lernen. Also Alex ist berüchtigt dafür, dass er sich an alle hübschen Mädels der Schule ranmacht, dann einmal Spaß mit ihnen hat und das war’s dann – du weißt, was ich meine? Auf den darfst du auf keinen Fall reinfallen. Meine Meinung ist ganz klar: Triff dich mit Nathan!«

Völlig verwirrt befreite ich mich aus ihrem Griff, lehnte mich zurück und atmete einmal tief durch. Diese Information musste ich erst mal verarbeiten.

Alex ist ein Aufreißer – warum habe ich das nicht bemerkt? Und er macht sich an hübsche Mädchen ran – warum hat er dann mich ausgesucht?

Ich dachte noch einen Moment darüber nach, aber dann war es mir eigentlich egal. Die Hauptsache war: Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Ich würde mich am nächsten Tag mit Nathan treffen.

So sehr ich mich auch darüber freute, ich konnte trotzdem nicht die Aufregung ignorieren, die mir schon jetzt Magenschmerzen bereitete. Als ich aufblickte, sah ich in Kathys freundliches Gesicht und war sehr froh darüber, ihr von meinem Problem erzählt zu haben.

Die folgenden Stunden verflogen wie im Nu und ehe ich mich versehen hatte, war es auch schon Freitag. Mein Wecker weckte mich pünktlich um Viertel nach sieben – früher als sonst, damit ich noch genug Zeit hatte, mir Klamotten rauszusuchen und ein wenig Make-up aufzulegen. Schließlich wollte ich mich bei meinem ersten wirklichen Treffen mit Nathan von meiner besten Seite zeigen, auch wenn ich mir keine Hoffnungen auf eine tiefere Beziehung machte.

Ratlos stand ich vor meinem Kleiderschrank, probierte immer wieder neue Sachen an, doch in nichts fühlte ich mich wirklich wohl. Als meine Uhr bereits halb acht zeigte, entschied ich mich schließlich für einen schlichten weißen Rock, kombiniert mit einem roten Shirt, dessen Ausschnitt meiner Meinung nach genau passend war. Nicht zu tief, aber auch nicht zu prüde.

Es ist eigentlich egal, was ich trage. Der Eindruck vom ersten Schultag, als ich ungekämmt in die Schule gegangen bin, kann sowieso nicht mehr schlimmer werden.

Nachdem ich im Bad meine Zähne geputzt und meine Haare gekämmt hatte, betrachtete ich mich noch einmal kritisch vor dem großen Spiegel, der auf der mittleren Schranktür angebracht worden war. Ich musste zugeben, dass ich mich doch wahrscheinlich instinktiv so angezogen hatte als würde ich ein Date haben. Genau das hatte ich eigentlich verhindern wollen, doch ein Blick auf die Uhr verriet, dass ich keine Zeit mehr hatte, um mich zum siebten Mal für diesen Morgen umzuziehen.

Ich lief also wie jeden Morgen die Treppe hinunter, packte mein Frühstück in meinen Rucksack, drückte meiner Mutter einen Kuss auf die Wange und fuhr in meinem Audi zur Schule. Auf dem Weg überlegte ich mir, wie ich Alex erklären würde, dass ich plötzlich doch keine Zeit und eigentlich auch keine Lust mehr hatte, mich mit ihm zu treffen. Ich konnte ja schlecht sagen: »Meine Freundin hat mir erzählt, was du für ein Typ bist und mit so einem Macho werde ich mich niemals treffen!«

So beschloss ich also, einfach einen Arzttermin als Ausrede zu benutzen.

Meine Eltern haben mich eigentlich zu einem ehrlichen Mensch erzogen, aber in Notsituationen ist eine kleine Verdrehung der Wahrheit doch erlaubt, oder?

Als ich in der Schule angekommen war und über den Parkplatz auf das Schulgebäude zuging, sah ich Nathans Corvette im Sonnenschein der aufgehenden Sonne glänzen. Unwillkürlich lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Was hat er noch mal genau gesagt?

»Freitag nach der Schule unten am Parkplatz. Ich hole dich ab«.

Sofort begann mein Herz schneller zu schlagen und ich konnte spüren, wie sich eine Gänsehaut über meinem ganzen Körper ausbreitete.

Sind alle Mädchen so nervös vor einem schulischen Treffen oder geht das nur mir so?

Ich redete mir ein, dass alles gut war und es bestimmt ein schöner Nachmittag werden würde und lenkte mich anschließend mit Fotosynthese und Französischvokabeln ab.

Unglücklicherweise begegnete ich weder Nathan noch Alex, da Mathe an diesem Tag ausfiel. Eigentlich hätte ich mich mächtig darüber gefreut, aber die Tatsache, dass ich die Nachhilfe nicht absagen konnte, gab mir schon zu denken.

Ist es sehr unhöflich, einfach gar nicht zu kommen, ohne Bescheid zu sagen?

Es zeugt zwar nicht gerade von guten Manieren, aber ich werde es ihm später schon irgendwie erklären. Was kann ich auch dafür, wenn er wie vom Erdboden verschluckt ist.

Ich hatte die ganze Pause lang vergeblich die Cafeteria nach ihm abgesucht.

Schließlich gab ich es auf und verbrachte die letzten Minuten der Pause noch mit Kathy. Sie war die Einzige, die von dem bevorstehenden Treffen wusste, und ich hoffte, dass sie mir noch ein wenig Mut zusprechen würde. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht kam sie auf mich zu.

»Uh la la, du siehst aber schick aus.«

Unweigerlich spürte ich, wie ich knallrot wurde, und bedeutete Kathy, nicht so laut zu sein. Ich wollte nicht die Blicke des ganzen Saals auf mich ziehen.

Dieses Gefühl kannte ich nur zu gut – und ich hasste es.

»Und bist du schon aufgeregt?«, fragte sie diesmal leiser, wobei das Grinsen nicht aus ihrem Gesicht wich. Ich nickte nur zur Bestätigung. Natürlich kannte sie sowieso die Antwort auf diese Frage. Schließlich hatte ich sie in den letzten Stunden nicht zu selten mit dem Thema genervt. »Du schaffst das schon«, fuhr sie fort und klopfte mir leicht auf die Schulter. »Redet einfach am Anfang über irgendwas Alltägliches… wie das Wetter zum Beispiel. Oder lästert ein bisschen über Mr. Black und dann kommt der Rest von selbst.«

Bei diesem Gedanken musste auch ich anfangen zu grinsen. Mathe war wirklich ein Thema, über das wir beide wohl mehr als genug zu sagen hatten und die Hassliebe zu unserem tollen Lehrer könnte schon unsere erste Gemeinsamkeit sein. Erleichtert atmete ich einmal tief durch. Ein Gesprächsthema zu haben, zu dem ich eine Menge beitragen konnte, gab mir mehr Sicherheit und etwas, an dem ich mich festhalten konnte.

Es vergingen keine zwei Stunden, da saß ich bereits im Chemieunterricht, hatte die Augen nur noch auf die unaufhörlich tickenden Zeiger der Wanduhr gerichtet und konnte an nichts mehr denken außer an das bevorstehende Treffen. Schon einmal hatte mich Mr. Langs ermahnt, besser dem Unterricht zu folgen statt Löcher in die Luft zu starren, doch es half nichts. Es war, als hätte ich ein riesiges Loch in meinem Kopf, genau an der Stelle, wo vorher mein Verstand gewesen war.

Ich hoffte nur, dass ich im Laufe der nächsten fünf Minuten meine Sprache wiederfinden würde, denn ich wollte dringend vermeiden, Nathan gegenüberzusitzen und vor mich hin zu stammeln wie eine Idiotin. In Gedanken ging ich immer wieder die Fragen durch, die ich vorbereitet hatte, und stellte mir vor, wie er darauf antworte könnte und was ich dann wiederum sagen würde. Es war fast schlimmer als eine Mathearbeit, so angespannt und aufgeregt war ich.

Als es dann endlich zum Schulschluss klingelte, ging ein leichtes Zucken durch jede Faser meines Körpers und ich versuchte langsam meine Muskeln zum Aufstehen zu bewegen. Zielstrebig ging ich auf den Ausgang des Schulgebäudes zu und machte dabei einen weiten Bogen um die Bibliothek, um ja nicht doch noch Alex zu begegnen. Ihm jetzt so kurzfristig abzusagen, wobei er mich wahrscheinlich noch bis zum Parkplatz und damit bis zu Nathan verfolgen würde, wäre gar nicht gut.

Das Erste, was ich sah, als der Parkplatz in Sicht kam, war, dass Nathans Auto nicht mehr an der Stelle stand, an der ich es noch heute Morgen gesehen hatte. Verwirrung machte sich in mir breit.

Er hat es doch wohl nicht vergessen? Ich hatte zwar keine Gelegenheit mehr, ihn zu fragen, ob es bei der Verabredung bleibt, aber vergessen haben kann er es doch nicht, oder?

Ich war gerade dabei mir auszumalen, was passieren würde, wenn er wirklich nicht auftauchen würde, da sah ich plötzlich doch die schimmernde Corvette am Straßenrand stehen. Nathan hatte den Wagen so geparkt, dass ich praktisch nur den Treppen zum Parkplatz folgen musste und sofort einsteigen konnte. Was für ein Gentleman.

Als ich mich dem Auto näherte, öffnete sich plötzlich die Fahrertür und ein unglaublich attraktiver junger Mann stieg aus und kam auf mich zu. Nathan Hawk.

Wie ich ihn so da stehen sah, lässig und doch elegant, modern gekleidet aber doch in seinem eigenen Stil, mit der großen Sonnenbrille und den dunklen Strähnen, die in sein Gesicht fielen… da drehte sich auf einmal alles in meinem Magen und mein Herz raste schneller und schneller, so als wäre ich gerade bei einem Marathonlauf.

Als ich nur noch etwa zwei Meter von ihm entfernt war, formten sich seine schmalen Lippen zu einem breiten Grinsen. Ich konnte nur erahnen, dass ich mal wieder aussehen musste wie eine Tomate, aber wenn das die einzige Reaktion meines Körpers bleiben sollte, war ich überaus froh darüber.

»Hey, alles klar bei dir? Ich hatte schon befürchtet, dass du unser kleines Meeting heute vergessen hast, aber jetzt bist du ja da. Steig ein.«

Wie hätte ich das nur vergessen können?

Wie selbstverständlich hielt er mir die Tür auf, wartete, bis ich eingestiegen war und setzte sich erst dann auf den Fahrersitz. An den Luxus könnte ich mich gewöhnen.

Innen war der Wagen komplett mit schwarzem Leder verkleidet. Das gab dem Ganzen einen sehr edlen Look. Auch der angenehme Duft des Aftershaves, der mich sofort an Strand, Meer und Sommer erinnerte, lag wie ein leichter Schleier in der Luft und machte mich noch benebelter. Alle Angst und Aufregung waren auf einmal wie weggeblasen und es war, als würde ich träumen – so wohl fühlte ich mich.

Als Nathan den Motor startete, heulte dieser kurz auf, schnurrte sofort danach jedoch wie ein Kätzchen und vermittelte gleichzeitig ein Gefühl von Schnelligkeit und Stärke, als das Gaspedal gedrückt wurde und wir losfuhren.

Ich musste mir gar keine Gedanken darüber machen, wie ich das Gespräch anfangen würde, denn es war mein Kunst-Partner, der zuerst das Wort ergriff.

»Okay. Ich würde vorschlagen, dass wir die Zeit heute einfach nur dazu nutzen, uns ein bisschen besser kennenzulernen. Jetzt schon über das Kunstprojekt zu reden, würde wohl wenig Sinn machen.«

Im Bann der mitschwingenden Melodie in seiner Stimme nickte ich nur zustimmend und starrte aus dem Fenster.

»Ich dachte, wenn du nichts dagegen hast, machen wir ein kleines Picknick am Flussufer und reden einfach ein bisschen.«

Etwas erstaunt schaute ich ihn von der Seite an. Er schenkte mir ein kurzes Lächeln und wandte sich dann wieder dem Straßenverkehr zu.

Ein Picknick? Am Flussufer?

Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich kann zwar nicht sagen, was genau ich erwartet hatte, aber das ganz sicher nicht. Umso glücklicher war ich und freute mich auf die bevorstehenden Stunden. Ich legte mir gerade gedanklich eine Frage zurecht, da vibrierte plötzlich etwas in meiner Hosentasche. Überrascht zog ich mein Handy heraus und sah eine unbekannte Nummer auf dem Display. Während ich auf den Knopf »Anruf annehmen« klickte, konnte ich aus den Augenwinkeln sehen, wie Nathan mich beobachtete. Ich versuchte ihn zu ignorieren und sagte ein leises »Ja, hallo?«, in den Hörer.

»Hi, hier ist Alex. Bist du es Anjuli?«, meldete sich die Stimme am anderen Ende der Leitung.

Mist! Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf. Alex? Woher hat der denn meine Nummer und was soll ich ihm jetzt sagen? Das mit dem Arzttermin kann ich ja wohl schlecht vortäuschen, während Nathan neben mir sitzt.

»Anjuli?«, tönte es erneut aus dem Hörer.

Ohne großartig darüber nachzudenken, sagte ich ihm einfach die Wahrheit: »Ja, hallo Alex. Ich bin’s. Also, das mit dem Treffen heute klappt leider nicht, weil ich noch … einen anderen wichtigen Termin habe. Ich hab versucht dir abzusagen, aber wir hatten ja kein Mathe und …«

Noch bevor ich den Satz zu Ende brachte, fiel mir die andere Stimme am Ende des Telefon ins Wort und sagte mit gespielt enttäuschter Stimme: »Na gut, egal. Macht ja nix. Wäre nur gut gewesen, wenn ich vorher Bescheid gewusst hätte. Dann vielleicht beim nächsten Mal. Man sieht sich.«

… und dann hatte er auch schon aufgelegt. Mist!

Verlegen schaute ich zu Nathan rüber, der wohl oder übel alles mit angehört haben musste und war gespannt auf seine Reaktion. Entgegen aller Erwartungen lächelte er einfach freundlich und sagte mit überaus netter Stimme: »Soso, hattest du wohl noch mehr Dates heute? Wenn es was Wichtiges ist – ich kann Dich auch wieder zurück bringen.« Unsicher, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte, entschloss ich mich schließlich doch dafür, denn ich hatte es wirklich leid, mich ständig in neue Lügennetze verstricken zu müssen.

»Nein Quatsch, unser Treffen geht vor«, begann ich und biss mir leicht auf die Lippe. »Es ist nur so, dass mir Alex – der aus unserem Mathekurs, du weißt schon.« Er nickte nur kurz, um zu bestätigen, dass er sich erinnerte.

»Also, er hatte mir angeboten, dass er mir Mathenachhilfe geben würde, weil wir ja bald die Arbeit schreiben und ich ja nicht wirklich ein Mathegenie bin, wie du bestimmt schon bemerkt hast …«

Anstatt irgendetwas darauf zu erwidern, grinste er nur vor sich hin.

Ich wusste es doch: Jeder aus meinem Mathekurs hält mich für einen Trottel.

Trotz dieser erschütternden Erkenntnis fuhr ich unbeirrt fort und erzählte Nathan von dem geplanten Treffen und dass ich keine Zeit gehabt hatte, Alex abzusagen. Nur das mit der Entscheidung ließ ich weg. Ich hoffte, er würde mir glauben, dass ich die Kunstnote einfach für wichtiger erachtete.

»Okay, also wenn das so ist …«, fuhr er nach einem Moment des Schweigens fort. »Theoretisch könnte ich dir auch Nachhilfe geben. Ich bin ja nicht gerade der Schlechteste in dem Fach. Es sei denn, du möchtest nicht noch mehr Zeit mit mir verbringen.«

Ich wusste nicht, zum wievielten Mal an diesem Tag schon alles anders gekommen war, als ich es mir gedacht hatte, doch in diesem Moment hatte ich wirklich das Gefühl, dass mein ganzes Weltbild in zwei Hälften zerbrach.

Nathan Hawk, eindeutig der heißeste Typ an der Schule, der mit dem rebellischen und doch charmanten Blick, von dem ich gedacht hatte, dass es eine Qual für ihn sei, auch nur eine Minute mit mir zu verbringen, bot mir jetzt wirklich Nachhilfe an. In meinem Kopf drehte sich alles und ich konnte förmlich spüren, wie tausende von Glücksgefühlen durch jede Zelle meines Körpers sausten. Dankbar strahlte ich ihn an.

»Aber gerne doch. Wenn du es mit so einer untalentierten Schülerin aushältst…«

»Untalentiert? So kann man das nun wirklich nicht nennen. Vielleicht bist du nur auf dem falschen Weg und brauchst einfach einen kleinen Schubs in die richtige Richtung. Mal sehn, was sich machen lässt.«

»Dann ist das also dein Ernst?«, fragte ich immer noch ungläubig. Irritiert blickte er mich von der Seite an und ich konnte deutlich sehen, wie sich kleine Falten auf seiner sonst so makellosen Stirn bildeten.

»Sonst hätte ich wohl kaum gefragt, oder?«, entgegnete er freundlich.

Den Rest des Weges verbrachten wir wie geplant mit Gesprächen über Mr.

Black und mein Hassfach, doch ich brauchte gar keine von meinen vorgefertigten Sätzen, denn ich fühlte mich auf einer Wellenlänge mit meinem neuen Nachhilfelehrer und es fiel mir leicht, mich mit ihm zu unterhalten. Nach weiteren fünfzehn Minuten Fahrt verlangsamte Nathan plötzlich das Auto und bog in einen kleinen Feldweg ein, der in Richtung Wald führte.

Normalerweise hätte ich sicher Angst bekommen, mit einem wildfremden Mann alleine in seinem Auto über einen verlassenen Feldweg zu fahren, doch diesmal war es anders. Ich hatte einfach das Gefühl ihm vertrauen zu können und die eher negativen Eindrücke, die ich an meinem ersten Schultag von ihm bekommen hatte, waren wie verflogen – er erschien mir wie ein völlig neuer Mensch. Erst viel später würde ich erfahren, womit das zusammenhing.

Als wir kurz vor dem Waldrand angekommen waren, hielt er den Wagen an und stellte den Motor ab.

»Da wären wir. Noch ein paar Meter weiter und wir sind an meinem Lieblingsplatz.«

Neugierig stieg ich aus und sah mich um. Die Sonne stand direkt über uns und sorgte für angenehme Wärme. Alle Bäume und Sträucher um uns herum strahlten in einem satten Grün und zu meiner rechten Seite erstreckte sich eine riesige Blumenwiese, die in allen erdenklichen Farben glänzte. Ich schloss die Augen, um mich besser auf die anderen Sinneseindrücke konzentrieren zu können. Etwas weiter entfernt konnte ich das leise Rauschen und Plätschern eines Baches hören und wenn ich mich anstrengte, vernahm ich sogar das Summen der unzähligen Bienen und Hummeln, die wie kleine Feen von Blume zu Blume flogen. Hier und da war der Schrei eines Vogels zu hören. Auch der Geruch nach frischem Gras, duftenden Blumen und einfach Natur raubte mir den Atem und erinnerte mich an den Garten hinter unserem Haus. Als ich meine Augen langsam wieder öffnete, blickte ich in Nathans grinsendes Gesicht, welches mich interessiert musterte. Ich erschrak leicht, als ich ihn so nah vor mir stehen sah, denn ich hatte seine Anwesenheit in meinem Rausch der Sinne schon fast vergessen.

»Gefällt es dir?«, fragte er leise und ich musste gar nicht antworten, denn das Lächeln auf meinem Gesicht sprach Bände. Nathan ging auf die Blumenwiese zu und bedeutete mir, ihm zu folgen. Gemeinsam bahnten wir uns einen Weg durch das Feld, wobei ich versuchte, möglichst wenige der Mohnblumen und wilden Veilchen zu zertreten. Anstatt mich voll und ganz der Natur hinzugeben, fing mein Gehirn plötzlich wieder an zu arbeiten.

So einen Platz habe ich mir schon immer gewünscht, aber eigentlich eher für mein erstes Date und nicht für schulische Treffen.

Krankhaft versuchte ich einen Sinn darin zu sehen, dass mich Nathan an diesen Ort gebracht hatte. Irgendwelche gefühlstechnischen Hintergründe konnte ich ausschließen.

Aber wieso dann dieser besondere Ort?

Auf die Idee, dass er mich lediglich an einen Ort bringen wollte, wo wir völlig alleine waren und uns keiner sehen oder hören konnte, kam ich nicht.

Vielleicht mag er mich ja wirklich.

Dieser Gedanke beflügelte mich so sehr, dass ich begann, leicht durch das Feld zu hüpfen anstatt zu gehen und das Lächeln auf meinen Lippen wollte einfach nicht verschwinden. Nachdem wir uns durch einen Ring aus dichtem Schilf gekämpft hatten, waren wir dem Bach ganz nahe. Nathan blieb stehen und betrachtete die kleinen Wellen.

»Da wären wir«, verkündete er leise und mit einer Stimme, die sich völlig der Schönheit der Natur angepasst hatte.

»Es ist wunderschön«, flüsterte ich zurück und versuchte dabei vergeblich, den Klang seiner Stimme zu imitieren.

Wunderschön – dieses Wort war eigentlich noch nicht passend genug. Der Ort war wirklich atemberaubend. Von der Außenwelt abgeschirmt und völlig ungestört lag die kleine Lichtung vor uns. Auf der einen Seite umgeben von hohen Bäumen, die in den Himmel ragten, auf der anderen Seite von Schilf und Unmengen von bunten Blumen und zu guter Letzt von dem leise rauschenden Bach, der sich säuselnd vorbeischlängelte. Ein paar Sonnenstrahlen fielen durch die Kronen der Bäume herab und tauchten alles in ein warmes gemütliches Licht.

Nathan stellte seinen Rucksack auf einem der großen Steine ab, die sich am Rand des Gewässers tummelten, zog eine Art Picknickdecke heraus, breitete sie auf dem Boden aus und legte sich darauf. Er streckte sich im Sonnenlicht, als hätte er sich gerade an den Strand zum Sonnen gelegt, und ich konnte erahnen, dass er seine Augen geschlossen hatte, um die Umgebung in vollen Zügen zu genießen. Ich konnte nun besser verstehen, warum er mich an diesen Ort gebracht hatte. Nicht um mich mit einem romantischen Date rumzukriegen, sondern um mich einfach an dieser ungestörten wunderschönen Stelle näher kennenzulernen. Dieser Ort war einfach perfekt dafür, denn die Natürlichkeit, die uns umgab, ließ gar nicht zu, dass man sich verstellte oder Gefühle wie Angst und Nervosität empfand. Ich konnte einfach ich selbst sein.

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22 aralık 2023
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9783957442062
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