Kitabı oku: «Der Omega im Turm», sayfa 2
3. Caelan
»Wo ist dein Umhang?«, fragte Fraser, als sie ihr neues Quartier bezogen. Eine Kammer mit drei Strohsäcken und einem winzigen Fenster. Klamme Steinmauern umgaben sie und sonderten muffigen Geruch ab.
Caelan zuckte mit den Achseln. Er sehnte sich nach dem Feuer, das nachher im Speisesaal lodern würde. Er fror nicht schnell, und anmerken ließ er es sich schon gar nicht. Aber die Kälte ihrer Reise war bis in seine Knochen gedrungen.
»Hat er dem kleinen Omega gegeben«, sagte Myles und grinste. »Dem Feuerschopf. Kein schlechter Anblick, oder? Ja, ich glaube, der war mir die liebste Begrüßung. Nicht, dass der Rudel-Chief unfreundlich wäre, aber der Kleine war einfach nackter.«
Caelan warf ihm einen warnenden Blick zu. Myles verdrehte die Augen. Er saß auf seinem Bett und zog sich die Stiefel aus. Fraser fluchte leise.
»Pack deine Schweißmauken wieder ein«, knurrte er. »Das stinkt ja erbärmlich.«
»Niemals.« Myles wackelte mit den Zehen. »Ich warte seit Wochen darauf, endlich wieder die Pfoten ausstrecken zu können.«
»Dann mach das woanders.« Fraser packte einen der Stiefel und warf damit nach ihm. »Im Abort zum Beispiel. Da stinkt es eh schon.«
Myles wich aus und lachte. »Du liebst meinen köstlichen Duft doch. Hast du mir selbst gesagt, letzte Nacht.«
»Da war ich nicht bei klarem Verstand.« Fraser fletschte die Zähne.
»Nein, das warst du nicht.« Myles' Grinsen wurde breiter. »Ganz und gar nicht.«
In Ermangelung williger Omegas vergnügten Caelans Kameraden sich miteinander, schon die ganze Reise über. Und nicht zum ersten Mal. Es fiel Caelan schwer, einzuschlafen, wenn die gehetzten Geräusche zu seinem Lager herüberwehten. In ihrem Rudel war Sex unter Alphas nicht ungewöhnlich. Normalerweise wurde nicht darüber gesprochen, aber es wurde getan. Zumindest von unbeherrschten Gesellen wie Fraser und Myles.
»Ich kann es kaum erwarten, die Zähne wieder in zartes Omega-Fleisch zu schlagen statt in Myles' behaarten Nacken.« Fraser seufzte schwer. »He, Caelan. Was ist mit dem Kleinen? Dem Rotschopf?«
»Was soll mit dem sein?«, fragte Caelan und verstaute seine Habseligkeiten in der brüchigen Kiste am Bettende.
»Erhebst du Anspruch auf ihn?«
Was? Caelan musterte Fraser, um herauszufinden, ob der Scherze machte. Machte er nicht.
»Nein. Er ist schwach, wie alle Omegas.« Er erinnerte sich an seine Begegnung mit der ruppigen Kackbratze. »Und er hat keine Manieren.«
»Der war ganz schön wütend, dass wir sein Techtelmechtel mit dem Großen unterbrochen haben. Harris.« Myles schüttelte den Kopf. »Oder was war da los?«
»Ich denke, Harris wollte ihn zurechtweisen, weil er in den Alphaturm eingedrungen ist«, sagte Caelan. »Was nur richtig ist.«
»Was nur richtig ist«, äffte Myles ihn nach. »Caelan, wenn dir nicht so wichtig wäre, was richtig ist, könntest du ab und zu Spaß haben.«
»Wir haben einen Auftrag.« Caelan trat ans Fenster und schaute aus dem winzigen Fensterspalt. »Da ist keine Zeit für Spaß.«
»Dafür ist immer Zeit.« Myles zwinkerte Fraser zu. »Was sagst du, wollen wir um den Rotschopf wetten?«
Der lächelte. »Wenn es dir nichts ausmacht, zu verlieren.«
»Gewinnen werde ich. Der Kleine wird unter mir schreien wie ein abgestochenes Ferkel.«
»Willst du ihm wehtun?«
»Ha, ha.«
Caelan ignorierte das Gekabbel seiner Kameraden. Er blickte aus dem Fenster und sah nichts. Grauer Nebel hing über den Hügeln. Ihre Formen waren halb verborgen, sanft geschwungen wie die Schultern des rothaarigen Omegas. Finn. Schwacher Körper, störrischer Geist. Haut weiß wie Milch, bedeckt von unzähligen Sommersprossen.
Caelan seufzte leise. Es war nicht, dass er Omegas körperlich abstoßend fand. Wenn es so weit war, würde er sich mit seinem Gefährten paaren, um Nachkommen zu zeugen. Und er würde es gern tun, da war er sicher. Der Gedanke, sich mit einem Omega zu vereinen war reizvoll. So reizvoll, dass er ein paar tiefe Atemzüge nehmen musste, um Finns Bild aus seinem Kopf zu bekommen.
Aber Omegas waren schwach. Caelan, der sein Leben lang gekämpft hatte, widerte ihre Hilflosigkeit an. Ihre Unfähigkeit, sich selbst zu verteidigen. Die Tatsache, dass sie ohne Alphas nicht überleben konnten. Ohne ihren Schutz, den Schutz der Krieger, die ihr Leben für sie gaben. Für ihre Gefährten. Er dachte an all die Brüder, die er im Kampf verloren hatte. An ihre nutzlosen Omega-Gefährten, die sich in der Burg verkrochen hatten, unfähig, zu helfen. Natürlich war es nicht ihre Schuld, dass sie unbrauchbar waren. Sie waren so geboren. Sanft, nachgiebig, zart.
»Na ja, offensichtlich nicht alle«, murmelte er. Dieser Finn war zusätzlich zu all seinen Schwächen auch noch ungehorsam. Eine furchtbare Kombination schlechter Eigenschaften.
Immerhin sorgte er dafür, dass Myles und Fraser Spaß hatten.
»Seine Hüften, die waren so schmal, dass ich sie mit einer Hand umfassen könnte«, sagte Fraser und klang wie ein schnurrender Kater. »Und das werde ich. Vor dir.«
»Das werden wir sehen.« Myles grinste. »Ich wette, dass ich vor dir in den Fuchsbau stoße.«
Seine Kameraden waren unerträglich, befand Caelan. Wenn die beiden nicht so gute Kämpfer gewesen wären, hätte er sie für leichtlebige Schürzenjäger gehalten. Aber Myles hatte ihm das Leben gerettet, und er ihm. Mehrfach. Also sah er über ihre Unzulänglichkeiten hinweg.
»Was ist mit dir, Caelan?«, fragte Fraser. »Schließt du dich unserer kleinen Wette an?«
»Auf gar keinen Fall«, knurrte Caelan und wandte sich wieder dem Fenster zu. Immer noch Nebel.
»Ich finde, er hat keine Wahl.« Der Spott in Myles' Stimme war fingerdick. »Wenn wir beide beschließen, dass er mitmacht, ist er überstimmt.«
»Da hast du recht«, sagte Fraser.
»Nein.« War da eine Bewegung, auf der Kuppe des Hügels links? Verdammter Dunst.
Sie werden zu MacFarlane kommen. Vor dem Sommer sind sie da.
Eine eisige Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus. Frost klebte in seiner Kehle. Vielleicht machten Myles und Fraser es richtig. Das Leben mit beiden Händen packen, ficken und aussaugen. Jeden Tag, der einem geschenkt wurde.
»Caelan, du bist überstimmt. Ab sofort bist du Teil der Wette um den Fuchsarsch.«
Vielleicht waren Myles und Fraser auch nur Idioten. Caelan weigerte sich, zu antworten. Nein, da war nichts auf dem Hügel. Die Landschaft schlummerte ungestört. Aber das würde sie nicht bleiben. Sie würden kommen, und das Gras dort unten mit Blut tränken. Bald.
4. Finn
Finn verbrachte ein paar äußerst irritierende Stunden in der Schreibstube. Gehüllt in den Wollumhang des großen Alphas und erregt bis ins Innerste. Dieser verdammte Geruch. Wie sollte er sich auf die Abschrift konzentrieren, wenn ihm dieser Duft in der Nase hing? Wenn er ihm nicht entkommen konnte?
»Was ist passiert?«, hatte Declan gefragt und Finn war gezwungen gewesen, die ganze peinliche, schreckliche Geschichte zu erzählen. Declan hatte kein Wort darüber verloren und nur genickt. Kaum etwas konnte den alten Meister dazu bringen, eine Miene zu verziehen. Leighton hatte erst gegrinst, aber das war ihm im Hals stecken geblieben, als Finn zu der Stelle gekommen war, an der Harris auftauchte.
»Ist gut, Junge.« Declan hatte geseufzt. »Geh an die Arbeit. Ich habe drei Abschriften vorbereitet.«
Ist das alles, was du dazu sagst, dass Harris mich fast geschändet hätte?, wollte Finn fragen. Aber das war zwecklos. Natürlich versuchte er es trotzdem.
»Kannst du mit dem Rudel-Chief reden?« Er holte tief Luft. »Harris hätte mich fast … Er hatte kein Recht, das zu tun, Declan.«
»Er hatte jedes Recht, das zu tun.« Der fette Omega schüttelte den Kopf. »Halt dich einfach vom Alphaturm fern, dann passiert dir nichts. Das war leichtsinnig.«
»Hätte ich mich einnässen sollen?«, murrte Finn.
»Was ist dir lieber?« Declans Augen verfinsterten sich. Sein trüber Gesichtsausdruck wurde bitter. »Ein nasser Kilt oder ein blutender Arsch? Oder Schlimmeres?«
»Declan!« Finn hatte ihn nie so reden gehört.
»Du bist kein kleiner Junge mehr, Finn.« Declan kam so nah, dass Finn seinen fauligen Atem riechen konnte. »Du weißt, wie du hier überlebst. Also tu es. Verschwende keine Zeit damit, über richtig und falsch nachzudenken. Und geh Harris aus dem Weg.«
Finn starrte ihn an. Doch der Zorn wich bereits wieder aus Declans Zügen.
»Ja, ist gut.« Finn räusperte sich. Leider war Declan noch nicht fertig.
»Denk daran, was deinem Vater passiert ist. Halte dich vom Alphaturm fest.«
Galle stieg in Finns Hals. Scham und Hilflosigkeit und verzweifelte Wut stiegen in ihm auf. Er ballte die Hände zu Fäusten. Die schwachen, nutzlosen Hände.
Er versuchte, sich auf die Abschrift zu konzentrieren. Eine bestimmt hochinteressante Beschreibung der Ereignisse der vierten Rudel-Kriege. Die Chisholms gegen die Grants. Normalerweise liebte er diese Geschichten und Declan musste sie extra für ihn ausgewählt haben. Es gab sogar eine Tuschezeichnung zu kopieren, was ihn normalerweise in Freudentaumel versetzt hätte.
Aber nicht heute. Heute schmiegte sich rauer Wollstoff an seine nackte Haut und roch wie das Paradies.
Ich muss mir ein Stück dieser Seife besorgen, dachte er und rutschte auf seinem Schemel herum. Was ist das? Süßholz?
Die letzten fahrenden Händler hatten Süßholz dabei gehabt. Finn hatte tagelang auf seinem Stück gekaut, bis die letzten Reste aus dem faserigen Holz herausgesaugt waren. Aber der Geschmack hatte nicht die gleiche Wirkung gehabt wie dieser verdammte Duft. Finn war hart. Härter als je zuvor. Seine Finger juckten vor Lust, zwischen seine Beine zu fahren und das sanfte Pulsieren in einem geilen Sturm zu verwandeln. Sein ganzer Unterkörper war angespannt vor Erregung, sein Loch feucht. Am liebsten hätte er sich hier und jetzt befriedigt, aber das musste warten. Declan und Leighton waren auch im Raum. So riss er sich zusammen und harrte aus.
Nachher, im Bett, wenn Leighton eingeschlafen war, würde er sich endlich darum kümmern können. Nach dem Abendessen, das er irgendwie überstehen musste.
Du blöder Alpha, dachte er. Warum hast du mir deinen stinkenden Mantel gegeben? Ich werde dich verfluchen und deine Nachkommen auch. Und die Nachkommen deiner Nachkommen ebenfalls.
Aber für einen ordentlichen Fluch brauchte man den Namen dessen, den man verfluchen wollte. Und den hatte er nicht. Na, er konnte ihn ja später fragen, wenn er ihm den Stoff zurückgab.
Hallo, hier ist dein Mantel. Nette Seife, die ihr da im Norden benutzt. Kann ich ein Stück davon haben, damit ich meinen Schwanz damit einreiben kann? Ach ja, wie heißt du eigentlich? Ich brauche deinen Namen für einen Fluch.
Er kicherte.
»Was ist so lustig?«, fragte Leighton leise.
»Nichts.« Finn sah wieder auf die Abschrift.
»Du hast nicht erzählt, woher der Mantel kommt.« Leightons hellbraune Augenbraue hob sich. Wie oft hatte Finn ihren Schwung mit seinen Blicken nachgezeichnet?
»Ach, der.« Finn räusperte sich. »Den hat mir einer der MacKays geliehen.«
»Was, etwa der Schöne?« Leightons Rosenknospenmund formte ein O und mit Finns Konzentration ging es endgültig den Bach runter.
»Keiner von denen ist schön.«
»Doch, sogar alle. Aber der Große ganz besonders.« Leightons Lächeln schmerzte. »Stell dir vor, der wäre mein Gefährte.«
»Warum brauchst du einen Gefährten?«, murrte Finn. »Und dann noch so einen groben Klotz.«
»Ich mag grobe Klötze.« Das Lächeln wurde anzüglich. »Außerdem war es nett von ihm, dir seinen Umhang zu leihen.«
»Er hat ihn mir vor die Füße geschleudert«, Finn überlegte, »als würde er einem Schwein Küchenabfälle in den Trog kippen.«
»Nett war es trotzdem. Stell dir vor, du müsstest nackt hier sitzen.«
Dann würdest du sehen, dass meine Rute voll ausgefahren ist, dachte Finn und schluckte.
»Er hat gesagt, ich hätte keine Manieren und würde nicht gehorchen. Der hat sich aufgespielt, als wäre ich sein Schüler oder so.«
»Mmh, mit dem würde ich gern Lehrer und Schüler spielen.« Leighton leckte sich die Lippen, was nicht dazu beitrug, Finns Lage zu verbessern.
»Das weißt du doch gar nicht«, sagte Finn. »Du hast noch nie mit irgendjemand Lehrer und Schüler gespielt.«
»Deshalb will ich es ja ausprobieren. Ich wette, es macht Spaß. Und du weißt auch nicht mehr als ich.« Leighton zögerte. »Oder?«
»Nein«, gab Finn zu. »Will ich auch nicht. Nicht mit einem Alpha.«
Leighton überhörte die Anspielung. »Das sagst du doch nur. Wenn die Hitze erst mal kommt, wirst du danach lechzen. Und die Hitze kommt bald.«
Darüber wollte Finn nicht nachdenken. Vor zwei Jahren war er geschlechtsreif geworden und hatte zum ersten Mal die Hitze über sich ergehen lassen müssen. Drei qualvolle Tage, in denen er sich in ein ausgehungertes Tier verwandelt hatte. In denen sein ganzer Körper danach gebrüllt hatte, genommen zu werden, fremde Haut auf seiner zu spüren, in denen sein Schwanz immer hart und sein Loch immer feucht gewesen waren, egal, wie oft er Hand an sich legte.
Er hatte gehört, dass es leichter war, wenn man sich nehmen ließ. Wenn man einen Alpha-Gefährten hatte, der die Qualen linderte. Aber er hatte mit all den gefährtenlosen Omegas im Turm ausgeharrt. Dort sperrten sie sie ein, jedes Jahr im Frühling. Der Duft eines Omegas in Hitze brachte die Alphas um den Verstand. Sie wurden zu noch abscheulicheren Bestien, als sie es sowieso schon waren.
Als die drei Tage vorbei waren, hatte Finn sich geschämt. So sehr wie nur einmal zuvor in seinem Leben. Für seine Schwäche, dafür, dass sein Körper nach der Berührung eines Alphas gebettelt hatte. Eines dieser Monster, die alles zerstörten, was ihnen in den Weg kam.
»Wenn die nächste Hitze kommt, reiße ich mich zusammen«, sagte er. »Im Turm habe ich endlich Zeit, die Geschichte unseres Rudelvaters Rob MacFarlane zu lesen. Die späten Jahre sind sehr interessant.«
Leighton kicherte. »Die Wände wirst du hochkriechen und darum betteln, dass ein Alpha kommt und dich durchnimmt.«
»Niemals.« Finns Hände umklammerten den Federkiel in seiner Hand.
»Und wie du das wirst. Deine Unschuld wird diese Hitze nicht überstehen, das wette ich.«
»Um was wettest du?«, fragte Finn.
Leighton zuckte mit den Achseln. »Um was willst du wetten?«
Um einen Kuss, dachte Finn. Aber Leighton hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, was er von Finns romantischen Gefühlen hielt.
»Deinen Nachtisch für eine Woche?«
»Einverstanden.« Leighton wollte Finn die Hand hinstrecken, doch sie wurden aufgehalten. Rundliche Finger packten ihre Ohren und rissen schmerzhaft daran.
»Meine Knaben«, sagte Declan. »Konzentriert euch oder ich muss euch wieder einsperren.«
5. Caelan
Die Halle der MacFarlanes war riesig. Fast protzig. Gigantische Wandteppiche bedeckten die kahlen Mauern und das rot-grüne Wappen sah ihnen entgegen, als sie eintraten. Das Feuer loderte, wie Caelan es sich erhofft hatte. Stimmengewirr, Kinderlachen und ungeduldiges Klopfen auf die Tischplatten hallte durch die Luft. Das Abendessen war noch nicht da. Statt Essensdüften rochen sie das schmutzige Stroh und die Binsenkräuter, die den Boden bedeckten. Und die Omegas. Ihr leicht süßer Duft war ungewöhnlich stark. Die Hitze musste kurz bevorstehen.
»Nicht übel hier.« Myles grinste. »Ich muss zugeben, dass das üppiger ist als unsere mickrige Trutzburg.«
Fraser überblickte die gefüllten Holzbänke und -tische. »Wie viele Leute leben hier?«
»Zweihundert in der Burg und noch mal ungefähr vierhundert im nahen Umkreis«, sagte Caelan. Er suchte den Raum nach Schwachstellen ab, Orten, in die ein Angreifer leicht eindringen konnte. Er fand keine. Gut. Die Fenster wären breit genug gewesen, dass jemand sich hindurchzwängen könnte. Aber sie lagen so hoch, dass er danach zu Tode gestürzt wäre. Und der große Saal befand sich schon im zweiten Stock. »Das MacFarlane-Rudel hat insgesamt fast tausend Mitglieder.«
»Was du alles weißt.« Myles sah einem blondgelockten Omega dabei zu, wie er sich die Hände wusch. Wasser spritzte aus der Tonschüssel auf die Tischplatte.
»Das weiß ich, weil ich zuhöre.« Caelan nickte dem Rudel-Chief zu. »Konzentrier dich, Myles. Wir haben einen …«
»Auftrag. Ich weiß.« Fraser seufzte. »Du musst mir das nicht ständig erzählen, Caelan. Ich weiß, dass die Sutherlands ganz arg furchtbar gefährlich sind.«
»Dann nimm ihn auch ernst.« Caelan sah ihn strafend an.
»Tu ich doch. He, Myles. Reiß dich zusammen.« Fraser gab seinem Freund einen Klaps auf den Hinterkopf. »Der große Caelan befiehlt es.«
»Das ist keine Zeit für Witze«, sagte Caelan.
Der Rudel-Chief erhob sich, um sie zu begrüßen. Er bahnte sich seinen Weg durch die Reihen.
»Bei dir ist nie Zeit für Witze.« Fraser verdrehte die Augen. »Du solltest dich mal sehen. Du schaust, als hätte dir jemand in den Weinbecher gekackt. Wann bist du zu so einem Miesepeter geworden?« Etwas Dunkles huschte über seine Miene und er verharrte. »Sorry, Cael. Ich weiß.«
Caelan hatte kein Wort sagen müssen. Jeder Muskel seines Körpers verhärtete sich. Er war dankbar, dass der Rudel-Chief sie in diesem Moment erreichte. Lachlan MacFarlane war kein Riese, aber hart wie Leder und breit wie ein Ochse. Narben durchzogen sein Gesicht und die Hände. Klingen und Krallen hatten seine Haut gezeichnet. Die Falten auf seiner Stirn waren tief, doch die schwarzen Haare wiesen nur vereinzelt graue Strähnen auf.
»Caelan«, sagte er und legte die Finger auf seine Schulter. »Gut, dass ihr da seid. Kommt mit.« Eine Stimme, die tausend Befehle gegeben hatte.
Caelan gehorchte. Er folgte dem Rudel-Chief in die Mitte des Saals und Myles und Fraser folgten ihm.
»MacFarlanes!«, begann Lachlan und jedes Gesicht im Saal wandte sich ihm zu. »Bevor ihr euch die Bäuche vollschlagt: Schaut euch an, wer uns besucht.« Er deutete auf Caelan und seine Begleiter.
»Hallo.« Myles strahlte den ganzen Raum an, aber vor allem jemanden, der ganz hinten saß. Oh. Hinter einem Dutzend Augenpaaren, die sie ansahen, erkannte Caelan den Rotschopf. Der starrte finster zurück. Ja, er schaute ihn an, als wollte er ihn zum Kampf herausfordern. Langsam hob er etwas hoch. Etwas Graues. Caelans Umhang. Der Omega wackelte mit der Augenbraue, spöttisch, als wollte er sagen: Hol's dir doch, wenn du dich traust.
Diese kleine Kackbratze, dachte Caelan. Er würde ihn später zurechtweisen. Gerade begnügte er sich damit, in die Runde zu nicken.
»Caelan, Fraser und Myles vom MacKay-Rudel«, sagte Lachlan. »Sie sind hier, um uns zu helfen, falls die Sutherlands angreifen.«
Ein Raunen ging durch den Saal. Omega-Augen weiteten sich. Selbst der Rothaarige wirkte verunsichert. Gut.
»Falls die Sutherlands angreifen?«, fragte ein Alpha aus der vorderen Reihe. »Warum sollen sie uns angreifen?«
Lachlan MacFarlane zögerte nicht. Seine Miene wurde härter, als er antwortete. »Sie ziehen nach Süden. Nach den Kämpfen mit unseren Freunden, den MacKays, sind sie auf die nächste Beute aus.«
Kälte rann durch den Saal, trotz des Feuers im Kamin. Es war so still, dass sie die Scheite knacksen hörten.
»Na, dann sollen sie kommen!« Ein fast glatzköpfiger Alpha sprang auf. »An uns werden sie sich die Zähne ausbeißen!«
Jubelrufe brandeten durch den Saal, gefolgt von farbenfrohen Beschreibungen, was man den Sutherlands antun würde, wenn sie sich zur Burg der MacFarlanes trauten. Selbst einige Omegas machten mit.
Plötzliche Trauer ergriff Caelan. So hatte er selbst gejubelt, vor einem halben Jahr. Als die Sutherlands auf Burg MacKay zumarschiert waren. Es schien Jahrhunderte her zu sein. Connor war an seiner Seite gewesen.
»Genau!«, röhrte Lachlan. »Wir sind stärker als diese Bastarde! Wir haben sie damals am Loch Shin geschlagen und in Ullapool! Wir werden es wieder tun! Und wir haben unsere Cousins hier, die wissen, wie diese Dreckskerle kämpfen!« Wieder landete seine Hand auf Caelans Schulter.
Der Jubel wurde lauter. Myles und Fraser badeten darin. Caelan stand stocksteif da und kämpfte gegen die Erinnerungen, die in ihm aufstiegen. Sie hatten gejubelt, damals. Und dann waren die Sutherlands gekommen und der Jubel war verstummt. Unbehagen krallte sich in ihm fest, als er an das Banner dachte, rostrot wie getrocknetes Blut. Wie Peitschenhiebe hatte es geklungen, wenn es im Wind flatterte.
»Setz dich zu uns«, sagte Lachlan und deutete auf seinen Tisch. Sein Omega-Gefährte saß dort, nicht mehr jung, aber hochschwanger. Daneben drei Männer, von denen Caelan nur einen kannte: Eric, die rechte Hand des Rudel-Chiefs. Die anderen beiden mussten ebenfalls hochrangig sein, wenn er nach dem aufwendigen Karomuster ihrer Kilts ging. Sein eigener war schlicht. Aber auf Äußerlichkeiten kam es nicht an.
»Gerne«, sagte er und wollte das Wort an seine Gefährten richten. Aber die unhöflichen Mistkerle waren schon unterwegs in die Menge. Vermutlich wollten sie sich um ihre bescheuerte Wette kümmern.
Wehe, ihr macht den MacKays heute Schande. Wenn die beiden Trottel einen Zweikampf herausfordern oder mit einem vergebenen Omega erwischt werden, erwürge ich sie eigenhändig.
Die Freundschaft zwischen den MacKays und den MacFarlanes war erst wenige Jahrzehnte alt und empfindlich wie ein halb verheilte Wunde. Ein falscher Schritt und alle Rudelmitglieder würden sich sofort an die Schlacht am Naver erinnern, bei der sie auf verschiedenen Seiten gestanden hatten.
Das Essen kam und alle jubelten erneut. Zwei Omegas schleppten den Kessel mit Eintopf herein und ein dritter verteilte ihn auf den Tellern. Angefangen beim Rudel-Chief und seinen Vertrauten. Und Caelan. Schon bald waren sie in ein Gespräch vertieft. Lachlan wollte alles über die Sutherlands und ihre Angriffsstrategien wissen, an das Caelan sich erinnerte.
»Wie viele sind es noch?«, fragte Lachlan und hielt seinem Omega das Whiskyglas hin. Der füllte es nach.
»Ich weiß es nicht«, sagte Caelan. »Angegriffen wurden wir von mindestens fünfhundert. Aber sie haben viele verloren.« Grimmiger Stolz stieg in ihm auf. »Mein Bruder und ich haben allein siebenundzwanzig von den Drecksäcken abgestochen.«
Beeindrucktes Nicken und Schulterklopfen. Ein Kloß steckte in Caelans Hals, aber er ignorierte ihn. Er wollte jetzt nicht an Connor denken.
»Sie sind geschwächt, aber sie machen weiter. Burg MacKay hat ihnen nicht gereicht. Das Rudel wird sich ausruhen, neu aufstellen und weiterziehen.« Er probierte den Whisky. Süßer als der, den er gewohnt war. Trotzdem nicht schlecht.
Lachlan winkte und ein weiterer Mann gesellte sich zu ihnen. Harris, der Krieger, den sie zusammen mit dem rothaarigen Omega erwischt hatten. Ob Myles doch recht hatte und die beiden sich miteinander vergnügt hatten? Bilder stiegen in ihm auf, in denen die weißen Schultern und schlanken Hüften des Rothaarigen eine wichtige Rolle spielten.
»Harris.« Lachlan bedeutete ihm, sich zu setzen. »Caelan erzählte, dass sie bei ihnen über die Burgmauern geklettert sind. Kann das bei uns auch passieren?«
»Nein.« Harris lachte verächtlich. »Unsere Mauern sind doppelt so hoch wie die im Norden. Bis die auf der Mitte sind, haben wir sie längst entdeckt.«
Lachlan rieb sich das stoppelige Kinn. »Caelan, du schaust dir morgen die Mauern an, zusammen mit Harris und Eric. Überprüft, ob sie sicher sind.«
Eric und Harris nickten. Harris eher widerwillig. »Aber ich sag's euch, die sind sicher.«
»Das dachten wir auch«, erwiderte Caelan.
»Das glaub ich.« Harris schnaubte leise.
Caelan sah ihn an, unverwandt. Myles nannte das seinen Todesblick. Angeblich war es anderen Menschen unangenehm, wenn man sie lange musterte, ohne zu blinzeln. Harris erwiderte den Blick erst, dann rutschte sein Blick auf die Tischplatte und dann räusperte er sich.
»Wie sind sie über die Mauer gekommen?«, fragte Eric.
»Haken und Seile.« Caelan erlöste Harris und sah auf den Whisky in seinem Glas. »Sie waren schnell. Wir haben sie runtergeschnitten, wo wir konnten, aber sie hatten einen Scheinangriff am Tor gestartet und wir haben zu spät gemerkt, was sie vorhaben.«
»Dein Bruder ist dort gestorben, nicht wahr?« In Erics Frage schwang verhaltenes Mitleid mit.
»Nicht auf der Mauer.« Connor war vor dem Omegahaus gestorben. Er hatte sein Leben für seinen Gefährten gegeben, der zu schwach gewesen war, um zu kämpfen. Körperlich und im Herzen. Nach Connors Tod, nachdem die Sutherlands sie überrannt hatten, war Connors Gefährte zum Partner eines Sutherland-Alphas geworden.
»Es tut mir leid.« Lachlan lächelte grimmig. »Aber bald kannst du es ihnen heimzahlen, mein Junge.«
»Deshalb bin ich hier.«
Schulterklopfen und Lachen. Alle stießen mit ihm an, selbst Harris. Der schien sich hier wohl zu fühlen und blieb. Am Tisch des Rudels-Chiefs zu sitzen war eine Ehre und er würde erst gehen, wenn sie ihn verjagten. Caelan widerstand der Versuchung, ihn nach dem rothaarigen Omega zu fragen. Ungefähr eine Minute lang.
»Was war da heute Mittag los?« Er grub den Löffel in seinen Eintopf und schob ihn sich in den Mund.
Harris schnalzte mit der Zunge. »Ach, der kleine Fuchs war mal wieder unverschämt. Dem sollte dringend einer die Bäckchen versohlen.«
»Der Ansicht bin ich auch.« Der Eintopf schmeckte nicht schlecht, auch wenn Caelan die Kräuter seiner Heimat vermisste. »Bei uns würde ein Omega es niemals wagen, in einen Bereich einzudringen, der verboten ist.«
»Hier schon.« Ein dreckiges Grinsen. »Aber ich beschwer mich gar nicht. Wenn die Bücklinge so blöd sind, in unseren Turm zu kommen, können wir mit ihnen machen, was wir wollen.«
War das sein Ernst? Caelans Erstaunen musste sich auf seiner Miene gezeigt haben, denn Harris schaute ungläubig.
»Was, bei euch nicht?« Meckerndes Lachen. »Dann wird es dir bei uns gefallen. Ich schwör dir, wenn der Mistkerl nicht entwischt wäre, hätte ich ihn genagelt wie ein Hammer. Der hätte das ganze Jahr nicht mehr sitzen können.«
Kaltes Wasser floss in Caelans Magen. »Gegen seinen Willen?«
»Ein Bückling hat keinen Willen«, sagte Harris. »Und schon gar nicht, wenn er in den Alphaturm kommt. He, ich wette, der ist mir Absicht da rein. Wahrscheinlich wollte er, dass ihn endlich jemand rammelt. Er ist noch unberührt. Hat er selbst gesagt.« Ein Schatten flog über Harris' Miene. »Bevor er abgehauen ist, der Dreckskerl. Das zahl ich ihm heim, ich schwör's dir.«
Caelan verspürte Übelkeit. Ihr Rudel-Chief hatte ihm erzählt, dass es weiter südlich seltsame Sitten gab, aber das?
»Die Omegas sind nicht unsere Sklaven«, sagte er. »Sie sind schwach und müssen von uns beschützt werden.«
Harris' Eckzähne erschienen. »Die Bücklinge sollen gehorchen, sonst nichts. Anwesende natürlich ausgenommen.« Er prostete dem Omega des Rudel-Chiefs zu, der schmallippig lächelte.
»Die Omegas sind schwach, aber wertvoll«, sagte Eric. »Schließlich bringen sie die Welpen zur Welt. Ich schätze, jedes Rudel hat seinen eigenen Weg, mit ihnen umzugehen.«
»Und der Weg der MacFarlanes ist es, sie zu schänden?«
Erics Gesicht blieb unbewegt. »Nur, wenn sie in unseren Bereich eindringen. Es muss Grenzen zwischen uns geben.«
»Grenzen.« Caelan sah in sein Whiskyglas. Das war es also gewesen. Kein unverschämter Rotschopf, der mit seinem Liebhaber spielte oder vor seiner Strafe abhaute. Sondern ein Junge, der vor einer Vergewaltigung floh.
»Natürliche Grenzen.« Der Rudel-Chief sah seinen Omega freundlich an. »Oder was denkst du?«
»Wir sind nicht gleich, das stimmt.« Lachlans Gefährte hatte eine melodiöse Stimme. »Und ich bin froh, dass ihr uns beschützt.«
»Und bestraft, oder?«, fragte Lachlan.
»Ja. Wenn wir es verdienen.« Etwas Dunkles lag hinter der Miene des Omegas. Als wollte er noch etwas hinzufügen. Aber er tat es nicht.
Schwach, dachte Caelan. Das dunkle Gefühl in seinem Magen blieb. Wo war er hier gelandet? Die MacKays und die MacFarlanes waren entfernte Cousins, aber offensichtlich unterschieden ihre Bräuche sich voneinander. Sehr.
»He, MacKay.« Harris deutete hinter sich. »Ist das bei euch im Norden üblich, dass ihr bei den Omegas sitzt?«
Was? Caelan sah zu Myles und Fraser hinüber. Wie erwartet redeten sie auf den Rotschopf ein. Erst jetzt erkannte er, dass sie die einzigen Alphas am Tisch waren. Auch auf den umliegenden Bänken saßen ausschließlich Omegas.
»Trennt ihr sie beim Essen?«, fragte er.
»Nur die unverpartnerten«, sagte Eric. »Es führt zu weniger Unruhe, wenn die Omegas niemanden reizen können.«
»Reizen?«
»Wenn sie niemanden mit ihrem Duft dazu bringen, sie anzufassen.« Eric schnüffelte. »Obwohl ich sie bis hier rieche. Die Hitze muss kurz bevorstehen.«
»Omegas können niemanden dazu bringen, sie anzufassen«, sagte Caelan. »Dazu sind sie zu schwach.«
»Eure Omegas vielleicht, MacKay.« Harris nahm einen Schluck Whisky. »Unsere sind eine Landplage. Der Bückling da hinten hat letzte Woche meinen Freunden schöne Augen gemacht. Und dann hat er sich verkrümelt. Hast schon recht, die besser zu erziehen wäre gut. Aber so macht's auch Spaß.«
Caelan sah einen nervös wirkenden Omega, mager und dunkelhaarig, dessen Blicke immer wieder zu den Alphatischen huschten. Er sah nicht aus wie ein Verführer.
Der Rotschopf saß ganz in der Nähe. Die beiden Trottel laberten immer noch auf ihn ein, und seine Miene wurde immer düsterer. Der Blondgelockte neben ihm dagegen strahlte. Lächelnd sagte er etwas zu Myles.
»Ich muss nach meinen Kameraden schauen«, sagte Caelan.