Kitabı oku: «Lernen mit Bewegung und Lernen in Entspannung», sayfa 3
2.3 Wortschatz
Sämtliche Wörter einer Sprache lassen sich unter dem Terminus Wortschatz zusammenfassen.
Als Wortschatz wird das die Gesamtheit an Wörtern und Wendungen umfassende Teilsystem einer bestimmten Sprache bezeichnet. Die Sprachwissenschaft verwendet anstelle von Wortschatz den Begriff Lexik. Umgangssprachlich wird unter dem Wortschatz eines Individuums das ihm zur Verfügung stehende ‚geistige Wortinventar‘, quasi der ontogenetisch in seinem Gehirn aufgebauten Wortspeicher, der für lexikalische Sprachverarbeitungsprozesse benötigt wird, verstanden. (Haudeck 2008: 47)
Allerdings darf der Wortschatz einer Person nicht als statisches Inventar gesehen werden. Vielmehr wird er „als dynamisches System bezeichnet, weil der Erwerbsprozess nie zum Abschluss kommt“ (Maljuna 2013: 3).
2.3.1 Wortschatzklassen
Thaler (2012: 224) unterscheidet aus didaktischer Sicht vier Wortschatzklassen im mentalen Lexikon (vgl. Kap. 2.3.2): den produktiven, rezeptiven, potentiellen und individuellen Wortschatz. Während der produktive Wortschatz, mitunter auch aktiver Wortschatz genannt, jedwede Begriffe umfasst, die eine Person selbst benutzen kann, sind mit dem rezeptiven Wortschatz all jene Wörter gemeint, die die Person verstehen kann. Nicht selten wird der rezeptive Wortschatz auch als passiver Wortschatz bezeichnet. Dies ist jedoch irreführend, da das Verstehen von Wörtern keineswegs ohne eigene Beteiligung erfolgt und eine aktive Leistung erfordert (vgl. Nodari 2010: 1). Zudem gestalten sich die Grenzen zwischen produktivem und rezeptivem Wortschatz fließend. „Ein Wort kann vom rezeptiven zum produktiven Wortschatz wechseln und bei mangelndem Gebrauch aber wieder in den rezeptiven Wortschatz zurückfallen.“ (ebd.) Zum potentiellen Wortschatz gehören all jene Wörter, welche eine Person zwar bisher weder gesehen noch gehört hat, die sie aber „dennoch verstehen und/oder verwenden kann (z. B. durch Weltwissen, Wortbildungskenntnisse, Vergleiche mit anderen Sprachen)“ (Thaler 2012: 224). Für Begriffe aus dem potentiellen Wortschatz gilt für die fremdsprachliche Wortschatzaneignung dank der Vermutung, dass solche Begriffe
aufgrund von binnensprachlichen Ableitungen sowie von zwischensprachlichen Wortverwandtschaften von den Schülern eigenständig erschlossen werden können, so dass der Lernaufwand für den rezeptiven Sprachgebrauch entfällt und für den aktiven Sprachgebrauch stark verringert wird. (Reinfried 2006: 175)
Alle Wörter, die einem Menschen persönlich und damit individuell zur Verfügung stehen, können als individueller Wortschatz bezeichnet werden (vgl. Thaler 2012: 224).
2.3.2 Wortschatz und Grammatik
Ein kurzer Exkurs zur Verbindung von Wortschatz und Grammatik soll an dieser Stelle erfolgen, da sich in der Perspektive, welchen Wert das eine im Vergleich zum anderen für das Sprachenlernen aufweist, in den vergangenen Jahrzehnten eine große Wende vollzogen hat. Wenngleich der Grammatik nach der bis ins 20. Jahrhundert angewendeten Grammatik-Übersetzungsmethode im Anschluss eher eine dienende Funktion beikommen sollte (vgl. Thaler 2012: 236), wird der Übergang zwischen Grammatik und Wortschatz inzwischen zunehmend als fließend erachtet (vgl. Neveling 2017: 378). „Vocabulary and grammar are not separate categories, but are inextricably linked. Separating them creates confusion not clarity.“ (Lewis 2005: 8) In seinem Ansatz des Lexical Approach stellt Lewis (1993) beide Kategorien als miteinander verbunden dar. Thaler (2012: 226) leitet daraus für den Fremdsprachenunterricht ab, „dass Wörter nicht als isolierte Einzelwörter, sondern in einem grammatischen Umfeld vermittelt werden sollten, in sogenannten chunks“. Der Sinn eines fließenden Übergangs von Wortschatz und Grammatik findet sich dadurch begründet, dass „die morpho-syntaktischen Informationen im […] mentalen Lexikon zusammen mit der Wortform gespeichert sind“ (Neveling 2017: 378).
2.4 Das mentale Lexikon
Um den menschlichen Wortspeicher genauer zu beschreiben, wird häufig der Begriff des mentalen Lexikons genannt (vgl. Aitchison 2012). Thaler (2012: 224) definiert es folgendermaßen:
Das mentale Lexikon ist derjenige Teil des Langzeitgedächtnisses, in dem der gesamte Wortschatz eines Menschen geordnet gespeichert ist (human word store). Die lexikalischen Einheiten sind dabei in verschiedenen Netzen systematisch verbunden.
Möhle (1994: 39) bezeichnet das mentale Lexikon im Langzeitgedächtnis als „Reservoir […], in dem unser Wissen über alle uns bekannten Wörter unserer eigenen und ggf. auch anderer uns verfügbarer Sprachen gespeichert ist“, woraus die Existenz „so viele[r] mentale[r] Lexika, wie es sprechende Menschen gibt“, resultiert. Jedoch ist die Metapher eines Lexikons hierfür nur bedingt passend.
Der Begriff des mentalen Lexikons ist jedoch auf den ersten Blick irreführend, denn es ist keineswegs mit einem Wörterbuch vergleichbar, in dem Lexeme üblicherweise alphabetisch mit den für ihren Gebrauch relevanten Informationen nach einheitlichen Kriterien in einer festen Reihenfolge aufgelistet sind. (Haudeck 2008: 50)
Ebendiese unveränderliche Anordnung von Wörtern in gedruckten Wörterbüchern lässt den Vergleich nur teilweise gelingen, da das mentale Lexikon als Wortspeicher nicht statisch, sondern vielmehr unentwegt, und dies lebenslang, dynamisch Veränderungen erfährt. Daher empfiehlt Wolff (2000: 102) aufgrund der Flexibilität in Anordnung, Vernetzung und Überschneidungen der Begriffe vielmehr einen Vergleich des menschlichen Wortspeichers mit Wörterbüchern im CD-ROM-Format (vgl. Haudeck 2008: 50). Aitchison (2012: 14) weist aufgrund der Dynamik des mentalen Lexikons jedoch diesen Vergleich zurück: „The fluidity and flexibility of the mental lexicon, then, contrasts strongly with the fixed vocabulary of any book or even an electronic dictionary.“ Zudem sind bei Sprachrezeption sowie Sprachproduktion nicht nur die Verarbeitung, Vernetzung und Speicherung der jeweiligen Lexeme unter Berücksichtigung ihrer diversen Strukturebenen zu nennen, auch die unbegrenzte inhaltliche Speicherkapazität ist für das mentale Lexikon charakteristisch (vgl. Haudeck 2008: 50). Börner und Vogel (1997: 3) weisen darauf hin, dass Sprachwissen und Weltwissen im mentalen Lexikon miteinander vereint werden:
Im mentalen Lexikon sind Wortformen und semantische Konzepte (Sprachwissen) sowie kognitive Konzepte (Weltwissen) gemeinsam und dennoch zugleich autonom repräsentiert: Das mentale Lexikon ist also kein von der Kognition abtrennbares Modul der Sprache, sondern Schnittstelle sprachlicher und konzeptueller Strukturen.
Wie aber funktioniert das mentale Lexikon? Haudeck (2008: 59) thematisiert die Notwendigkeit eines „doppelten Zugang[s], zum einen für die Sprachrezeption, zum anderen für die Sprachproduktion.“ Aitchison (2012: 215) sieht Worterkennung und ‑produktion als zwei einander spiegelnde Vorgänge an:
[P]roduction and recognition seem to be mirror images of one another. When producing a word, humans must pick the meaning before the sound. When recognizing a word, they must start with the sounds, then move on to the meaning.
Allerdings kann auch laut Aitchison (2012: 215) dennoch nicht einfach angenommen werden, dass dieselben Prozesse lediglich in einer anderen Reihenfolge verwendet werden. Haudeck (2008: 59) erklärt die Vorgänge folgendermaßen:
Bei der Worterkennung (word recognition) muss ein Hörer Phonemfolgen erkennen und mit passenden Worteinträgen in Form von Klangstrukturen in seinem Lexikon und den damit verknüpften Konzepten vergleichen […]. Bei der schriftlichen Worterkennung kann man analog davon ausgehen, dass zunächst Graphemfolgen mit entsprechenden graphematischen Einträgen abgeglichen werden, allerdings ist davon auszugehen, dass sie gleichzeitig über die dem Leser vertrauten Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln mit der Lautung und damit mit den Klangstrukturen verknüpft sind.
Dadurch, dass eine Person einem Wort auf verschiedene Weisen begegnet und es mit anderen Wörtern, Emotionen und dem eigenen Weltwissen verknüpft, werden Assoziationen geschaffen, aus denen vielzählige, untereinander verknüpfte Netzwerke für mitunter Begriffs-, Wortfamilien-, Klang- oder auch affektive Netze entstehen (vgl. ebd.: 57f., Neveling 2004: 41ff.). Dies vereinfacht es, neue Wörter aufzunehmen, zu speichern und letztendlich abzurufen.
Nachdem erörtert wurde, worum es sich bei dem mentalen Lexikon handelt und inwiefern Wörter für die rezeptive sowie produktive Verwendung zur Verfügung gestellt werden, ist von Interesse, auf welche Weise Wörter überhaupt erst zur Speicherung ins mentale Lexikon und damit ins Langzeitgedächtnis gelangen. Dies ist Gegenstand des nun folgenden Teilkapitels über das Gedächtnis.
2.5 Das Gedächtnis
Das Gedächtnis ist „die Fähigkeit eines Organismus, Informationen zu speichern […] und sie auf Abruf hin wieder verfügbar zu haben“ (Michel & Novak 2004: 148). Die Idee, zu erfahren, an welcher Stelle im Gehirn das Gedächtnis verortet ist, klingt interessant. Jedoch lässt sich „eine einzelne Hirnregion, die der ‚Sitz des Gedächtnisses wäre‘“ (Arndt & Sambanis 2017: 147), nicht lokalisieren, da die Speicherung von Informationen die Beteiligung nicht nur einer, sondern mehrerer Hirnregionen, u.a. des Hippocampus, des Frontalhirns oder auch der Basalganglien (vgl. ebd.: 151) umfasst.1
Die Frage, wie das Gedächtnis funktioniert und womit es zu vergleichen ist, beschäftigt Menschen bereits seit der Antike. Zahlreiche Metaphern für das Gedächtnis wurden aufgestellt, und das Harald Weinrich (1964: 26) zufolge aus gutem Grund: „Wir können einen Gegenstand wie die Memoria nicht ohne Metaphern denken.“ Auch Lakoff und Johnson (1999: 235, zitiert nach Goschler 2006: 10) sind sich sicher: „It is virtually impossible to think or talk about the mind in any serious way without conceptualizing it metaphorically.“ Bei Platon war es die Wachstafel, bei Diderot die Bibliothek und Schopenhauer sah das Gedächtnis als Tuch, bei welchem sich die Erinnerungen als Falten darstellen (vgl. Weinrich 1964: 24f.). Dabei sind die Metaphern abhängig vom jeweiligen Forschungsstand (vgl. Goschler 2006: 9). Da er nicht mehr auf Wachstafeln schrieb, sah Racine das Gedächtnis als Buch der Memoria, Bergson verglich es mit einem Fotoapparat (vgl. Weinrich 1964: 25) und mit dem Fortschreiten der Technik war ab den 1950er Jahren die Computermetapher sehr verbreitet (vgl. Goschler 2006: 155; Gibbs Jr. 2005: 5).
Die Faszination für das menschliche Gedächtnis ist verständlich, ist es doch sowohl für grundlegende Alltagshandlungen als auch für höhere kognitive Prozesse unabdingbar:
Ein menschliches Gedächtnis, das imstande ist zu lernen und neue Informationen längerfristig speichern kann, referiert demnach unter anderem auf die persönliche Vergangenheit und Erlebnisse. Ein Organismus muss eine gewisse Art von „Vorprogrammierung“ bereithalten, um ein Gedächtnis und daraus resultierende Lernvorgänge und Operationen überhaupt zu ermöglichen. (Steinhauser 2011: 8)
Somit ist auch für die Vermittlung von Wissen ein möglichst genaues Verständnis des menschlichen Gedächtnisses von hoher Relevanz, wofür Forschung in kognitiven Bereichen notwendig ist:
The primary purpose of education is to transmit knowledge; consequently, much educational and cognitive research has attempted to identify the basic psychological mechanisms by which information in texts and other educational sources is represented. (Clark & Paivio 1991: 158)
In Bezug auf den Aufbau und die Funktionsweise des Gedächtnisses sind für die vorliegende Schrift folgende Bereiche von besonderem Interesse:
1 die Differenzierung verschiedener Gedächtnismodelle,
2 die Gedächtnisprozesse, die eine Information von der ersten Begegnung bis zur endgültigen Speicherung durchlaufen kann,
3 verschiedene Gedächtnismodelle,
4 neurobiologische Grundlagen des Gedächtnisses,
5 Ursachen des Vergessens und Möglichkeiten der Verbesserung des Gedächtnisses und
6 die Anfänge der experimentellen Gedächtnisforschung, die bis zur Gegenwart noch Relevanz haben.
2.5.1 Gedächtnisarten
Stork (2003: 65) weist darauf hin, dass „nicht nur verschiedene Gedächtnisspeicher, sondern auch sog. Gedächtnissysteme“ voneinander unterschieden werden können und spricht in diesem Kontext von „Gedächtnisarten“ (ebd.). Diese werden häufig paarweise beschrieben und gegeneinander kontrastiert: So unterscheidet man das deklarative von dem prozeduralen Gedächtnis, das episodische von dem semantischen und das implizite von dem expliziten Gedächtnis (vgl. ebd.).
Das deklarative Wissen entspricht dem Faktenwissen, wie z. B. Jahreszahlen, das eine Person entweder hat oder nicht (Alles-oder-nichts-Prinzip) und das häufig verbal vermittelt werden kann, während prozedurales Wissen, wie z. B. Fahrradfahren, eher Fertigkeiten entspricht, in Teilen vorhanden sein kann, durch Übung erworben wird und oft besser gezeigt als erklärt werden kann (vgl. ebd., Michel & Novak 2004: 149). „Deklaratives Wissen wird häufig beschrieben als ‚Wissen, dass‘ (knowing that) und prozedurales Wissen als ‚Wissen, wie‘ (knowing how).“ (Stork 2003: 65)
Tulving (1972) gliedert das deklarative Gedächtnis in zwei Unterformen: das episodische und das semantische Gedächtnis, wobei ersteres auf Erfahrungen aus persönlichen Erlebnissen basiert, während sich das zweite auf Kenntnisse über Sachverhalte, Weltwissen, aber auch auf die Bedeutung von Begriffen und Wörtern bezieht (vgl. Stork 2003: 66).
Die Fähigkeiten im impliziten Gedächtnis werden gekonnt oder verbessert, ohne dass sich die betreffende Person bewusst an die Erfahrung erinnern kann, die dazu geführt hat. Im Gegensatz dazu erfordert das explizite Gedächtnis das bewusste Erinnern. (vgl. ebd.)
2.5.2 Gedächtnisprozesse und die Relevanz der Aufmerksamkeit
Die Phasen der Informationsverarbeitung im Gedächtnis gliedern sich in Aufnahme (encoding), Speicherung (storage) und Abruf (retrieval) einer Information. Da die Aufmerksamkeit zum Zeitpunkt der Enkodierung eine zentrale Rolle spielt, wird sie an dieser Stelle ebenfalls beleuchtet.
2.5.2.1 Aufmerksamkeit
Es gilt „Aufmerksamkeit sowohl als Eigenschaft des lernenden Individuums als auch im pädagogisch-didaktischen Sinne als Bestandteil und Voraussetzung des Lehr-und Lernprozesses zu betrachten“ (Arndt & Sambanis 2017: 59). Spitzer (2009: 155) merkt an, dass „[j]e aufmerksamer ein Mensch ist, desto besser wird er bestimmte Inhalte behalten“, und unterscheidet die grundsätzliche Aufmerksamkeit (Vigilanz) von der selektiven Aufmerksamkeit, bei der sich eine Person auf einen bestimmten Bereich, z. B. einen Aspekt, einen Ort oder einen anderen Wahrnehmungsgegenstand, fokussiert (vgl. Spitzer 2009: 155).
Während die Vigilanz die Aktivierung des Gehirns überhaupt betrifft, bewirkt die selektive Aufmerksamkeit eine Zunahme der Aktivierung genau derjenigen Gehirnareale, welche die jeweils aufmerksam und damit bevorzugt behandelte Information verarbeiten. (ebd.)
Sollen Gedächtnisinhalte gespeichert werden, ist somit die selektive Aufmerksamkeit von hoher Relevanz, woraus sich schlussfolgern lässt: „Wie intensiv wir die prinzipiell vorhandenen Verarbeitungskapazitäten nutzen können, ist also abhängig von unserer Wachheit“ (Arndt & Sambanis 2017: 59). Aufmerksamkeit stellt allerdings eine nicht unerschöpfliche Ressource dar, weswegen gut abgewogen werden muss, worauf sie gelenkt werden soll, was impliziert, dass „die Hinwendung zu etwas Bestimmten“ (ebd.) mit der „Nichtbeachtung von etwas anderem“ (ebd.) einhergeht. Dabei hat die Begrenzung unserer Aufmerksamkeit „sowohl strukturelle wie auch energetische Ursachen, die im Aufbau und der Funktionsweise unseres Gehirns als Organ begründet liegen“ (ebd.). Ist die nötige Aufmerksamkeit gegeben, sind an der Verankerung neuen Wissens im Gehirn zwei Vorgehen maßgeblich beteiligt, nämlich die Enkodierung sowie die Konsolidierung.
2.5.2.2 Enkodierung und Konsolidierung
Über die Sinnesorgane gelangen Reizinformationen aus der Umwelt ins Gehirn, wo sie zunächst durch sensorische Prozesse in einen neuronalen Code umgewandelt werden, um somit in für Neuronen lesbare Informationen übersetzt bzw. verschlüsselt zu werden. Dies geschieht durch das Enkodieren (vgl. Sambanis & Walter 2019: 33). Jedoch sind einmal encodierte Reize nicht dauerhaft verfügbar, sondern zerfallen, um den hierfür zur Verfügung stehenden wertvollen und begrenzten Speicherplatz im Arbeitsgedächtnis wieder für neue Informationen freizugeben. Sollen Inhalte dauerhaft gespeichert werden, erfolgt ihre Sicherung durch einen zweiten Prozess: die Konsolidierung.
Konsolidierung bedeutet Verfestigen, in Zusammenhang mit Lernprozessen auch längerfristige Speicherung, Erreichen von Abrufbarkeit und Anwendbarkeit. (Sambanis 2013: 83)
Eben da liegt eine ernstzunehmende Herausforderung beim Lernen von Wörtern:
Die Erfahrungen mit Lehr- und Lernprozessen zeigen, dass die größten Schwierigkeiten des Wörterlernens in der Phase des Behaltens, d.h. dem langfristigen Speichern im mentalen Lexikon auftreten. (Neveling 2004: 12)
Sambanis und Walter (2019: 34) definieren Konsolidierung als „das Zeitfenster, in dem Prozesse der Festigung von Gedächtnisinhalten (vielfach einhergehend mit Löschprozessen) ablaufen“. Während der Konsolidierung finden „aus neurowissenschaftlicher Sicht Umbauprozesse auf der Ebene der synaptischen Verbindungen zwischen Nervenzellen“ (Arndt & Sambanis 2017: 170) statt. Über die Dauer der Konsolidierungsphase herrscht bei verschiedenen Autoren Uneinigkeit, wobei von einigen Stunden oder wenigen Tagen bis hin zu Monaten oder Jahren ausgegangen wird (vgl. Brand & Markowitsch 2009: 73). Die encodierte Information wird im Gedächtnis gespeichert und für einen späteren Abruf, das Erinnern, bereitgehalten (vgl. Becker-Carus & Wendt 2017: 355). Für die Konsolidierung spielt auch Schlaf eine Rolle. Im Schlaf werden Informationen an den Hippocampus weitergegeben (vgl. Sambanis 2013: 85). Der Mythos des aktiven Lernens unbekannter Inhalte im Schlaf kann allerdings nicht bestätigt werden.
Während sich die Annahme, im Schlaf könnten aktive Aufbauprozesse stattfinden, also beispielsweise über Kopfhörer Wörter gelernt werden, als irrig, wenn auch marktstrategisch reizvoll erwiesen hat, wird im Schlaf intensiv nachbereitet, letztlich also doch gelernt, allerdings eben konsolidierend. (ebd.)
2.5.2.3 Lexikalischer Abruf
Es lohnt, Vorgänge lexikalischer Speicherung zu kennen und Lerngelegenheiten darauf basierend auszurichten, da dies den Abruf erleichtert (vgl. Neveling 2004: 49f.). Als förderlich für einen gezielten Abruf und die hierfür notwendige Grundlage einer möglichst langfristigen Speicherung erweisen sich verschiedene Faktoren, die Neveling (ebd.: 57) folgendermaßen listet: So sollten Begriffe „mehrkanalig“ zur Verfügung gestellt und in „sinnhaltige Verbindungen mit den bestehenden Wortknoten“ (ebd.) gebracht werden. Zudem intensivieren „[m]ultiple und multimodale Einordnungen durch den Lerner selbst […] die Verarbeitungstiefe“ und verstärken „die Möglichkeit, über mehrere Verbindungsspuren zu dem gesuchten Wort zu gelangen.“ (ebd.) Einander ähnliche Wörter können zu Interferenzen führen und sollten deshalb mit etwas Abstand zueinander gelernt werden. „Wörter mit niedriger Semantizität hingegen sollen mit hochsemantischen relationiert werden“ (ebd.), ergo mit „konkreten Wörtern, Bildern und affektiv belegten Erlebnissen.“ (ebd.) Um dem Zerfall von Gedächtnisspuren entgegenzuwirken und zugleich „partiell benachbarte Wortknoten“ (ebd.) zu aktivieren, zeigen sich Wiederholungen als dienlich.
Für den lexikalischen Zugriff, womit der Abruf auf gespeicherte Wörter für den rezeptiven oder produktiven Gebrauch gemeint ist, gibt es verschiedene Modelle wie die Kaskaden-Aktivierungsmodelle und die discrete-serial-Modelle, die immer auf den Vorstellungen des mentalen Lexikons beruhen (vgl. Kehrein 2013: 16).
Discrete-serial-Modellen zufolge werden nur ausgewählte Lemmata phonologisch aktiviert, während bei Kaskaden-Aktivierungsmodellen angenommen wird, dass alle durch das Gedächtnis aktivierten lexikalischen Knoten eine entsprechende – schwächere oder stärkere – phonologische Aktivierung verursachen. (Teymoortash 2010: 96)
Jedoch ist bei einem erfolgreichen Abruf der gesuchten lexikalischen Einheit nicht nur der Zugriff auf die Information maßgeblich, denn „[j]eder Abruf führt grundsätzlich auch zu einer Neueinspeicherung (Re-Enkodierung) des Inhalts“ (Brand & Markowitsch 2009: 75), was den Vorteil hat, dass aufgrund des Abrufs der Inhalt erneut gefestigt und somit stabiler wird. Dies birgt allerdings auch eine Gefahr, da es „nicht selten zu Verfälschungen bei der Re-Enkodierung [kommt], d.h. dass sich die Inhalte sukzessive und unmerklich verändern können“ (Brand & Markowitsch 2009: 75).