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Einleitung

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Dass die Verteidigung von Ausländern zahlreiche Besonderheiten aufweist, wird in der Praxis oft übersehen. Die Folge sind schwere, oft irreparable Fehler, die im Falle frühzeitigen Handelns vermeidbar gewesen wären. Der Verteidiger sollte sich also bereits bei Übernahme des Mandates bewusst sein, dass die Ausländereigenschaft seines Mandanten zusätzliche Schwierigkeiten zur Folge haben wird.

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Eines der größten Probleme stellt die Sprachbarriere dar. Verständigungsschwierigkeiten hindern den kurzfristigen Informationsaustausch. Stets wird die Beiziehung fachkundiger Hilfskräfte erforderlich, was zu erheblichen Zeitverzögerungen führen kann und den Umgang mit dem Mandanten äußerst arbeitsintensiv gestaltet. Die Problematik wird durch die zum Teil immer noch sehr restriktive Rechtsprechung zur „Erstattungsfähigkeit von Dolmetscherkosten“ zusätzlich verschärft; bleibt die Finanzierung der Dolmetscherkosten offen, ist in der Regel die gesamte Verteidigung in Frage gestellt.

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Daneben hat der Verteidiger zu beachten, dass – bei Gerichten und Behörden – vielfach nicht ausreichend qualifizierte Dolmetscher zum Einsatz kommen. Oft werden nicht allgemein vereidigte Dolmetscher herangezogen; es wird auf Sprachmittler zurückgegriffen, die ihre Qualifikation und Zuverlässigkeit nicht nachgewiesen haben. Dem liegt die Annahme zugrunde, jemand, der zwei Sprachen fließend spreche, sei als Dolmetscher im Gerichtsverfahren geeignet. Dies ist ein grundlegender Irrtum, wie durch in der Praxis auftretende Qualifikationsmängel bestätigt wird. Besonders gravierend wirken sich solche Mängel aus, wenn der Dolmetscher – wie so oft – lediglich eine vom Ausländer gesprochene „Drittsprache“ beherrscht. Ist dem Mandanten die Kommunikation in seiner Muttersprache verwehrt, potenzieren sich mögliche Fehlerquellen, so dass der Wert der Dolmetscherleistung zusätzlich in Frage gestellt wird. Dies gilt es bereits bei der Auswahlentscheidung zu beachten; daneben hat der Verteidiger die Arbeit des Dolmetschers stets kritisch zu prüfen und im Falle von Qualifikationsmängeln auf dessen Ablösung hinzuwirken.

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Ist die Verständigungslücke durch Beiziehung eines qualifizierten Sprachmittlers geschlossen, muss sich der Verteidiger oftmals auch auf einen anderen kulturellen und rechtlichen Hintergrund einstellen. Fragen nach der Bestechlichkeit von Richtern und Staatsanwälten sollten den Verteidiger ebenso wenig überraschen, wie konsequentes Leugnen der Tat trotz erdrückender Beweislage. In bestimmten Kulturkreisen stellt ein Tateingeständnis eine Schmach dar, die sich auf die ganze Familie erstrecken kann. Ein noch so eindringlicher Hinweis auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses bewirkt dann nichts. Der Mandant geht lieber erhobenen Hauptes unter. Rät der Verteidiger zu einem – aus Sicht des Mandanten – „schädlichen Geständnis“, entstehen mitunter sogar ernsthafte Zweifel an der Qualifikation des Verteidigers, die das Vertrauensverhältnis schwer belasten können. Im Umgang mit ausländischen Mandanten ist daher stets viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl gefordert.

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Abgesehen hiervon können abweichende Wertvorstellungen eine andere Bewertung der Tat rechtfertigen. Normunkenntnis kann die Annahme eines Verbotsirrtums oder Rechtfertigungsgrundes nahe legen; daneben kann das anderweitige Rechtsverständnis im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sein. Nicht zuletzt kann eine andere Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale – z.B. „niedrige Beweggründe“ – geboten sein, so dass die Weltanschauung des Mandanten im Bereich des materiellen Strafrechts ein erhebliches Verteidigungspotential eröffnet.

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Ferner ist bei ausländischen Mandanten stets die Gefahr ausländerrechtlicher Folgemaßnahmen zu beachten. Obwohl der BGH der drohenden Ausweisung – in ständiger Rechtsprechung – den strafzumessungserheblichen Charakter abspricht, wird die erfolgreiche Verteidigung von Ausländern nicht selten mit der Vermeidung ausländerrechtlicher Maßnahmen gleichgesetzt; eine der ersten Fragen des ausländischen Mandanten lautet in der Regel: „Werde ich ausgewiesen?“ Hält man sich weiter vor Augen, dass die schriftlichen Urteilsgründe in der Regel die einzige Entscheidungsgrundlage der Ausländerbehörde darstellen, wird schnell deutlich, dass bereits im Strafverfahren der Grundstein für die spätere Ausweisungsentscheidung gelegt wird. Verteidigung von Ausländern bedeutet daher auch bereits im Strafverfahren mit Blick auf die drohende Ausweisung zu verteidigen. Wird der „Kampf um die Ausweisung“ – wie so oft – erst nach Rechtskraft des Urteils aufgenommen, ist dieser häufig verloren ehe er überhaupt begonnen hat. Der Verteidiger hat daher bereits zu Beginn des Mandates die wesentlichen Eckdaten zu erfassen – siehe Checkliste (Rn. 122) –, die Gefahr ausländerrechtlicher Maßnahmen zu prüfen und diese als wesentlichen Bestandteil in seine Verteidigungsstrategie zu integrieren.

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Dass die verfahrensrechtlichen Besonderheiten, wie z.B. Dolmetscherbeiordnung, Pflichtverteidigung, Untersuchungshaft und Verfahrenseinstellungen gemäß § 154b StPO, erhöhte Aufmerksamkeit erfordern, wurde bereits ausgeführt. In besonderem Maße gilt dies auch für die Verteidigung in der Strafvollstreckung, da dem verurteilten Ausländer verschiedene Vollstreckungsalternativen offen stehen, deren (richtige) Wahl entscheidenden Einfluss auf die effektive Länge der Haftzeit haben kann. Die Kenntnis einer Vielzahl von Vorschriften – z.B. § 456a StPO –, Gesetzen – z.B. ÜAG –, bilateraler Abkommen – z.B. ÜberstÜbK – und anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen ist ebenso erforderlich, wie eine fundierte Beratung bzgl. der Vor- und Nachteile der einzelnen Vollstreckungsalternativen.

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Im Strafvollzug steht die restriktive Gewährung von Vollzugslockerungen im Vordergrund; ausländischen Gefangenen bleiben Lockerungen – z.B. Urlaub oder die Verlegung in den offenen Vollzug – in der Regel verwehrt. Die vorhandene Sprachbarriere, fehlende Besuche und die häufig empfundene Diskriminierung stellen nur einige Punkte dar, die den Vollzugsalltag des ausländischen Gefangenen zusätzlich belasten. Hier ist in erster Linie die Kenntnis der wenigen einschlägigen Gerichtsentscheidungen gefragt; daneben muss sich der Verteidiger auf den „Gang durch die Instanzen“ einstellen, da positive Vollzugsentscheidungen häufig erkämpft werden müssen.

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Einen weiteren Schwerpunkt bildet schließlich die Verteidigung in der Abschiebungs- und Auslieferungshaft. Droht dem ausländischen Mandanten die Auslieferung, bedarf es fundierter Kenntnisse des internationalen Rechtshilfeverkehrs; daneben können Recherchen bzgl. des im Heimatland des Mandanten geltenden Rechts erforderlich werden, die ein erhöhtes – oft nicht ausreichend bezahltes – Engagement des Verteidigers voraussetzen. Auch hier wird schnell deutlich, dass der Verteidiger ein besonders arbeitsintensives Mandat übernommen hat.

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Nach diesem einführenden „Problemaufriss“ sei noch der kurze Hinweis gestattet, dass das vorliegende Werk seiner Konzeption nach ein Praxishandbuch darstellt, dessen Schwerpunkt in der Darstellung der (obergerichtlichen) Rechtsprechung liegt; zahlreiche Arbeitshilfen – Tabellen, Übersichten, Checklisten, Musterschriftsätze, Gesetzestexte, Verwaltungsrichtlinien, völkerrechtliche Verträge[1] und praktische „Hinweise“ – sollen den Wert des Buches erhöhen. Auf eine Detaildarstellung weiterführender Literatur wurde bewusst verzichtet, da diese den Rahmen eines „Praxishandbuchs“ bei weitem sprengen würde; insoweit sei also der interessierte Leser auf die in den Fußnoten angegebene (Kommentar-)literatur verwiesen.

Anmerkungen

[1]

Musterschriftsätze, die wichtigsten Gesetzestexte, Verwaltungsrichtlinien und völkerrechtliche Verträge sind im Volltext auf der Homepage www.verteidigung-von-auslaendern.de unter der Rubrik „Download“ abrufbar.

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht

Inhaltsverzeichnis

I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe

II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung

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Obwohl der BGH – in ständiger Rechtsprechung[1] – der drohenden Ausweisung den strafzumessungserheblichen Charakter abspricht, wird die erfolgreiche Verteidigung von Ausländern nicht selten mit der Vermeidung ausländerrechtlicher Maßnahmen gleichgesetzt. Eine der ersten Fragen des ausländischen Mandanten lautet in der Regel: „Werde ich ausgewiesen?“

Hält man sich weiter vor Augen, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften auf eine Vielzahl verschiedener Gesetze und bilateraler Abkommen verteilt sind und zudem das Strafurteil im späteren verwaltungsrechtlichen Verfahren oft die einzige Entscheidungsgrundlage darstellt,[2] wird schnell deutlich, dass auch der Verteidiger über ein solides ausländerrechtliches Basiswissen verfügen muss, will er den ausländischen Mandanten mit Blick auf die drohende Ausweisung sachgerecht verteidigen.

Anmerkungen

[1]

Vgl. BGH NStZ-RR 2000, 297, 298 m.w.N.

[2]

Vgl. BVerwGE 35, 291, 294.

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe

I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe

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Auch die Verteidigung von Ausländern setzt daher zunächst die Kenntnis der ausländerrechtlichen Terminologie voraus:

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe › 1. Ausländer

1. Ausländer

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Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher i.S.d. Grundgesetzes ist.

Wegen der negativen Abgrenzung in § 2 Abs. 1 AufenthG ist also allein darauf abzustellen, ob der Betreffende den Status des Deutschen nach Art. 116 Abs. 1 GG (nicht) besitzt. Der Staatenlose ist demnach kein Deutscher. Ist die deutsche Staatsangehörigkeit einer Person ungeklärt, wird sie grundsätzlich als Ausländer behandelt[1].

Anmerkungen

[1]

GK-AufenthG-Funke-Kaiser § 2 AufenthG Rn. 7 m.w.N.

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe › 2. Aufenthaltstitel

2. Aufenthaltstitel

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EinAufenthaltstitel wird ausschließlich erteilt als,


Aufenthaltserlaubnis; die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel (§ 7 Abs. 1 AufenthG). Eine Erteilung kann insbesondere zum Zwecke der Erwerbstätigkeit (§§ 18 ff. AufenthG), Ausbildung (§§ 16 f. AufenthG), zum Zwecke des Familiennachzuges (§§ 27 ff. AufenthG) oder aus humanitären Gründen (§§ 22 ff. AufenthG) erfolgen. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis daneben auch für einen vom Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Die Aufenthaltserlaubnis ist räumlich unbeschränkt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) und kann mit Bedingungen und Auflagen – insbesondere einer räumlichen Beschränkung – verbunden werden (§ 12 Abs. 2 AufenthG).

Hinweis

Besondere Beachtung verdient die Möglichkeit (mutmaßlichen) Opfern bestimmter Straftaten gemäß § 25 Abs. 4a, Abs. 4b AufenthG aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, die im Einzelfall sogar nach Beendigung des Strafverfahrens verlängert werden kann;[1] zu Recht wird gemutmaßt, dass die damit verbundenen Vorzüge Zeugen motivieren können den Beschuldigten falsch zu belasten.[2]


Niederlassungserlaubnis; die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie berechtigt – zeitlich und räumlich unbeschränkt – zur Erwerbstätigkeit und darf grundsätzlich nicht mit Nebenbestimmungen versehen werden (§ 9 Abs. 1 AufenthG). Die Niederlassungserlaubnis wird unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 AufenthG – u.a. fünfjähriger Besitz einer Aufenthaltserlaubnis – erteilt.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU; die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU dient der Verfestigung des Aufenthalts eines Ausländers in Deutschland. Die Erlaubnis stellt die stärkste Form des Aufenthaltsrechts dar, die unter den Voraussetzungen des § 9a Abs. 2 AufenthG erteilt wird. Durch den Verweis in § 9a Abs. 1 AufenthG gelten die Bestimmungen zur Niederlassungserlaubnis, soweit das Gesetz nichts anderes regelt, d.h. die Erlaubnis berechtigt u.a. zur Ausübung einer Erwerbestätigkeit.

Kein Aufenthaltstitel ist,



Hinweis

Beachtenswert ist die zum 19.8.2007 erfolgte Neuregelung des § 60a AufenthG; die Vorschrift ist erheblich erweitert worden und lässt die Duldung u.a. zu, wenn eine „vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre.“ Vom Wortlaut erfasst wird nicht nur der Zeuge, sondern auch der Angeklagte.[4]


die Aufenthaltsgestattung; einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, ist der Aufenthalt zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet (§ 55 AsylG).

Anmerkungen

[1]

Vgl. BT-Drucks 18/4097, S. 41.

[2]

Jung StV 2015, 723/724.

[3]

Vgl. GK-AufenthG-Discher § 55 AufenthG Rn. 1276.

[4]

Jung StV 2007, 663, 664; GK-AufenthG-Funke-Kaiser § 60a Rn. 275.

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe › 3. Ausweisung

3. Ausweisung

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Die Ausweisung stellt das an den Ausländer gerichtete Gebot dar, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen; liegen Ausweisungsgründe vor, stellen diese – in der Regel – zugleich Ausschlussgründe bei der Erteilung (§ 11 Abs. 1 AufenthG), Verlängerung eines Aufenthaltstitels (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) oder bei der Einbürgerung § 11 Nr. 2 StAG) dar.[1] Die Ausweisung hat allein ordnungsrechtlichen Charakter. Sie soll nicht bestimmtes menschliches Verhalten sanktionieren, sondern allein der zukünftigen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorbeugen.[2] Die Ausweisung darf also nicht als Instrument zusätzlicher Bestrafung missverstanden werden. Gleichwohl wird sie aufgrund ihrer einschneidenden Folgen – Verlust der inländischen Existenz – vom Betroffenen oft härter empfunden als die strafrechtliche Sanktion selbst. Dieses Umstandes muss sich der Verteidiger stets bewusst sein.

Anmerkungen

[1]

Bergmann/Dienelt-Bauer Vorb §§ 53–56 AufenthG Rn. 16.

[2]

BVerwGE 42, 133, 138 m.w.N.

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe › 4. Abschiebung

4. Abschiebung

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Abschiebung ist die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht. Sie setzt neben der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht die fehlende Gewähr für deren freiwillige Erfüllung voraus. Außerdem muss in der Regel zuvor eine Abschiebungsandrohung mit der Bestimmung einer Ausreisefrist ergehen. Schließlich darf der Abschiebung kein Abschiebeverbot oder -hindernis entgegenstehen.

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung

II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung

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Da das Strafurteil oftmals die einzige Entscheidungsgrundlage der Ausländerbehörde bildet,[1] stellt es einen schweren Verteidigungsfehler dar, wenn der „Kampf um die Ausweisung“ – wie so oft – erst im verwaltungsrechtlichen (Vor-)Verfahren aufgenommen wird. Ist der Ausweisungsgrund durch das strafrechtliche Urteil „festgeschrieben“, ist der Handlungsspielraum erheblich eingeschränkt. Die Chancen, ausländerrechtliche Maßnahmen zu vermeiden, können dagegen beträchtlich erhöht werden, wenn der Verteidiger bereits im Strafverfahren gestaltend tätig wird und mit Blick auf die drohende Ausweisungsentscheidung verteidigt.[2] Die Frage der drohenden Ausweisung sollte daher bei Festlegung der Verteidigungsstrategie (vgl. Rn. 459) stets Berücksichtigung finden.

Anmerkungen

[1]

Vgl. BVerwGE 35, 291, 294.

[2]

Vgl. auch Ventzke StV 1994, 337, 338; Jung StV 2004, 567 ff.

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung › 1. Vorbemerkung

1. Vorbemerkung

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Zum Jahresanfang 2016 wurde das im Aufenthaltsgesetz geregelte Ausweisungsrecht grundlegend reformiert bzw. erheblich verschärft. Eine erste Änderung[1] trat zum 1.1.2016 in Kraft und war in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass der Gesetzgeber erheblichen Änderungsbedarf sah,[2] nachdem das bislang geltende Ausweisungsrecht – insbesondere durch die Rechtsprechung des EGMR – immer mehr Ausnahmen von der bislang geltenden Ausweisungssystematik vorsah. So war z.B. bereits nach altem Recht anerkannt, dass im Hinblick auf Art. 8 EMRK auch im Falle der „zwingenden Ausweisung“ (§ 53 AufenthG a.F.) eine Einzelfallprüfung geboten sein kann,[3] womit der Ausweisung zugleich der als „zwingend“ bezeichnete Charakter genommen wurde. Die erste Novelle diente also in erster Linie einer Anpassung an das durch die Rechtsprechung fortgebildete Recht; gleichwohl war bereits mit der ersten Änderung des AufenthG eine (erhebliche) Verschärfung einzelner Ausweisungstatbestände verbunden, da die Voraussetzungen gegenüber dem bislang geltenden Recht zum Teil erheblich herabgesetzt worden sind. Kaum war die Gesetzänderung in Kraft getreten entbrannte nach den „Kölner Vorfällen“ in der Silvesternacht 2015 eine (weitere) Diskussion um die Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes, die schließlich in eine zweite Novelle[4] mündete, welche zum 17.3.2016 in Kraft trat.

Hinweis

Eine Anpassung der Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz ist bislang nicht erfolgt. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Richtlinien zur alten Rechtslage übernommen werden, sofern die neue Rechtslage keinen zwingenden Anlass zur Änderung gibt. Wenn in der nachfolgenden Darstellung auf die Anwendungshinweise verwiesen wird, erfolgt dies in der Erwartung, dass die bislang geltenden Regelungen durch die Verwaltung auch weiterhin angewendet bzw. bei Änderung der Anwendungshinweise übernommen werden.

Gleiches gilt, soweit die nachfolgende Darstellung auf Rechtsprechung verweist, die vor dem 1.1.2016 ergangen ist; insoweit besteht die Erwartung, dass die dort zitierten Entscheidungen auf die Neuregelungen (entsprechend) angewandt werden.

Anmerkungen

[1]

Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl. I, 1386 ff.

[2]

BT-Drucks. 18/4097, S. 23, 49; Vgl. Bergmann/Dienelt-Bauer Vorb §§ 53–56 AufenthG Rn. 9.

[3]

Vgl. die 3. Auflage, Rn. 68, 96.

[4]

Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern, BGBl. 2016, 394 ff.

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9783811444690
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