Kitabı oku: «Die Kostenvermeidungsdirektive», sayfa 4

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Über das Hermigua-Tal, das Klarmanns etwas an in einem Bildband gesehene Bilder von Hawaii erinnerte, ging es durch Agulo zum Mirador de Agulo. Dieser Aussichtspunkt lag oberhalb des Dorfes vor einem Tunnel mit fast klarem Blick zum Teide. Der höchste Berg Spaniens hatte nur eine kleine Bauchbinde aus Wolken. Die wenigsten drehten sich mal in die Gegenrichtung und legten den Kopf in den Nacken. Wer dies tat, konnte oberhalb auf dem Berg die gläserne Aussichtsplattform des Mirador de Abrante sehen - diese war aber nicht Ziel des heutigen Ausfluges.

Über den Nationalpark Garajonay und den Nebelwald bei La Laguna ging es wieder talabwärts. Einen letzten Stopp machte Rico am Roque de Agando, dem „Zuckerhut Europas“. Dieser gefiel den beiden besser als der echte Zuckerhut in Rio. Wahrscheinlich war es das rechts steil abfallende Tal, das ihn deutlich höher und wuchtiger aussehen ließ als das Original. Am liebsten hätten sich Klarmanns hier auf die Wiese gesetzt und mehrere Stunden die Aus- und Ansicht sowie die nur durch wenige Autos unterbrochene Ruhe genossen. Die Welt konnte so schön sein! Während sie noch schauten, stiegen die anderen Teilnehmer nach ein paar schnell geknipsten Bildern schon wieder in den Bus. Schade, dass dieses Glück so schnell schon zu Ende war. Solch ein Glücksgefühl konnten sie bei etwas Gekauftem nie empfinden, egal, wie wertvoll es sein sollte.

Im Bus stellte Torsten erst einmal die Lehne so weit wie möglich nach hinten - sein Rücken schmerzte wieder mal. Glücklicherweise war die Sitzreihe hinter ihnen leer, sodass keiner dadurch eingeengt wurde. Während die Implantate leicht nach vorn gebogen waren, hatte er versucht, sich beim Betrachten des Roque de Agando nach hinten zu beugen - gegen die Implantate. Das war eine Anstrengung, die sein Körper nicht ungestraft hinnahm. Aus diesem Grund hatte er auch mit seinem Arbeitgeber vereinbart, dass er sich bei Schmerzen auf die Nothilfeliege legen und den Rücken entspannen durfte - natürlich musste er vorher ausstempeln.

Wieder auf der „Atlantico“ angekommen, war nicht mehr viel Zeit zum Mittagessen. Erst danach zogen sie sich um, duschten und begaben sich auf Deck 11, um noch etwas Sonne zu tanken und diese wunderbare Aussicht genießen zu können. Doch schnell bedeckte sich der Himmel und ein leichter Nebel zog auf - der normale Nachmittagsnebel auf La Gomera.

Nach dem Kaffee wurde die Sicht wieder klarer und die immer weiter sinkende Sonne zauberte kräftige Schatten in die Steilküste links vom Teide. Zum Abendessen lief die „Atlantico“ schon aus und beide Inseln sollten schnell am Horizont verschwinden. Als es dunkel wurde, gingen Klarmanns in ihre Kabine und sahen sich die heute geschossenen Bilder und Videoclips mithilfe eines USB-Adapters am Fernsehgerät an. Gudrun war immer noch hoch begeistert: „Also diese Reise würde ich am liebsten noch mehrmals mit AHOS machen! Das Gomera hat mir äußerst gut gefallen, nur schade, dass es nicht auch bei den Einwochentouren mit den größeren Schiffen angelaufen wird. Und schade finde ich auch, dass wir hier nur so kurz waren. Ich glaube, dass es auf dieser Insel noch viele schöne Ecken zu sehen gibt.“ „Dann lass uns doch hier mal ein bis zwei Wochen Urlaub machen - ganz ohne Schiff“, schlug er vor. „Nein, auf diesen ‘Luxus’ möchte ich auch nicht mehr verzichten - ohne Überbuchung, eine relativ gute Sauberkeit, tolles Essen. Ich habe nicht vor, noch mit sechzig die Nacht am Strand zu verbringen, wie wir das 1994 auf Mallorca mussten, weil das Hotel überbucht war. Und vergiss nicht 1997, als uns das Hotel auf Gran Canaria zu viert in ein Zweibettzimmer stecken wollte, obwohl wir zwei Zweibettzimmer gebucht und bezahlt hatten - und deren Büfett war ja auch gerade so zum Überleben, verglichen mit dem, was uns AHOS bietet“, spöttelte sie. „Ich werde nur noch mit AHOS verreisen - wenn die nur mal ein paar neue Reiseziele anbieten würden; solche, die uns noch interessieren.“ „Das wäre?“, fragte er sie, obwohl er die Antwort schon jetzt kannte. „Na, die Pazifikküste von Alaska bis Chile, Neuseeland, die Südsee und Südafrika kann ich dir da gleich nennen.“ „Ich glaube nicht, dass die wenigstens einen Teil davon realisieren werden, solange wir noch reisefähig sind beziehungsweise das Geld noch dafür haben“, bezweifelte er die weitere Entwicklung. „Allerdings verstehe ich nicht so ganz, wie man ein Schiff ‘Pazifico’ taufen kann und es dann meist nur in Ost- und Nordsee kreuzt - der Name sollte doch Programm sein, genau wie bei der ‘Atlantico’!“, äußerte Gudrun nicht ganz so ernst gemeint.

Abends gingen sie noch an die AHOS-Bar, um vor dem Zubettgehen einen Cocktail zu trinken. Dort unterhielten sie sich mit einem Paar, das heute an einem anderen Ausflug teilgenommen hatte, und ließen sich deren Erlebnisse schildern.

Die beiden nächsten Tage waren sogenannte „Seetage“, also ohne Landausflüge. Während dieser beiden Tage trug die „Atlantico“ ihre Passagiere Richtung Süden zu den Kapverden. „Seetag“ bedeutete Frühstück, Mittag, Kaffee, Abendessen. Dazwischen das Sonnendeck zum Chillen oder „sich-selbst-grillen“, wenn man sich nicht eine der Informationsveranstaltungen zu den kommenden Landausflügen antat oder an einem Kurs teilnahm. Gudrun hätte eigentlich gern am Tanzkurs teilgenommen. Aber Torsten war ein totaler Tanzmuffel - nicht weil er nicht gern tanzen würde, sondern weil ihm der Rhythmus im Blut fehlte, wie er immer selbst sagte. Er befürchtete, Gudrun dabei mehr auf den Füßen herumzutrampeln. Seine Frau war nicht gerade schlank (das waren beide über dreißig Jahre lang gewesen, also kann man auch mal dreißig Jahre nicht ganz so schlank sein), hatte aber den Rhythmus und das Temperament einer Brasilianerin im Blut. Sag mal einer, dass vollschlanke Frauen nicht auch beweglich sein können! „Und beim Schimpfen hast du das Temperament einer Italienerin“, frotzelte er immer wieder gern. Da er dabei ständig so lausbübisch grinste, konnte sie ihm diese Feststellung nie übel nehmen - sie war ja auch berechtigt.

Als Klarmanns während des ersten Seetages auf dem Sonnendeck lagen, erzählte sie ihm schmunzelnd, was sich an ihrem letzten Arbeitstag vor dem Urlaub ereignet hatte: "Zur Mittagszeit war es, wie so oft, an den Kassen ziemlich voll - um diese Zeit gehen nicht nur die Arbeitenden sich schnell etwas zum Essen holen, sondern ich habe das Gefühl, dass zu dieser Zeit alle Rentner, Urlauber und Arbeitslosen im Supermarkt einkaufen müssen. Hinten in der Schlange an meiner Kasse stand ein Handwerker, der lautstark rief, dass alle heute nicht Arbeitenden gefälligst die arbeitende Bevölkerung vorlassen sollen - deren Mittagspause sei im Gegensatz zu der aller anderen stark begrenzt. Was meinst du, was dann los war?", lachte sie bei der Erinnerung daran. Torsten vermutete, dass der Handwerker vorgelassen worden war. "Überhaupt nicht, es brach eine Empörungswelle gegen ihn los mit dem Grundtenor, dass die Rentner und Urlauber einen vollen Terminkalender haben und deshalb die 'arbeitende Bevölkerung' nicht vorlassen können - da war etwas los! Und zwar so gewaltig, dass sich der Handwerker an einer anderen Kasse hinten anstellte, ohne nochmals seine Frage zu wiederholen." Torsten schmunzelte bei der Vorstellung über die 'Rentner-Revolte': "Und trotzdem empfinde ich das ebenso wie dieser Handwerker. Die Rentner und Urlauber müssen doch nicht genau dann einkaufen, wenn diejenigen, die ihre Rente verdienen, sich mittags etwas zu Essen holen möchten!"

Am zweiten Seetag nachmittags bemerkte sie, dass er ständig in die gleiche Richtung starrte. Dort lag ein etwa gut siebzigjähriges Paar. Musste sie da eifersüchtig werden? Sie schubste ihn an und fragte leise: „Was starrst Du denn die ganze Zeit auf die Frau im blauen Bikini? Gefällt sie dir?“ „So a Schmarrn, ich habe nur das Ergebnis ihres Gesichtsliftings beobachtet. Die Frau kann doch kaum noch grinsen, geschweige denn richtig lachen. Und die sehen alle so gleich aus, wie vom Fließband einer Fabrik“, wehrte er ihre aufkommende Eifersucht ab. „Soll ich mich auch liften lassen?“, fragte sie ihn. „Bloß nicht, ich liebe dich so, wie du bist!“ „Das hast du mir aber schon lange nicht mehr gesagt“, lächelte sie zurück. „Aber es ist doch so, dass ich immer mehr Falten bekomme und dieses glatte Gesicht sieht doch jung aus. Gefällt dir das nicht?“ „Dann schaue einfach mal auf ihren Hals und du weißt, wie alt die Alte wirklich ist!“ Er musste über seine eigene Formulierung grinsen. Nein, er wollte seine schon vorhandenen wie die noch dazukommenden Falten in Ehren tragen. Damit sah er garantiert nicht mehr so jugendlich im Gesicht aus, aber er hatte ein individuelles, sein eigenes, Gesicht. Das war ihm deutlich lieber. Von seiner Frau würde er auch nicht verlangen, sich für ihn unters Messer zu legen. Falten gehören nun mal zum Alter! Und was nutzt das jugendlichste Gesicht, wenn man am Hals aussieht, als würde man dort das gegerbte Leder einer Bergziege tragen. Oder die Vorstellung, dass ein jugendliches Gesicht einen Rollator vor sich herschieben würde! Er musste bei diesem Bild schon wieder innerlich grinsen. Außerdem würde er lieber mit einem faltigen Gesicht eine weitere Reise unternehmen, als mit einem glatten auf eine zu verzichten!

Am Morgen nach dem zweiten Seetag standen Klarmanns noch etwas eher auf, um die Einfahrt in den Hafen von Mindelo auf der kapverdischen Insel São Vicente mitzuerleben. Die „Atlantico“ befand sich schon zwischen den beiden, etwa zwölf Kilometer voneinander entfernten, Inseln São Vicente und Santo Antão im Kanal de São Vicente. Achtern war das Inselchen Ilhéu dos Pássaros, zwischen den beiden großen Inseln liegend, zu erkennen. Torsten Klarmann fotografierte das durch die Propeller aufgewühlte, hellblaue Wasser, das ansonsten zurzeit noch Grau aussah. Vor vier Jahren hatten sie sich zur Mittagszeit an dem türkisfarbenen Wasser erfreut.

Mit der „Atlantico“ fuhren sie gerade inmitten einer abgesoffenen Caldera herum, die Ilhéu dos Pássaros ist das Überbleibsel eines Vulkandomes. Mit einem hochseetüchtigen Schiff in einer Caldera herumfahren zu können, ist weltweit auch nicht an allzu vielen Stellen möglich. Die Europäern wohl bekannteste Möglichkeit dazu ist die Insel Santorin im Mittelmeer. Steuerbord lag der 490 Meter hohe „Monte Cara“ - der „Gesichtsberg“. Er sah wirklich aus wie ein liegendes Gesicht: die Stirn Richtung Santo Antão, das Kinn in Richtung Süden gerichtet. In Fahrtrichtung voraus war der höchste Berg von São Vicente, der 750 Meter hohe Monte Verde, zu sehen. Er schien direkt an die Hafenstadt Mindelo anzugrenzen. Hinter ihm färbte die aufgehende Sonne den Himmel durchgehend goldfarben. Vom Schiff aus betrachtet, hatte der Monte Verde auf der rechts abfallenden Seite eine fast kreisrunde Einbuchtung, durch die soeben die Sonne lugte. Der goldfarbene Himmel wurde in Richtung Sonne immer weißer, die ihre Strahlen durch die Einbuchtung am schwarz erscheinenden Monte Verde sandte. Reaktionsschnell hielt Torsten Klarmann diesen „goldenen“ Augenblick mit der Kamera fest. So etwas liebte er!

Klarmanns hatten für den heutigen Tag keinen Landausflug geplant. Auf die Spitze des Monte Verde kam man nicht, der angebotene Ausflug führte nur an dessen Nordseite etwas nach oben, von wo man auf Mindelo und den Hafen blicken konnte. Die Strecke führte hauptsächlich über Kopfsteinpflasterstraßen, die Torstens Implantaten nicht gerade gut tun würden. Da sie für den kommenden Tag die lange Tour über die ganze Insel Santiago geplant hatten, blieben sie an Bord - übrigens nicht als Einzige.

Morgens herrschte dann nach dem Start der organisierten Ausflüge eine fast unheimliche Ruhe auf dem Pooldeck - keine Animation, keine Beschallung. Die an Bord gebliebenen Passagiere nutzten die Möglichkeit, im kleinen Pool mal fast ungestört ein paar Schwimmzüge machen zu können, ohne gleich am nächsten Mitreisenden anzuecken.

Während die Passagiere, egal ob an Bord oder an Land, ihren Urlaub genossen, saß Friederike Oberndorfer in ihrem Büro auf Deck 6 und vervollständigte die Ausflugsplanung für den kommenden Tag. Gestern Abend war Verkaufsschluss für die Ausflüge auf Santiago. Dabei wurde mit 238 Passagieren ein neuer Verkaufsrekord für die Stadtbesichtigung in Praia erzielt. Heute Morgen hatte sie die offiziellen Teilnehmerzahlen an die einzelnen Veranstalter gemeldet und kurz danach die jeweilige Anzahl von Bussen und Reiseleitern erhalten. Sie musste ihre Mitarbeiter auf die Busse verteilen, aber es sollten auch ein paar an Bord bleiben für den Verkauf der kommenden Ausflüge. Auf alle Buchungen, die über das Internet bis spätestens eine Woche vor Reisebeginn erfolgten, erhielten die Passagiere drei Prozent Rabatt auf die Ausflugspreise. Trotzdem buchten die meisten erst hier an Bord. Lag das vielleicht an dem hohen Altersdurchschnitt bei dieser Reise, weil die Internet-Affinität bei dieser Gruppe deutlich niedriger lag? Oder bevorzugten die Passagiere hier das persönliche Gespräch mit den Guides, um einfach die Zeit totzuschlagen? Oder war der Vorteil einer Online-Buchung mit circa 1,50 Euro bei einem Durchschnittsausflug so gering, dass dies nicht als Alternative in Betracht gezogen wurde? Vor allem, wenn man den Gesamtreisepreis damit verglich. Friederike wusste es nicht und AHOS selbst hatte dazu auch noch keine Untersuchungen angestellt.

Sicherlich gab es mehrere Gäste-Arten: Die einen buchten möglichst schon alles im Voraus, um sicherzugehen, auch am gewünschten Ausflug teilnehmen zu können - die Anzahl der Ausflugsplätze war teilweise begrenzt wegen der limitierten Anzahl der Sitzplätze in den zur Verfügung stehen Bussen. Das sind meist diejenigen, die eine Kreuzfahrt nur dazu „missbrauchen“, um ohne ständiges Kofferpacken mehrere Orte sehen zu können. Die eigentliche Seefahrt sehen sie meist nur als notwendiges Übel an und lassen diese mehr oder weniger über sich ergehen - Ausnahmen bestätigen die Regel.

Die zweite Art ließ alles auf sich zukommen und hätte es am liebsten, sich erst fünf Minuten vor Ausflugsbeginn entscheiden zu müssen.

Und die dritte Art ließ sich gern ausführlich beraten und wollte während des Gespräches mit eigenen Erfahrungen prahlen. Diese dritte Gruppe buchte dann meist während der ersten drei Reisetage alle Ausflüge für die gesamte Reise.

Unter der Leitung von Friederike Oberndorfer war dazu übergegangen worden, am Ausflugstag bis eine Stunde vor Beginn der Ausflüge noch offene Plätze, die AHOS gebucht hatte und damit auch bezahlen musste, anzubieten. Dies kam einigen Reisenden, die der zweiten Gruppe zuzuordnen waren, sehr entgegen - und natürlich AHOS auch.

Unter einem anderen Gesichtspunkt betrachtet, konnte man die Passagiere ebenso in zwei große Gruppen einteilen: Reisen mit vielen Häfen wurden von Familien und Paaren bevorzugt. Bei Reisen mit vielen Seetagen war dagegen statistisch ein deutlich höherer Single-Anteil vertreten. Wahrscheinlich fanden die allein reisenden Passagiere die Seetage dafür prädestiniert, andere anzubaggern - der oder die Ausgewählte hatte ja kaum eine Chance, der Balzerei zu entkommen. Doch es war Vorsicht geboten, wer die Regeln des Anstandes überschritt, lief Gefahr, im nächsten Hafen ohne jeden Kostenausgleich ausgesetzt zu werden.

Mit fortschreitender Zeit änderte sich der Sonnenstand und damit die Farben - sie wurden immer kräftiger und intensiver.

Gegen Mittag kamen dann die ersten Ausflügler wieder zurück, es wurde wieder voller und lauter auf dem Schiff.

Kurz vor dem geplanten Auslaufen liefen viele Fischereikutter aus, für deren Besatzungen begann ein neuer Arbeitstag. Pünktlich um achtzehn Uhr, nicht lange nach dem Sonnenuntergang hinter dem Monte Cara, lief die „Atlantico“ mit Kurs auf die Insel Santiago aus. Es war wirklich eine „blaue Stunde“ - das Meer, die Hafenmauern und alle Gebäude von Mindelo leuchteten in einem fast unwirklichen Blau in den verschiedensten Helligkeiten, unterbrochen durch die gelben Flecken der Straßen- und Zimmerbeleuchtungen. Nur die Gischt im Fahrwasser der „Atlantico“ sah noch weiß aus.

Kapitel 4 - Die Inselrundfahrt

Am fünften Reisetag wollten Klarmanns eigentlich noch eher aufstehen: Die „Atlantico“ musste von Nord nach Süd zwischen den beiden Inseln Fogo im Westen, also auf der Steuerbordseite und Santiago im Osten, also Backbord, hindurchfahren. Dies war sicherlich kein Kunststück, da beide Inseln etwa achtzig Kilometer entfernt lagen. Doch Klarmanns wollten während der Vorbeifahrt gern den Vulkan Fogo sehen. 2011 war aufgrund von Nebel nichts von ihm auch nur zu erahnen gewesen. Der „Pico de Fogo“ ist mit seinen 2829 Metern der höchste Berg der Kapverden und gleichzeitig ein Vulkan, der letztmalig im November 2014 ausgebrochen war. Dabei hatte er leider zwei Dörfer und eine große Fläche der dortigen Weinanbaugebiete zerstört. Gleichzeitig ist er der dritthöchste Vulkan im Nordatlantik.

Seit ihrer Norwegenreise 2013 wussten sie, dass auf einem speziellen Kanal auf dem Fernsehgerät die aktuelle Seekarte mit der bereits gefahrenen Route angezeigt wird. Torsten Klarmann stand gegen 5:30 Uhr auf und schaltete das TV-Gerät ein. Nach der Wahl des gewünschten Senders überkam ihn die Enttäuschung: Die „Atlantico“ war bereits gegen 4:45 Uhr am Fogo vorbeigefahren. Sie hätten also nie eine Chance gehabt, ihn vom Schiff aus zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt war es noch stockdunkel. So mussten sie darauf hoffen, während des heutigen Landausfluges eine bessere Sicht als vor vier Jahren zu haben. Torsten Klarmann stellte den Wecker auf 6:30 Uhr und legte sich nochmals hin.

Pünktlich acht Uhr lag die „Atlantico“ im Hafen von Praia, der Hauptstadt der Kapverden. Eine halbe Stunde später sollten die Ausflüge beginnen. Während der Online-Buchung des heutigen Ausfluges über die gesamte Insel war die Ausflugsdauer mit siebeneinhalb Stunden angegeben worden, auf den Ausflugstickets stand aber etwas von acht Stunden. Also packten Klarmanns zwei Literflaschen Wasser ein und eine Packung Kekse, die sie neben Parfüm für beide im Shop auf der „Atlantico“ zu einem wahrhaft fürstlichen Preis erworben hatten. Sie wussten noch von 2011, dass es erst gegen 12:30 Uhr Mittagessen geben würde. Für den heutigen Tag waren mehr als dreißig Grad im Schatten vorhergesagt worden - und die Busse haben keine Klimaanlage.

Der Treff an der Tanzfläche war voll: Den Ausflüglern wurde mitgeteilt, dass fünf Midi-Busse die Fahrt nach Tarrafal im Inselnorden unternehmen würden. Klarmanns waren angenehm überrascht: 2011 waren auf dieser Tour nur ein Midi-Bus und ein Ford Transit unterwegs gewesen. Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass man nur bei diesem Ausflug vieles dieser wunderbaren Landschaft sehen konnte. Und AHOS schien auf die gestiegene Nachfrage reagiert zu haben, fein!

In der Reihenfolge, wie die Ausflügler nach dem Abstieg durch das Treppenhaus an den Bussen ankamen, wurde sie auf diese verteilt. Dieses Jahr wurde der Ausflug durch eine andere Firma durchgeführt: CaVe-Tours. Klarmanns fanden im dritten Bus, dem einzigen Fahrzeug mit einer fliederfarbenen Bauchbinde, auf der hintersten, durchgehenden Sitzbank noch Platz: Gudrun setzte sich links ans Fenster, Torsten natürlich daneben. Auf der linken Seite des Busses waren Doppelsitze, dann der Mittelgang und rechts nur Einzelsitze. Der Platz rechts neben Torsten Klarmann blieb frei und an das rechte Fenster setzte sich ein noch etwas älterer, hagerer Herr mit Brille und einem dunklen Hütchen. Dessen Frau saß zwei Reihen weiter vorn auf einem Einzelplatz direkt auf der Hinterachse. Zwischen den beiden hatte sich eine etwa dreißigjährige Frau gesetzt. Vor Klarmanns saß ein männliches Pärchen mit deutlichem Altersunterschied. Der Jüngere der beiden saß vor Gudrun am bereits geöffneten Fenster. Im Gegensatz zu dem Ford Transit, den Klarmanns 2011 als Fahrzeug hatten, war der Toyota-Bus gut gepolstert, verfügte aber über keine Sicherheitsgurte.

Als Guide seitens AHOS begleitete Steffi Reiher, eine blond gefärbte, etwa dreiundzwanzigjährige AHOS-Mitarbeiterin, die Tour im Bus, um zu übersetzen. Steffi Reiher stammte aus Pfaffing im Norden des benachbarten Landkreises Rosenheim, trotzdem war ihr die bayerische Mundart so gut wie nicht anzuhören. Der kapverdische Reiseleiter Yemmi, komplett in Weiß gekleidet und mit einem nicht zu übersehenden Kreuzkettchen um den Hals, sprach Englisch. Kurz vor der Abfahrt winkte Torsten Steffi Reiher heran und bat sie, Reiseleiter und Fahrer mitzuteilen, dass Straßenunebenheiten möglichst langsam wegen seiner Implantate zu überfahren sind. Er wies auch noch einmal speziell auf die Kopfsteinpflasterstrecke auf der bevorstehenden Rückfahrt hin. Steffi nickte kurz und informierte daraufhin Yemmi auf Englisch. Dieser gab es auf Kreol an den Fahrer weiter. Neben der offiziellen Amtssprache Portugiesisch war Kreol als Sprache der Einheimischen weit verbreitet. Das vor Klarmanns sitzende männliche Pärchen regte sich deswegen leise darüber auf, dass der Busfahrer deshalb nicht zu beneiden sei.

Nach einer kurzen Kopfsteinpflasterstrecke im Hafenbereich ging es auf einer gut geteerten Straße in die Höhe und aus Praia heraus. Die Chinesen hatten etwa 2010 einen Großteil des Straßennetzes auf Santiago gegen die Überlassung von Fischereirechten geteert. Aufpassen musste der Fahrer also erst einmal nur wegen der eingebauten Speed Bumps oder Bodenwellen, die anstelle eines Ortseingangs- oder Ortsausgangsschildes in die Straße eingebaut waren - die Schilder hätten wohl die Fahrweise der Kapverdianer kaum bremsen können.

Ab und zu ließ Yemmi den Fahrer halten, damit sich alle etwas die Beine vertreten konnten. Diese Gelegenheit wurde natürlich dazu genutzt, Fotos zu schießen. Klarmanns waren sehr erfreut über dieses Verhalten, da die Teilnehmer auf der Tour 2011 immer wieder wegen eines Fotostopps fragen mussten - der damalige Reiseleiter wollte nur seine Aufgabe abspulen und hatte kaum etwas erzählt. Yemmi war genau das Gegenteil und wusste über alles und jeden auf der Insel etwas zu berichten - unabhängig davon, ob die Ausflugsteilnehmer die jeweilige Person überhaupt kannten. Steffi Reiher übersetzte alles ins Deutsche, wobei Klarmanns feststellten, dass sie das meiste von Yemmis Ausführungen auch so verstanden. Während die Ausflugsteilnehmer fast ausnahmslos die schönen Landschaften fotografierten, knipste der jüngere Herr des männlichen Pärchens Wäscheleinen, Slums und Dreckecken - es hat halt jeder einen anderen Geschmack.

Nach dem Besuch des botanischen Gartens gegenüber des mit 1394 Metern höchsten Berges der Insel, dem Pico da Antonia, fuhr der Bus auf einer Bergstraße immer höher. Von hier konnte man sehr gut erkennen, dass sie gerade aus einer riesigen Caldera heraus gefahren waren. Kurz vor Assomada gab es einen weiteren Fotostopp: Assomada zu Füßen konnte man rückwärts schauend die Bergketten, die einen Teil der Caldera bildeten, erkennen. Klarmanns fragten hier Yemmi auf Englisch nach einem Aussichtspunkt mit Blick zum Fogo. Dieser antwortete, dass es heute viel zu diesig und wolkig sei - diese Antwort war ziemlich enttäuschend für sie. In Assomada wurde die „Touristenmeute“ in wenigen Minuten über den dortigen Markt geführt, der am heutigen Sonntag so gut wie leer war. Danach kletterte die Straße immer höher in Richtung des Nationalparkes Serra Malagueta. Doch noch ein Stück vor Erreichen des Nationalparkes gab es den nächsten Fotostopp mit Blick zurück auf Assomada und zum Pico de Fogo! Beide Klarmanns hatten dessen schemenhaftes Profil seit Assomada schon mehrmals kurz gesehen, es war wirklich diesig und die Fotos mussten gegen die Sonne geschossen werden. Trotzdem freuten sie sich, dass Yemmi ihren Wunsch nicht vergessen hatte. Und während der Fahrt bis Tarrafal bekamen sie den Fogo vom Bus aus noch mehrmals zu Gesicht.

Nach einem kurzen Stopp auf der Straße, die mitten durch den Nationalpark führte, ging es wieder bergab zum ehemaligen KZ des portugiesischen Diktators Salazar. Wer auf die Idee gekommen war, den Ausflugsteilnehmern „die schönste Zeit des Jahres“ mit einem KZ-Besuch „zu versüßen“, würde wohl auf ewig ein Geheimnis von AHOS bleiben. Und Yemmis Erklärungsflut war auch hier nicht zu stoppen.

In Tarrafal gab es eine eineinhalbstündige Mittagspause mit Büfettessen und einer 1,5-Liter-Wasserflasche für je zwei der Ausflügler. Nach dem Essen, Reis mit Huhn und vielen gebratenen Zwiebeln, gingen die meisten hinunter an den Strand, der in einer Bucht lag. Klarmanns zog es zuerst zu den farbig angemalten Fischerbooten, die Torsten fotografieren wollte. Da sie nicht vorhatten, baden zu gehen, setzten sie sich zu anderen Teilnehmern in den Schatten eines Felsens, um hier die Beine mal richtig lang machen und dem leisen Meeresrauschen zuhören zu können. Die Kühle des Schattens tat gut.

Schnell war die Pause wieder vorbei und so nach und nach fanden sich die Ausflugsteilnehmer aller fünf Midi-Busse am zentralen Platz ein. Doch dort standen nur vier der Busse - der mit der fliederfarbenen Bauchbinde fehlte. Das konnte ja toll werden - die meisten hatten nur Geld, Badesachen und Fotoapparate mit ins Restaurant genommen, der Rest war im Bus liegen geblieben! Yemmi und Steffi Reiher diskutierten miteinander. Doch es dauerte noch eine ganze Weile, bis sich Yemmi bequemte, den Busfahrer per Handy anzurufen. Inzwischen waren alle anderen Busse schon abgefahren. Klarmanns unterhielten sich mit dem Herrn, der mit auf der hintersten Bank saß, und dessen Frau. Diese waren der Meinung, dass sich aufregen nichts bringt in der Wärme - wir sind in Afrika und da ticken die Uhren halt etwas anders. Da wird eben während der Mittagspause am Haus weiter gebaut oder es werden auch andere wichtige Dinge erledigt. Die Uhrzeit ist dabei unwichtig.

Etwa fünfundvierzig Minuten nach Abfahrt der anderen Busse kam der fehlende angebraust. Schnell stiegen alle ein und es ging in flottem Tempo los. Torsten Klarmann ahnte Böses - ab jetzt würde die Hälfte der noch bevorstehenden Strecke, etwa bis Calheta de São Miguel, aus holprigem Kopfsteinpflaster bestehen. Da war 2011 der damalige Fahrer auch zu schnell über eine Delle hinweggebraust. Das war zwar etwas schmerzhaft gewesen, blieb aber glücklicherweise ohne Folgen.

Doch vor jeder Delle oder Erhebung bremste der Fahrer und überfuhr sie vorsichtig. So langsam entspannten sich Klarmanns wieder. Zumal sie von der Anhöhe, die der Bus gerade erklommen hatte, rückwärts blickend nochmals die schemenhafte Silhouette des Pico de Fogo erkennen konnten. Aufgrund des ständigen Geholpers würde sich aber kein Foto lohnen. Die Ostküste, an welcher sie danach entlang fuhren, war etwas zerklüftet. Doch die Gebirgsblicke auf der Herfahrt fanden beide viel schöner.

Es gab noch zwei Fotostopps. Guide Steffi Reiher übersetzte zwischendurch eine Weile nichts mehr, da sie sich unwohl fühlte. Torsten Klarmann meinte leise zu seiner Frau: „Hat sie nun das Essen nicht richtig vertragen oder ist sie schwanger? Hauptsache, sie macht nicht noch im Bus ihrem Namen alle Ehre!“ „Wofür du dich aber auch wieder mal interessierst, das geht dich doch gar nichts an“, entgegnete sie und schüttelte ihren Kopf. Das war wieder mal typisch Mann! Den englischen Ausführungen Yemmis konnten beide trotz fehlender Übersetzerin gut folgen.

Dann änderte sich der Straßenbelag, ab jetzt bis Praia sollte nur noch Asphaltdecke vorkommen - mit einer kleinen Ausnahme direkt am Hafen. Klarmanns atmeten auf - die Befürchtungen wegen der Kopfsteinpflasterstrecke waren glücklicherweise unbegründet gewesen. Es wurde trotz der geöffneten Seitenfenster im Bus immer wärmer und alle wurden etwas müde. Yemmi wusste auch nicht mehr so viel zu erzählen. Die Reifen sangen ihre leise, monotone Melodie. Genauso leise rauschte der durch die vielen geöffneten Fenster eindringende heiße Fahrtwind, der nur wenig Linderung der Hitze brachte. Es wurde immer ruhiger im Fahrzeug. Nicht nur die Gespräche zwischen den Ausflüglern untereinander schliefen langsam ein, sondern die meisten davon auch selbst. Dem Großteil der im Bus Sitzenden sank langsam der Kopf nach vorn auf die Brust. Yemmi fragte sich schon, wann der erste Schnarcher zu hören sein würde. PENG! Plötzlich gab es einen lauten Krach, irgendetwas schepperte metallisch. Die Ausflügler auf der hintersten Bank wurden alle nach oben katapultiert und schwebten kurzzeitig frei in der Luft, um dann umso unsanfter wieder auf der Sitzbank aufzuschlagen. Was war passiert? War ihnen von hinten einer reingefahren?

Der Fahrer bremste scharf und fuhr rechts ran. Gudrun Klarmann schaute aus dem Heckfenster - dort war kein anderes Fahrzeug zu sehen. Dafür eine Bodenwelle, die vor der bevorstehenden Kurve warnen sollte. War der Fahrer mit den etwa 80 km/h darüber gebraust? Da waren doch schon dreißig Stundenkilometer zu viel! Wie kann man denn so etwas übersehen? Diese Bodenwellen sind weiß gestreift, es gibt vor jeder rechtzeitig davor ein Hinweisschild. O Gott, wie musste sich jetzt Torsten fühlen? Der saß sehr still auf seinem Platz und bewegte sich nicht. Das schaute nicht gerade gut aus. Gudrun kannte ihren „Alten“ - wenn der sich so ruhig verhielt, hatte er sehr starke Schmerzen. Er ließ es sich nur nicht gern anmerken. „Was soll ich denn jammern, heulen und schreien, da kann mir keiner helfen. Ich muss warten, bis die Schmerzen wieder abklingen“, äußerte er sich immer in solchen Fällen. Guide Steffi Reiher kam nach hinten und sprach Torsten Klarmann an. „Wie geht es Ihnen, ist alles Okay?“, erkundigte sie sich. „Ich habe sehr starke Schmerzen und weiß nicht, ob alles gehalten hat“, antwortete der Angesprochene mit leiser Stimme. Sie verschwand wieder nach vorn und sprach mit Yemmi. Inzwischen hatte der Fahrer den Bus von außen begutachtet, stieg wieder ein und es ging etwas weniger flott weiter. Gudrun Klarmann schimpfte in sich hinein, dass dieser Vorfall nicht passiert wäre, wenn der Fahrer, dieser Depp, nicht zu spät gekommen wäre. Dann hätte er nämlich nicht so rasen müssen.

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