Kitabı oku: «Das St. Galler Management-Modell», sayfa 5
1.3 Natur
Die Umweltsphäre Natur stellt den grundlegenden Lebens- und Überlebensraum der Menschheit dar. Gleichzeitig ist sie ein zentraler Ressourcenlieferant für organisationale Wertschöpfung. Wie die Umweltsphäre Natur als solche überhaupt wahrgenommen und welche Haltung der Natur gegenüber eingenommen wird, hängt dabei in zentraler Weise von den laufenden gesellschaftlichen Diskursen ab, die sich gerade im Hinblick auf kontroverse ökologische Anliegen (z.B. Klimaerwärmung, Meeresverschmutzung, Verlust an Artenvielfalt) je nach Land, Kultur und damit verbundenem gesellschaftlichem und ökonomischem Kontext sehr stark voneinander unterscheiden können. Dies ist – gerade mit Blick auf entsprechende NGOs – besonders für global tätige Unternehmungen sehr bedeutsam. Für eine Organisation können unterschiedlichste Aspekte der Umweltsphäre Natur wichtig sein:
• Ressourcenreichtum
• Meerzugang
• Bedrohungslage durch Naturkatastrophen
• Agrarpotential
• Topographie
• Klima und Klimawandel
• Biodiversität und Artenreichtum
• Grad und Ausprägung der Umweltverschmutzung
• ...
Wesentlich ist aus Sicht des SGMM nicht nur die objektive Beschaffenheit dieser Aspekte von Natur, sondern auch, wie sich diese Aspekte lokal auswirken und wie sie von welchen Stakeholdern in welchen Kontexten eingeschätzt und mehr oder weniger kontrovers diskutiert werden. Die Umweltsphäre Natur muss (genauso wie die Umweltsphären Wirtschaft und Technologie) immer vor dem Hintergrund ihrer konkreten gesellschaftlichen Relevanz beobachtet und analysiert werden. [59]
1.4 Gesellschaft
Die umfassendste Umweltsphäre ist aus Sicht der Aufgabenperspektive des SGMM die Gesellschaft. Gesellschaftliche Diskurse und Kontroversen haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie sich das Verhältnis zur Natur gestaltet und wie Entwicklungen der Natur wahrgenommen und bewertet werden, wie technologische Innovationen eingeschätzt werden und entsprechend verlaufen und welche Formen wirtschaftlicher Wertschöpfung als erstrebenswert oder (wie z.B. Dieselmotoren) unvermittelt als problematisch erachtet werden. Wesentliche Handlungs- und Kommunikationsräume der Gesellschaft sind z.B. Politik, Recht, Wissenschaft, Religion, Kunst und Öffentlichkeit. Diese Vielfalt an Handlungs- und Kommunikationsräumen ist Ausdruck einer fortschreitenden gesellschaftlichen Ausdifferenzierung.
Im Folgenden ist eine Reihe von grundlegenden Aspekten der Umweltsphäre Gesellschaft aufgeführt, die für eine Organisation Relevanz erlangen können:
• Leistungsbereitschaft und Bildungsstand der Bevölkerung
• Offenheit der Bevölkerung gegenüber Fremdem und Neuem
• Risikobereitschaft der Bevölkerung
• Altersstruktur der Bevölkerung
• Einkommens- und Vermögensverteilung
• Soziale Probleme und Konfliktpotentiale
• Rolle der Medien in der Öffentlichkeit
• Rolle des Staats, Formen der politischen Meinungsbildung
• Staatliche Normen und Rahmenbedingungen
• Politische Stabilität, politische Kräftefelder und Entwicklungsdynamiken
• Öffentliche Infrastruktur, Bildungsangebot, öffentliche Sicherheit
• ... [60]
1.5 Zusammenhänge zwischen dynamischen Umweltsphären
Die Aufteilung der Umwelt einer Organisation in vier Umweltsphären ist wie gesagt exemplarisch zu verstehen. Es darf erstens auf keinen Fall der Eindruck entstehen, als ob nur vier Umweltsphären zu unterscheiden wären. Zweitens handelt es sich dabei nicht um klar identifizierbare «Räume», die einfach voneinander abzugrenzen sind. Vielmehr sind sie häufig als überlappende Handlungsräume (→ PP, 3) zu verstehen. So lässt sich beispielsweise nicht strikt entscheiden, ob Entwicklungen im Immaterialgüterrecht der Umweltsphäre Gesellschaft (Einfluss von NGOs im politischen Meinungsbildungsprozess), der Umweltsphäre Technologie (Implikationen der Patentierbarkeit von Leben für die weitere Entwicklung der Bio- und Gentechnologie) oder der Umweltsphäre Wirtschaft (Migration von Lieferanten, Partnern und Kundinnen und Kunden in Länder mit «wirtschaftsfreundlicher Gesetzgebung») zuzuordnen sind. Umweltsphären verkörpern lediglich analytische Strukturierungshilfen zur Identifikation erfolgs- und existenzkritischer Trends und Kontroversen aus dem konkreten Blickwinkel einer spezifischen Organisation. [61]
2 Stakeholder
2.1 Individuen, Communities und Organisationen
Die Existenzberechtigung einer Organisation hängt aus Sicht des SGMM wesentlich davon ab, inwiefern sie eine relevante Wertschöpfung erbringt, die für ausgewählte Wertschöpfungsadressaten einen spezifischen Nutzen oder eine andere Form von Mehrwert stiftet. Diese Wertschöpfung wird von einer Organisation in aktiver Interaktion mit verschiedensten Stakeholdern erbracht. Stakeholder einer Organisation sind Individuen, Communities oder Organisationen, die an der organisationalen Wertschöpfung dieser Organisation beteiligt oder davon (aktuell oder potentiell) betroffen sind.
In der Aufgabenperspektive des SGMM sind die Stakeholder einer Organisation in einem äusseren Kreis, eingebettet in die Umweltsphären, dargestellt (siehe Abbildung 7, S. 53). Für die Identifikation zentraler Stakeholder spielt die Abhängigkeit von erfolgskritischen Ressourcen eine besonders grosse Rolle. Auf der linken Seite stehen eher Stakeholder, die Rahmenbedingungen oder Ressourcen bereitstellen. Auf der rechten Seite stehen eher Stakeholder, die vergleichsweise unmittelbar und essentiell von der organisationalen Wertschöpfung profitieren. Dazu gehören insbesondere die wesentlichen Zielgruppen (z.B. Kundinnen, Bürger, Patientinnen, Studierende).
Diese Darstellung hat illustrativen Charakter und soll nicht den Eindruck erwecken, als ob es sich um eine abschliessende Darstellung handeln würde. Vielmehr muss sich jede Organisation immer wieder sorgfältig überlegen, welche Individuen, Communities oder Organisationen in grundsätzlicher Weise von der eigenen Wertschöpfung profitieren oder von allfälligen negativen (Neben-) Effekten betroffen und damit als Stakeholder anzusprechen sind.
Besonders wichtig und kritisch ist eine sorgfältige Identifikation relevanter Stakeholder im Falle einer konkreten kontroversen Auseinandersetzung. Eine solche kann dazu führen, dass neue Stakeholder relevant werden, z.B. soziale Medien. Diese können dazu beitragen, dass sich bis anhin unverbundene Stakeholder in kürzester Zeit zusammenfinden und ein Protestpotential mobilisieren können.
Konkrete Auseinandersetzungen können aber auch dazu führen, dass bereits identifizierte Stakeholder präziser differenziert werden müssen. Wenn im Ballungsraum eines Flughafens aufgrund von politischen Auseinandersetzungen [62] der Fluglärm massgeblich zunimmt, reicht es nicht aus, den Staat oder die öffentliche Hand als relevanten Stakeholder zu betrachten. Bei solchen Auseinandersetzungen können (z.B. auf die Schweiz bezogen) die unmittelbar betroffenen Gemeinden, der Standortkanton und der Bund (die schweizerische Eidgenossenschaft) ganz unterschiedliche Anliegen und Interessen verfolgen. Eine stärkere Differenzierung von Stakeholdern (z.B. in unterschiedliche Kundensegmente oder Mitarbeiterkategorien) soll dazu beitragen, dass bisher nicht berücksichtigte Anliegen und neuartige Interessen frühzeitig erkannt und im Gesamtzusammenhang aller Anliegen und Interessen angemessen bewertet werden können.
2.2 Stakeholder-Konzepte
Die Bestimmung und Priorisierung der relevanten Stakeholder kann grundsätzlich eher nach Massgabe eines strategischen oder eines normativ-ethischen Stakeholder-Konzepts erfolgen (siehe ausführlich P. Ulrich, 2008). Diesen beiden Konzepten liegen idealtypische Leitideen zugrunde, die im Folgenden kurz erörtert werden.
• Bei einem strategischen Stakeholder-Konzept (Freeman, 1984) orientiert sich die Auswahl und Gewichtung der relevanten Stakeholder vor allem an der Wirkmächtigkeit der Interessen und Ansprüche eines Stakeholders im Hinblick auf die Zukunftssicherung einer Organisation und ihrer Wertschöpfung: Wer kann, sei dies aufgrund von Verfügungsmacht über knappe Ressourcen oder aufgrund von Sanktionsmacht, kurz- oder langfristig massgeblich auf die zukünftige Existenz einer Organisation Einfluss nehmen?
Bei der Beantwortung dieser Frage spielt die Einschätzung von Macht und Abhängigkeit eine zentrale Rolle. Bei der Gestaltung der Stakeholder-Beziehungen nach Massgabe eines strategischen Stakeholder-Konzepts wird deshalb vor allem die Aufrechterhaltung der Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten und die Akzeptanzsicherung einflussreicher Betroffener angestrebt.
• Bei einem normativ-ethischen Stakeholder-Konzept (P. Ulrich, 2008) werden grundsätzlich alle Individuen, Communities und Organisationen, unabhängig von Einflussmöglichkeiten oder Machtkonstellation, die potentiell oder faktisch von positiven oder negativen Wirkungen der organisationalen Wertschöpfung tangiert sind und denen Menschenwürde und moralische Rechte zustehen (z.B. Kinder ohne Lobby oder zukünftige Generationen), als relevante Stakeholder anerkannt. [63]
Relevantes Auswahlkriterium ist hier nicht nur die Wirkmächtigkeit von Ansprüchen eines Stakeholders, sondern vor allem auch das Ausmass an aktueller oder potentieller Betroffenheit von Individuen, Communities und Organisationen. Bei der Gestaltung der Stakeholder-Beziehungen nach Massgabe eines normativ-ethischen Stakeholder-Konzepts bemüht man sich deshalb um eine verständigungsorientierte Austragung von Interessenkonflikten und um eine sorgfältige ethische Abwägung und Legitimierung von Ansprüchen, in der Haltung eines respektvollen, unparteiischen, verantwortungsbewussten Weltbürgers. Die Anerkennung von Betroffenheit sowie ein systematisches Bemühen um Fairness bei der «Verteilung» von Nutzen und Zumutungen, die aus der Erbringung einer bestimmten organisationalen Wertschöpfung resultieren, spielen dabei eine zentrale Rolle.
2.3 Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Stakeholder-Konzepten
Bei der Gegenüberstellung dieser beiden idealtypischen Stakeholder-Konzepte ist darauf hinzuweisen, dass ein normativ-ethisches Stakeholder-Konzept wesentliche Gesichtspunkte und Auswahlkriterien eines strategischen Stakeholder-Konzepts miteinschliesst, diese aber nicht absolut setzt, sondern in einen grösseren ethischen Zusammenhang stellt. Auch bei einem normativ-ethischen Stakeholder-Konzept ist die Abhängigkeit von externen Stakeholdern, die existenzrelevante Ressourcen der eigenen organisationalen Wertschöpfung kontrollieren, sorgfältig zu bedenken. Auch bei einem normativ-ethischen Stakeholder-Konzept sind (finanzielle) Ansprüche der Eigentümer einer Unternehmung legitim und müssen bei folgenreichen Entscheidungen sorgfältig gegen Ansprüche anderer Stakeholder abgewogen werden. Deshalb erstaunt es nicht, dass in der Praxis oft eine Mischform der konkreten Anwendung dieser beiden idealtypischen Stakeholder-Konzepte zu beobachten ist.
Repräsentanten des sogenannten Shareholder-Value-Ansatzes vertreten demgegenüber dezidiert die Meinung, dass auf ein systematisches Stakeholder-Management aus grundsätzlichen Erwägungen verzichtet werden könne. Zudem würden Konzepte, die nicht nur die unmittelbaren ökonomischen Interessen der Eigentümer berücksichtigen, systematisch dazu einladen, eine mangelhafte Performance der Unternehmung zu beschönigen. Auf der Grundlage utilitaristischer Vorstellungen argumentieren sie, dass die gesellschaftliche Verantwortung einer Unternehmung primär darin bestehe, den Gewinn zu maximieren (Milton Friedman). Diese Position wird wie folgt begründet: Freie, transparente und effiziente Märkte garantieren über die [64] disziplinierende Wirkung der «unsichtbaren Hand» (Adam Smith), dass – innerhalb gesetzlicher Schranken – eine konsequente Orientierung am Eigennutz von selbst zu einer Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt und damit zu einer optimalen Befriedigung der Bedürfnisse der Stakeholder führt.
Repräsentanten eines strategischen Stakeholder-Konzepts würden dieser Argumentation entgegenhalten, dass der Shareholder Value einseitig die Interessen der Eigentümer favorisiere und dass ein maximaler Shareholder Value erst dann realisiert werden könne, wenn gezielt eine langfristig ausgewogene Berücksichtigung der Ansprüche aller Stakeholder angestrebt werde. Das heisst, es liege im Interesse der Shareholder selbst, eine differenzierte Stakeholder-Perspektive einzunehmen.
Repräsentanten eines normativ-ethischen Stakeholder-Konzepts würden darüber hinaus darauf aufmerksam machen, dass keineswegs jeder gesetzeskonform geschlossene Vertrag zwingend legitim sei. In der Tat widerspiegelt ein Vertrag nicht nur eine übereinstimmende Willensbekundung freier und mündiger Wirtschaftssubjekte, sondern immer auch ein spezifisches Machtund Abhängigkeitsverhältnis. Ein «smarter Deal» mag zwar legal sein. Dies bedeutet aber keineswegs, dass ein solcher Deal zwingend auch fair und ethisch legitim ist.
Vertreter eines ethisch-normativen Stakeholder-Konzepts würden schliesslich sowohl Repräsentanten des Shareholder-Value-Konzepts als auch des strategischen Stakeholder-Konzepts entgegenhalten, dass es ethisch begründbare und moralisch gebotene Entscheidungen zugunsten bestimmter Stakeholder geben kann, die sich auch langfristig nie positiv auf den Shareholder-Value auswirken. Mit anderen Worten kann es Entscheidungen geben, die aus Sicht eines ethisch-normativen Stakeholder-Konzepts einen bewussten Verzicht der Kapitalgeber zugunsten anderer Stakeholder erfordern können. [65]
3 Interaktionsthemen
Zwischen einer Organisation und ihren Stakeholdern finden vielfältige Austausch- und Kommunikationsbeziehungen statt. Diese Beziehungen sind durch bestimmte Themen geprägt. Die entsprechenden thematischen Bezugspunkte können von ideeller oder von materieller Natur sein. Sie können auch konfliktbehaftet sein und Anlass zu Kontroversen geben. Und sie sind immer kommunikativ vermittelt – in einem offenen Kommunikationsraum, der in der Abbildung 7 als überschneidender «Bubble» visualisiert ist.
Unter Interaktionsthemen (z.B. Kundenwünsche, Arbeitsplatzsicherheit, Transparenzforderungen), welche die Beziehungen zwischen Stakeholdern und Organisation prägen, soll mit anderen Worten all das verstanden werden, was über die Stakeholder an eine Organisation herangetragen, dieser für ihre Wertschöpfung zur Verfügung gestellt oder streitig gemacht wird. Oder umgekehrt betrachtet: worum sich eine Organisation aktiv bemühen und was sie erschliessen muss, um ihre organisationale Wertschöpfung verbindlich erbringen zu können. Dabei unterscheidet das SGMM drei Modellkategorien von Interaktionsthemen: Anliegen und Interessen, Normen und Werte sowie Ressourcen.
3.1 Anliegen und Interessen
Individuen, Communities und Organisationen im Umfeld einer Organisation sind dann zu den Stakeholdern dieser Organisation zu zählen, wenn sie unmittelbar oder indirekt an der organisationalen Wertschöpfung beteiligt oder davon betroffen sind. Stakeholder können von einem Nutzen oder Mehrwert profitieren, sie können mit negativen Emissionen oder mit Risiken konfrontiert werden, oder sie können eine kurz- oder langfristige Förderung oder Beeinträchtigung von Lebensqualität und Entwicklungsmöglichkeiten erfahren.
Vor diesem Hintergrund artikulieren Stakeholder bestimmte Ansprüche zuhanden einer Organisation, indem sie bestimmte Anliegen mit Bezug auf die verschiedenen Umweltsphären aufgreifen und ihr Interesse an einer Verwirklichung dieser Anliegen geltend machen. Diese Anliegen und Interessen können – je nach Zusammensetzung der Stakeholder – homogen, heterogen oder gar sich widersprechend sein. [66]
Deshalb bedürfen die Anliegen und Interessen der verschiedenen Stakeholder je von neuem einer sorgfältigen Abwägung und Würdigung. Ob es um die Herstellung von gentechnologisch veränderten Organismen, um neue Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle oder um die Schliessung eines Produktionsstandorts geht: Bei solchen Aktivitäten stossen kontroverse Anliegen und konfligierende Interessen aufeinander. Bei gentechnologisch veränderten Organismen werden zum einen die neuen Möglichkeiten ins Zentrum gerückt, z.B. ein höherer Ertrag von Getreidesorten, bessere Schädlingsresistenz usw. Zum anderen wird betont, dass damit irreversibel in den Genpool der Natur eingegriffen wird, ohne dass abschliessend antizipiert werden kann, wie sich genveränderte Organismen insgesamt auf das für Menschen relevante Ökosystem auswirken. Insbesondere aus Sicht eines normativ-ethischen Stakeholder-Konzepts bedürfen diese unterschiedlichen Anliegen und Interessen einer respektvollen Würdigung und einer sorgfältigen argumentativen Abwägung. Die getroffene Entscheidung ist schliesslich nachvollziehbar zu begründen, wenn sie als legitim angesehen werden soll.
3.2 Normen und Werte
Bei kontroversen Auseinandersetzungen mit Stakeholdern und der Legitimierung entsprechender Positionen spielen die in der Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit vorfindlichen und gültigen Normen und Werte eine zentrale Rolle. Diese Normen und Werte sind zum einen interpretationsbedürftig, und zum anderen entwickeln sie sich fortlaufend weiter. «Sicherheit» im Bereich der Energieversorgung kann z.B. bedeuten, dass Unternehmungen nicht mit Stromausfällen rechnen müssen. Sicherheit kann aber auch bedeuten, auf Kernkraftwerke zu verzichten, damit die Bevölkerung nicht dem Risiko nuklearer Katastrophen ausgesetzt wird. Dabei kann ein nuklearer Zwischenfall zu völlig neuen Interpretationen und Bewertungen von Sicherheit in der Energieversorgung führen.
Diese Normen und Werte selbst wie auch die damit begründeten Entscheidungen und Handlungsweisen einer Organisation bedürfen je neu einer ethischen Reflexion. Eine solche ethische Reflexion – und nicht einfach nur der kurzfristige Markterfolg oder die Erhaltung der langfristigen Lebensfähigkeit – muss im Rahmen von normativen Orientierungsprozessen den zentralen Bezugspunkt für die Legitimierung der organisationalen Wertschöpfung als Ergebnis und als Prozess bilden und auf diese Weise die laufenden strategischen und operativen Entscheidungsprozesse einer Organisation durchformen. [67]
Umgekehrt werden aber auch die in einer Gesellschaft geltenden Werte und Normen stark von organisationalen Legitimierungs- und Entscheidungsprozessen beeinflusst. Was «Gesundheit» als Wert bedeutet und was von Gesundheit erwartet werden darf, wird stark von Anbietern von Gesundheitsleistungen (über Behandlungen, Therapien, Publikationen, Medikamente usw.) mitgeprägt. Dies wird insbesondere in kontroversen Auseinandersetzungen mit Kritikern des heutigen Gesundheitswesens sichtbar.
Aus unternehmerischen Legitimierungs- und Entscheidungsprozessen, die mit kontroversen Auseinandersetzungen mit Stakeholdern einhergehen können, resultiert für eine Organisation zum einen eine eigenständige normative Orientierung (→ PP, 2.3). Zum anderen ergibt sich daraus auch ein spezifischer Zugang zu wichtigen, manchmal sogar existenzrelevanten Ressourcen, die für die organisationale Wertschöpfung benötigt werden.
3.3 Ressourcen
Ressourcen als materielle und immaterielle Voraussetzungen einer organisationalen Wertschöpfung müssen erschlossen, gepflegt und ausgeschöpft werden. Welche Ressourcen zu welchen Bedingungen (z.B. Preis, Beschaffenheit, Auflagen bei der Verwendung) einer Organisation zur Verfügung stehen, das heisst, was genau als legitime und nutzbare Ressource überhaupt zur Disposition steht (z.B. Rohstoffe, Energie, Grund und Boden, Nutzungsrechte, Geldmittel, menschliche Arbeitskraft, Wissen, Fachexpertise, Aufmerksamkeit oder Reputation), hängt in zentraler Weise von den geltenden Normen und Werten und von den darauf Bezug nehmenden Auseinandersetzungen über die normative Orientierung der Wertschöpfung ab.
Dabei kann es beispielsweise ambivalent sein, Mitarbeitende als Human Resources zu bezeichnen. Denn zum einen kann dieser Begriff eine technikähnliche Nutzung der Kapazitäten der Mitarbeitenden für die Ziele einer Organisation suggerieren: Mitarbeitende werden instrumentalisierend als nützlicher Produktionsfaktor betrachtet, den man mit dem Ziel einer fortlaufenden Produktivitätssteigerung optimal einsetzen muss oder entlassen kann. Zum anderen kann mit diesem Begriff aber auch die Notwendigkeit einer systematischen Förderung und Verwirklichung menschlicher Neigungen und Potentiale betont werden. [68]