Kitabı oku: «Joseph», sayfa 4
Ebenso aber nimmt auch der Geist sich unserer Schwachheit an; denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie es sich gebührt, aber der Geist selbst verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern. Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind. (Röm 8,26.28)
Es geht noch weiter. Die überwältigende Auswirkung der Begegnung in Pniel auf Jakob war die, dass er in einem gewissen Sinne Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte. Streng genommen steht in der Bibel Folgendes: „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht“ (Joh 1,18). Wir können aus dieser Aussage sicherlich ableiten, wann immer Männer oder Frauen gesagt haben, dass sie Gott gesehen haben, dass das eigentliche Geschehen darin lag, dass Gott der Sohn ihn offenbart hat. Wir nennen solche Ereignisse „Christophanie“ oder „Theophanie“ (göttliche Erscheinung).
Ein Beispiel aus dem Neuen Testament, das in gewisser Weise eine Parallele zu Pniel ist, ist die Verklärung Jesu. Dass es gleich drei Berichte davon in den Evangelien und einen im zweiten Petrusbrief gibt, zeigt die Bedeutung dieses Ereignisses. Obwohl es bei der Verklärung selbst keinen Kampf mit Gott gibt, so ist der unmittelbare Zusammenhang doch ein wirkliches Ringen im Leben der Jünger Jesu, besonders bei Petrus. Aber nicht nur das, der Bericht beginnt auch damit, dass der Herr die Jünger nach seiner Identität fragt: „‚Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei?‘ Simon Petrus aber antwortete und sprach: ‚Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes‘“ (Mt 16,15.16).
Nur wenig später verkündete Jesus, dass Er nach Jerusalem gehen müsse, wo Er leiden, getötet werden und am dritten Tage wieder auferstehen würde. Die Jünger waren entsetzt, besonders Petrus, der ihn beiseite nahm und tadelte: „Gott behüte dich, Herr!“ (Mt 16,22). Mit anderen Worten: „Auf gar keinen Fall!“ Petrus hatte bis dahin beinahe drei Jahre seiner Zeit, Energie und Ressourcen in Jesus und seine Mission investiert. Er dachte, dass all das verschwendet werden und er alles verlieren würde.
Jesus antwortete darauf, dass, wenn Petrus oder irgendjemand sonst sein Leben retten wollte, er bereit sein müsste, es um Jesu willen zu verlieren. Er traf die berühmte Aussage: „Denn was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber seine Seele einbüßt? Oder was wird ein Mensch als Lösegeld geben für seine Seele? Denn der Sohn des Menschen wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er jedem vergelten nach seinem Tun“ (Mt 16,26.27).
Petrus dachte, dass er sein Leben verliert, zumindest in dem Sinne, was das Leben für ihn zum Leben machte. Wenn Jesus abgelehnt werden würde, leiden und sterben müsste, dann wäre Petrus sicherlich auf der Verliererseite. Das war alles sehr verwirrend, und Petrus kämpfte damit, es zu verstehen. Und überhaupt, woher konnte er oder sonst jemand wissen, dass all das, was Jesus sagte, wahr sei?
Aber Jesus war noch nicht fertig. „Wahrlich, ich sage euch: Es sind einige von denen, die hier stehen, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie den Sohn des Menschen haben kommen sehen in seinem Reich“ (Mt 16,28).
Er würde auf das innere Ringen des Petrus eingehen, indem er ihm (und den zwei anderen, Jakobus und Johannes) einen mächtigen Beweis lieferte, dass Er, Jesus, eines Tages in Herrlichkeit zurückkehren würde. Sie würden etwas ganz Besonderes sehen, das sie davon überzeugen würde, und dies ähnelt Jakobs Erlebnis bei Pniel sehr. Der wichtige Punkt in Jesu Aussage ist der, dass das Reich Gottes zu sehen ein Erlebnis vor dem Tod sein würde. Denn wenn Jesus der ist, der Er behauptet zu sein, dann liegt es doch auf der Hand, dass der Tod sofort alle Unsicherheit hinwegfegen wird. Eine Nanosekunde nach dem Tod wird jeder wissen, dass es das Reich Gottes wirklich gibt. Die wichtige Frage lautet daher: Wie können wir davon überzeugt sein, bevor wir sterben?
Kaum eine Woche später nahm Jesus die drei Jünger mit auf einen Berg und „er wurde vor ihnen verwandelt; und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht“ (Mt 17,2). Jahre später erinnerte sich Petrus an das Geschehen:
Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus nicht kundgetan, indem wir ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern als solche, die Augenzeugen seiner herrlichen Größe geworden sind. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Und diese Stimme hörten wir vom Himmel her ergehen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren (2Pet 1,16–18).
Das war sicherlich Petrus’ persönliches Pniel. Er sah die Herrlichkeit Gottes, und dieses Erlebnis verbannte für immer jeden Zweifel darüber, dass es ein unendliches Reich gebe, dass das Reich Gottes wirklich existierte, und dass Jesus eines Tages zurückkehren würde.
Nun könnten wir sagen: „Aber ich war nicht in Pniel oder auf dem Berg der Verklärung. Was ist mit mir?“ Petrus war sich dessen bewusst und weist auf einen anderen Weg hin, auf dem sich der Herr den Gläubigen offenbart.
Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester, auf das zu achten ihr wohltut, als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen; indem ihr dies zuerst wisst, dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist. Denn die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist (2Pet 1,19–21).
Die Heilige Schrift kann also die gleiche Wirkung auf uns haben, wie die Verklärung (oder Pniel) auf diejenigen hatte, die dabei waren. Die Bibel hat eine übernatürliche Dimension, und deshalb kann Gott durch sie zu uns sprechen, wenn wir die Beschreibung der Begegnung von Pniel oder die Verklärung Jesu lesen, und sie in unserem Leben heute Wirklichkeit werden lassen.
Solche Begegnungen mit Gott sind etwas ganz Besonderes und sie geschehen nicht ständig. Aber vor langer Zeit versprach Jesus seinen Jüngern, sich durch den Heiligen Geist zu offenbaren, und dieses Versprechen gilt heute genauso, wie es damals galt, als es ausgesprochen wurde (Joh 15,26.27). Wir werden ermutigt, uns darauf zu verlassen.
Jakob verließ Pniel hinkend und hinkte danach sein Leben lang. Die ausgerenkte Hüfte erinnerte ihn daran, dass er schließlich doch kein selbstbestimmter Mann mit einem Leben auf der Überholspur war. Das Hinken macht ihn langsam und demütig, da er seine menschlichen Grenzen und seine Gebrechlichkeit erkannte. Ja, er hatte ein besonderes Erlebnis mit Gott gehabt, aber wie er nun erkannte, war dieser Schatz in einem sehr brüchigen, irdischen Gefäß aufbewahrt. Er konnte nur dann seinen Lebensweg gehen, wenn er sich auf Gottes Gnade und Kraft verließ.
In diesem verletzlichen Zustand musste er seinem entfremdeten Bruder Esau entgegentreten. Und der nächste, den er im Morgengrauen nach seiner Begegnung mit Gott sah, war Esau, der ihm in der Ferne mit einer Privatarmee von vierhundert Mann entgegen zog, worüber Jakob einige Tage zuvor durch seine Diener informiert worden war. Jakob hatte seine Familie in Gruppen aufgeteilt: Seine zwei Mägde mit ihren (Jakobs) Kindern kamen nach vorn, dann Lea und ihre eigenen Kinder und dahinter schließlich Rahel und Joseph. Man fragt sich, was Joseph wohl dachte, als er seinen Vater an ihnen allen vorbeihinken sah (Woher hatte er denn seine Gehbehinderung?), der langsam auf Esau zuging und sich siebenmal bis zum Boden verneigte, da er offensichtlich das Schlimmste befürchtete.
Man fragt sich noch mehr, wie das alles auf Esau wirkte, als er seinen Bruder, der ihn betrogen hatte, hinkend auf sich zukommen sah, der seine Verletzlichkeit demonstrierte und sich unterordnend verneigte, um Buße und Reue zu zeigen.
Esau, den wir als einen emotionalen und impulsiven Mann kennen, war sofort überwältigt von etwas, das er nie erwartet hatte. Er war überwältigt von seinen Gefühlen für Jakob und „lief ihm entgegen und umarmte ihn und fiel ihm um den Hals und küsste ihn; und sie weinten“ (1Mo 33,4). In der Nacht zuvor hatte Jakob einen Mann umschlungen gehalten, der gut und gerne Esau hätte sein können. Nun hatte er tatsächlich seine Arme um Esau geschlungen, aber nicht, um mit ihm zu ringen. Ihre Umarmung war verbunden mit Buße, Vergebung und Versöhnung – ein befreiender Moment von immenser Bedeutung. Jakob hatte keine Zeit, Esau mit den Worten anzuflehen, die er sich zurechtgelegt hatte. Er war von Esaus Reaktion überwältigt.
Als der junge Joseph diesen ungewöhnlichen Anblick sah, wusste er nicht, dass er und seine Brüder sich irgendwann einmal genau der gleichen Thematik von Buße, Vergebung und Versöhnung stellen müssten. Doch Joseph müsste daraus gelernt haben, dass Versöhnung selbst in den unmöglichsten Situationen möglich ist.
Bei dieser Betrachtung werden wir unwillkürlich an das Gleichnis vom verlorenen Sohn erinnert, in dem es um einen Vater zweier Söhne und seine Erbangelegenheiten geht. Als dort der bußfertige Sohn zurückkehrte, „sah ihn sein Vater und wurde innerlich bewegt und lief hin und fiel ihm um den Hals und küsste ihn sehr“ (Lk 15,20). Noch bevor sein Vater gestorben war, hatte der Sohn auf seinem Teil der Erbschaft bestanden und dann all die Mittel verschwendet, mit denen sein Vater ihn gesegnet hatte. Als der Vater die reumütige Gesinnung seines Sohnes sah, vergab er ihm und hieß ihn herzlich willkommen. Sein Bruder war gekränkt über die seiner Meinung nach über alle Maßen verschwenderische Geste der Vergebung und lehnte es rundweg ab, an der Freudenfeier teilzunehmen.
Es war Jakobs brennender Wunsch gewesen, den Segen seines Vaters mit allen Rechten für das Erbe zu erlangen, der am Anfang zum Bruch mit Esau geführt hatte. Und als er den Segen ergaunert hatte, war Jakob gezwungen gewesen, in ein fernes Land zu ziehen, wo er reich wurde, im Gegensatz zum verlorenen Sohn, der verarmte. Nun kam Jakob zurück nach Hause und musste Esau treffen, seinen älteren Bruder, von dem er vielleicht das gleiche Verhalten erwartet haben könnte, wie von dem älteren Bruder im Gleichnis des Herrn, wenn er davon gewusst hätte. Doch es war Esau, der in seiner unerwartet großmütigen Haltung Jakob gegenüber das Herz des Vaters aus dem Gleichnis zeigte.
Als die starke Emotion des Versöhnungsmomentes vorbei war, bemerkte Esau die Gruppen von Frauen und Kindern, die in der Nähe standen, und fragte, wer sie seien. Jakob stellte sie vor als „die Kinder, die Gott deinem Knecht aus Gnade gegeben hat“ (1Mo 33,5). Seine Frauen erwähnt er nicht, wahrscheinlich um zu vermeiden, dass Esau sich an die Spannungen in ihrem Elternhaus erinnert, als es darum ging, wen Esau und Jakob heiraten würden. Außerdem war die Suche nach einer Ehefrau die Ausrede gewesen, mit der Jakob von zu Hause – und somit von Esau – wegging, damit Esau ihm nicht schaden konnte. Jakobs Frauen und Kinder folgten seinem Beispiel und stellten sich ehrerbietig vor Esau auf.
Esau fragt dann nach den vielen Herden, die zu ihm gesandt worden waren, und Jakob erzählt ihm ehrlich, dass er damit Esaus Wohlwollen gewinnen wollte. Nach der Art des Nahen Ostens verweigert Esau zunächst, das Geschenk anzunehmen, bis Jakob nachdrücklich darauf besteht. „Nicht doch; wenn ich Gnade gefunden habe in deinen Augen, so nimm mein Geschenk von meiner Hand, da ich nun einmal dein Angesicht gesehen habe, als hätte ich Gottes Angesicht gesehen, und du Wohlgefallen an mir gehabt hast“ (33,10).
In der Nacht zuvor hatte Jakob Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen. Nun sagte er zu seinem Bruder, dass er dessen Angesicht sähe, als hätte er Gottes Angesicht gesehen. Natürlich wusste Esau nichts von Jakobs Begegnung, doch dass Jakob den Begriff „Angesicht Gottes“ hier verwendet, scheint darauf hinzudeuten, dass es eine wichtige Verbindung in Jakobs Denken gab. Könnte es sein, dass Jakob nun anfing zu verstehen, dass sein Bruder, so wie alle Menschen, auch im Bild Gottes geschaffen worden war, so wie es im ersten Buch Mose zuvor berichtet wird? Diese Lehre ist sicherlich grundlegend für die biblischen Werte und die Ethik, und sie dient, wenn man daran glaubt, als Impulsgeber für den gegenseitigen Respekt auf allen Ebenen der menschlichen Interaktion, beginnend in der Familie.
Könnte es sein, dass Jakob in Esaus großzügiger Vergebung und Wärme einen Abglanz der Gnade sah, die Gott ihm in seinem Leben gezeigt hatte und derer er sich erst kurz zuvor als unwürdig bezeichnet hatte? In Anbetracht der Tatsache, dass Jakob Esau um sein Erbe betrogen hatte, war es ihm auch wichtig, dass Esau sein Geschenk annehmen würde – nicht so sehr in dem Sinne, dass es eine angemessene Wiedergutmachung für das Falsche war, was Jakob getan hatte, sondern weil es ein stillschweigendes Schuldeingeständnis und ein Ausdruck des tiefen Wunsches war, es irgendwie wieder in Ordnung zu bringen.
Wie geht es nun weiter? Deutet diese Versöhnung den Versuch der Brüder an, in einer Art Kommune zusammenzuleben? Esau schlägt zumindest formal vor, dass Jakob mit ihm und seinen Männern reist, aber Jakob lehnt dies höflich ab; dennoch verspricht er, Esau einmal zu besuchen. Jakob mag schon erkannt haben, dass ein Akt der Vergebung und Versöhnung zwischen Geschwistern sie nicht unbedingt zu passenden Gefährten macht. Ihre Charaktere und Lebensweisen waren völlig verschieden. Keiner der beiden war perfekt, aber das Neue Testament weist darauf hin, dass Esau durch das Verachten seines Erstgeburtsrechts Gott gegenüber eine Haltung zeigte, die im Grunde gottlos war, völlig entgegengesetzt zu Jakobs zunehmendem Bewusstsein von der Rolle Gottes in seinem Leben. Jeder Versuch, eine Einheit zu erreichen, würde sich schließlich als unecht erweisen und scheitern.
Jahre später würde sich eine fortwährende und bittere Feindschaft zwischen den Nachkommen Esaus – den Edomitern – und dem Volk Israel zeigen. Jakob und Esau trennen sich. Sie werden sich erst wiedersehen, als ihr Vater Isaak stirbt.
5
Jakob in Sichem – die Schandtat
an Dina
In der Zwischenzeit ließ Jakob sich zuerst in Sukkot und dann in Sichem nieder. Als Nächstes berichtet das erste Buch Mose von einem sehr erschütternden Ereignis im Leben der Familie. Jakob hatte eine Tochter, Dina. (Er kann auch mehrere Töchter gehabt haben, weil es nicht üblich war, alle weiblichen Nachkommen aufzuzählen, da sie keinen Anteil am Erbe hatten.) Dina war die Tochter von Lea und hat bis zu diesem Zeitpunkt keine Rolle in der Erzählung gespielt. Aber nun wird uns gesagt, sie „ging aus, die Töchter des Landes zu sehen“ (34,1). Als vielleicht einziges Mädchen in einer Familie mit zwölf Brüdern lag es nahe, dass sie weibliche Gesellschaft suchte. Es wird nicht erwähnt, dass irgendwer mit ihr ging. Jakob hat eindeutig keine Maßnahmen getroffen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Unweigerlich fällt sie den einheimischen Männern ins Auge, und einer von ihnen, Sichem, der zur fürstlichen Familie des Landes gehörte, „nahm sie und lag bei ihr und entehrte sie“ (34,2). Danach verändert sich seine Haltung ihr gegenüber: „Und seine Seele hing an Dina, der Tochter Jakobs, und er liebte das Mädchen und redete zum Herzen des Mädchens. Und Sichem sprach zu Hemor, seinem Vater, und sagte: Nimm mir dieses Mädchen zur Frau“ (34,3.4). Also statten Vater und Sohn nun Jakob und seinen Söhnen einen Besuch ab, um ihren Wunsch vorzutragen.
Da Jakob sich in der Gegend niederlassen wollte, waren die Beziehungen zu den Einheimischen von oberster Wichtigkeit. Der Besuch der Männer versetzte Jakob also in eine schwierige Lage. Er war „wohlbehalten“ (siehe 33,18) im Land angekommen und hatte bewusst das Land gekauft, auf dem er sein Zelt aufstellte und einen Altar als Zeugnis für den Gott Israels errichtete.
Doch Jakob scheint nicht darüber nachgedacht zu haben, was mit seinen Kindern passieren würde, wenn sie ins heiratsfähige Alter kommen würden. Sowohl er als auch sein Vater vor ihm hatten Verwandte aus Mesopotamien geheiratet, und es wurde viel Wirbel darum gemacht. Doch bisher gibt es im Leben Jakobs, zumindest soweit der Text uns berichtet, keinen Hinweis darauf, dass Jakob seine Kinder in diesem Thema führt und leitet. Aber es war eine sehr wichtige Angelegenheit, da die Entwicklung eines neuen Stammes, dem Volk Israel, von den Frauen abhängig sein würde, die als Ehefrauen von Jakobs Kindern dazukommen würden.
Nun wurde Jakob vor vollendete Tatsachen gestellt. Eine Delegation der einheimischen Anführer bat Jakob, Dina ihrem Fürsten als Ehefrau zu geben. Mehr noch, sie wollten gern miteinander Handel treiben und ihre Stämme durch Mischehen verbinden. Und sie fragten Jakob nach seinem Brautpreis für Dina.
Solche Vorschläge warfen alle möglichen, weitreichenden Fragen auf, die schon lange zuvor hätten geklärt werden sollen. Jakob und seine Familie sind nun innerhalb der Grenzen Kanaans, dem Land, das Gott ihnen verheißen hat. Aber sollten sie sich mit den einheimischen heidnischen Stämmen in der nun vorgeschlagenen Weise vermischen?
Ist es das, was Gott für sie vorgesehen hatte? Wie würde eine solche Assimilation die Einzigartigkeit ihrer Rolle, Gott in der Welt zu repräsentieren, beeinflussen? Wenn sie jedoch nicht bereit wären, sich einzugliedern, würde das bedeuten, dass sie durch Gewalt vertrieben und ziemlich wahrscheinlich ausgelöscht werden würden, so dass sie ihre Rolle vollständig verlieren würden? Eine so angespannte Situation erforderte ganz sicher Weisheit, Diplomatie und vor allem Gebet, um Gott zu fragen, was getan werden sollte.
Doch keiner war daran interessiert, was Gott denkt. Jakobs Söhne kamen hinzu, und als sie hörten, was mit ihrer Schwester passiert war, waren sie sehr empört, weil Sichem, „eine Schandtat in Israel verübt hatte, bei der Tochter Jakobs zu liegen; und so etwas sollte nicht geschehen“ (34,7).
Wir erkennen den Bezug auf Israel. Obwohl die Nation winzig war und nur aus einer Familie bestand, war der Vorfall für sie nicht nur von moralischer, sondern auch von politischer Bedeutung. Es war ein Angriff auf sie als Volk.
In ihrer Not wenden die Brüder einen hinterlistigen und groben Trick an. Sie geben vor, der Ehe und der Vereinigung der Stämme zuzustimmen, um ein Volk zu sein, doch unter der Bedingung, dass alle ortsansässigen männlichen Personen beschnitten werden müssen. Die Abgesandten kehren in ihre Stadt zurück und diskutieren die Angelegenheit mit den Männern ihrer Stadt, die nun auch zustimmen, besonders nachdem betont wird, dass eine Assimilation ihrer Ansicht nach am Ende bedeuten würde, dass schließlich auch alles Eigentum und alle Herden von Jakobs Stamm den ihrigen einverleibt werden würden.
Die Massenbeschneidung fand statt und hatte unvermeidlich zur Folge, dass drei Tage später alle Männer wund waren und ihr Widerstand am geringsten, so wie Simeon und Levi es erwartet hatten. Die zwei Männer nahmen ihre Schwerter und schlachteten alles Männliche der Stadt gnadenlos ab. Dann brachten sie Dina zurück nach Hause und mit ihr all die Beute, die sie rauben konnten, einschließlich Frauen und Kindern.
Jakobs Antwort lässt viel zu wünschen übrig. Er protestierte gegenüber seinen Söhnen und sagte ihnen, dass ihr Handeln Unglück über die Familie bringen würde, wenn die Einwohner des Landes davon hörten. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er irgendeine Form von Sittenzucht ihnen gegenüber ausüben wollte; eine Schwäche, die noch augenscheinlicher wurde, als er und seine Söhne älter wurden. Jakob schien sich nur um sich selbst zu sorgen: „Ich werde vertilgt werden, ich und mein Haus“ (34,30). Er beklagte die Tatsache, dass das Handeln seiner Söhne ein Risiko für ihn darstellte und es der Familie nun unmöglich gemacht hatte, sich in der Region niederzulassen. Die Söhne schien das nicht zu kümmern, sie wiesen seinen Tadel zurück und konterten: „Sollte man unsere Schwester wie eine Hure behandeln?“ (34,31). Sie versuchten offensichtlich, ein moralisches und politisches Argument vorzubringen – dass der einheimische Fürst ihre Schwester Dina missbraucht hatte und es das Abschlachten einer ganzen Nachbarschaft und das Verschleppen von Frauen und Kindern rechtfertigte. Die ganze Situation war moralisch so grotesk und unverhältnismäßig, dass man dahinter ohne Mühe eine wachsende Verbitterung gegenüber Jakob und seiner Haltung ihnen und Dina gegenüber – alles Leas Kinder – erkennt. Und was sollten sie nun mit den eroberten Frauen machen – sie heiraten? Es verhieß nichts Gutes für Jakob.
Viele Eltern werden in diesem (zugegebenermaßen extremen) Vorfall die qualvolle Schwierigkeit erkennen, mit einer ganzen Reihe an Problemen zurechtkommen zu wollen, also mit einem derart schlechten Verhalten der Kinder, das an den Tag zu legen die Eltern selbst nie gewagt hätten, als sie noch jung waren. Jede Generation scheint die von der vorherigen Generation gesteckten Grenzen auszuweiten, und es passiert oft, dass Eltern – auch gläubige Eltern – sich völlig hilflos vorfinden und zu moralischen Kompromissen gezwungen werden, die sie vollkommen fassungslos zurücklassen. Es ist eine Sache, wenn Kinder eines kleinen Diebstahls schuldig sind; aber es ist etwas völlig anderes, wenn sie jemanden vergewaltigen oder ermorden.
Die Geschichte verlangt nach der Beantwortung einiger Fragen. Erstens, was würdest du tun, wenn jemand deine Tochter unangemessen behandelt und sie entweder zurückweist oder sie heiraten möchte? Zweitens, wie sollten wir unsere Töchter schützen? Hatte sich Jakob überhaupt bemüht, Dina, einer jungen unverheirateten Frau, von den Gefahren zu erzählen, wenn sie allein in eine Welt hinausgeht, in der sie vielleicht nicht respektvoll behandelt wird? Wenn Kinder jung sind, ist es offensichtlich, dass wir sie als Person von gefährlichen Situationen und Orten fernhalten müssen. Aber wenn sie erwachsen werden, was dann? Wie können wir ihnen helfen? Eines ist klar: Es fällt viel leichter, über Disziplin zu reden, als sie auszuüben. Jakob scheint beides nicht getan zu haben. Und schließlich, warum griff Gott nicht ein und sagte Jakob, was er hätte tun sollen, um das Massaker überhaupt erst zu vermeiden? Warum tadelte Gott nicht direkt die Grausamkeit von Jakobs Söhnen?
Unsere vielen und dringenden Fragen – meist Warum-Fragen – werden im Text nicht beantwortet, jedenfalls nicht direkt. Uns wird einfach nur erzählt, was geschah. Wir können darüber nachdenken und dafür sorgen, dass unser moralischer Kompass ausgerichtet wird.
Als Nächstes spricht Gott zu Jakob und weist ihn an, nach Bethel zurückzugehen: „Mach dich auf, zieh hinauf nach Bethel und wohne dort, und mach dort einen Altar dem Gott, der dir erschienen ist, als du vor deinem Bruder Esau flohest“ (35,1). Es gibt keinen göttlichen Kommentar zu den Geschehnissen in Sichem, aber gerade die Tatsache, dass Jakob aufgefordert wird, woanders hinzugehen, mag schon andeuten, dass er gar nicht erst nach Sichem hätte gehen sollen.
Jakob ruft seine Familie und seine Diener zusammen und befiehlt ihnen als erstes: „Tut die fremden Götter weg, die in eurer Mitte sind, und reinigt euch, und wechselt eure Kleidung“ (35,2). Es ist klar, dass sich die Gruppe dem Einfluss der heidnischen Götter um sie herum nicht entziehen konnte. Wir erinnern uns, dass sogar Jakobs Frau Rahel den Hausgötzen ihres Vaters Laban gestohlen hatte, als sie weggezogen waren. Hier besteht Jakob darauf, dass es keinen Kompromiss in ihrer geistlichen Treue geben darf.
Er erklärte sein Vorhaben: „Wir wollen uns aufmachen und nach Bethel hinaufziehen, und ich werde dort einen Altar machen dem Gott, der mir geantwortet hat am Tag meiner Drangsal und mit mir gewesen ist auf dem Weg, den ich gegangen bin“ (35,3).
Bei Jakobs erstem Besuch in Bethel war Gott ihm erschienen und hatte ihm versprochen, mit ihm zu gehen. Nun bekennt Jakob offen, dass Gott seinem Wort treu gewesen war. Er gibt auch zu, dass er in Not gewesen war und dass Gott seine Gebete beantwortet hatte. Es erfordert Mut von einem Mann, seiner Familie gegenüber Not und Sorgen zuzugeben. Eine solche Ehrlichkeit mag der erste Schritt dazu sein, um eine Art geistlicher Führung zu übernehmen.
Bethel lag in südlicher Richtung auf Jakobs Weg nach Hause. Aber die Reise dorthin war voller Gefahren. Das mörderische Treiben seiner Söhne in Sichem hatte die einheimischen Stämme gegen ihn aufgebracht, und Bethel lag noch in Kanaan. Die Chance, dass er sein Ziel oder gar sein väterliches Zuhause erreichen würde, war menschlich gesehen sehr gering. Ihm wurde jedoch übermenschlicher Schutz gewährt: „Und sie brachen auf. Und der Schrecken Gottes kam über die Städte, die rings um sie her waren, so dass sie den Söhnen Jakobs nicht nachjagten“ (1Mo 35,5).
Die Einheimischen der Städte ringsumher hatten es nicht so sehr auf Jakobs, sondern auf das Blut seiner Söhne abgesehen, und Gott griff ein, um die Familie zu beschützen. Dieses Eingreifen führt zu der naheliegenden Frage: Warum hatte Gott nicht früher einen Schrecken gesandt, um Dina zu beschützen, wie Er zuvor zweimal Abrahams Frau Sara beschützt hatte? Soviel Leid hätte vermieden werden können und die jetzt erfolgte Intervention unnötig gemacht. Es wird uns nicht gesagt, aber die vor uns liegenden Fakten zeigen, dass Gott nicht immer das tut, was Er unserer Meinung nach tun sollte. Seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken, und seine Wege sind nicht unsere Wege.
Jakob kam zurück an den Ort, von dem er Jahre zuvor losgegangen war. Das Leben war im Kreis verlaufen, und zweifellos brauchte er Zeit, um über all das nachzudenken, was ihm passiert war. Er war nun der anführende Patriarch einer noch kleinen Nation, ein von Gott auserwähltes Volk, um eine zentrale Rolle im Samen-Projekt zu spielen.
Er kam in Bethel mit sehr viel Gepäck an, im wörtlichen wie im bildlichen Sinn. Was hatte er in den Jahren, seit er sein elterliches Zuhause verlassen hatte, wirklich gelernt? Er hatte seinen Vater getäuscht und seinen Bruder betrogen. Er wiederum war von seinem Onkel immer wieder getäuscht und betrogen worden, den er daraufhin täuschte und betrog. Er hatte von Anfang an mit Geschwisterrivalität und Spannungen in seiner Familie gelebt; er hatte eine Ehefrau zum Schaden der anderen bevorzugt und dies hatte sich auf seine Haltung gegenüber seinen Kindern ausgeweitet. Seine Kinder waren aufsässig und sogar gewalttätig geworden, wie das schreckliche Massaker in Sichem zeigte. Er hatte versäumt, seine Tochter zu beschützen.
War diese Art von Gewalt der einzige Weg, um sicherzustellen, dass die Nation vereinigt bleibt und sich nicht mit den heidnischen Stämmen der Gegend vermischt? Und wie könnte das Schüren von Feindschaft in dieser Art und Weise Gottes Ziel erfüllen, der ganzen Welt, und nicht nur Israel, Segen zu bringen?
Hatte Jakob überhaupt etwas erreicht? Er hatte mit Laban einen Nichtangriffspakt geschlossen und sich von ihm getrennt. Es hatte eine Versöhnung mit Esau gegeben, obwohl dann jeder seinen eigenen Weg gegangen war. Inmitten all dessen hatte Jakob vereinzelt erlebt, wie Gott mit ihm sprach, er hatte Ihm Altäre gebaut und gelegentlich gebetet. Aber all das erscheint ziemlich unerheblich, abgesehen von der dramatischen Vision in Bethel und seinem nächtlichen Ringkampf in Pniel, als er das Angesicht Gottes sah. Durch diese letzte Begegnung hinkte er, so dass er sie nie vergessen würde.
Doch die schwierigen Erfahrungen hatten Jakob vielleicht bereitwilliger als am Anfang gemacht, nun auf Gott zu hören und Gottes Wort ernst zu nehmen. Und Gott sprach noch einmal zu ihm und bestätigte seine Namensänderung von Jakob zu Israel und versprach ihm eine Vielzahl an Nachkommen unter den Nationen und Königen. Außerdem versprach Er ihm noch einmal das Land, dass Er Abraham und Isaak gegeben hatte.
Es gab keinen Tadel hinsichtlich seines Versagens, seine Tochter zu beschützen oder seine Söhne zu disziplinieren, keine Führung in der Frage, wie er mit den Kanaanitern umgehen sollte, die er sich zum Gegner gemacht hatte, oder wo er Ehefrauen für seine Kinder finden sollte. Doch Gottes Aussage war voller Hoffnung: Israel würde eine große Nation werden, und viele dieser Probleme würden gelöst werden. Diese Botschaft erhielt er, als er nach Bethel zurückkehrte.
Ich stelle mir hier die Frage, und du stellst sie dir vielleicht auch: Muss ich das Gleiche tun, nach Bethel zurückkehren? Dies mag keine Rückkehr im Sinne einer echten Pilgerreise zu einem Ort sein, obwohl bestimmte Orte uns manchmal dabei helfen können, die Dinge zu durchdenken, die uns beschäftigen. Aber die Gefahr von besonderen Orten ist, dass wir dann zum Beispiel denken könnten, dass Gott nur in einem Gebäude, wie einer Kirche, erfahren werden kann. Wir verlieren dann den Sinn dafür, dass Gott auf unserem Weg mit uns ist, immer offen für ein Gespräch, immer bereit, uns unseren Weg zu zeigen. Die Ermutigung, die Gott Jakob in Bethel gab, wird durch den Herrn Jesus im Neuen Testament wiederholt und für uns betont: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Sachwalter geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit“ (Joh 14,16.17). In all den großen Fragen des Lebens, wo wir uns oft überwältigt und unfähig fühlen, werden wir aufgefordert, sie vor Gott zu bringen, „indem ihr all eure Sorge auf ihn werft; denn er ist besorgt für euch“ (1Pet 5,7).
Uns wird nicht gesagt, wie lange Jakob in Bethel blieb oder was er tat, während er dort war. Schließlich ging er das letzte Stück seiner Reise zurück nach Hause zu seinem Vater Isaak in Hebron.
Unterwegs geschah eine weitere Tragödie. Jakobs erste Liebe, Rahel, überfielen schwere Wehen, und zu Jakobs großer Trauer starb sie während der Geburt ihres zweiten Sohnes. Mit ihrem letzten Atemzug nannte sie das Kind Benoni, „Sohn meiner Not“. Aber Jakob nannte ihn Benjamin, „Sohn der Rechten [d. h. des Glücks ]“, der ein leiblicher Bruder Josephs war. Dies geschah nahe des Dorfes Ephrat, das ist Bethlehem. Jakob begrub seine Frau dort an dem Weg und richtete ein Denkmal auf, das viele Jahre lang als Grabmal Rahels bekannt war.
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