Kitabı oku: «Die Politik Jesu», sayfa 6

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Hinrichtung und Erhöhung: Lukas 23–24

Wie Lukas den Abschnitt vom Abendmahl bis zu Gethsemane durch Anspielungen auf das Dienen und das Schwert unterstrichen hat, so interpretiert er nun den Weg vom Hof des Pilatus nach Golgatha in einer Sprache, die an den triumphalen Einzug erinnert. Eine große klagende Menge folgt Jesus; er warnt sie vor dem noch ausstehenden Unheil.90

Während Markus nur den Namen Barabbas und Matthäus einfach „einen berüchtigten Gefangenen“ erwähnt, sagt uns Lukas zweimal, dass er wegen Aufruhrs gefangen gehalten wurde, und betont die tragische Ironie des Handels: „Er ließ aber den wegen Aufruhrs und Totschlags ins Gefängnis Gesetzten frei, den sie begehrten; Jesus dagegen gab er ihrem Willen preis.“91 Die Geschichte endet mit der Inschrift am Kreuz und der Lästerung der Soldaten. Sie zielen auf sein Königtum und darauf, dass er sich nicht selbst rettet. Jesus wurde somit gegen einen Zelotenführer eingetauscht und als „König der Juden“ zu Tode gebracht.

Das ist wiederum einer der Punkte, wo die spiritualistisch-apologetische Exegese immer betont hat, die Juden oder die Römer oder die zelotisch gesinnten Bürger hätten Jesus alle falsch verstanden; in Wahrheit habe er die etablierte Ordnung nie behelligen wollen. Deshalb muss die Illegalität des Vorgehens gegen ihn und die Unrichtigkeit der Beschuldigung demonstriert werden. Selbst dann aber müsste erklärt werden, warum ein Jesus, dessen Hauptanliegen es war, apolitisch zu sein, gerade in dieser Weise missverstanden worden ist, statt auf irgendeine andere Weise, und warum er nicht jedermann vor einer so radikalen Fehlauffassung seiner Absichten bewahrt hat. Auch wenn man zugesteht: die Verhandlungen, wie sie berichtet werden, waren nicht den Regeln entsprechend, und ein normaler Prozess nach jüdischem oder römischen Recht hätte Jesus mangels bewaffneter aufrührerischer Aktionen freigesprochen, so waren doch die Ereignisse im Tempelhof und die von Jesus gebrauchte Sprache nicht darauf berechnet, jeden Anschein umstürzlerischer Pläne zu vermeiden. Jüdische und römische Autoritäten verteidigten sich gegen tatsächliche Bedrohungen. Dass die Bedrohung nicht von bewaffneter, gewalttätiger Revolte ausging und dass sie die Machthaber nichtsdestoweniger so in Verlegenheit brachte, dass sie zu illegalen Vorgehensweisen Zuflucht nehmen mussten, ist ein Beweis der politischen Relevanz gewaltfreier Taktik und kein Beweis, dass Pilatus und Kaiphas besonders dumme oder ehrlose Männer waren.

Es bringt in diesem Zusammenhang keinen Nutzen, uns mit den alten, doch stets wiederkehrenden Diskussionen über die Rechtmäßigkeit der Verurteilung und Hinrichtung Jesu durch die Römer oder die Juden zu beschäftigen.92 Noch brauchen wir die unablässigen Anstrengungen zu katalogisieren, durch die Kombination literar-, redaktions- und überlieferungskritischer Techniken ein ganz neues Bild der „tatsächlichen Ereignisse“ zu rekonstruieren, das viel vollständiger, sicherer und den Juden, den Römern, Jesus (oder den Evangelisten) gegenüber weniger schmeichelhaft ist als die kanonischen Berichte.93 Es ist vielleicht bezeichnend – aber selbst der Versuch, soviel nachzuweisen, würde uns ablenken –, dass jeder Versuch hypothetischer Rekonstruktion dahin tendiert, die ökonomisch-politische Bedrohung der Römer durch Jesus ernster zu nehmen, als es die traditionelle kirchliche Interpretation tut.94 Für unser Anliegen genügt die Kreuzesinschrift als Beweis. Ob die juristische Prozedur in Ordnung war oder nicht, ob die jüdischen Institutionen Teilverantwortung trugen, unsere These braucht zur Bekräftigung nur, dass Jesu öffentliche Karriere die Vermutung rechtfertigt, er habe für das römische Reich eine so offensichtliche und ernsthafte Bedrohung dargestellt, dass dies seine Hinrichtung rechtfertigte.95

„Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen sollte“ (24,21) ist nicht nur ein weiteres Zeugnis der misslungenen Versuche der Jünger, Jesus zu verstehen; es ist auch ein Augenzeugenbericht, wie Jesus gehört wurde. Jesus tadelte das „blinde“ Paar auf dem Weg nach Emmaus nicht deswegen, weil sie auf der Suche nach einem Königreich gewesen waren. Ihr Fehler war, dass sie genau wie Petrus in Caesarea Philippi nicht begriffen, dass das Leiden des Messias die Einsetzung des Königreiches ist. „Musste nicht der Christus dies leiden und (dann) in seine Herrlichkeit eingehen?“ „Herrlichkeit“ kann hier nicht Himmelfahrt bedeuten, sie ist noch nicht berichtet, und eigentlich wird sie im Lukasevangelium auch nicht deutlich beschrieben. Könnte das dann nicht (wie das Konzept der „exaltation“ (Erhöhung) im Johannesevangelium) bedeuten, dass das Kreuz selbst als Erfüllung der Königreichverheißung gesehen wird? Hier am Kreuz ist der Mann, der seine Feinde liebte, der Mann, dessen Gerechtigkeit größer war als die der Pharisäer, der reich war und arm wurde, der seinen Rock denen gab, die seinen Mantel nahmen, der betet für die, die ihn verspotten. Das Kreuz ist nicht ein Umweg oder eine Hürde auf dem Weg zum Königreich, noch ist es der Weg zum Königreich; es ist das gekommene Königreich.

Unsere Darstellung hat größere Lücken; durchgehende Gründlichkeit hätte hier nur den bereits entstandenen Eindruck verstärkt. Wir haben die Verkündigung kommentiert, sind aber schnell über die Geburtserzählungen hinweggegangen (die Bedeutsamkeit der kaiserlichen Volkszählung, Bethlehem als Stadt des Königs, der Ruf der Engel: „Frieden auf Erden“; vgl. bei Matthäus die Weisen und den Kindermord). Wir haben das Lied des Zacharias zur Geburt des Johannes und die Predigt des Johannes betrachtet, aber nur einen Abschnitt seiner Laufbahn und seinem Schicksal gewidmet. Wir haben spezifisch ethische Passagen wie Kapitel 6 oder die dichten „Nachfolge“-Texte von 9,57–62 nicht eingehend interpretiert.96 Wir haben dem Komplex wahrscheinlich politisch ausgerichteter Erzählungen in Kapitel 13 nicht nachgespürt (das Massaker des Pilatus an den Galiläern, der Turm von Siloah, der unfruchtbare Feigenbaum); noch haben wir die ausgedehnte Diskussion um das Steuergeld verfolgt (Kap. 20). Wir haben die Fälle, in denen Jesus angegangen wurde, die Richterrolle zu übernehmen (Lk 13,13f; Joh 8,1ff),97 nicht untersucht.

Auch ohne die Unterstützung, die eine sorgfältige Analyse dieses Materials erbracht hätte, können wir unsere zu Anfang gestellte Frage bereits deutlich beantworten.98 Jesus war nicht einfach ein Moralist, dessen Lehren zufällig auch einige politische Implikationen enthielten. Er war nicht in erster Linie ein Lehrer von Spiritualität, dessen öffentliches Wirken unglücklicherweise in einem politischen Licht gesehen wurde. Er war nicht nur ein Opferlamm, das sich auf seine Opferung vorbereitete, oder ein Gottmensch, dessen göttlicher Status uns veranlasst, sein Menschsein außer Betracht zu lassen. Jesus war, in seiner von Gott beauftragten (d. h. verheißenen, angekündigten, messianischen) Prophetenschaft, Priesterschaft und Königsherrschaft, der Träger einer neuen Möglichkeit menschlicher, sozialer und daher politischer Beziehungen. Seine Taufe ist die Einsetzung und sein Kreuz der Höhepunkt dieses neuen Regimes; die Jünger sind aufgerufen, daran teilzunehmen. Die Menschen mögen dieses Königreich als irreal, irrelevant, unmöglich oder nicht einladend abschreiben, doch zu dieser Einschätzung können wir nicht länger im Namen der systematischen Theologie oder ehrlicher Hermeneutik kommen. An diesem einen Punkt gibt es keinen Unterschied zwischen dem Jesus der Historie und dem Christus der Geschichte, zwischen Jesus Gott und Jesus Mensch, zwischen der Religion Jesu und der Religion über Jesus (oder zwischen dem kanonischen Jesus und dem historischen Jesus). Keine derartige Zerstückelung kann seinen Ruf zu einer Ethik, die durch das Kreuz gekennzeichnet ist, verhindern; ein Kreuz, in dem die Bestrafung eines Mannes erkannt wird, der die Gesellschaft durch die Gründung einer neuen Gemeinschaft radikal neuen Lebens bedroht.

KOMMENTAR ZU KAPITEL 2
Das kommende Königreich
Die Voreingenommenheiten des Lukas

Die redaktionelle Tendenz des Lukasevangeliums lässt sich auf zwei Weisen lesen. In den 1950ern und 60ern (dieser Teil der Politik Jesu geht zurück auf einen Text, der 1957 zunächst für eine ökumenische Konferenz der Reihe „Church and Peace“ vorbereitet wurde)99 meinte das unter den Exegeten damals vorherrschende Verständnis, die grundlegende editorische Intention des Evangelisten Lukas sei „apologetisch“ gewesen. Lukas hatte das Ziel, seinem Leser „Theophilus“, einem Mann von gesellschaftlichem Rang, zu versichern, die Bewegung der Christen stelle keine Bedrohung des römischen Friedens und der imperialen Ordnung dar. Auf die Spur einer solchen Intention führt die Frage, inwiefern Lukas in seiner redaktionellen Bearbeitung das auch von Markus und Matthäus verwendete Material seiner eigenen Zielsetzung anpasste. Dass viele Szenen bei Lukas Jesus immer noch als eine Art Revolutionär schildern, auch nachdem sie den Filter der angenommenen apologetischen Intention passiert haben, sollte ein Anzeichen für die Wahrhaftigkeit dieser Berichte sein. Lukas hätte solche Berichte nicht erfunden oder hinzugefügt, da sie ja seine These nicht unterstützten.

Die Intention des Lukas lässt sich jedoch auch anders verstehen. Statt zu fragen, inwiefern Lukas vorhandenes älteres Material veränderte, lässt sich auch fragen, welches Material er auswählte und betonte. Einige, die dieser Fragestellung nachgehen, sehen ein besonderes Interesse des Evangelisten an Außenseitern – Frauen, Steuereintreibern, Soldaten, Armen, Aussätzigen. Kurz gesagt, er gibt Außenseitern Würde und Ansehen. Das bestätigt auch der Vergleich der lukanischen Predigt auf der Ebene mit ihrem Gegenstück der Bergpredigt bei Matthäus. Oder die grundlegende Bedeutung, welche Lukas der Predigt in Nazareth (4,1ff) gibt, die sich in den anderen Evangelien nicht findet. Lukas vertrat also ein soziales Evangelium.100 Es hätte also meine Aufgabe erleichtert, dass ich mich entschied, der Erzählung des Lukas zu folgen.101

Ich meine jedoch nicht, dass meine Lesart sich so auf die Perspektive des Lukas beschränkte, dass sie nicht kohärent war mit dem allen Evangelien gemeinsamen Gesamtzeugnis.102 Da alle Evangelien genug Material zur Stützung meiner These enthalten,103 brauche ich nicht auf eine exegetische Schule mehr als auf andere zu setzen.

Historische Skepsis und der historische Jesus

Meine Studie hatte nicht die Absicht, einen eigenständigen Beitrag zur Diskussion um den „historischen Jesus“ zu liefern. Es handelt sich dabei um eine tiefe Grundsatzdebatte. In der akademischen Theologie wird sie seit Reimarus in den 1770ern und in der breiteren Öffentlichkeit mindestens seit Renan, ein Jahrhundert später, geführt. Mein Text ist jedoch durchzogen von einer unterschwelligen Wahrnehmung dieser Debatte. Es ist bemerkenswert, dass in allen Evangelienberichten und in allen wissenschaftlich kritischen Rekonstruktionen eines so gut wie nie in Zweifel gezogen wird, nämlich dass Jesu Handeln eine historisch politische Dimension hatte.104 Die zelotische Option, also die Möglichkeit anti-römischer Gewalt, rückt die Evangelientexte ganz in die Nähe der historischen Konfliktlinien.

Die Art der Debatte hat sich im letzten Vierteljahrhundert auch dahingehend verändert, dass das Lesen und Verstehen antiker Texte als kreativer Prozess wahrgenommen wird. Die „ursprüngliche Bedeutung“ eines Textes oder eines Autors bleibt nicht still stehen, wie frühere Lehrmeinung annahm, denn jeder Leser macht etwas Neues daraus.105 Auch die „Geschichte“ selbst, „wie sie sich wirklich ereignet hat“, steht nicht still; denn die Bedeutung der Ereignisse ist nie frei von Interpretation.106 Diese gewachsene Wahrnehmung vieler stark variabler Faktoren unterstützt nur meine These. Sie werden niemals eine antipolitische Interpretation Jesu untermauern, jetzt, wo unser Gespür für die Inkarnation freigesetzt wurde.

Was ich gerade „Gespür für die Inkarnation“ genannt habe, hat sich aus den Ansätzen der sogenannten „sozialhistorischen Exegese“ oder „sozialwissenschaftlichen Forschung“ entwickelt.107 Ich kann hier nicht die Grundlagen dieser Forschungen darstellen,108 doch ihre Entwicklung unterstützt insgesamt meine These.

Von der Erzählung zum Dogma

Als eine Art Ableger dieser Studie nehme ich ein verwandtes Anliegen wahr, ohne dass meine Sache davon abhängen würde. In den letzten Jahrzehnten wurde eine neue Aufmerksamkeit für den Jesus der Evangelienberichte zur Grundlage für ein nicht traditionelles Herangehen an die zuvor eher abstrakte Disziplin der „systematischen“ Theologie. So entstand ein neuer Zugang zu so traditionellen Themen wie „Inkarnation“ und „Trinität“. Es erschienen sowohl knappe „radikale“ Neukonzeptionen109 als auch großangelegte Studien etablierter Autoren110 unter der Überschrift „Christologie von unten“. Einige dieser Arbeiten behaupten, die narrative Darstellung Jesu im Neuen Testament eröffne nicht nur ein Verständnis für den Einsatz der Gläubigen für soziale Gerechtigkeit. Sie sei auch das beste Verfahren einer Wiedergewinnung oder Neubewertung der Stichhaltigkeit jener Themen, die im Zuge späterer Dogmenentwicklung auftauchten (Gottessohnschaft, Kenosis/Entäußerung, Jesus als Herr) und jahrhundertelang „von oben“ interpretiert wurden, als sei ihr Ursprung anderswo als in der Jesusgeschichte.

War Jesus ein Rebell?

Auf zweierlei Weise wurde meine Darstellung der „zelotischen Option“ in der Laufbahn Jesu infrage gestellt. Zum einen heißt es, der Begriff „Zelot“ sei anachronistisch und solle nicht gebraucht werden, denn Jesus selbst habe ihn nicht verwendet und auch sonst niemand vor dem Aufstand Menachems im Jahr 66 und später. Diese Feststellung ist zwar richtig, aber trivial. Als Lukas eine oder zwei Generationen später schrieb, verwendete er dieses Wort, da es für seine Leserschaft als Benennung des allgemeinen Phänomens subversiver Gewalt verständlich war. Was dieses Substantiv bedeutet, war zur Zeit Jesu präsent, wie Oscar Cullmann schon 1950 in seinen Basler Vorlesungen überzeugend aufgezeigt hat.111 Seit damals haben Studien von Richardson, Hengel, Horsley und Bammel ein noch detailreicheres und komplexeres Bild gezeichnet, dieses aber nicht wesentlich verändert.112

Was Christus wirklich abgelehnt hat, muss daher innerhalb des Rahmens seines irdischen Lebens gelegen haben. … Dieses Angebot kommt vor allem von der „Freiheitspartei“ der Zeloten und ihrer Anhänger unter den Massen. Eine solche Rolle würde auch Aktionen gegen die römische Herrschaft beinhalten. Die Realität der Versuchung Jesu wird am besten verständlich, wenn wir annehmen, dass diese Rolle eine echte Option für ihn war und er sie als Chance sehen konnte, das Reich Gottes herbeizuführen.113

Ein anderer Einwand gegen die zelotische Option wurde von einigen marxistisch orientierten Forschern erhoben. Was die real existierenden historischen „Zeloten“114 wollten, scheint eine Wiedereinsetzung des Gesetzes als rückwärtsgewandter gesellschaftlicher Machtfaktor gewesen zu sein. Sie sahen Gott an der Seite der Landbesitzer und Tempelbetreiber und nicht als „progressive“ Macht auf Seiten des Proletariats. Die Zeloten wären also nationalistisch, reaktionär, monarchistisch und ethnozentrisch gewesen.115 Es sei daher unangemessen, die „zelotische Versuchung“ Jesu mit dem Einsatz für eine gerechte und „befreiende“ Revolution heute zu vergleichen.

Das mag historisch korrekt sein, doch da die anti-römischen Kräfte keinerlei Machtposition innehatten, können die Historiker kaum etwas Sicheres sagen über unterschiedliche Zielvorstellungen und ob sie eine Art davidische oder salomonische Herrschaft wiederherstellen oder die Lage der Armen verbessern wollten.

Mir ging es bei der „zelotischen Option“ nicht um Merkmale irgendwelcher Zeloten oder um deren gesellschaftliche Entwürfe, sondern nur um das Prinzip gewaltsamer Erhebung als solches, das Zeloten – ob rechts oder links – durch göttliches Mandat für gerechtfertigt hielten und durch Engelheere unterstützt sahen. Jesus stand nicht vor der Wahl zwischen rückwärts- oder vorwärtsgewandten Befreiungsvorstellungen (sozial engagierte Zeitgenossen der 1980er und 90er nahmen einfach an, wir seien zeitlos qualifiziert, „vorwärts“ und „rückwärts“ zu identifizieren) oder zwischen sozialistischen und bourgeoisen Freiheitsverständnissen. Die Frage war vielmehr, ob Gewalt prinzipiell gerechtfertigt war im Dienst einer für gerecht gehaltenen politischen Zielsetzung.

Was den gesellschaftlichen Entwurf Jesu insgesamt betrifft, so haben wir darüber jede Menge Informationen aus dem Rest der Erzählung. Sein Entwurf unterschied sich von denen der verschiedenen „zelotischen“ Richtungen; und übrigens auch von denen der Marxisten. Keine der Lehren Jesu über Feindesliebe oder Ablehnung von Herrschaft enthält irgendeine Grundlage, zwischen bourgeoisen und anderen Feinden zu unterscheiden oder zwischen sozialistischer Herrschaft und anderen Herrschaftsformen zu differenzieren, dass etwa der einen Seite Gewaltanwendung verboten, der anderen jedoch erlaubt oder geboten wäre.

Weitere Unterstützung

Freundlich gesonnene Kritiker meinten, meine zusammenfassende Darstellung vernachlässige manche Teile der Evangelienerzählung, die meine These sehr stützen würden – besonders die „Lehre“ Jesu, etwa im Gleichnis vom barmherzigen Samariter, dem Gespräch mit der syrophönizischen Frau oder dem „reichen Jüngling“ oder der Predigt auf der Ebene. Ich habe sie nicht weggelassen, weil sie mein Anliegen nicht stützen würden, sondern weil es gerade diese Stellen waren, die durch die traditionellen Argumente, Jesus apolitisch zu verstehen, relativiert werden sollten. Die letzte Seite dieses Kapitels nannte schon 1972 zahlreiche weitere Auslassungen auch anderer Erzählstränge, die meine Sache stützen würden.116

43 Es macht auch keinen großen Unterschied, wenn, wie einige Exegeten vorschlagen, die früheren Quellen diese Worte Elisabeth in den Mund legen; vgl. Winter (1954).

Der jüdische Zeitgenosse hörte wahrscheinlich in diesem Lied das Echo des Lobgesangs der Hanna (1Sam 2), dessen Bilder nicht nur revolutionär sind („Satte müssen sich um Brot verdingen, doch Hungrige können feiern“), sondern auch einen militärischen Aspekt haben: „der Bogen der Helden wird zerbrochen … des Herrn Widersacher werden zerschlagen.“ Winter behauptet, dies sei ein makkabäisches Kriegslied aus einem Dokument, das unter den Jüngern Johannes des Täufers zirkulierte und das Lukas daraus übernommen habe. Sollte tatsächlich eine solche Entlehnung vorliegen, würde uns Lukas’ Vorstellung von einer politischen Bedeutung des Makkabäerliedes nur noch mehr einleuchten.

44 Das gängige Epitheton für diese Art der enthistorisierenden Interpretation, besonders in den Schriften derer, die die Soziallehren des Ökumenischen Rates der Kirchen interpretieren, ist „pietistisch“. Wir verzichten auf den Gebrauch dieses zu einfachen Etiketts, weil es der unter diesem Namen bekannten historischen Bewegung Unrecht tut; sie war kreativ und kritisch auf sozialethischem Gebiet. Vgl. mein Kapitel über „The Bogey of Pietism“ („Das Gespenst des Pietismus“) in Yoder (1964b), S. 84; und Brown (1967).

45 Josephus (1898), XViii. 5.2., vgl. Kraeling (1951), S. 85ff.

46 Schnackenburg (1952) ist ebenfalls der Ansicht, der Titel sei messianisch, nicht metaphysisch gemeint (S. 317, Anm. 37).

Dasselbe gilt für andere Stellen bei den Synoptikern: Z. B. Lk 22,6–23,3 (inhaltlich dasselbe in den Parallelstellen) stellt „Messias“ und „Sohn Gottes“ (im jüdischen Kontext gleich mit „König der Juden“ (vor Pilatus). Alle drei Titel bezogen sich im normalen Gebrauch nicht auf eine inkarnierte Gottheit, sondern auf einen göttlich beauftragten königlichen Menschen; vgl. Strachan (1957) und Foxell (1920), S. 81.

Nach Anregungen von Dupont und Grant stellt R. W. Stegner sowohl eine zeitgenössische kulturelle Verwurzelung des Berichts von der „Versuchung in der Wüste“ in der Qumran-Tradition fest, als auch ein Schriftmodell in der Geschichte von der Prüfung Israels in der Wüste („Wilderness and Testing in the Scrolls and in Mt 4:1–11“ BR, 12 [1967], S. 18ff). Keine dieser zusätzlichen Dimensionen steht der Entdeckung der Dimension einer politischen Alternative entgegen; es sei denn, man behauptet, die Versuchungserzählungen seien aus biblischen und kulturellen Modellen zusammengeschustert worden.

Fascher (1949) liefert einen Forschungsbericht über die Auffassungen der historisch-kritischen Wissenschaft. Er stellt zahlreiche Themen dar: Geht die Geschichte auf Jesus selbst zurück oder wurde sie von späteren Predigern zusammengestellt? Wird sie als Vision, als poetische Meditation berichtet oder buchstäblicher (und daher weniger glaubhaft) aufgefasst als physische Entrückung Jesu von der Wüste zum Tempel und zum Berggipfel durch den Versucher? Woher stammt das Konzept der Autorität des Satans? Doch es kommt Fascher nicht in den Sinn, nach einer realen sozialen Bedeutung des Berichtes zu fragen. Jesu Zusammenstoß mit diabolischen Kräften (Fascher verfolgt das Thema über die Versuchungsberichte hinaus) ist für ihn in Jesu innerlicher spiritueller Erfahrung lokalisiert.

Gerhardson (1966) illuminiert die Versuchung durch ein Übermaß an Parallelen zur Prüfung Israels in der Wüste, aber vermeidet jede soziale Konkretheit in Jesu eigener Situation.

47 Vgl. unten die „Erfüllung“ in Lk 9 (S. 52), „… sicherlich dachte Jesus nicht nur an seinen eigenen Hunger in jenen Wüstentagen. Es war der Hunger der großen Massen der Armen in der Welt. … Es war die Frage nach der Wahl der richtigen Methode für seine ganze öffentliche Karriere. … Erst das irdische Paradies, dann das himmlische Paradies – war das nicht die richtige Reihenfolge?“ Stewart (1933), S. 39ff. Schnackenburg (1952), S. 315, ist einer der Kommentatoren, die die Parallele zu Deut 8,3 akzentuieren.

48 „Ganz gewiss bedeutet die Geschichte dies, säkulare Macht darf nicht um den Preis der Anbetung Satans erworben werden; aber begreifen wir die volle Bedeutung der Geschichte, wenn wir meinen, das einzig Falsche an diesem Angebot war, dass es von Satan kam …? Das Angebot wird nicht deswegen abgelehnt, weil Satan unfähig ist, sein Versprechen zu halten; es wird abgelehnt, weil säkulare Macht für Jesu Antrag gänzlich ungeeignet, ja der Gebrauch säkularer Macht seinem Auftrag sogar entgegengesetzt ist.“ John L. McKenzie SJ (1966), S. 28f.

Morgenthaler (1956) folgert aus einem sorgfältigen Vergleich der Unterschiede zwischen Matthäus und Lukas, die Reihenfolge und das Vokabular des Versuchungsberichtes bei Lukas seien darauf angelegt, gerade die politische Natur der Versuchung in ihrer Relevanz für seine Zeitgenossen aufzuzeigen.

49 Hyldahl (1961). Kelly (1964) schlägt eine andere Lesart der Zinnensymbolik vor; sie trägt ebenso messianisch-politischen Charakter.

50 Hyldahl sieht hier ein wiederkehrendes Motiv: „Flieh vor den Konsequenzen deines Anspruchs“, das er auch in den anderen Aufforderungen an Jesus sieht, das sich abzeichnende Leiden zu umgehen:

• Petrus’ Vorhaltungen, die Jesus explizit Satan zuschreibt (Mk 8,31ff);

• die mögliche Rettung in Gethsemane durch Engel (Mt 26,53);

• die höhnische Aufforderung, vom Kreuz herunterzukommen (Lk 23,35 und Parallelstellen).

51 Schnackenburg (1952), S. 316f.

52 Wir können die Frage, ob Jesus den Text selber auswählte oder ob er einem festen Lesungszyklus folgte, nicht beantworten. Die Existenz oder Nichtexistenz einer festen Lesungstradition zur Zeit Jesu ist aus Gründen, die unserem Anliegen fernliegen, zum Gegenstand intensiver und komplexer wissenschaftlicher Debatte geworden. Eine exegetisch-kritische Schule, die recht unabhängig vom Großteil der Kommentatoren arbeitet, behauptet, die Komposition der Evangelien sei von den Lesungsschemata der Synagoge diktiert worden, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass zeitgenössische Leser eine Unmenge von Anspielungen auf Verbindungen zwischen den Lesungen aus dem Alten Testament und einer gegebenen Episode aus dem Leben Jesu hätten erkennen können (A. Guilding für Johannes, P. P. Levertoff für Matthäus, R. G. Finch für fast das ganze Neue Testament). Zwar spricht diese Hypothese den findigen Gelehrten an, doch sie wird schwer mit befriedigender Sicherheit nachzuweisen sein. Vgl. Morris (1964). Die Frucht dieser Debatte für unser Anliegen scheint zu sein: Es ist unwahrscheinlich, dass die Wahl von Jes 61 durch ein Lesungsschema diktiert wurde. Nach Billerbeck (1964) gab es zur damaligen Zeit keine regelmäßig vorgeschriebenen Lesungen aus den Propheten. Dass dieser Abschnitt nicht in den (bekannten, aber späteren) Leselisten enthalten ist, zeigt wohl eher an, dass Jesus ihn für seine eigenen Absichten auswählte, als dass er nur die Gelegenheit ergriffen hätte, einen für ihn ausgewählten Text zu zitieren. Das verweist auf eine sehr selbstbewusste Vorbereitung auf den Anspruch, mit dem er die Lesung krönte.

Ein großer Teil der Anstrengungen, Jesu Lesung in der Synagoge mit der Existenz einer feststehenden Lesungstradition zu verbinden, wurden vom Verlangen der Wissenschaftler beherrscht, nachzuweisen, dass eine solche Lesungstradition im Synagogenjudentum der damaligen Zeit existierte. Andere streiten für die Hypothese, dass die Abhängigkeit vom jüdischen Leseschema die Form der Evangelienredaktion bestimmte und daher einen Schlüssel zur Interpretation des Evangeliums darstellt. Die beiden Thesen bedingen also einander. Keine ist so weit gediehen, dass wir schließen könnten, der Abschnitt sei für Jesus ausgesucht worden oder die Wahl des Abschnitts erlaube die Datierung der Begebenheit in Nazareth. Zum Verständnis des Anspruches Jesu ist die Unterscheidung unwesentlich, obwohl natürlich der dramatische Effekt und der sofortige Anschein eschatologischer Erfüllung größer gewesen wäre, wäre der Text für ihn ausgewählt gewesen. Vgl. Crockett (1966).

53 Das Zitat bricht in dieser Form mitten im Vers ab; 61,2b „…einen Tag der Rache unseres Gottes“ wird weggelassen. Man könnte vermuten, dass mit dem Text vertraute Zuhörer über diese Auslassung erstaunt waren.

Jeremias (1953), S. 37ff, baut auf diese Mutmaßung die Vermutung, dass die Auslassung, indem sie die jüdischen Rachevorstellungen zurückweist und den Bund für die Völker öffnet, die Hauptaussage der ganzen Erzählung ist. Somit ginge es im abrupten Ende des Zitats um dieselbe Frage, die später im selben Kapitel angesprochen wird, nämlich Jesu offene Haltung gegenüber den Heiden. Aber der talmudische Brauch, ein Kapitel mit den ersten Sätzen einzuführen und es dem Leser zu überlassen, den Rest des Kapitels auszufüllen, verbietet es wahrscheinlich, soviel Bedeutung in das Fehlen eines Satzes zu legen. Die Offenheit gegenüber den Heiden bleibt jedoch als eigenständige Anstößigkeit in der nächsten Episode. (Möglicherweise beginnt mit Vers 22 oder 23 eine neue Erzählung oder es gibt zumindest eine Auslassung zwischen 21 und 22 oder 22 und 23. Das angenehme Erstaunen von Vers 22 ist nicht ganz dasselbe wie der Unglaube von Vers 23.)

54 Trocmé (1961). Ein Abschnitt aus Trocmé wird weiter unten angeführt (Kapitel 3). Ein früheres Buch über dasselbe Thema: Jones (1953) ist eine predigthafte Ausarbeitung von Themen aus Jesu Rede in Nazareth, geschrieben nach Jones’ Aufenthalt in der Sowjetunion.

55 Rabbi Stephen Schwarzschild deutet (im persönlichen Briefwechsel) an, dass nach (vielleicht späteren) talmudischen Leselisten besondere prophetische Lesungen und Torahtexte aufeinander bezogen wurden, und auf solche Weise Jes 61 indirekt mit Lev 25 (den Jubeljahrvorschriften) verbunden sein könnte. Anderson (1964) beschäftigte sich in einem Forschungsbericht über diesen Abschnitt mit der Spannung zwischen Anerkennung und Ablehnung durch die Zuhörer und mit zugrunde liegenden Fragen über den vorlukanischen Hintergrund der Erzählung und der redaktionellen Intention von Lukas; er analysiert jedoch nicht, ob das, was als Worte Jesu berichtet wird, eine soziale Bedeutung hatte. Hill (1971) geht Andersons Fragen nach. Er behauptet, die Verbindung der beiden Segmente sei eine von Lukas’ missionarischer Theologie diktierte Konstruktion.

56 North (1954).

57 „Auch heute noch gibt es keinen Hebräer, der nicht seine Gesetze befolgte, selbst wenn er sich unbeobachtet wüsste, gleich als sei Moses selbst noch gegenwärtig, um die Ungehorsamen zu strafen“ (Josephus [1898], iii15.3). North, der diese Behauptung von Josephus zitiert, ist sich nicht sicher, ob die Prozedur je ausgeführt wurde; auf jeden Fall wurde sie kaum regelmäßig angewandt. Beachtenswert scheint jedoch Zedekiahs Rückgriff darauf im Notfall.

58 Der Text sagt nicht, ob wir uns diese Rückkehr in die Sklaverei als Ergebnis von Gewalt oder ökonomischer Schwierigkeiten denken sollen. War die öffentliche Proklamation der Befreiung unmissverständlich, so ist es kaum vorstellbar, dass die früheren Sklavenbesitzer einfach hingingen und ihre früheren Sklaven mit physischer Gewalt wiedereinfingen. Es war wohl eher so, dass die Sklaven, da sie keine Mittel hatten, ihren eigenen ökonomischen Weg zu gehen, bald erneut in Schulden gerieten. Die Besitzer werden also nicht nur gerügt, weil sie ihre Sklaven nicht freigelassen hatten, sondern auch, weil sie sie nicht mit dem Notwendigsten ausgestattet hatten, um wirtschaftlich unabhängig zu existieren.

59 Die fortdauernde Fruchtbarkeit dieser Vorstellung zeigt sich auch in schöpferischer Theologie des 20. Jahrhunderts: „Das Jubeljahr ist Exodus ausbuchstabiert im Alphabet sozialer Erlösung. …“ Hoekendijk (1966).

60 In Verbindung mit der Aussendung der Siebzig sieht Jesus „Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (10,18). Die Sendung der Kirche in der Welt ist die Zerstörung von Satans Reich, wie das Eingehen auf die Abkürzung des Versuchers ein Triumph gewesen wäre.

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