Kitabı oku: «Das Wunder vom Little Bighorn», sayfa 5

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»Was ist mit dir geschehen, Kind? Sag es mir«, flüsterte die Mutter.

Während sie ihr tränennasses Gesicht trocknete, sagte Maiden Chief, immer wieder von kleinen Schluchzern unterbrochen: »Mutter, ich hätte heute nacht beinahe meine Ehre verloren. Ich hätte nie geglaubt, daß dies so leicht möglich sein könnte für ein Mädchen. Aber jetzt weiß ich, daß das so ist. – Ich habe den Mann gefunden, den ich von ganzem Herzen liebe, und um ein Haar hätte ich diese große Liebe zerstört, kaum das sie entstanden ist. In dem Moment, da ich sein schönes Gesicht erblickte, wußte ich, daß er ein stolzer Mann ist. Heute abend hat er mir gesagt, daß er mich liebe, und ich hätte diese Liebe am selben Abend beinahe wieder kaputt gemacht. Mutter, ich bin dem verkleideten Freier zu seinem Zelt gefolgt und ich habe ihn gesehen und mich in ihn verliebt. Fast wäre ich in sein Zelt gelaufen und hätte mich ihm offenbart. Wenn ich das getan hätte, Mutter, dann hätte sein Stolz seine Liebe für mich ausgelöscht. Oh, ich hasse seinen Stolz, und ich werde gegen seinen Stolz kämpfen, selbst wenn ich ihn darüber verlieren muß, bevor er mich sein eigen nennen kann, Mutter«, schloß Maiden Chief.

Die Mutter begriff rasch, was vorgefallen war und daß ihre Tochter in dieser Nacht einen schweren Kampf ausgefochten hatte, den sie nur mit größter Mühe hatte gewinnen können. Ihr Herz war von großer Freude erfüllt, denn ihr Kind hatte diese Prüfung ihres Charakters bestanden und einen Sieg davongetragen. Die Mutter fragte sie, wer der verkleidete Freier denn sei. Maiden Chief antwortete: »Er ist der Bruder der schönsten Zwillingsschwestern, die ich je gesehen habe.« Die Mutter schnappte vor Überraschung nach Luft und sagte: »Kind, ich weiß, wen du meinst, aber ich kann dir seinen Namen nicht nennen, da er ja schon sehr bald mein Schwiegersohn sein kann.« Es gilt bei den Sioux als Schande, wenn eine Frau den Namen ihres Schwiegersohns ausspricht oder wenn sie ihn ansieht oder mit ihm redet, es sei denn, es besteht eine dringende Notwendigkeit hierfür. Das gleiche gilt auch für Schwiegerväter und ihre Schwiegertöchter. »Ich werde dir seinen Namen erklären. Es ist der Name eines Wintervogels, der dem Adler ähnelt«, sagte die Mutter.

Maiden Chief begriff sofort, welcher Name gemeint war. »Ich habe den Namen Eagle Bird schon oft gehört, aber ich habe ihn mir immer als einen Mann vorgestellt, der seine mittleren Jahre schon überschritten hat, da er in unserem Stamm schon so bekannt ist«, bemerkte sie.

»Nun gut, Kind, beruhige dich und komm mit nach Hause. Du bist bestimmt schon klitschnaß«, sagte die gute Mutter und führte ihre Tochter an der Hand fort.

Der Vater, Loves War, war erleichtert, denn seine Frau hatte ihm nicht das vereinbarte Signal gegeben, auf das er voll Sorge gewartet hatte. Er hatte ein wenig von dem Gespräch, dem er in der Dunkelheit aus einiger Entfernung gelauscht hatte, verstanden, und so wußte er, was es mit dem geheimnisvollen Verhalten seiner Tochter auf sich hatte. Er war froh darüber, daß er nicht gezwungen war, seine Hände mit Blut zu beflecken, denn er hatte Rache geschworen, für den Fall, daß seiner Tochter etwas angetan worden wäre. Nachdem seine Frau und seine Tochter zurück im Tipi waren, machte er sich auf den Weg ins Ratszelt, um dort die Nacht über den Legenden und Abenteuern zu lauschen, die an diesem Ort allnächtlich bis in die frühen Morgenstunden zum Besten gegeben wurden. Das Ratszelt der Sioux ist jederzeit für alle zugänglich. Es dient nicht nur als Versammlungsort für die Würdenträger des Stammes, sondern ist auch ein Ort gesellschaftlichen Verkehrs, wo großartige Abenteuergeschichten erzählt werden.

Die schrecklichen Aufregungen, die Maiden Chief an diesem Abend durchlitten hatte, ließen keinen Gedanken an Schlaf aufkommen. Also saßen sie und ihre Mutter am offenen Feuer des Tipis und nähten in seinem Licht. Maiden Chief begann ein Paar Mokassins für Eagle Bird anzufertigen. In ihrer Vorstellung waren sie bereits Ehemann und Ehefrau, auch wenn ihre Hochzeit längst nicht feststand. Sie fühlte sich bereits eins mit dem Mann, im Geiste, im Herzen und in der Seele, denn Gedanke und Tat waren für sie eins.

Sie mußte nicht das Maß von Eagle Birds Fuß nehmen, um das Leder für die Mokassins in der richtigen Größe zuzuschneiden, denn sie hatte seine Füße an diesem Abend gesehen, und das Bild des Mannes stand ihr noch immer genauso deutlich vor Augen, wie sie ihn in seinem Tipi erblickt hatte.

Eagle Bird

Seit Lone Wolf sich erinnern konnte, liebte er den Kampf und die Einsamkeit der Wildnis. Mit zwölf Jahren war er von zu Hause weggelaufen, um sich einem Kriegszug anzuschließen. Bei dieser ersten Gelegenheit konnte er sich schon einen Namen machen, da ihm mehrere Coups gelangen. Viele Male noch begab er sich in seiner Jugend auf den Kriegspfad. Mit 16 zog er einem einsamen Wolf gleich völlig allein aus und kehrte mit zwei Skalps und einer kleinen Herde geraubter Pferde von den verräterischen Assiniboine zurück. Mit diesem Abenteuer verdiente er sich seinen Namen, Lone Wolf23. Dieser Gemahl des Krieges erhielt seine Ausbildung in der harten und grausamen Schule des Kriegspfades. Er war ein charakterstarker, sehr stolzer Mann, der niemanden anerkannte und jeden geringschätzte. Er war unabhängig und war es gewohnt, in großen Tipis zu leben, ausgestattet mit dem besten, das es gab. Sein Stolz verleitete ihn mitunter dazu, sich mit nacktem Körper in der Öffentlichkeit zu zeigen, damit die Leute seine aus vielen Kämpfen stammenden Narben, mit denen sein Körper übersät war, bewundern konnten. Solch ein Mann war der Vater von Eagle Bird, Zintkála Wanblí, und niemand aus der ganzen Nation der Sioux war stolzer auf seinen Sohn als er.

Als Eagle Bird zwölf war, nahm Lone Wolf ihn zum ersten Mal auf einen Kriegszug mit. Gleich ihre erste gemeinsame Schlacht war eine der härtesten Prüfungen, die ein kaltblütiger Krieger bestehen konnte. Nur mit knapper Not kamen die beiden mit dem Leben davon. Dieses Abenteuer vermochte nicht im mindesten die Entschlossenheit Lone Wolfs zu erschüttern, seinen Sohn so zu erziehen, daß sein Charakter ihn einst über die größten Männer seines Volkes erheben würde. Ein derartiges Vorhaben verwirklichen zu wollen, erschien unmöglich, denn die großen Männer der Sioux werden nicht gemacht, sondern als solche geboren. Doch Lone Wolf war seinem Ziel, das Unmögliche zu verwirklichen, schon nahe gekommen. Eagle Bird, der erst 25 Sommer zählte, gehörte zwar noch nicht zu den Ersten des Stammes, doch kam er ihnen im Rang bereits nahe.

Frauen gehörten nicht in Eagle Birds Leben. Dies galt jedenfalls für solche, wie er sie bisher gesehen und gekannt hatte. Tatsächlich versuchten viele junge Frauen auf alle nur erdenkliche Weise, ihm näherzukommen. Er war schön wie kein anderer in der Welt der Sioux, und er war sich dessen wohlbewußt. Er empfand sogar ein gewisses Vergnügen daran, daß die Frauen sich nach ihm verzehrten. Eagle Bird, wie alle, die dem Krieg verschworen waren, glaubte an die Keuschheit. Sie war die Bedingung dafür, daß die Kriegszauber wirksam blieben, die ihm heilig waren und unter deren Schutz er sich stets befand. Eagle Bird war ein treuer Gemahl der Göttin des Krieges. Um des Krieges willen würde er beim Sonnentanz mit durchbohrtem Brustfleisch am Baum hängen, von einem Sonnenaufgang bis zum nächsten, wie eine Feder im Wind schwankend, mit blutüberströmtem Körper, die Zunge im Munde gequollen, nach Wasser lechzend.

Doch die Fundamente seiner Welt gerieten ins Wanken, als Eagle Bird zum ersten Male Maiden Chief erblickte. Von diesem Tag an fühlte er sich als ein vollkommen anderer Mensch. Loves War hatte eine große Feier veranstaltet, als seine Tochter in die Gemeinschaft der Hunká aufgenommen wurde. Als Sproß einer stolzen Familie war Eagle Bird bereits von Kindheit an Mitglied der Hunká-Gesellschaft. Alle Mitglieder der Hunká waren bei der großen Feier Maiden Chiefs versammelt. An jene, die nicht zu den Hunká zählten, wurden bei dieser Gelegenheit zahlreiche Geschenke verteilt, die die Hunká gespendet hatten. Keine Zeremonie der Sioux ist prächtiger anzusehen als das Hunká-Fest. Niemand, der einmal dabeigewesen ist, würde je die ergreifende Schönheit der Feier vergessen.

Das Hunká-Fest wird nach strengen Regeln abgehalten, denn wie die meisten Festlichkeiten und Tänze der Sioux wird auch diese Zeremonie als etwas sehr Heiliges angesehen. Eine dieser Regeln besagte, daß der Empfänger der Weihen sein Antlitz unverhüllt zeigen mußte, so daß die scheue und zurückhaltende Maiden Chief sich während des gesamten Festes den Blicken Hunderter festlich gekleideter Stammesmitglieder ausgesetzt sah. Dies trieb ihr das Blut ins Gesicht, was dazu führte, daß sie noch schöner wirkte als ohnehin. Sie bot einen Anblick, der das Auge und das Herz aller, die hier versammelt waren, erfreute.

Selbst Eagle Bird, der es gewohnt war, daß die Frauen ihn vergötterten, war von der Anmut dieses Geschöpfes zutiefst berührt. Einen großen Teil des folgenden Monats verbrachte er wie in Trance. Mechanisch erfüllte er seine Aufgaben im Heim und bei der Jagd sowie seine Verpflichtungen als Mitglied der Hunká-Gesellschaft. Zweimal faßte er den Plan, sich als »einsamer Wolf« auf den Kriegspfad zu begeben, aber er konnte sich am Ende nicht dazu durchringen. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er in den südwestlichen Abschnitt des Lagers spähte, um womöglich die Gestalt zu erblicken, die seinem Auge bereits so vertraut war und die ihn Tag und Nacht im Geiste heimsuchte. Der Gedanke an die schöne Frau ließ ihn nahezu unerträgliche Qualen durchleiden. Es schien, daß seine Liebe zu ihr ihn dazu zwingen würde, sich vor ihr zu demütigen. Kein anderer Ausweg war in Sicht.

Die Zeit zog sich für Eagle Bird schier endlos hin. Er wartete auf eine günstige Gelegenheit, entwarf Pläne, wie er Maiden Chief begegnen könnte, ohne ihr seine Absichten zu offenbaren, aber all dies führte zu nichts. Fünfmal in diesem Monat nahm er am abendlichen Schaureiten im Lager teil, festlich gekleidet auf seinem rotbraunen Kriegspony. Doch nicht ein einziges Mal erblickte er Maiden Chief unter den Zuschauern, und so nahm er wieder davon Abstand, auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Frau wecken zu wollen. Fast schien es ihm, als vermiede sie absichtlich jede Begegnung mit ihm.

Schließlich faßte er einen Entschluß: »Ich werde das Mädchen heute abend besuchen, aber sie soll nicht wissen, wer ich bin, bis sie mir sagt, daß sie mich liebt.« Er verkleidete sich mit einem alten Anzug aus Hirschleder, den er sich von einem Cousin auslieh. »Sie darf nie vor ihren Freundinnen auf mich zeigen können und sagen, daß ich ein zurückgewiesener Freier sei«, schwor sich der stolze Eagle Bird. Doch tatsächlich lag sein Stolz bereits in Scherben, und er stöhnte vor Scham darüber, daß diese Frau, die von ihm so wenig wußte wie vom Mann im Mond, ihn all seiner Kraft beraubt hatte. Die Liebe hatte seinen Stolz zerschmettert. Sie war eine Kraft, die alle Hindernisse niederriß, um zu ihrem Ziel zu gelangen.

Verwirrung

Zwei Tage, nachdem Maiden Chief ihrem verkleideten Besucher bis zu seinem Zelt gefolgt war, flüsterte sie drei Worte des höchsten Glücks ins Ohr ihrer besten Freundin Coming Day: »Bald heirate ich«. Mehr erzählte sie ihr nicht, aber Coming Day war so überglücklich, daß die drei geheimen Worte nicht lange brauchten, bis sie Eagle Bird zugetragen wurden.

Eines Abends, als Eagle Bird mit seiner Familie zusammen speiste, erzählte seine Mutter dem Vater: »Mann, die schöne Tochter von Loves War wird heiraten. Das hat ein Mädchen heute meinen Töchtern erzählt.« Ein verletzter Ausdruck lag in ihren Augen, als sie dies sagte. Lone Wolf, der schweigend und mit voller Konzentration sein Mahl genossen hatte, fuhr hoch, als hätte eine Kugel ihn getroffen. »Hán-hán-hé!« – »Oha!« rief der Mann und warf einen schnellen Blick auf seinen Sohn, der mit gesenktem Kopf weiteraß, als hätte er kein Wort vernommen.

Die Neuigkeit lastete schwer auf Eagle Birds Eltern, die sich insgeheim die schöne Maiden Chief als Schwiegertochter gewünscht hatten. Eagle Bird wäre fast der Bissen im Halse steckengeblieben, als er von Maiden Chiefs Heiratsabsichten hörte. Ohne irgend etwas von seiner Umgebung wahrzunehmen, ohne zu wissen, was er tat, verschlang er den Rest seiner Mahlzeit. Er schob seine Eßgerätschaften zu seiner Mutter, ergriff seinen Umhang und verließ das Tipi. Langsam, mit dem unsicheren Schritt eines Betrunkenen, lief er durch die Dunkelheit der einsamen Nacht. Das Herz tat ihm weh. Immer wieder fragte er sich: »Wer kann dieser Mann sein, wer kann es sein?« Heftige Eifersucht ergriff ihn, und eine Wut stieg in ihm auf, die seinen Kopf zu sprengen drohte.

Gleich den Blitzen, die einem Unwetter vorhergehen, durchzuckte ihn in rascher Folge immer wieder das Verlangen, die Frau, die ihm einen Monat lang so viele Qualen verursacht hatte und deren bevorstehende Hochzeit sein gesamtes weiteres Leben zu vergällen drohte, kurzerhand zu entführen. Er fühlte sich von seinem Kummer wie zermalmt. All seine Hoffnungen waren zerstoben. In seiner Verzweiflung begann er zu den Gottheiten des Hirschkults zu beten: »Ihr heiliges Volk der Hirsche, habt Mitleid mit mir, einem einfachen Sterblichen. Helft mir, das Verlangen der Frau, die ihr in meinem Herzen erblickt, auf mich zu lenken.« Daraufhin murmelte er einen Schwur an die Hirschgötter. Er sprach so leise, daß man nicht hören konnte, was er den Göttern versprach, wenn sie ihm helfen würden. Doch muß dieses Versprechen ein sehr großes gewesen sein, denn mit einem Mal war Eagle Bird wieder voll Hoffnung. Er vertraute darauf, daß sein Gebet erhört würde. Mit aufrechtem Gang und freudig glänzenden Augen wandte er sich um und begab sich wieder zum Tipi seines Vaters.

Er widerstand der Versuchung, zum nächtlichen Tanz der Krieger zu gehen, der bereits in vollem Gange war und ging ins Tipi, um sich zur Ruhe zu begeben. Diese Nacht brachte ihm nur wenig Schlaf. Er konnte das Bild Maiden Chiefs nicht aus seinen Gedanken bannen. Unaufhörlich erblickte er sie vor seinem inneren Auge, so wie er sie einen langen, langen Monat zuvor auf dem Hunká-Fest erblickt hatte. Ein Alptraum ließ ihn am frühen Morgen von seinem Lager aus weichen Büffelfellen hochfahren. Er hatte geträumt, daß er Maiden Chief entführt hatte, und daß der Mann, den zu heiraten sie versprochen hatte, sie aufgespürt hatte. Daraufhin war ein heftiger Messerkampf entbrannt. Endlich war es ihm gelungen, seinen Gegner niederzustrecken. In dem Augenblick, als er ihm das Herz aus dem Leibe hatte schneiden wollen, hatte Maiden Chief Eagle Bird ihr Messer in den Rücken gestoßen, um ihren künftigen Ehemann zu retten. Dieser scheußliche Traum trieb Eagle Bird aus dem Bett. Er verließ das große Zeltlager seines Stammes, um einen Ort der Stille zu finden. Doch die Abertausenden Vögel, die das ganze Tal mit ihrer Musik erfüllten, verhinderten, daß er in Ruhe nachdenken konnte. Sein Traum machte ihm zu schaffen. Die Erinnerung an den Kampf mit dem Mann und daran, daß Maiden Chief diesem beigestanden hatte, raubte ihm fast den Verstand.

Er lief schnell und leichtfüßig wie eine Katze, die nach einem Versteck für ihre Beute sucht. Er wünschte, der Traum würde Wirklichkeit; er wollte kämpfen. Er achtete kaum auf seinen Weg, und so befand er sich, als er endlich wieder zur Besinnung kam, zu seiner Überraschung plötzlich an einer Biegung des Flußtals weit im Norden des Lagers. Er hatte eine Stelle erreicht, an der der Fluß zwischen 30 Meter hohen, engen Wänden hindurchschoß. Dort ließ er sich, erschöpft von seinen Gefühlsstürmen, zu Boden sinken. Er blickte die Schlucht hinab, um die Strömungen im schnell dahinfließenden Gewässer zu beobachten, die auf der Suche nach einem Weg durcheinander und übereinander schossen gleich einer in Panik geratene Büffelherde in einem engen Canyon, gehetzt von brüllenden, pausenlos ihre Gewehre abfeuernden Jägern.

Während er mit schmerzendem Körper und aufgewühltem Geist in den tosenden Fluß starrte, erschienen plötzlich zwei Bisamratten unten an der Flußbiegung. Obgleich sie vom Wasser wie Spielbälle umhergeschleudert wurden, kämpften sie erbittert miteinander und kreischten dabei wie streitende Katzen. Von Zeit zu Zeit riß ein Strudel sie unter Wasser, aber sie tauchten immer wieder auf, einander beißend und mit ihren schrillen Schreien, die von den Wänden der Schlucht widerhallten, das Tosen des Flusses übertönend. Eagle Bird setzte sich auf und beobachtete den wilden Kampf der beiden männlichen Tiere. Es dauerte nicht lange, und aus den geheimnisvollen Tiefen des Flusses tauchte ein Bisamweibchen auf, mit einer grünen Wasserpflanze in der Schnauze. Es schwamm ans Ufer und fraß die Pflanze gierig auf. Dabei wandte es nicht einmal den Kopf nach den beiden Männchen, die um seinen Besitz stritten. Nachdem es sein genüßliches Mahl beendet hatte, schwamm es an den kämpfenden Männchen vorüber, völlig desinteressiert, mit hoch in die Luft erhobener Nase und schlängelndem Schwanz, ein Sinnbild des Eigennutzes und der Selbstzufriedenheit.

Wenig später war das stolze kleine Weibchen um die Flußbiegung entschwunden, aber die beiden Männchen stritten sich noch immer um seinen Besitz. Eagle Bird nahm einen kleinen Stein und warf ihn nach den kämpfenden Liebhabern. In dem Augenblick, da der Kiesel auf dem Wasser aufschlug, trennten sich die Bisamratten und tauchten ab. Wenige Sekunden später erschienen sie fast am selben Ort wieder an der Oberfläche, und der Kampf begann von neuem. Eagle Bird lachte in sich hinein und sagte zu sich: »Gut, ihr Narren, wenn ihr bis zum bitteren Ende kämpfen wollt für ein Weibchen, das sich für keinen von euch auch nur im mindesten interessiert, kämpft weiter! Ihr seid Tiere, und das ist eure Art, mit den Weibchen zurechtzukommen. So wie ihr kann ich das nicht tun. Ich will nicht um sie kämpfen. Ich will, daß mein Mädchen meine Liebe von sich aus erwidert.«

Lange Zeit saß Eagle Bird noch da und starrte auf das Wasser des Flusses hinab. Der Kampf der Bisamratten hatte ihn nachdenklich gestimmt. Die Strahlen der Morgensonne wärmten ihn, und er wurde zusehends müde. Er legte sich auf den Bauch, schlief ein und vergaß alles. Kurz zuvor war er zu einer endgültigen Entscheidung darüber gelangt, wie es mit ihm und Maiden Chief weitergehen würde. Dieser Entschluß war sehr trostreich, und so konnte endlich wieder Frieden in ihn einkehren. Er schlief ausgiebig, und weder die Fliegen, noch die Ameisen oder die Stechmücken, die sich an seinem Blut labten, konnten seinen Schlummer stören.

Als er erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Nach dem langen Schlaf fühlte er sich wie neugeboren. Er stieg auf die höchste Erhebung am Steilufer und suchte mit den Augen die Umgebung ab. Im Süden sah er das große Stammeslager, das wie ein entfernter Kiefernwald aussah, dessen Baumwipfel in den blauen Himmel ragten. Die hohen Tipis schienen in der zitternden Luft zu schweben. Die Ponyherden, die auf den Talhängen weideten, schienen ebenfalls durch die Lüfte zu wandeln. Die geheimnisvolle Schönheit von Gottes Natur an diesem Tag besänftigte sein bitteres und einsames Herz. Die Landschaft war bezaubernd, die Luft angenehm mild. Angesichts all der Pracht mußte er an die schöne Maiden Chief denken, an ihre hypnotischen Augen, ihre unwiderstehlichen gekräuselten Lippen und vor allem an ihr Lächeln, das seine ganze Seele gefangengenommen hatte. Er schloß die Augen, so daß er ihre Gestalt klar in der Dunkelheit erkennen konnte. Ganz deutlich fühlte er, wie sie in seinen Armen lag, so, wie bei seinem zweiten Besuch bei ihrem Tipi, mit ihren molligen Händen und ihrem üppigen, duftenden Haar. Ihm war, als füllte ihr süßer, warmer Atem seine Lungen. »Werde ich je wieder all diese schönen Dinge fühlen können? Oder muß ich fortan leben, um in Sehnsucht nach ihr zu vergehen?« dachte er und seufzte. »Nein, wenn sie nicht verheiratet ist, bevor die Sonne zweier Tage in den heiligen Gründen des Westen versunken sein wird, werde ich meine Liebste mich erkennen lassen, und sie wird glücklich darüber sein. Meine Liebe wird sie mich lieben lassen. Anders kann es nicht sein, oder ich will nicht länger leben. Wenn sie meine Liebe nicht erwidert, so werde ich mein Glück im Tod auf dem Schlachtfeld suchen«, dachte er, während er die Tipis seines Stammes geisterhaft in der Luft schweben sah.

Eagle Bird beeilte sich, auf kürzestem Wege nach Hause zu kommen. Er wollte unbedingt Maiden Chief ein letztes Mal sprechen, bevor er zu dem Kriegszug aufbrach, von dem er nicht lebendig wiederkehren wollte, wenn sie seine Liebe verschmähte.

Die Tímpsila – wilde Karotten – wuchsen in diesem Jahr in großer Fülle und waren bereits reif. Auch die Felsenbirnen waren reif, so daß die Mädchen und Frauen, begleitet von ihren Männern und Verehrern, eifrig dabei waren, sie als Wintervorrat zu ernten. Die bewaldeten Flußufer und die Hänge waren von Beerensammlern und Leuten, die nach den Wurzeln von Wildgemüse gruben, förmlich übersät. Die kleineren Jungen lieferten sich Wettrennen und Scheingefechte. Junge Krieger und die notorischen Tagediebe des Stammes ritten über die Hügel, die das Lager umgaben und blendeten junge Mädchen mit Spiegeln. Alte Männer hockten in Gruppen beisammen, rauchten die Pfeife, erzählten Geschichten oder erinnerten sich an ein großes Ereignis aus der Vergangenheit. Irgendwo wurde eine Trommel geschlagen zur Melodie des Gesangs für einen Kriegstanz. An einer Stelle im Lager hatte sich eine große Menge versammelt. Dort fand ein Fest statt, vielleicht eine Hunká-Zeremonie oder eine Feierlichkeit für eine andere Gesellschaft. Im Ratszelt zählten die Führer die Tage, die ein Kriegszug bereits unterwegs war und versuchten, die Zeit seiner Heimkehr vorauszusagen, während sie auf die Rückkehr der Kundschafter warteten, die am frühen Morgen ausgesandt worden waren. Im Zentrum des Lagers ging es lebhaft zu wie auf einer großen Handelsmesse. Und inmitten all dieser Aufregung gab es zwei Liebende, die sich nacheinander verzehrten, weil sie nicht von der großen Liebe des jeweils anderen wußten. Die eine wartete sehnsüchtig darauf, ihre Liebe dem Geliebten zu gestehen, und der andere litt Qualen, weil er glaubte, sie würde bald einen anderen heiraten.

Während er auf dem Weg nach Hause war, vernahm Eagle Bird Stimmen im Wald. Es waren Beerenpflücker, die nichts von der Gefahr umherstreifender Feinde zu wissen schienen, die in dieser Zeit des Jahres stets im Wald auf der Lauer liegen konnten. Er zischte ärgerlich, als er sich daran erinnerte, wie ein kühner Feind Lone Wolfs solche Beerenpflücker einst am hellichten Tag und in Hörweite des Lagers überfallen und umgebracht hatte. Während er eilig eine Büffelfährte überquerte, die durch den Wald führte, vernahm er plötzlich hinter sich einen Aufschrei. »Hín!« – »Huch!« Er fuhr herum und blickte in die erstaunten Augen eines Mädchens, das er kannte und das den Namen Beloved, Waštékilapi-we, trug.

»Du hast mir einen Mordsschreck eingejagt, Beloved«, sagte er.

»Das ist nichts im Vergleich zu dem Schreck, den du mir eingejagt hast«, antwortete das Mädchen.

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß du vor irgend etwas Angst hast, wenn du es wagst, allein durch diesen Wald zu laufen«, bemerkte Eagle Bird.

»Ich bin ja nicht allein, Anpétu-ú-win, Coming Day, ist mit mir zusammen. Sie ist irgendwo in der Nähe«, entgegnete Beloved. »Wir haben darum gewettet, wer mehr Beeren sammeln kann. Du solltest bei mir bleiben und mir beim Sammeln helfen, damit ich sie besiegen kann«, rief sie lachend.

»Danke für deine Einladung. Aber ich möchte dir sagen, daß man niemals einen Freund betrügen sollte. Ich würde nie jemandem beim Schummeln helfen. Aber trotzdem ist mir der Gedanke, dich und deine Freundin so weit von zu Hause entfernt in diesem Dickicht allein zu lassen, nicht geheuer. Gerade in diesem Moment könnte ja ein Feind hier auf der Lauer liegen.«

»Pssst«, zischte Beloved aufgeregt, mit großer Furcht in den Augen. Sie ließ ihren Lederkorb fallen, so daß die Hälfte der Beeren über den Boden kullerte. Schutzsuchend eilte sie zu Eagle Bird, als würde der eingebildete Feind sie schon angreifen.

Eagle Bird lachte und sagte: »So große Angst brauchst du nun auch nicht zu haben, Mädchen. Vielleicht ist ja heute gar kein Feind in den Wäldern. Und wenn doch, dann werden wir ihn skalpieren und seinen Skalp beim Fuchs­tanz schwenken, so daß jeder ihn sehen kann«, sagte er ihr schmunzelnd.

»Aber er könnte ja auch uns skalpieren«, rief Beloved, noch immer sehr aufgeregt.

Eagle Bird zwinkerte ihr zu und scherzte: »Wenn dem so sein sollte, dann werde ich glücklich sterben, da du ja bei mir bist.«

Der ängstliche Gesichtsausdruck des Mädchens verschwand, und ein breites Lächeln erhellte ihr Antlitz, ein Lächeln, das Eagle Bird an Maiden Chief denken ließ. »Nun gut«, sagte Beloved, »dann werde ich halt mit dir zusammen sterben, wenn das die einzige Möglichkeit ist, wie ich dich glücklich machen kann. – Komm, hilf mir, die Beeren wieder einzusammeln.«

Beloved war ein faszinierendes Mädchen, dessen Schönheit der von Maiden Chief nahe kam. Im Gegensatz zu dieser war sie so erzogen worden, daß Scheu und Verschämtheit ihr fremd waren, was sehr ungewöhnlich war für ein 17jähriges Siouxmädchen. Tatsächlich hatte Eagle Bird bereits zu glauben begonnen, daß er die bezaubernde Beloved liebte, bevor er Maiden Chief zum ersten Mal gesehen hatte, deren Anblick all seine Zukunftspläne bezüglich Beloved zerstieben ließ. Für ihn war das Mädchen nunmehr wie eine Schwester geworden. Zwei Sommer lang waren sie ein Herz und eine Seele gewesen. Normalerweise hätte Beloved bereits mit 14 Jahren heiraten sollen, aber da sie Eagle Bird liebte, blieb ihr Ohr gegenüber dem Liebeswerben aller anderen taub. Sie verkörperte alles, was ein stolzer Mann wie Eagle Bird sich für eine Gefährtin wünschen könnte, aber für einen Liebenden gibt es keine zwei Rosen, die einander gleichen. Einst sagte jemand, daß es unmöglich sei, in einem Rosenfeld die schönste Rose von allen zu finden. Und doch wird man schließlich einer auserwählten Rose seine ganze Aufmerksamkeit schenken und sagen, es sei die schönste.

Eagle Bird hatte sich, wie bereits berichtet wurde, für den Weg der Keuschheit entschieden, da nur diese ihm ein langes Dasein inmitten der Gefahren, mit denen zu leben er entschlossen war, gewähren konnte. Und doch war er ein Mann, und er wollte, wenn er eines Tages die kriegerische Lebensweise aufgeben würde, eine Gefährtin an seiner Seite haben. Diese Frau hatte Beloved sein sollen. Zwei Sommer zuvor hatte er ihr gegenüber diese Absicht angedeutet, und sie hatte es sofort begriffen.

Doch seit er Maiden Chief gesehen hatte, hatte er kaum noch an Beloved gedacht. Die heutige Begegnung im Wald stimmte ihn daher auch etwas traurig. Er wußte, daß es das gute Mädchen verletzen würde, wenn er und Maiden Chief je zusammenfänden, und daß es nicht weniger leicht für Beloved sein würde, ihn durch den Tod auf dem Kriegspfad zu verlieren, den er sehr bald betreten würde, um womöglich nie wieder zurückzukehren.

Trotz dieser traurigen Gedanken hatten Eagle Bird und Beloved viel Spaß beim Beerensammeln. Coming Day hatte sich ihnen kurz nach seiner Ankunft zugesellt, aber da sie glaubte, daß Eagle Bird absichtlich gekommen sei, um Beloved zu sehen und mit ihr allein sein wollte, entschuldigte sie sich und begab sich in ein nahegelegenes Wäldchen, in dem viele Büsche voll mit köstlichen Beeren wuchsen.

Nachdem der Korb von Beloved gefüllt war, rief Eagle Bird Coming Day herbei und half ihr beim Sammeln, bis auch in ihrem Korb kein Platz mehr übrig war. Die drei bahnten sich einen Weg durch das dichte Unterholz. Eagle Bird ging voran, unmittelbar gefolgt von den beiden Mädchen. Plötzlich schreckten sie einen Schwarzbären auf, der geschlafen hatte, nachdem er sich den Bauch mit Beeren vollgeschlagen hatte. Der Bär griff ohne zu zögern Eagle Bird an, der ihm im Weg stand. Aus einer Entfernung von weniger als zwei Metern sprang er ihn an. Eagle Bird trug, wie immer, wenn er sich außerhalb des Lagers befand, sein geladenes Gewehr in der Hand. Schnell wie ein Blitz versuchte er, es in Anschlag zu bringen, doch wegen des Gewirrs der Äste gelang es ihm nicht rechtzeitig. Er ließ es zu Boden fallen und griff nach dem Messer. Doch sofort erkannte er, daß er dem Bären nicht zuvorkommen würde. Mit einer raschen Bewegung wich er dessen Angriff aus, gerade noch rechtzeitig, daß sein Gesicht nicht in Fetzen gerissen wurde. Doch einen Moment später war das brüllende Untier wieder über ihm. Eagle Bird duckte sich. Er stürzte sich seinerseits auf den Bären und rammte den Kopf gegen die Hinterbeine des Tieres. Einen Augenblick, bevor sein Kopf auftraf, fühlte Eagle Bird, wie sein scharfes Messer in den Leib des Bären drang. Er ließ es los und schlängelte sich, das Gesicht nach oben drehend, wie ein Fisch unter dem Tier hindurch. Er und der Bär hatten einander gleichzeitig angegriffen, aber Eagle Bird war den Bruchteil einer Sekunde schneller gewesen. Er nahm noch wahr, daß seine Aktion erfolgreich gewesen war, dann senkte sich Dunkelheit über seinen Geist.

Als Eagle Bird das Bewußtsein wiedererlangte, spürte er, daß kühles Wasser ihm über das Gesicht und den Hals rann, und er fühlte etwas Weiches, das sich gegen seine Wangen und seine Lippen preßte. Er begriff, daß ihn jemand für seine Tat mit Küssen belohnte. Er öffnete die Augen und erblickte unmittelbar vor sich die Gesichter von Beloved und von Coming Day. Beide Mädchen weinten vor Mitleid. Er versuchte, sich aufzurichten, aber mehr, als den Kopf ein klein wenig zu drehen, wollte ihm zunächst nicht gelingen. »So weint doch nicht, mit mir ist alles in Ordnung«, versuchte er, sie mit schwacher Stimme zu trösten.

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23 aralık 2023
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