Kitabı oku: «Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens», sayfa 3
9. Pilgertag, Mittwoch, 04.09.2013
Weingarten–Brochenzell: 22 km, Gesamt: 157 km
Frühmorgens mit Zug und Bus von Blaubeuren nach Weingarten, am Kirchplatz wieder eine kurze Kaffeepause und dann voller Erwartungen los in Richtung Ravensburg. Dort bin ich erst einmal sehr angenehm überrascht über den wunderbaren Stadtkern. Bei gutem Wetter lasse ich in einem kleinen Gartenlokal das bunte Treiben vor der fast mittelalterlichen Kulisse auf mich wirken.
Beeindruckt bin ich von der festlich geschmückten Jodokskirche. Es wird dargestellt, dass man im Leben viele Steine aus dem Weg räumen muss. Eigentlich die christliche Version vom Slogan meines Arbeitgebers: Wir machen den Weg frei …
Jodokskirche
Vorbei an der Mühlbruckkapelle verlasse ich die Stadt, um durch das Schussental meinen Weg durch eine naturbelassene Landschaft fortzusetzen. Kurz vor meinem heutigen Etappenziel komme ich schon an die ersten größeren Apfelplantagen, die mich nun bis zum Bodensee ständig begleiten werden. Ein Obstbauer erntet bereits die ersten Äpfel. Er ist sichtlich zufrieden mit dem Ernteergebnis. Einen Apfel anbieten will er mir jedoch nicht. Na ja, Pilger sind keine Heiligen, und ein geklauter Apfel schmeckt auch ganz gut. Auf diesem Weg ein herzliches Dankeschön.
Alpenpanorama
Hinter den Obstplantagen kann ich im Dunst schon das Alpenpanorama erkennen. Die Berge erheben sich majestätisch aus den Nebelschleiern, welche langsam von der Sonne aufgesaugt werden.
Brochenzell mit seiner Pfarrkirche St. Jakobus ist heute mein Ziel. Zimmer habe ich nicht reserviert. Aber in der Kirche befindet sich freundlicherweise eine Liste mit Privatleuten, welche für Pilger eine Unterkunft anbieten. Bei Familie Zeilmair bekomme ich ein gemütliches privates Pilgerzimmer.
Abends in der Schlosswirtschaft freue ich mich im ausgesprochen gemütlichen Biergarten über ein herrliches Essen in urgemütlicher Atmosphäre. Ein gutes Viertele Rotwein rundet einen wunderschönen sonnigen Pilgertag ab.
10. Pilgertag, Donnerstag, 05.09.2013
Brochenzell–Markdorf: 20 km, Gesamt: 177 km
Nach einem ausgedehnten Frühstück mit netter Unterhaltung meiner Pilgerwirtin mache ich mich auf den Weg. Zum Abschied bekomme ich noch ein Notenblatt „Irischer Segenswunsch“ geschenkt. Es ist ein wunderschönes Pilgerlied, worüber ich mich sehr freue. Über ein Notenblatt freut sich jeder Musikant. Herzlichen Dank, Frau Zeilmair, für die familiäre Aufnahme in ihrem Haus. Wieder eine Premiere. Es war die erste Übernachtung in einem privaten Pilgerzimmer. Wie sich noch herausstellt, werde ich sehr oft die Gastfreundschaft von Familien am Jakobsweg genießen dürfen. Das sind immer besondere Begegnungen.
Zeppelin
Es ist wieder sehr warm. Besser gesagt, sehr heiß. Ich bevorzuge deshalb alle Wege durch schattige Wälder. Plötzlich höre ich über mir Motorengeräusche. Beim Blick nach oben sehe ich durch eine kleine Lichtung einen Zeppelin dahinschweben. Rasch ergreife ich meinen Fotoapparat, kann gerade noch ein Bild machen, und schon entschwindet er wieder durch die Baumkronen. Wir befinden uns in der Heimat dieses Flugobjekts.
Immer wieder komme ich an einem Wegweiser nach Ailingen vorbei. Ich überlege bereits, ob ich den kleinen Umweg dorthin machen soll. Da bin ich zusammen mit meinem Sohn schon mit dem Fahrrad hingefahren und mit meinen Musikerfreunden habe ich so manchen schönen Abend in der „Gerbe“ gefeiert. Ich gehe jedoch meinen geplanten Weg weiter, zu Fuß ist doch jeder Kilometer, den man nicht gehen muss, sehr wertvoll.
In Oberteuringen finde ich am Ortseingang einen kunstvollen Bildstock mit Jakobus. In einer Schublade liegen ein Gästebuch und ein Pilgerstempel mit dem Ruf „Ultreia“ – weiter! Ich schreibe ein paar Worte in das Gästebuch und stemple meinen Pilgerpass. Auch eine wunderbare (saubere!) Bank ist neben dem Bildstock. Diese nutze ich für eine kleine Vesperpause. Der Jakobusweg wird in dieser Region offensichtlich richtig gelebt und gepflegt.
Skulptur
Auf einem romantischen Weg neben einem kleinen Bach taucht plötzlich diese Holzschnitzerei von Jakobus mit den Länderflaggen des Jakobsweges auf. Und in einem Infokasten finde ich gleich das Kärtchen einer Pilgerpension in Markdorf. So kann ich sorglos meinen Weg fortsetzen und mich an der herrlichen Landschaft und den Obstplantagen erfreuen. Die Sonne lacht mit mir um die Wette.
Ein älterer Herr, der mit seiner Frau eine Fahrradtour macht, gibt mir einen sicherlich gut gemeinten Tipp bezüglich eines herrlichen Biergartens. Mit dem Rad wäre das sicher einen kleinen Abstecher wert gewesen, aber zu Fuß wäre dieser Umweg fast eine Weltreise.
Bald erreiche ich Markdorf. Zuerst geht es an einem Campingplatz vorbei. Danach überquere ich die Bundesstraße, auf der ich mit dem Auto schon des Öfteren an den Bodensee gefahren bin. Ein kleiner Biergarten der Gaststätte zur „Traube“ lächelt mich so schön an, dass ich mich darin niederlasse und ein Weizenbier mit Limonade trinke. Das tut gut! Das Leben kann so einfach und schön sein, wenn man sich nicht in seine Architektur einmischt.
Markdorf, altes Spital und Mauritiuskapelle
Am Weg in die Stadt komme ich beim Alten Spital und der Mauritiuskapelle vorbei. Ein historischer Ort auf dem Jakobsweg. Haben doch hier schon vor Hunderten von Jahren, so wird wegen der Rötelkritzeleien in der Kapelle vermutet, Jakobspilger Zuflucht und Nachtquartier gefunden. Gerne hätte ich die Wandmalereien in der Kapelle besichtigt, aber leider ist sie verschlossen. Schade!
Ich marschiere weiter ins Zentrum zur Stadtpfarrkirche. Auf diesem Weg werde ich von einer charmanten jungen Dame im Alter von ca. 7 Jahren begleitet, welche mir voller Stolz aus ihrem Leben erzählt und sich jetzt mit ihrem neuen Fahrrad und ihrer Mama zum Einkaufen begibt, damit der Papa abends was zum Essen bekommt. Als sich vor einer Eisdiele unsere Wege trennen, bedanke ich mich artig für das angenehme Gespräch und wünsche der jungen Dame einen guten Einkauf!
Bevor ich mir danach ein gutes Eis in der Eisdiele gönne, besichtige ich die Stadtpfarrkirche. Die ist wunderschön anzuschauen und hat einen großen Marienaltar in der Seitenkapelle. Dort fragt mich ein ca. 10-jähriges Mädchen, offensichtlich islamischer Abstammung, was das für eine Frau auf dem „Tisch“ sei. Ich erzähle ihr die Geschichte von Maria und dem Jesuskind. Das Mädchen und ihr kleiner Bruder hören aufmerksam zu und stellen immer wieder interessiert Fragen. Da ist mein Wissen über die Bibel schon auf die Probe gestellt. Ich will ihr ja schließlich keine falschen Antworten geben.
Die Frage nach dem Grund für die vielen brennenden Kerzen erkläre ich ihr gerne, indem ich den zweien je eine Kerze spendiere, welche von ihnen angezündet und mit guten Wünschen für einen lieben Menschen – Papa, Mama, Oma oder Opa – vor den Altar gestellt werden. Ganz spontan wünschen sich die beiden den Segen für die Mama und die Oma.
Ein aufgeregter Papa kommt in die Kirche, um nach den Kindern zu schauen. Nach ein paar freundlichen Worten verabschieden wir uns mit gegenseitigen Wünschen für einen schönen Tag. Ich nenne diese angenehme Begegnung einfach mal Völkerverständigung im kleinen Kreis. Schade, dass sich hier die großen Kreise immer so schwertun.
Nach dem ersehnten Eisbecher gehe ich in die Pension Klappenberger, um das bereits gebuchte Zimmer zu beziehen. Abends erfreue ich mich an den Kochkünsten der örtlichen Gastronomie, bevor ich auf der Terrasse der Pension mit einem Radtouristen und meiner Pensionswirtin bei einem Glas gutem Rotwein den herrlichen, erlebnisreichen Tag ausklingen lasse.
11. Pilgertag, Freitag, 06.09.2013
Markdorf–Konstanz: 18 km, Gesamt: 195 km
Gut geschlafen – gut gefrühstückt, so mache ich mich, bei wiederum herrlichem Sonnenschein, auf den Weg in Richtung Meersburg. Ich freue mich schon auf den Bodensee. Bald geht es in ein ausgedehntes Waldgebiet, angenehm zu gehen. Zu wünschen übrig lässt jedoch die Beschilderung. Grob überschlagen 2 km Umweg im Kreis bin ich gegangen, als ich zum zweiten Mal an einem halb verfallenen Schäferwagen vorbeikomme und eine nicht ausgezeichnete Richtungsänderung machen muss, damit ich wieder auf den richtigen Weg komme. Das ist einfach ärgerlich – aber als Pilger soll man sich nicht aufregen, deshalb schicke ich ein kleines Dankgebet nach oben, dass ich jetzt wieder auf den richtigen Weg geführt wurde.
Vorbei an herrlichen Wiesen komme ich bald zur Kapelle Braitenbach. Auch hier sind wieder die Rötelkritzeleien wie in Markdorf zu sehen. Ich stelle mir vor, wie unsere Vorfahren seinerzeit hier genächtigt haben und die Pilgerzeichen an die Wände kritzelten. Das Pilgern zu dieser Zeit war sicherlich Müh’ und Plag’ pur. Die Ausrüstung und Verpflegung war nach heutigen Verhältnissen mangelhaft, und von den hygienischen Verhältnissen wollen wir gar nicht sprechen. Was diese Menschen auf sich genommen haben und dass sie Monate, vielleicht auch Jahre nach Spanien hin und auch zu Fuß wieder zurück unterwegs waren, ist aus meiner Sicht eine unglaubliche Leistung und fordert allerhöchsten Respekt ab.
Braitenbach
Auch der Grund für eine Pilgerreise im Mittelalter und heute kann sicherlich nicht unterschiedlicher sein. Waren es früher tiefe religiöse Gründe, eine zu erbringende Buße für „Todsünden“, welche heute nicht einmal einer Beichte wert wären oder Ähnliches, so ist es heute schon eher Freizeitvergnügen, Abenteuerlust, Naturverbundenheit oder sich einfach mal eine „Auszeit“ vom ach so gestressten Alltag nehmen.
Meist dürfte der Grund für die Pilgerschaft aus allem etwas schöpfen. Als Grundlage zum Pilgern dient sicherlich eine gewisse Religiosität, auch wenn sie vielleicht bisher noch im Innern verborgen war. Sie war da und fordert ihr Recht an jedem Bildstock – davon gibt es jede Menge –, an jeder kleinen Kapelle – davon gibt’s immer noch reichlich – und an jeder Kirche – gibt’s eigentlich in jeder Ortschaft – manchmal sogar zwei.
Liebe zur Bewegung in freier Natur. Sonne, auch Regentropfen spüren – wenn’s nicht zu viel auf einmal sind –, den Wind in den Haaren fühlen, den Duft der Landschaft in der Nase riechen – außer neben einer Wiese, die gerade mit Gülle getränkt wurde. Der Körper darf mal wieder nach Mensch riechen und vor Anstrengung leicht schmerzen. Die abendliche Erholung unter der Dusche und bei einem guten Gläschen Rotwein sind traumhaft entspannend und ersetzen jegliche Antistress- und Depressionstherapie.
Auch Abenteuerlust darf sicherlich auf der Liste für die Gründe einer Pilgerschaft nicht fehlen. Wanderschuhe, Stock, Sonnenhut, voller Rucksack, Wege durch – manchmal wirklich wilde, unberührte- Natur, über Stock und über Stein, die Frage, wo man abends ein Quartier finden kann oder sich eventuell todmüde doch noch 2 km weiterquälen muss. Finde ich beim nächsten Regenschauer rechtzeitig eine Schutzhütte oder wenigstens einen großen Baum mit einigermaßen dichter Baumkrone zum Unterstehen? Die Welt sieht einfach anders aus und hat andere Prioritäten abseits der Autobahnen, Städte, All-inclusive-Pauschalreisen, bei denen man (frau auch) sich mal beschwert, wenn die Marmelade auf dem Frühstücksbuffet aufgebraucht ist.
Hier auf dem Pilgerweg ist die Welt noch ursprünglich, die Menschen freundlich und hilfsbereit und die Ansprüche zur persönlichen Zufriedenheit auf minimale Anforderungen zurechtgestutzt.
Bodenseeobst
Ein Apfel im Supermarkt, in Plastik verpackt, möglichst im Sonderangebot, auf keinen Fall irgendwelche Druckstellen … hier auf dem Pilgerweg sehe ich nicht die Ware im städtischen, von Hektik und Stress geprägten Discounter. Nein, hier habe ich mal wieder die Ruhe, das ganze Produkt zu bewundern. Die Landschaft, in welcher die Apfelbäume wachsen, von fleißigen und freundlichen Obstbauern täglich gepflegt.
Und die Äste biegen sich unter der Last herrlicher Früchte, welche wir als Wunder der Natur ernten und genießen dürfen. Man vermag kaum zu glauben, wie sich das Ansehen und die Bedeutung eines Apfels nach ein paar Pilgertagen verändern kann.
Land, Leute und ihre Kultur spiegeln sich in den Schönheiten der mächtigen Kirchen und Klöster wider. Gerade zu Fuß und hier insbesondere als Pilger, gekennzeichnet durch die Jakobsmuschel am Rucksack, darf man immer besonderer Aufmerksamkeit und Hilfe gewiss sein. Die Leute kommen hilfsbereit und freundlich auf einen zu, und man hat immer interessanten Gesprächsstoff. So etwas ist bei einer Autofahrt, selbst wenn man wollte, niemals möglich.
Und der Ruf: „Buen Camino“, einen guten Weg zu wünschen, begleitet einen fast auf jedem Kilometer. Es ist etwas Besonderes, auf Pilgerschaft zu sein. Und mit diesem erhebenden Gefühl erreiche ich Meersburg, besuche gleich am Ortseingang die Kapelle im alten Friedhof und das Grab der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff, welche hier in Meersburg wirkte und deren Porträt einst die 20-DM-Note zierte.
Meersburg mit seinen schönen Gassen und der Hafenpromenade lädt zum Verweilen ein. In einem Gartenrestaurant trinke ich eine Portion Kaffee, ehe sich auf dem Handy meine Karin und Celine melden. Ich gehe zum Parkplatz, lege meinen Rucksack ins Auto und begrüße meine zwei ganz herzlich. Wir machen uns auf zum Hafen und können gleich mit dem Personenschiff nach Konstanz übersetzen.
Nach einer angenehmen Schifffahrt erreichen wir bald das Konstanzer Münster. Hier habe ich mein Etappenziel erreicht und den letzten Pilgerstempel auf dem oberschwäbischen Jakobsweg erhalten. Im Münsterkiosk kaufe ich mir noch einen Schlüsselanhänger mit Jakobsmuschel und der künstlerischen Abbildung meines Pilgerpatrons.
Im nächsten Jahr möchte ich von hier aus meine Pilgerschaft durch die Schweiz fortführen.
Die Reiseunterlagen und den Pilgerführer dazu habe ich schon zu Hause in meinem Pilgerordner liegen. Die Vorfreude auf die Etappen durch die wunderschöne Alpen- und Seenlandschaften ist groß.
Mein Pilgerausweis (Credencial)
Impressionen Oberschwäbischer Jakobsweg
Oberschwaben
Kirche Oberelchingen
mein Schatten
Kirche Bad Waldsee
Schweiz
Großer und kleiner Mythen
Wegweiser am Münster in Konstanz
12. Pilgertag, Sonntag, 04.05.2014
Konstanz–Maltbach: 27 km, Gesamt: 222 km
Frühmorgens klingelt der Wecker. Dusche, Tasse Kaffee, und schon geht’s los zum Bahnhof. Insgesamt 3 Stunden Zugfahrt. Dazu habe ich mir ein gutes Vesper eingepackt und Lektüre zum Lesen besorgt.
Es ist ein wunderschöner Morgen. Sonnig, blauer Himmel und eine angenehme Bahnfahrt bis nach Konstanz. Vom Bahnhof sind es nur ein paar Meter zu Fuß zum Münster. Hier beginnt meine Pilgertour auf dem Schwabenweg durch die Schweiz. Der Wegweiser zeigt es an: 4 Stunden bis nach Märstetten, ca. 1 Stunde mehr bis zu meinem heutigen Etappenziel nach Maltbach. Dort habe ich bereits telefonisch ein Pilgerzimmer bei Frau Mahler reserviert.
Es steht aber auch geschrieben, dass es bis zu meinem eigentlichen Ziel noch 2340 km sind – fast 3 000 000 Schritte –, und mit jedem Schritt wird es ab heute ein Schritt weniger – fantastisch.
Kommunion
Durch die Altstadt komme ich über die Staatsgrenze nach Kreuzlingen in der Schweiz. Kaum bin ich durch die Doppelstadt hindurch, befinde ich mich bereits im Stadtteil Emmishofen.
Dort herrscht reges Treiben. Der örtliche Musikverein sammelt sich zusammen mit dem Pfarrer, den Ministranten und den Kommunionkindern zum großen Einzug in die Kirche. Dort sitzen bereits die vielen Gäste der Kinder und warten voller Ungeduld auf die große Zeremonie. Großeltern strahlen eine feierliche Ruhe aus, Väter suchen ganz wichtig die Verwandtschaft zusammen und führen diese in die reservierten Kirchenbänke.
Mütter rennen Kopf- und Planlos durch die Gegend, zupfen an ihren Kleidern herum, suchen hysterisch den besten Platz zum Fotografieren und rennen dabei unschuldige Pilger über den Haufen. Die älteren Schwestern der Kommunionskinder merken plötzlich, dass der Rock für den Anlass doch zu kurz ist und versuchen, diesen alle 10 Sekunden nach unten zu ziehen. Kurz: eine ganz alltägliche Familienfeier, als Außenstehender ganz amüsant anzuschauen.
Kirche Emmishofen
Die Kirche ist wunderschön und erstrahlt in einem glanzvollen Weiß. Ich bin schon am Überlegen, zu Beginn meines diesjährigen Pilgerweges den Kommunionsgottesdienst mitzufeiern. Entscheide mich dann aber doch, weiterzugehen. Mit Wanderschuhen, Rucksack und Wanderhose fühle ich mich in dieser festlichen Umgebung doch ein wenig fehl am Platz. Ich lasse die feierliche Atmosphäre trotzdem auf mich wirken.
Schlossbühltobel
Auf dem Weg zurück zum Schwabenweg verpasse ich dann eine Abbiegung und mache so einen kleinen Umweg, bevor ich durch den malerischen Schlossbühltobel hinauf entlang einem Kreuzweg zur Kapelle Bernrain gelange und auf einer leicht hügeligen Strecke viele kleine Weiler und Gehöfte durchwandere. Unmengen an Raubvögeln schwirren über meinem Kopf. Ein gutes Foto will mir jedoch nicht von ihnen gelingen, schade.
Besonders schön sind die vielen Fachwerk- und Holzhäuser. Ich kann mich gar nicht sattsehen. Das Gerede von der wunderschönen Schweiz muss also auch außerhalb der beeindruckenden Bergwelt eine Grundlage haben. Zu meiner linken Seite sehe ich schon bald ein Alpenpanorama mit dem „Säntis“ als höchster Erhebung. Es ist ein wunderbares Gefühl, durch diese fantastische Landschaft zu pilgern.
Maerstetten
Bald erreiche ich Märstetten, meinem Reiseführer zufolge eigentlich der heutige Etappenort. Hier gibt es auch eine Pilgerherberge. Ich habe meine Route jedoch anders geplant und in Maltbach ein privates Pilgerzimmer gebucht, um die morgige Etappe etwas zu verkürzen. In der schönen Kirche kann ich den ersten Pilgerstempel aus der Schweiz in meinem Pilgerbuch anbringen. Und wenige Meter daneben finde ich eine kleine Gastwirtschaft, in welcher ich eine wunderbare Tasse Kaffee bekomme.
Nun geht es mit frischem Elan weiter nach Maltbach. Meine Pilgerwirtin ist auf einer Kommunionfeier und kommt erst gegen 18.00 Uhr zurück. Deshalb begebe ich mich zuerst in das kleine Restaurant und trinke am Stammtisch ein Glas Bier. Danach ruhe ich mich vor meiner Pension auf einem Liegestuhl aus, bis meine Pensionswirtin plötzlich und unerwartet aus dem Haus kommt.
Abendessen hat sie auch schon gemacht. Zanderfilet mit Kartoffeln, Buttersoße und grünem Salat. Einfach köstlich. Ein Kompliment an die Köchin. Hätte nicht gedacht, auf meiner Pilgerreise solch ein Pilgermenü verköstigen zu dürfen.
Danach gehe ich gleich ins Bett. Der lange Marsch und die Sonne haben mich müde gemacht. Auch meine Füße und meine Schultern verlangen nach Erholung. Ich schlafe wunderbar in meinem kleinen, einfachen Pilgerzimmer über einer ehemaligen Werkstatt.
13. Pilgertag, Montag, 05.05.2014
Maltbach–Kloster Fischingen: 24 km, Gesamt: 246 km
Pünktlich um 08.00 Uhr bekomme ich ein gutes Frühstück. Reiseproviant muss ich leider ablehnen, weil ich noch vom Vortag einen gut gefüllten Vesperbeutel habe, den ich heute noch essen kann.
Frohgemut starte ich auf meine heutige Etappe und komme gleich zur Kapelle Kaltenbrunnen. Auch hier finde ich einen Jakobsstempel für mein Pilgerbuch. In der nächsten größeren Ortschaft, Affeltrangen, mache ich einen kleinen Umweg zur Kirche und stelle zu meiner Verwunderung fest, dass diese evangelisch und geöffnet ist.
Nach einer kleinen Besichtigung will ich schon weitergehen, da sehe ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf einem Privatgrundstück ein Friedenskreuz mit den Zeichen der Weltreligionen und deren Schriftzeichen für Frieden.
Friedenskreuz
Und als nächste Überraschung sehe ich daneben, klein und unscheinbar, eine katholische Kirche. Ich gehe hinüber und geraden Wegs auf den Marienaltar zu, als ich mit fester Stimme dazu aufgefordert werde, doch nicht am Weihwasserkessel ohne Kreuzzeichen vorüberzugehen. Die Stimme kommt vom hier und in Tobel ortsansässigen Pfarrer Schenker.
Nach einem kurzen Gebet am Marienaltar kommen wir ins Gespräch. Es ist eine sehr interessante Unterhaltung mit überraschenden Vergleichen der verschiedenen Weltreligionen und ihren politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Als wir uns verabschieden, gebe ich ihm meine Karte. Wenn er bei seinem Aufenthalt in Süddeutschland in der Ulmer Ecke ist, will er sich bei mir melden. Ich würde mich freuen.
Obwohl der nächste Ort, Tobel, nicht direkt am Jakobsweg liegt, will ich dort die schöne Kirche besuchen. Die liegt natürlich ganz oben auf der gegenüberliegenden Seite des Tales. Aber der Anstieg lohnt sich. St. Johannes ist klein, aber fein und festlich geschmückt. Das Leitmotiv lautet: Mit Jesus auf dem Weg. Es könnte auch mein Leitmotiv sein: Mit Jesus auf dem Weg zum Grab seines Apostels Jakobus.
Über eine Anhöhe gelange ich auf guten Wegen vorbei an Wiesen und Waldstücken nach Münchwilen. Dort führt der Weg entlang des Flüsschens Murg. Es ist angenehm schattig. Neben dem Freibad finde ich an einem größeren Biotop eine schöne Bank zum Verweilen. Genüsslich lasse ich mich darauf nieder und packe mein Vesper aus. Es schmeckt wunderbar.
Die Landschaft wird nun langsam hügeliger, und die Straße führt mich gemächlich in die Höhe. Die letzten ca. 3–4 km weiche ich vom ausgeschilderten Weg ab und bleibe auf dem kleinen Fußweg entlang der Autostraße. Den nicht so übermäßig dichten Verkehr nehme ich gerne in Kauf. Dafür spare ich mir einige unnötige Anstiege durch unwegsames Gelände. Müde komme ich zuerst in den Ort Fischingen und danach ganz oben zum Kloster Fischingen. Dummerweise verlasse ich am Fuße des Klosterberges die Straße und gehe die über einhundert steilen Stufen zur Kirche und den Klostergebäuden empor. Ich werde dafür jedoch mit einem herrlichen Ausblick auf meinen zurückgelegten Weg belohnt.
Kloster Fischingen
Im Kloster, alles neu renoviert, gibt es Hotel- und Seminarbetrieb, Kirche, Kapellen, Klosterladen, Klosterwerkstatt und vieles mehr. An der Rezeption werde ich freundlich empfangen, und meine Wünsche nach Dusche, Bett und Essen können alle erfüllt werden. Einzel- und Doppelzimmer sind komplett belegt, ich werde deshalb im Mehrbettzimmer „Jakobus“ untergebracht mit ca. zwölf Stockbetten. Ich bin jedoch heute allein hier und brauche keine fremden Schnarchtöne zu befürchten. Die Duschräume sind vom Feinsten, sogar eine Waschmaschine ist vorhanden.
Vor dem Abendessen mache ich noch einen kleinen Rundgang ums Haus und in die Kirche, bevor ich mich in den einfachen, aber eleganten Speisesaal begebe. Es ist bereits ein Pilgertisch mit zwei Gedecken reserviert. Eine sympathische Pilgerin aus Hamburg gesellt sich zu mir. Sie ist im Mehrbettzimmer „Hildegard“, ebenfalls alleine, untergebracht. Im Kloster werden einfach bestimmte Regularien eingehalten. Sie erzählt, dass sie tagsüber immer wieder einen Pilger mit grüner Jacke weit voraus gesehen hat. Ich kann ihr bestätigen, das war ich.
Das Essen schmeckt wunderbar. Tafelwasser gibt es frisch gezapft aus dem Klosterbrunnen. Für Pilgerverhältnisse ein edles Mahl. Man kann uns schon fast der Völlerei bezichtigen. Wir essen auch die letzten Krümel auf. Schließlich soll ja morgen wieder die Sonne scheinen. So haben wir es als Kind gelernt. Ein Benediktinermönch kommt zu uns an den Tisch und heißt uns im Kloster herzlich willkommen. Nach einer kurzen Unterhaltung lädt er uns für morgen früh in die Idda-Kapelle zum Pilgersegen ein. Ich sage mein Kommen zu. Auch meine Mitpilgerin will kommen, obwohl es ihr eigentlich noch etwas zu früh ist.
Nach dem Essen genehmigen wir uns in der Klosterschenke ein kühles Bier und erzählen aus unserem Leben. Es ist interessant, wie vertraulich Gespräche unter Pilgern sein können. Müde und zufrieden verabschieden wir uns bis zum Frühstück.