Kitabı oku: «Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens», sayfa 7

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25. Pilgertag, Mittwoch, 04.05.2016

Autigny–Moudon: 28 km, Gesamt: 532 km

Morgens geht es bei einem wunderbaren Frühstück mit Marmelade, Käse, Wurst, Obst gleich so weiter, wie es am Abend aufgehört hat. Wir bekommen noch einen Pilgerstempel und dürfen uns für den Tag mit Proviant versorgen.

Es ist ein sehr herzlicher Abschied von Marie-Rose. Und jedes Mal wenn ich meinen Pilgerausweis in die Hand nehme, muss ich an diesen wunderschönen Aufenthalt denken. Merci beaucoup!

Mein rechtes Knie macht mir leichte Probleme. Besonders wenn es bergab geht. So wünsche ich Lorenz und Hannes einen guten Weg, weil ich den Abstieg ins Tal langsam angehen möchte. Wir sind uns sicher, dass wir uns immer wieder mal begegnen werden.

Es geht irgendwann wieder langsam, aber stetig bergauf. Kurz vor Romont treffen wir uns vor einer kleinen Kapelle bei einer kleinen Pause wieder. Während ich meist öfters, dafür jedochkleinere Pausen mache, bevorzugen die zwei eher wenige, dafür aber längere Pausen. So hat jeder seinen eigenen Rhythmus. Ich gehe deshalb schon mal voraus, auch weil sich meine innere Uhr bereits nach einer Bouillon mit Ei sehnt. Also, bis irgendwann!


Pilgerfreunde

Romont liegt auf einem riesigen Hügel mitten im Talkessel. Entstanden ist dieser Hügel durch Ablagerungen vom Rhônegletscher in der Eiszeit. Er ragt 90 Meter über das Tal und bietet einen traumhaften Ausblick auf das Umland. Kleine Geschäfte und reges Treiben bestimmen das belebte Stadtbild.

Kleinere Restaurants, die ich sehe, lasse ich hinter mir. Ich gehe davon aus, dass bei der Kirche genügend gemütliche Lokale sind und möchte deshalb zuerst die Kirche besichtigen. So war es geplant. Aber danach habe ich kein Lokal mehr gefunden. Langsamen Schrittes bewege ich mich bergab, und kurz vor dem Ortsausgang finde ich dann erfreulicherweise doch noch ein Restaurant, bei dem ich meine „bouillon avec œuf et thé noir, s’il vous plaît“ bestellen kann. Und es schmeckt wunderbar. Bei dem bitterkalten Wind tut eine heiße Suppe immer gut. Während ich so dasitze, sehe ich Hannes und Lorenz vorbeiziehen. Bin gespannt, ob wir uns wiedersehen.

Auch ich mache mich bald wieder auf den Weg. Es ist zwischenzeitlich angenehm warm geworden. Wie gewohnt, auf und ab an Höfen und kleinen Weilern vorbei. Plötzlich, ich traue meinen Augen kaum, da sitzt auf einer Bank neben einer kleinen Marienkapelle der schon bekannte, unbekannte Pilger. Ich zünde in der Kapelle eine Kerze an und setze mich zu ihm.

Auf meine Frage, ob er vorgestern gut in Fribourg angekommen sei, schnauft er tief durch und meint, es war doch grenzwertig. Da hat er sich wohl etwas übernommen. Weiter erzählt er, dass diese Tour eigentlich nur eine Trainingsrunde für eine Alpentour sei. Und gestern hat er auch in Autigny übernachtet, in einem Bauernhof neben der Kirche, aber das war nicht so besonders, außerdem sehr teuer! So unterschiedlich können die Eindrücke an einem Ort sein …

Und ohne Vorwarnung sagt er, dass w i r aufbrechen könnten, er ist jetzt wieder gut ausgeruht. Ich lasse ihn gehen und schaue nochmals in meine Karte. Es sind noch zwei bis drei Kilometer, dann geht es runter ins Tal nach Curtilles, und von dort geht es den kleinen Fluss La Broye entlang sechs Kilometer ganz eben bis zu meinem Tagesziel in Moudon.

Ich gehe dann auch irgendwann weiter, hole den Trainingspilger aber bald ein. Mit einem „Buen Camino“ ziehe ich an ihm vorbei. In Lovatens, einem kleinen Weiler mit mehreren bäuerlichen Anwesen, überquere ich die Dorfstraße und möchte mich gerade an den Abstieg ins Tal machen, als ich plötzlich und unverhofft von hinten mit meinem Namen gerufen werde! Ich drehe mich um und traue meinen Augen nicht. Vor einer Scheune im Hinterhof gibt es eine kleine Bar, die Barbara, und dort sitzen an einem kleinen Tisch Hannes und Lorenz. Da setz ich mich gleich dazu und bestelle mir einen Kaffee. Die zwei haben es sich schon mit einem (alkoholfreien) Bier gemütlich gemacht. Sogar Lulu, die Labradorhündin, freut sich über unser Wiedersehn.

Wieder gehe ich als Erster los, weil ich den langen Abstieg ins Tal meinem Knie zuliebe mit gemäßigtem Tempo angehen will. Kurz vor dem Tal holen mich die zwei dann ein und machen mir in der Ebene Schrittmacherdienste auf Sichtweite.

So kommen wir kurz hintereinander in Moudon an und treffen uns in der Kirche. Wegen Lulu haben die zwei alle Quartiere im Voraus bestellt, da man mit Hund nicht überall übernachten kann. Ich mache mich auf Quartiersuche. Hannes telefoniert für mich mit einem kleinen Hotel am Ortsausgang direkt am Jakobsweg, aber das ist leider schon voll belegt. Ich werde allerdings auch hier in einem kleinen Hotel mit Restaurant gleich in der Nähe der Kirche fündig.

Den Trainingspilger treffe ich hier in der Kirche zum letzten Mal. Er sitzt auf einem Stuhl und fragt nur, ob ich schon ein Quartier habe. Ich glaube, die Antwort interessiert ihn eigentlich gar nicht, und ich wünsche ihm nur „Buen Camino“.

Eine kurze Erholungspause auf dem Bett, dann gehe ich noch zum Supermarkt. Da habe ich aber Glück. Ich kann mich grad noch hineinschummeln und schnell einen Pack Äpfel holen, weil der Markt gerade schließt. Morgen ist Feiertag. Da haben alle Geschäfte geschlossen.

Abends esse ich im Hotelrestaurant sehr gut, reichlich und für Schweizer Verhältnisse sogar angenehm günstig. Danach stürze ich mich gnadenlos ins Nachtleben von Moudon, bekomme allerdings die Gehwege nicht heruntergeklappt, sodass ich mich dann doch zu gemäßigter Zeit ins Hotel begebe und genüsslich und zufrieden einschlafe.

26. Pilgertag, Donnerstag, 05.05.2016

Moudon–Lausanne: 31 km, Gesamt: 563 km

Ein gutes Frühstück ist die Grundlage für einen guten Tag. Das hat irgendein ganz gescheiter Mensch einmal gesagt, und er hat mit dieser Behauptung recht gehabt. Meine heutige Etappe soll mich eigentlich nur in die Nähe vom Genfersee bringen. Epalinges ist mein gedachtes Ziel. Am Ende bin ich direkt am See in Lausanne und habe mit 31 km meine bisher höchste Tagesleistung auf meinem Pilgerweg erbracht.

Die Luft ist kalt, aber in der Sonne erträglich. Mein Knie hat sich über Nacht gut erholt, und freudig marschiere ich los. An einer Wegegabelung treffe ich einen Pilger aus dem Mittelalter. Zumindest könnte man das meinen. Er hat einen Umhang und einen Schlapphut auf, wie auf alten Bilddokumenten. Statt eines


Pilgerkapelle

Rucksacks hat er nur einen Beutel über die Schulter gehängt, und in der Hand hält er einen halben Baumstamm als Pilgerstab. Auf Sandaletten huscht er förmlich mit einem Grinsen an mir vorüber. Das geht so schnell, dass ich nicht mal an ein Foto denken kann, geschweige daran, eins zu machen.

Nach Vucherens steht eine schöne kleine Kapelle. Die sieht genauso aus wie ein kleines Miniaturhäuschen in meiner Modelleisenbahn, die ich in meiner Jugend immer aufgebaut habe. Neben einigen besinnlichen Momenten erfreue ich mich auch an einem Pilgerstempel für mein Credencial. Nachdem ich von meinen Pilgerfreunden Hannes und Lorenz heute noch nichts gesehen hab, bringe ich neben der Tür noch eine kurze Nachricht für die beiden an, falls sie vorbeikommen. Ich wünsche ihnen noch einen guten Weg.


Panorama

Es ist immer noch frisch, aber trocken. Schöne Wanderwege führen mich durch eine voralpine Landschaft stetig nach oben. Gegen 10.00 Uhr gibt es einen steilen Anstieg durch einen feuchtkalten, dunklen Tann. Oben angekommen, trete ich aus dem dunklen Wald heraus und stehe plötzlich von der warmen Sonne angestrahlt vor einem gelben, leuchtenden Rapsfeld und genieße ein einmaliges Alpenpanorama.

Ich bin der festen Überzeugung, dies ist an Christi Himmelfahrt ein persönliches Vatertagsgeschenk des Himmels an seinen Pilger Sepp. Voller Demut genieße ich diesen einzigartigen Moment und nehme dieses Meisterwerk unserer Schöpfung mit allen Sinnen dankbar auf.

An einem Golfplatz vorbei erinnert mich meine innere Uhr wieder an meine tägliche Bouillon. Hier an diesem noblen Golfer-Restaurant gefällt es mir jedoch nicht, und ich gehe weiter. Da entdecke ich einen gemütlichen Restaurantgarten, welcher offensichtlich zu einem Campingplatz gehört. Das ist gut! Und noch besser, ich kann es kaum glauben, Hannes und Lorenz sitzen schon gemütlich an einem Tisch und machen mir bereits einen Platz frei. Es gibt zwar keine Bouillon, aber dafür eine exzellente Tomatensuppe.

Lorenz hat Fußprobleme und wird mit dem Bus nach Lausanne fahren. Hannes und ich gehen zusammen weiter. Der gemeinsame Weg ist geprägt von einem angenehmen und vertrauensvollen Gespräch. Wir stellen viele Gemeinsamkeiten in unserer Vita fest und haben mit der Musik auch ein gemeinsames Hobby. Von seiner Frau bekommt er jedes Jahr eine Pilgerauszeit, denn es gehört schon ein starkes Vertrauensverhältnis dazu, alleine mit Rucksack loszuziehen. Dieses Jahr hat er seinen Freund Lorenz im Schlepptau.

In Epalinges trennen sich unsere Wege wieder, weil er nach Lausanne weitergeht und ich nach dem Besuch der kleinen Kapelle am Ortseingang nach einem Quartier Ausschau halte. Doch es kommt anders. Irgendwie verlaufe ich mich an einer großen Kreuzung und halte mich deshalb nur noch bergab Richtung See, egal welchen Weg ich vor mir sehe. Und die sind zum Teil recht abenteuerlich. Aber irgendwann sehe ich irgendwo die Türme der Kathedrale von Lausanne. Und irgendwie stehe ich plötzlich davor und genieße das Treiben der Touristen um mich herum. Und plötzlich, es ist kaum zu glauben, kommen Hannes und Lorenz um die Ecke. Das ist ein Hallo, wie sich unsere Wege immer wieder kreuzen.

Wir besichtigen die Kathedrale von innen, und ich stelle erfreut fest, dass es neben christlichen Informationen über diesen Prachtbau auch eine Zimmervermittlung für Touristen und Pilger sowie einen Pilgerstempel gibt. Und das alles an einem kleinen Infostand in der Kathedrale. Erstaunlich. Das nennt man Geschäftstüchtigkeit. Und einen Stadtplan bekomme ich gratis dazu.

Nun trennen sich unsere Wege. Meine zwei Pilgerfreunde gehen zu ihrem bereits vorbestellten Quartier, und ich mache mich auf den Weg zur empfohlenen Herberge. Dort treffe ich aber niemand an. Alles verschlossen und kein Lebenszeichen. So gehe ich auf Zimmersuche wie Anno Domini mein Namensvetter mit seiner Maria. Am Bahnhof im Hotel Gare werde ich fündig. Und wenn ich es bis jetzt nicht wusste – jetzt weiß ich es: Die Schweiz ist teuer! Unverschämt teuer! Aber das Zimmer ist dafür auch schön, neu und gut ausgestattet. Ich kann mir sogar im Zimmer Tee aufsetzen und Kaffee machen.

Nach einer kurzen Ruhepause gehe ich dann essen. Ich finde ein gemütliches Steakrestaurant. Auf die paar Franken kommt es jetzt auch nicht mehr an. Ich genehmige mir deshalb ein wunderbares Beefsteak zum Abendessen. Vorzüglich angerichtet und mit edlen Beilagen. Und nach dem Essen genieße ich noch ein zweites, gemütliches, wunderbar eingeschenktes Glas Bier.

Und wie ich die Menschen hier so beobachte, stelle ich zu meinem Erstaunen immer wieder fest, dass in der Schweiz wesentlich mehr Menschen mit Migrationshintergrund sind, als ich bisher dachte. Und erstaunlicherweise sind diese in Sprache und Lebensweise offensichtlich besser integriert als bei uns in Deutschland. Offensichtlich könnten wir da noch etwas abschauen und dazulernen. Aber das ist natürlich nur eine unbedeutende Beobachtung am Rande meines Pilgerweges …

27. Pilgertag, Freitag, 06.05.2016

Lausanne–Morges: 16 km, Gesamt: 579 km

Gut erholt wache ich frühmorgens auf und begebe mich in den Frühstücksraum, um ein erstklassiges Frühstück einzunehmen, natürlich gegen Aufpreis!

Ich freue mich schon auf den heutigen Tag. Eine gemütliche Etappe bis Morges, dann mit dem Schiff nach Genf und abends mit dem Zug über Nacht nach Hause. Morgen früh daheim frühstücken …


Genfersee

Schau’n wir mal, was der Tag so bringt. Zuerst mal Sonne. Durch Parkanlagen geht es den See entlang. Es ist ruhig. Nur wenige Menschen sind beim Joggen oder mit dem Fahrrad unterwegs. Ein herrlicher Tag. Ein paar Segelboote sind auf dem See unterwegs. Was ich vermisse, sind Ausflugsdampfer. Es sind überhaupt keine größeren Schiffe zu sehen.

Bald erreiche ich St. Sulpice und befinde mich schon auf dem Weg nach Morges. Auch dort empfangen mich herrliche Parkanlagen. Ein Fototeam mit Mannequins macht Aufnahmen und betreibt dazu einen riesigen Aufwand mit Sonnenspiegeln und transportablen Beleuchtungsanlagen. Schon interessant, da zuzuschauen.

Ich bin gerade damit beschäftigt, selbst ein paar Fotos der Parkanlagen zu machen, da höre ich schon eine bekannte Stimme. Es ist Hannes mit seiner Lulu. Lorenz will von Lausanne aus mit dem Schiff fahren, weil seine Füße nicht so wollen. Nun ist Hannes alleine unterwegs.

Wir gehen zusammen bis nach Morges, da trennen sich unsere Wege dann endgültig. Er marschiert weiter, und ich besuche die Kirche und werde mich dann ebenfalls auf das Schiff in Richtung Genf begeben. In der Kirche bekomme ich noch einen Stempelaufkleber, und schon geht es zur Schiffsanlegestelle.

Vor mir am Fahrplan ist aufgeregtes Stimmengemurmel zu hören, und ich traue meinen Ohren nicht. Das Schiff fährt nur Samstag und Sonntag. Das gibt’s doch nicht. Da sind die Schweizer so geschäftstüchtig, und hier lassen sie ihre Gäste am Ufer stehen. Gibt es etwa an Wochentagen keine Touristen? Wie kann man nur so einfältig sein.

Aber es nützt nichts. Ich muss mit der Realität leben und neu planen. Nachdem ich Sonntag zu Hause schon fest eingeplant bin, schaue ich mal zum Bahnhof. In 40 Minuten fährt ein Zug mit sehr guten Verbindungen, da bin ich dann schon um 16.45 Uhr in Ulm. Besser geht’s nicht. Kurz entschlossen kaufe ich mir ein Billet.

Am Bahnhofsvorplatz gibt es einen schönen Kiosk mit Gartenbewirtung. Dort kaufe ich mir ein belegtes Baguette und ein Glas Bier. Bei herrlichem Sonnenschein genieße ich dieses Mittagsmahl und freue mich trotz der unverhofft plötzlichen Abreise auf meine Lieben daheim. Und in einem Jahr werde ich an diesem Fleck meine Pilgerreise fortsetzen.


Wegweiser

Fuge 2017

Mein Pilgerweg sollte mich dieses Jahr ab dem 28. April von Morges am Genfersee bis Le Puy in Frankreich führen. Dazu habe ich drei Wochen Urlaub genommen und mich voller Vorfreude darauf vorbereitet.

Aber es hat nicht sollen sein. Bereits in der Vorbereitung wurde ich durch manche Unsäglichkeiten des Lebens aufgehalten, dann musste ich den Abreisetag von Donnerstag auf Sonntag verschieben, und zuletzt hab ich mich bereits während der Anreise im Zug aus mir unerklärlichen Gründen verletzt und konnte nicht mehr gehen.

Mit schmerzhaftem Fuß muss ich bereits vierzig Minuten nach der Ankunft am Genfersee wieder in den Zug Richtung Heimat einsteigen. Und am Spätnachmittag war ich bereits im heimatlichen Krankenhaus zur Untersuchung. Nach zehn Tagen fühle ich mich wieder so weit fit, dass ich wenigstens für zwei Tage mit Rucksack auf Pilgertour gehen will. Das brauche ich einfach, um meine Unzufriedenheit über die missliche Lage aus dem Kopf zu verbannen.

Also packe ich meinen Rucksack für zwei Tage und merke dabei, dass ich bis auf das Schnellwaschmittel aus der Tube nicht weniger benötige als bei der geplanten dreiwöchigen Tour. Der Rucksack wiegt genauso viel.

Mit dem Zug fahre ich am 14. Mai nach Giengen und gehe zwei Etappen auf dem Nürnberger Jakobsweg über Nerenstetten in meine alte Heimat Oberelchingen. Wunderbares Wetter erwartet mich, und beim Anstieg von Giengen auf die Albhochfläche komme ich gleich ins Schwitzen. Als Belohnung erwartet mich jedoch ein neu angelegter Rastplatz, auf dem ich mich gleich niederlasse und ein Rucksackvesper genieße.

Da kommt plötzlich ein Wandersmann mit Pilgerstab daher und fragt „Wanderer oder Pilger?“. Auf meine Antwort „Pilger“ legt er seinen Rucksack für eine kleine Pause ab. Es ist ein angenehmer Zeitgenosse. Raffael heißt er und kommt aus Marktredwitz. Geboren in Spanien, aber seit über 50 Jahren in Franken. Er ist vor über zwei Wochen zu Hause gestartet und möchte den Weg bis nach Santiago „ganz“ gehen. Er ist bereits den Camino del Norte, den Camino Francés und den spanischen Weg von Sevilla nach Santiago jeweils „ganz“ gegangen. Die Pyrenäen hat er vom Mittelmeer bis zum Atlantik der Länge nach „ganz“ durchwandert. Wir treffen uns über den Tag noch des Öfteren, und abends haben wir auch das gleiche Nachtquartier im „Adler“ in Nerenstetten.

Wir verabschieden uns mit einem freudigen „Buen Camino“.

Die Strecke durch das Lonetal und über die angrenzenden Höhenzüge der Schwäbischen Alb ist wunderschön zu pilgern. Die Steigungen sind kurz, und es geht immer sehr gemächlich nach oben. Ich genieße die Sonne und bin zufrieden.

In Hürben treffe ich den spanisch-fränkischen Pilgerfreund wieder, und wir gehen gemeinsam ein Stück entlang des „Jakobswegle“. Hier werden um den Kagberg auf einer Länge von 2,5 km der Jakobsweg und seine Besonderheiten beschrieben. Sozusagen Pilgern im Maßstab 1 : 1000.

Bei der Charlottenhöhle mache ich am Kiosk des Infohauses eine Kaffeepause. Über die Lone gehe ich leichtsinnigerweise über ein paar Wackersteine. Die sind so glitschig, dass ich danach gleich ein Dankgebet nach oben schicke, dass ich nicht in der Lone gelandet bin. Verdient hätte ich es gehabt.

Die angekündigten Regenwolken lassen Gott sei Dank auf sich warten. So kann ich auch meine Mittagspause in Lindenau im Biergarten bei einer wunderbaren schwäbischen Hochzeitssuppe genießen. Auch hier habe ich wieder kurz Gesellschaft von Raffael und erfahre viel von seinen bisherigen Pilgertouren.

Kurz vor Setzingen ist es dann doch so weit. Ich muss die Dienste meines Regenponchos bemühen. Ein Gewitter zieht noch lautstark in angemessener Entfernung an mir vorbei. Die folgenden Regenwolken haben jedoch offensichtlich auf mich gewartet, um mir einen göttlichen Segen von oben zu verabreichen.

Um ca. 15.15 Uhr erreiche ich mein Quartier in Nerenstetten. Raffael sitzt schon in der Wirtsstube. Da geselle ich mich gleich mit einem Glas Radler zu ihm, bevor ich mich auf mein einfaches, aber sauberes und gemütliches Zimmer zu einer kleinen Siesta zurückziehe.

Abends treffen wir uns wieder bei einem wunderbaren Abendessen zu Preisen, die ich schon lange nicht mehr auf einer Speisekarte gelesen habe. Das ist doch sehr angenehm auf so einer kleinen Tour.

Am zweiten Tag führt mich der Pilgerweg durch Wälder nach Osterstetten und von dort über Albeck entlang von Wiesen und Äckern in meine alte Heimat nach Oberelchingen. Schön, hier als Pilger anzukommen. Auf dem Weg zur Kirche, vorbei an meinem früheren Wohnhaus, treffe ich den Pfarrer bei einem Mittagsspaziergang. Er ruft mir schon von Weitem lachend entgegen, wo ich meine Harmonika habe. Wir begrüßen uns herzlich.

In der Kirche genieße ich ein paar ruhige, besinnliche Momente zur Stärkung der Seele, bevor ich mich in die Klosterbräustuben zur Stärkung meines Leibes begebe. Ein gutes Essen und ein kühles Glas Bier. Hier im Biergarten, von dem aus auch meine große Pilgertour ihren Anfang nahm, ist es gut sein.

Zwei schöne Pilgertage gehen zu Ende. Sie waren kein Ersatz für meinen geplanten Pilgerweg. Aber mit Sicherheit sind sie ein wichtiges Bindeglied für meinen weiteren Weg nach Santiago de Compostela. Durch diese zwei Tage habe ich meine Pilgerreise dieses Jahr nicht beendet, sondern gedanklich fortgeführt.

Ich freue mich schon, wenn im nächsten Mai dann auf meiner großen Tour wieder der Ruf erschallt:

„Buen Camino!“

28. Pilgertag, Samstag, 28.04.2018

Morges–Genf: 22 km, Gesamt: 601 km

Na ja, wider Erwarten hat sich die Fortsetzung meiner Pilgerreise doch um ein Jahr verzögert. Und auch dieses Jahr ging der Start nicht ganz ohne Reibungsverluste ab.

Eigentlich wollte ich am Anreisetag, also gestern, gleich vom Bahnhof weg meine Etappe starten. Aber in Singen beim Umsteigen in den nächsten Zug hab ich meinen Schrittzähler auf einer Metallbank geschrottet. Und im Zug habe ich dann bemerkt, dass ich meinen Reiseführer zu Hause im Kopierer vergessen habe, weil ich meiner Gattin die Reiseroute kopiert habe. Sch…ande über mein Haupt.

Also führt mich mein Weg nach der Ankunft in Morges zuerst in die Tourist-Info, um ein Sport- und Büchergeschäft zu erfragen. Beides gibt es in der Fußgängerzone. Ein Pilgerquartier wie geplant in Allaman ist jedoch leider schon belegt. So übernachte ich gleich hier in Morges, gehe ins Städtchen und kaufe einen richtig tollen Schrittzähler. Der ist sogar besser als mein alter.

Und in einem Bücherladen bekomme ich einen französischen Reiseführer der Via Gebennensis. Das ist der Weg von Genf bis nach Le Puy en Velay. Den Text verstehe ich zwar nicht, aber dafür hat er richtig tolle Landkarten abgedruckt. Und wegen der Quartiere hab ich eine Broschüre der französischen Freunde des Jakobsweges. Darin sind alle Herbergen, Pensionen und Hotels genauestens und aktuell aufgelistet. So bin ich wieder gut ausgerüstet und genieße einen herrlichen Sonnentag am Genfersee.

Heute Morgen kann ich nach einem netten Plausch an der Hotelrezeption gut ausgeruht endlich meine diesjährige Pilgerreise starten. Direkt vor dem Hotel ist ein lebhafter Wochenmarkt aufgebaut. Da gibt es alles, was das Herz begehrt. Wurst, Käse, Brot, Obst, alte Uhren, Bücher, alte Schüsseln … fast wie bei unserem Jahrmarkt.


Prominente Hochzeit

Vorbei am Rathaus sehe ich die große Tafel, auf welcher über die Eheschließung der berühmten Audrey Hepburn hier an diesem Ort berichtet wird. Wieder eine Berühmtheit, deren Weg ich kreuze. Da kommt mir doch der Gedanke, mir mal Aufkleber mit der Inschrift „Pilger Sepp war auch hier“ zu besorgen. Wäre doch für die Nachwelt eine wichtige Information, oder etwa nicht?

Ich genieße die morgendliche Ruhe und erfreue mich an wunderschönen Parkanlagen entlang des Sees. Vorbei am großen Jachthafen erreiche ich bald St-Prex mit seinen zwei Kirchen.


Park in Morges

In beiden bekomme ich erfreulicherweise meine ersten Pilgerstempel dieses Jahr. Sehr gerne hätte ich noch eine Kerze angezündet, was jedoch mangels Feuerzeug nicht möglich war, obwohl die anwesenden Kommunionskinder und ihre Leiterin die ganze Kirche nach einer Feuerquelle abgesucht haben. Aber der Versuch zählt auch …

In Buchillon komme ich am Ortsausgang an einer kleinen Halle mit gemütlichem Vorplatz vorbei. Ich lasse mich auf einer Bank nieder und genieße zufrieden einen saftigen Apfel. Ein dunkelfarbiger Junge dreht auf seinem Fahrrad einige Runden um den Platz und hat seine kleine Schwester im Schlepptau. Diese kommt zu mir, erzählt mir freudig aus ihrem Leben und stellt mir offensichtlich auch viele Fragen. Da sie jedoch nur Französisch spricht, kann ich sie leider nicht verstehen, und auf meine Antwort – „Je suis allemand“ –, ich bin deutsch, zählt sie alle Länder Europas von Deutschland über Frankreich, Italien, Spanien bis England usw. in französischer Sprache auf. Dabei leuchten ihre großen lustigen Kulleraugen, dass man unwillkürlich herzlich mitlachen muss.


Unberührte Natur

Das sind die schönen Momente, welche man auf solch einer Pilgerreise erleben darf. Ich wünsche ihr alles Gute, und wir winken uns noch lange zu, bis wir uns nicht mehr sehen. Ich wollte nicht aufdringlich sein, sonst hätte ich ihre Mutter, welche drei Bänke weiter saß, gefragt, ob ich ein Foto von ihrer Tochter machen darf.

Bald erreiche ich wieder den See und bin überraschenderweise in einer herrlichen Naturlandschaft. Durch einen Wald stoße ich auf einen kleinen Wildbach und überquere diesen über eine Brücke an einem Wehr. Ein wunderbarer Wanderweg in fast unberührter Natur, unter schattigen Bäumen. Das ist ein Pilgerauftakt, wie ich ihn mir gewünscht, aber hier am dicht besiedelten Genfersee nicht erwartet habe. Vorbei an Kiwiplantagen, die hätte ich hier auch nicht erwartet, komme ich wieder zurück in die Zivilisation und steige einen sanften Hügel entlang ausgedehnter Weinberge hinauf in das kleine Weinbauerndorf Perroy.

Auf halber Höhe sehe ich schon von Weitem jemand auf dem Boden sitzen, und beim Näherkommen entdecke ich Rucksack und Pilgerstab. Es ist ein junger Schweizer Pilger, Tamino heißt er, auf dem Weg nonstop bis Santiago. Er schenkt mir ein 4-blättriges Kleeblatt, welches in dem Moment, an dem ich daheim diese Zeilen schreibe, getrocknet auf meinem Schreibtisch liegt.

In Perroy erreiche ich die Kirche und stelle mit Entzücken fest, dass vor dem Kirchentor ein Verkaufsstand mit Kaffee, Kuchen und diversen Kaltgetränken aufgebaut ist. Sehr gerne nehme ich das Angebot an und genieße die unerwarteten Köstlichkeiten. Es ist ein Wettbewerb für kleine Bläsergruppen, und in der Kirche findet bei einem Konzert die Bewertung statt. Begeistert und voller Stolz wird mir alles rund um diese kleine Veranstaltung erzählt. In mir werden Erinnerungen wach an die Zeit, in der ich selbst bei unserem Musikverein bei solchen Veranstaltungen mitgemacht habe. Musikalisch und auch als Helfer.

Zufrieden schlendre ich durch diesen schönen Ort. Wunderschöne Häuser, Malereien an den Wänden und überdimensionale Weinflaschen auf dem Hof mit Werbung und dem Hinweis auf eine Weinverköstigung. Hier könnte ich es länger aushalten. Hier fühle ich mich herzlich eingeladen.

Wieder durch die Weinberge geht es hinunter in das kleine Städtchen Rolle. Am Strand des Genfersees herrscht ein gar lustiges Treiben. Sonnenbaden, Federballspiel, Duft von gegrilltem Fleisch und Würstchen. Überall fröhliche Stimmen, Singen und Lachen.

Entspannt erblicke ich die Stadtpromenade mit der Anlegestelle der Schiffe. Vorbei an einem Café kommt jemand von der Terrasse auf mich zugerannt und will mich auf einen Kaffee und einen Drink einladen. Ich bedanke mich höflich, ziehe aber die Ruhe auf einer Parkbank vor. Solche Begegnungen sind sehr herzlich, aber wegen der unterschiedlichen Sprachen mitunter auch sehr anstrengend. Und das kann ich jetzt im Moment gerade nicht gebrauchen. Ich genieße einen Apfel und beobachte Spaziergänger, verliebte Paare, geruhsame Rentner und energiegeladene Kinder mit ihren Eltern und Großeltern.

Auch Tamino, der junge Schweizer Pilger, kommt gemütlich an und lässt sich neben einem großen Baum auf der Wiese nieder. Er packt seinen Rucksack aus und richtet sich häuslich ein. Ich glaube, er bereitet schon sein Nachtlager vor.


Schiff, Rolle

Nach kurzer Wartezeit fährt schon mein Schiff an der Anlegestelle ein, und ich freue mich auf eine mehr als zweistündige Schifffahrt über den See ins französische Yvoir, dann zurück ans Schweizer Ufer und weiter nach Genf. In Nyon besteigen zwei Pilgerpaare das Schiff. Sie stammen aus Sand in Franken und sind in Fribourg gestartet, sind also schon einige Tage auf Tour.

Entlang der Vororte und Parkanlagen geht es in das Zentrum von Genf. Schon von Weitem sieht man den berühmten Jet d’eau mit seiner über einhundertvierzig Meter hohen Wasserfontäne. Es ist atemberaubend, mit dem Schiff hier vorbei zur Anlegestelle am Quai Mont-Blanc zu fahren. Vorbei an Nobelhotels wie dem Kempinski oder dem Hotel Beau-Rivage Genève, in dem man leicht mal über 2.000 € für eine Nacht bezahlen darf.

Ich habe heute mal ausnahmsweise auf diese Annehmlichkeiten verzichtet und mir als Pilger standesgemäß im Home St. Pierre bei der Kathedrale ein Bett in der Männerherberge reserviert. Vom Schiff zehn Minuten durch die Altstadt, und schon habe ich mein Domizil erreicht. Ich werde ganz herzlich willkommen geheißen, und mein Bett in der neu renovierten Herberge ist sehr bequem. Wir sind nur zu dritt, so ist es angenehm ruhig.

Jet d’eau


Einen kleinen Abendspaziergang genieße ich im Trubel dieser internationalen Stadt. Am Seeufer gibt es nicht nur Luxushotels, sondern auch unzählige Geschäfte mit Luxusartikel aller bekannten Luxusmarken wie Rolex, Chanel und dergleichen.

Sehr erfreulich ist jedoch, dass ich auf Empfehlung der Herbergsdame eine kleines, charmantes Lokal inmitten der Altstadt finde, in dem ich herrliche Poulardenschlegel mit Kartoffeln Provence und buntem Salat für 15,90 CHF, nach Tageskurs ca. 13,80 €, genießen darf. Und ein gutes Glas Bier haben sie auch noch. Das war ein richtiger Geheimtipp. Danke!

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