Kitabı oku: «Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens», sayfa 6

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21. Pilgertag, Samstag, 30.04.2016

Oberried–Amsoldingen: 30 km, Gesamt: 422 km

Bereits um 06.45 Uhr stehe ich auf und erfreue mich an der wunderbaren Morgensonne und dem traumhaften Bergpanorama beim Blick aus dem Fenster.

Ein gutes und ausgedehntes Frühstück weckt dann meine Lebensgeister, und ich kann ausgeruht und gut gestärkt meine heutige Etappe angehen.

Gleich zu Beginn des Weges werden alle Sinne gefordert. Ich kann mich am Bergpanorama nicht sattsehen. Auf den Wegen entlang unberührter Bergwiesen duften alle Berg- und Wiesenkräuter. Ich genieße auch die göttliche Ruhe, welche in dieser Art zu Hause nicht vorkommt.


Brienzer See

Zufrieden erreiche ich bald Ringgenberg und steige zur Burgkirche hinauf, in welcher ein schöner Pilgerstempel bereitliegt. Ich genieße den Blick über den See in Richtung Interlaken mit der gigantischen Bergkette, in welcher sich Jungfrau, Eiger und Mönch befinden. Meine Kenntnisse reichen jedoch nicht für eine exakte Zuordnung der Gipfel aus.

Nur noch wenige Meter sind zu gehen, dann bin ich schon am Ende des Brienzer Sees. Der Fluss Aare und die Stadt Interlaken bilden das Bindungsglied zwischen Brienzer- und Thunersee. Ich komme an einem Wochenmarkt vorbei und kaufe mir an einem Obststand ein paar saftige Äpfel. Der Obstbauer gibt mir noch eine Visitenkarte der Pilgerherberge in Heitenried. Die wird von seiner Schwester betrieben. Dankbar nehme ich die Karte an. Mal sehen, ob diese Herberge in mein Etappenprofil passt.

Plötzlich muss ich staunen: Eine Großfamilie macht mit ihren Haustieren einen Wochenendausflug. Dabei handelt es sich jedoch nicht wie meist üblich um Hunde oder Katzen, sondern um Ziegen und Geißböcke, welche zum Teil festlich geschmückt sind. Ich bin anfangs so erstaunt, dass ich fast vergesse, ein Erinnerungsbild zu machen. Die letzten zwei Damen erklären sich dann zu einer Aufnahme bereit und erzählen mir von diesem ungewöhnlichen Ausflug.

Schon während der Vorbereitung meiner Pilgertour habe ich mich entschieden, auf dem Thunersee mit dem Schiff von Merligen nach Spiez überzusetzen und nicht über Thun zu gehen. Ich entschließe mich jetzt, bereits ab Interlaken das Schiff zu nehmen und die Zeit für eine gemütliche Pause und eine gemütliche Tasse Kaffee zu nutzen.

Einem sehr netten älteren Ehepaar kann ich an meinem kleinen Tisch Platz anbieten. Wir genießen die Fahrt über den See zu den Beatushöhlen. Beatus war der erste Missionar der Schweiz. Die Höhle des Einsiedlers ist seit dem 13. Jahrhundert Wallfahrtsort. Weiter dann nach Merligen und über den See an das Südufer nach Spiez. Auf Spiez freue ich mich schon lange. Mit dem „Geist von Spiez“ wurde schließlich unsere Fußballnationalmannschaft 1954 Weltmeister in der Schweiz. Schon als kleiner Junge war der Spruch „Der Geist von Spiez“ für mich ein Begriff.

Leider sind während der Überfahrt immer mehr Wolken aufgezogen, und auch die Temperaturen sind nicht mehr ganz so angenehm. Aber beim Weg hinauf zum Schloss wird es mir schnell wieder warm.

Die Schlosskirche ist festlich geschmückt. Gäste in festlichem Zwirn sind auf dem Weg dorthin. Es findet gleich eine Trauungszeremonie statt. Der Brautvater, welcher über den Kirchenzugang wacht und offensichtlich die Rolle des Zeremonienmeisters ausübt, gestattet mir jedoch höflicherweise und voller Stolz Zutritt zur romantischen und festlich geschmückten Kirche. Als ich den Kirchenvorplatz verlasse, erscheint das strahlende Brautpaar. Ich wünsche ihnen einen schönen Tag und Gottes Segen. Die zwei strahlen übers ganze Gesicht und bedanken sich artig.

Vorbei an Obstplantagen verlasse ich Spiez und gehe teilweise in erhabener Höhe über dem Thunersee vorbei an der Gemeinde Einigen nach Gwatt. Dort überquere ich einen Wildbach, welcher seinen Weg tief in den Grund gegraben hat. Es rauscht der Wildbach … und ich erfreue mich an der ungezügelten Natur.

Und die Natur wird wahrlich immer ungezügelter. Es wird dunkler als zu dieser Tageszeit üblich. Der Himmel saugt sich mit schwarzen Wolken zu. Ich gehe auf einer Anhöhe wie auf einem Damm. An einem kleinen Rastplatz ziehe ich vorsorglich meinen Regenponcho über. Das ist aber bei dem immer stärker werdenden stürmischen Wind gar nicht so einfach.

Kurz vor Amsoldingen wird es dann ganz dunkel, der Wind lässt nach – dafür fängt es aber an zu regnen. Am Ortseingang sehe ich das Gasthaus „Kreuz“. In meinem Reiseführer steht jedoch ganz in der Nähe eine Pension für Jakobspilger. Die ist schnell gefunden, und ich läute an der Tür. Im Garten steht ein Wohnwagen, und ich denke schon, dass sich darin mein Nachtquartier befindet. Aber denkste: Der freundliche Hausbesitzer teilt mir mit, dass er bereits seit drei Jahren keine Pilgerzimmer mehr hat. Doch im „Kreuz“ würden sie ein günstiges Pilgerzimmer anbieten.

Also zurück zum Gasthaus. Dort werde ich freundlich aufgenommen, bekomme ein günstiges und geräumiges Pilgerzimmer, kann wunderbar duschen und abends in der Gaststube ein wunderbares Menü verspeisen. Ein Verdauungsschnäpschen wird mir gratis als Service des Hauses hingestellt. Ich genieße die angenehme Atmosphäre in der Gaststube und den angenehmen Geräuschpegel der Unterhaltungen um mich herum. Nebenbei lese ich in meinem Rother-Reiseführer und lege meine Etappe für den morgigen Tag fest.

22. Pilgertag, Sonntag, 01.05.2016

Amsoldingen–Rueggisberg: 25 km, Gesamt: 447 km

Frühmorgens wache ich sehr gut ausgeruht auf und packe meinen Rucksack. In der Gaststube ist bereits das Frühstück für mich gerichtet. Den Kaffee kann ich mir selbst an der Maschine zubereiten. Alles andere ist im Kühlschrank und auf dem Tisch. Da habe ich gestern eine extra Einweisung bekommen. Es ist schon ein seltsames Gefühl, frühmorgens alleine in einer Gaststube zu sitzen.

Gestärkt verlasse ich den Gasthof. Ich dachte, dass meine Windjacke ausreichend wäre. Als ich jedoch im Freien stehe, entscheide ich mich dann doch gleich für den Regenponcho, was sich gleich für den ganzen Tag als richtig erweist.


Amsoldingen

Mein Weg führt mich vorbei an der Kirche „St. Mauritius“. Ich gehe hinein und bin ob der schlichten Ausstattung überwältigt von der Ausstrahlung, welcher dieser Raum auf mich hat.

Die Mesmerin kommt hinzu und erzählt stolz von der beruhigenden Strahlkraft der Krypta, welche sich unter dem Altarraum befindet. Der Kirchenbau war ca. um das Jahr 1000, aber bereits im 8. Jahrhundert befand sich hier ein Vorgängerbau.

Regentag


Erfüllt von den Eindrücken verlasse ich das Gebäude und gehe im strömenden Regen weiter. Ein Mann, mit dem Hund beim Gassigehen, erfüllt mir die Bitte, ein Foto von mir in meinem signalroten Regenponcho zu machen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich die Regenausrüstung den ganzen Tag benötigen werde. Gedankenverloren gehe ich meinen Weg, singe Lieder aus dem letzten Jahrtausend wie z. B. „Regentropfen, die an mein Fenster klopfen …“, „I’m singing in the rain“ und freue mich über das Hier und Jetzt. Das Leben ist schön, man muss es nur annehmen. Das kann man sogar bei Regen, wenn man will.

Um die Mittagszeit komme ich nach Wattenwil. An ein Rucksackvesper ist bei dieser Wetterlage nicht zu denken, umso mehr wächst in mir immer mehr der Wunsch nach einer warmen Suppe. Eine Bouillon mit Ei ist der Wunschtraum, welcher sich in meinem Kopf festzurrt. Und tatsächlich finde ich in Wattenwil eine Gaststätte, welche mir meinen Wunsch erfüllt, und ein heißer schwarzer Tee erhöht mein Wohlbefinden zusätzlich. Beim anschließenden Besuch der Kirche bekomme ich dann auch noch einen Pilgerstempel.

Auf dem Weg überlege ich mir, ob ich meine geplante Etappe verkürze oder gar verlängere. Ich mache den Umständen entsprechend kaum Pausen, so bin ich ganz gut in der Zeit. Ich muss nur aufpassen, unter dem Poncho nicht zu sehr zu schwitzen, damit ich mir keine Erkältung einfange. Es wird nämlich unangenehm kalt, um nicht auf Schwäbisch zu sagen: Es ist saukalt …


Rueggisberg

Ich entscheide mich für Rueggisberg als Etappenort. Da gibt es eine Gastwirtschaft, und somit dürften sowohl Schlafstätte als auch Verpflegung gesichert sein. Der Weg führt stetig leicht bergauf, und ich erreiche Rueggisberg auf knapp 1000 Höhenmetern kurz vor der Schneefallgrenze zwischen Mittags- und Kaffeezeit. Im Ort, gleich neben der Kirche, befindet sich der Gasthof „Bären“. Doch was sehen meine Augen? Auf der Tafel vor der Türe steht geschrieben: „Sonntag ab 14.30 Uhr geschlossen“ und „Montag Ruhetag“, und jetzt ist es Sonntag und gleich 15.00 Uhr. Was tun??? Ich denke, vielleicht sind noch Gäste drin, dann bekomme ich wenigstens einen Kaffee und eine kurze Pause im Trockenen.

Mit diesem Ansinnen betrete ich die ländliche, gemütliche kleine Gaststube und frage höflich, ob ich noch was bekommen könnte. Das Servierfräulein und die sympathische junge Wirtin heißen mich willkommen und bieten mir gleich einen Tisch an. Ich bekomme einen wunderbaren üppigen Salatteller und ein überbackenes großes Toastbrot. Dazu erst ein Tässchen Kaffee und dann ein Glas Bier. Eine warme Stube und ein Zimmer für die Nacht gibt es als Zugabe auch noch dazu. Pilger Sepp, was willst du mehr? Richtig, mehr braucht es nicht. Ich bin wunschlos glücklich.

Aufs Zimmer nehme ich mir noch eine Flasche Bier für den Abend mit und nutze die Zeit, Poncho, Schuhe etc. zu trocknen und auch zum Wäschewaschen. Hier kann ich alles gut zum Trocknen aufhängen, und so hab ich morgen wieder eine komplette Ausrüstung zur Verfügung.

Nach getaner Arbeit gehe ich dann noch hinüber in die Kirche zu einer kleinen besinnlichen Einkehr. Es regnet leicht, aber der Regen ist immer noch mit Schnee vermischt. So beeile ich mich, dass ich ganz schnell wieder in meine warme Stube zurückkomme. Mangels Alternativen bin ich sehr früh im Bett, studiere noch etwas die nächste Etappe in meinem Reiseführer und halte via Internet Kontakt nach Hause. Meine Bilder, die ich zwischendurch an die Familie und an Freunde schicke, finden offensichtlich Gefallen.

23. Pilgertag, Montag, 02.05.2016

Rueggisberg–Tafers/Menziswil: 30 km, Gesamt: 477 km

Bereits um 07.00 Uhr stehe ich auf. Frühstück gibt es im Gasthof wegen des Ruhetags nicht. Aber nebenan im Dorfladen haben sie reiche Auswahl für ein gutes Frühstück. Auch ein kleiner Tisch lädt zum Verweilen ein. Da lass ich mich nieder, trinke genüsslich Kaffee und esse zwei belegte Semmel dazu.

Die Wirtin macht ihre Einkäufe und begrüßt mich freundlich. Wir haben ein kurzes Gespräch miteinander. Offensichtlich kann sie es mit der Inhaberin nicht so gut. Da ist irgendein Störfeuer im Raum. Und dabei denkt man immer, in so einer Umgebung ist die Welt mit sich und dem Herrgott im Reinen.

Ich beginne meine heutige Etappe und schaue runter ins Tal. Dieses ist ganz wolkenverhangen. Man kann deutlich sehen, wie sich die Wolken im Tal festgezurrt haben. Mal schauen, wie sich das heute noch entwickelt. Im Moment ist es Gott sei Dank wieder trocken, aber kalt, sehr kalt, bitterkalt … ich sage jetzt nicht auf gut Schwäbisch: „arschkalt“… Aber auch wenn ich es nicht sage, trotzdem friere und zittere ich bitterlich …

Klostermuseum Rueggisberg


Nach dem Ortsausgang komme ich gleich an den Überresten des ehemaligen Klosters (Cluniazenser Kloster, gegründet 1076, aufgehoben 1484/1485) vorbei. Ein dort befindliches kleines Klostermuseum gibt Aufschluss, dass hier in der Blüte des mittelalterlichen Pilgertums diese in Barmherzigkeit aufgenommen, ihnen in Sorgfalt die Füße gewaschen wurden, und als Wegzehrung bekamen sie noch einen Dinar (ca. 3 Franken). Wenn man diese Auszüge der alten Klosterordnung liest, dann könnte man fast neidisch werden, dass man nicht schon 800 Jahre früher hier angekommen ist.

Es geht bergab, vorbei an einer Weide mit Lamas und Kamelen. Die hab ich hier am wenigsten erwartet. Es ist trocken, aber immer noch erbärmlich kalt. Vorbei an mehreren Weilern und kleinen Ortschaften geht es auf und ab in Richtung Schwarzenburg. Zwischenzeitlich muss ich auch immer wieder die Regenausrüstung bemühen. Mein Regenponcho ist derzeit ein sehr gefragter Ausrüstungsgegenstand.

Ich freue mich, als ich in Schwarzenburg eine nette Gastwirtschaft finde, welche mir meine Bouillon mit Ei und eine Tasse schwarzen Tee serviert. Das wird momentan zum Mittagshit der Saison. Warm, flüssig, nahrhaft, leicht verdaulich und angenehm im Geschmack.

Vor Heitenried geht es auf einem alten Römerweg steil nach oben. Diese Wege mögen zwar historisch sehr interessant sein, für einen Pilger sind sie wegen des steinigen Belages einfach unbequem zu gehen und bei Nässe, davon gibt es heute sehr viel, gefährlich rutschig. Aber zum Dank, dass nichts passiert ist, steht gleich oben eine kleine Kapelle, in welcher man eine Dankeskerze anzünden kann. Hier zünde ich gleich zwei an.

Eine ist für einen Freund und seine Familie. Ich hab ihm das versprochen und denke, dass hier ein guter Platz dafür ist. Es istzwar eine Jakobuskapelle, aber an der Wand hängt der Text eines Pilgerliedes, welcher auf die Melodie eines bekannten Marien-Wallfahrtsliedes gemacht wurde, welches wir in unserer Heimat schon oft zusammen musiziert haben. Immer wieder sehe ich auf den Naturpfaden Spuren von Wanderschuhen. Immer das gleiche Profil der Sohle und immer nur eine Person. Und die Abdrücke sind immer ganz frisch. Sehen tue ich aber niemanden. Na ja, ich bin der Pilger Sepp und nicht Winnetou. Deshalb sind meine Kompetenzen im Spurenlesen sicherlich sehr überschaubar.


Römerweg

In Heitenried komme ich gegen 13.00 Uhr an der Pilgerherberge vorbei. Es ist eigentlich schade, aber um diese Zeit ist es einfach noch zu früh, Quartier zu machen. Es gilt der Pilgerruf: Ultreia … weiter! Die Sonne kommt mehr und mehr zum Vorschein, aber ein bitterkalter Wind schneidet mir immer noch scharf ins Gesicht. Ein warmer Wintermantel gehört leider nicht zu meiner Pilgerausrüstung. Aber von Minute zu Minute gewinnt die Sonne an Kraft, und das Gehen wird immer angenehmer, zumindest ertragbar.

Guter Laune erreiche ich St. Antoni. Auf dem Weg kurz vor der Kirche sehe ich einen Wandersmann mit Rucksack über den Kirchenvorplatz gehen. Üblicherweise winkt man einem Mitpilger wenigstens kurz zu oder wartet diese Minute für eine kurze Begrüßung. Der jedoch dreht sich um und geht seinen Weg weiter. … dann eben nicht!

Ich betrete die Kirche und verweile einige Momente am Marienaltar, bevor ich den Pilgerstempel in meinen Pilgerausweis drücke. Jeder Stempelabdruck ist ein Souvenir meines Weges und ruft gleich wieder einen Song in mein Gedächtnis: „Souvenirs, Souvenirs …“ von Bill Ramsey. Singen ist eine der angenehmsten Nebenbeschäftigungen auf meinem Pilgerweg.

Nun geht’s steil bergab und im Tal entlang eines kleinen Baches zügig nach Tafers. Dort will ich mich heute um ein Zimmer bemühen. Bis Fribourg durchzustarten ist mir etwas zu weit, das wären noch gut sechs Kilometer zusätzlich. Schließlich bin ich bis Tafers schon dreißig Kilometer unterwegs.

Am Ortseingang stehen Schüler und befragen Passanten. Auch ich werde gefragt, warum ich unterwegs bin, woher ich komme und wohin ich gehe. Die Kinder haben ein Klassenprojekt und sind in verschiedenen Gruppen mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen unterwegs. Es ergibt sich eine sehr rührige und amüsante Befragung. Dafür nehme ich mir gerne ein paar Minuten Zeit.

An der Kirche angekommen, gehe ich zuerst in die kleine Kapelle und denke, ich sehe nicht recht. Da ist der Pilger von St. Antoni und fragt ohne Gruß, ob ich weiß, wo hier ein Pilgerstempel ausliegt. Ich antworte angefressen freundlich, dass ich hier auch fremd bin und nach Quartier suche. Er sagt, dass er noch die knappe Stunde bis Fribourg geht, das passt grade noch so in seinen Streckenplan. Na ja … eine knappe Stunde – wenn seine Uhr gaaanz laangsam geht, dann könnte er es schaffen. Ich wünsche „Buen Camino“, drehe mich um und gehe in die Kirche. So ein damischer Kerl, so ein preußischer …

Nachdem ich in Tafers kein Zimmer finde, rufe ich von der Post die in meinem Reiseführer genannte Familie Brand an. Das Quartier ist etwas außerhalb, deshalb vereinbaren wir eine Uhrzeit, bei welcher mich Frau Brand an der Kirche mit dem Auto abholt. Das Telefonat bei der Post ist für mich gratis. Ich trinke im Kiosk nebenan noch ein Tässchen Kaffee und bekomme diesen als Pilger ebenfalls gratis. Das ist Pilgerfreundlichkeit pur, und ich bedanke mich artig.

Frau Brand kommt mit dem Auto vorgefahren und bequem geht es nach Menziswil zum Haus der Familie. Es ist alles neu, modern und sehr chic. Zum Abendessen bin ich herzlich eingeladen. Ich fühle mich wohl und stelle fest, dass hier die Sprachgrenze zur französischen Schweiz verläuft. Frau Brand hat als Muttersprache Schwyzerdütsch und als Zweitsprache Französisch. Herr Brand spricht nur Französisch, kaum Deutsch.

Zum Abendessen haben wir ein interessantes Gespräch. Meine Gastgeberin erzählt mir, wie man sich hier teilweise wegen der Zweisprachigkeit arrangieren muss. Das hat auch überall im täglichen Leben Auswirkungen. Kindergarten, Schule, Beruf, Freundeskreis.

Ein einzelner Pilger ist oben am Jakobsweg gegen Abend gesichtet worden, erzählt Herr Brand Den wiederum habe ich wahrscheinlich schon kennengelernt. Und heute Nachmittag ist auch eine kleine Gruppe vorbeigekommen. Die habe ich noch nicht gesehen. Auf jeden Fall ist der Weg hier schon sehr gut frequentiert.

24. Pilgertag, Dienstag, 03.05.2016

Tafers/Menziswil–Autigny: 27 km, Gesamt: 504 km

Gut ausgeruht und durch ein üppiges Frühstück gestärkt, fahre ich mit meinem Gastgeber ca. zwei Kilometer in Richtung des Bauernhofes vom Sohn, dem er bei der Arbeit hilft. Wir kommen dabei direkt am Jakobsweg vorbei. Dort verabschieden wir uns.


Fribourg

Der Weg bis Fribourg zieht sich unangenehm in die Länge. Nach den Vororten freue ich mich, als ich den Stadtkern mit der Kathedrale St. Nicolas erblicke. Ein schönes Bauwerk mit kunstvollen Glasfenstern. Ein Stempel bereichert meinen Pilgerpass. Der Stadtkern mit Fußgängerzone und vielen Geschäften ist sehr belebt. Ich nutze auch die Gelegenheit, mich an einem Bankautomaten wieder mit Bargeld zu versorgen.

Es ist etwas mühsam, den Weg aus der Stadt zu finden, aber ich finde ihn, und als ich auch durch diese Vororte durch bin, erwartet mich ein schöner Weg talwärts entlang einer kleinen Schlucht.

Wild, romantisch, Natur pur mal links und rechts des mitunter reißenden Baches. So erreiche ich die St. Appoloniabrücke über die Glâne, ein in früheren Zeiten wichtiger Verkehrsknotenpunkt der Römer. Heute kaum noch vorstellbar. Aber die ursprüngliche Schönheit dieses Bauwerks dürfen wir noch bewundern. Neben der Brückenkapelle, welche 1994 renoviert wurde, ist eine Rastbank, auf welcher ich eine Vesperpause einlege. Weil es aber sehr kalt und windig ist, gehe ich bald weiter.


Apolloniabrücke

Mein Weg führt mich durch hügeliges Terrain. Außer Gegend gibt es nichts. Davon aber sehr viel. Und meine innere Uhr meldet, dass es längst Zeit für eine heiße Suppe wäre. Ein Blick auf die Karte sagt mir, dass es eventuell in Posieux damit klappen könnte. Zielgerichtet marschiere ich nun zügig weiter und komme erwartungsvoll dort an. Und meine Hoffnung auf ein gutes Lokal sollte mehr als erfüllt werden.

Direkt an der Hauptstraße sehe ich eine Brasserie – und was für eine! Bei mir zu Hause würde man sagen, eine stilvolle Brauereigaststätte der feinen gutbürgerlichen Küche. Mir wird gleich ein kleiner Tisch angeboten, neben dem ich auch meinen Rucksack bequem ablegen kann. Einer der Ober kümmert sich unverzüglich um meine Wünsche, und ich probiere bei dieser Gelegenheit mal meine übersichtlichen französischen Sprachkenntnisse aus: „Bouillon avec œuf et thé noir, s’il vous plaît“ – Bouillon mit Ei und schwarzem Tee, bitte schön. Klappt prima. Am liebsten würde ich hier länger sitzen bleiben. Es herrscht reger Betrieb, alles ist brauereimäßig dekoriert und im großen Sudkessel wird offensichtlich auch noch gebraut. Richtig gemütlich hier.

Aber mein Weg führt mich wieder hinaus. Ich stelle mich dem kalten Wind, den Regenponcho immer griffbereit für den kleinen Schütter zwischendurch. Aber trotz der widrigen Witterung habe ich gute Laune. Konditionell bin ich dank meiner guten Vorbereitung topfit. Einzig mein rechtes Knie zwickt immer mal wieder schmerzhaft. Aber ich denke, wenn ich es mit der Belastung nicht übertreibe, wird sich das auch wieder einpendeln.

Gut gelaunt komme ich durch den Weiler Posat. Am Ortsausgang will ich schon an einer kleinen Terrasse des Restaurants vorbei den Weg ins Tal einschlagen, als ich zwei Pilger bemerke, welche mir „Buen Camino“ zurufen. Ich gehe auf sie zu. Es sind Lorenz und Hannes. Hannes hat seine Labradorhündin Lulu mit dabei. Wir kommen kurz ins Gespräch, nach dem Woher und Wohin. Zwei nette Typen, die erst in Ringenberg gestartet sind und die via Gebennensis von Genf bis Le Puy gehen wollen.

Hannes war bereits schon einmal in Santiago de Compostela und ist damals in Le Puy gestartet. Diese Lücke will er jetzt zusammen mit seinem Freund schließen. Sie haben für heute Abend Zimmer bei Mme Schneider in Autigny reserviert. Na, dann weiß ich auf jeden Fall, dass diese Dame zu Hause ist. Nachdem der Wirt zwischenzeitlich sein Restaurant für den Nachmittag geschlossen hat, gehe ich weiter. Vielleicht sehen wir uns ja in Autigny. „Buen Camino.“

Wieder mal hinunter zum Fluss Glâne und auf der anderen Seite hinauf zur Hochebene geht es dann bei zwischenzeitlich strömendem Regen drei bis vier Kilometer nach Autigny. Dort angekommen, entdecke ich gleich ein Restaurant mit Chambre (Zimmer). Ich gehe aber erst in die Kirche, um meinen Pilgerstempel abzuholen. Gegenüber der Kirche ist an einem Bauernhof auch ein Schild angebracht, welches auf eine Pilgerherberge aufmerksam macht. Hier geht’s ab!

Ich überlege schon, ob ich auf dem Bauernhof klingeln soll, da kommen meine zwei bekannten Pilger um die Ecke. Auf ihren Rat entschließe ich mich, mit ihnen zu gehen. Ich habe Glück. Mme Schneider hat noch ein Zimmer frei. Und das ist wirklich ein Glücksfall, wie man ihn nur alle Schaltjahre hat.

Bei Marie-Rose ist alles auf Pilger ausgerichtet. Die Zimmer und das Bad sind einfach, aber sauber. Im Flur gibt es auf dem Tisch alle Informationen, welche man als Pilger braucht. Und abends sitzen wir in gemütlicher Runde bei Martini, Vin rouge, Grappa und Kaffee zusammen Für das leibliche Wohl sorgen ein wunderbarer Salatteller und Spaghetti bolognese. Und dank der Französischkenntnisse meiner Pilgerfreunde haben wir auch eine unvergessliche Unterhaltung. Es ist ein traumhaft schöner Abend, an den ich mich noch sehr oft und sehr gerne erinnern werde.

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9783991076483
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