Kitabı oku: «Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens», sayfa 5

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17. Pilgertag, Montag, 04.05.2015

Alpthal–Beckenried 17 km, Gesamt: 319 km

Bereits um 07.00 Uhr frühstücke ich zusammen mit den zwei Pilgerinnen aus Tettnang.

Anschließend packe ich meine Siebensachen zusammen, ein kurzer Blick auf meine Holzhütte, die rechte, und los geht’s. Und zwar gleich richtig steil bergan. Es regnet, aber schon nach kurzer Zeit kann ich mich des Ponchos entledigen. Meine Windjacke ist völlig ausreichend.


Hütte Alpthal

Anstieg zum Haggenegg


Ich befinde mich auf dem Anstieg zum „Haggenegg“, mit 1414 m auf der Passhöhe der höchste Punkt auf dem Schweizer Jakobsweg. Plötzlich höre ich in einiger Entfernung hinter mir bekannte Stimmen. Die zwei Damen müssen also bald nach mir gestartet sein und sind offensichtlich bei guter Kondition. Bei einer kleinen Kapelle mache ich Rast. Und schon kurz danach kommen die beiden ebenfalls angeschnauft und entledigen sich ihrer Rucksäcke.

Der steilste Teil des Anstiegs ist geschafft. Nun geht es auf guten Wegen vorbei an einer Schutz- und Rasthütte nur noch gemächlich aufwärts. Auf der gegenüberliegenden Bergkette ist die Schneegrenze jetzt deutlich tiefer als mein augenblicklicher Standort. Die majestätischen Gipfel der zwei Mythen sind neben mir fast zum Greifen nah. Manchmal ist es schöner, wenn man in der Nähe von solchen markanten Bergen einen Pass überquert. Dann hat man einen schöneren Anblick. Ich bin jetzt mittendrin in den Bergen. Ein erhebendes Gefühl. Und plötzlich, nach einer kleinen Kuppe stehe ich auf der Passhöhe und sehe vor mir den kleinen Berggasthof. Aus meinem Rother-Reiseführer entnehme ich, dass hier der berühmte Johann Wolfgang von Goethe am 16. Juni 1775 auf seiner Reise durch die Schweiz genächtigt hat.

Heute hat das Berggasthaus leider Ruhetag. Schade, eine kurze Rast bei einer Tasse Kaffee hätte ich jetzt auf dem höchsten Punkt des Schweizer Jakobsweges gerne gemacht.


Haggenegg

Ein paar Meter vom Berggasthaus entfernt, gleich nach der Passhöhe, steht die kleine Pilgerkapelle. Ein kurzes besinnliches Innehalten ist angesagt. Ein kurzes Pilgergebet und ein paar dankbare Worte, dass ich gesund durch diese schöne Bergwelt pilgern darf. Nichts im Leben, zumindest die angenehmen Dinge, sind selbstverständlich. Man muss sich alles täglich neu erarbeiten. Da geben einem dann solche unbeschwerte Tage in schöner Umgebung neue Kraft und Motivation.

Einen schönen Pilgerstempel kann ich in meinen Pilgerausweis drücken. Fasziniert bin ich von der Holztür in die Kapelle. Kunstvoll ist auf der Außenseite eine Jakobsmuschel geschnitzt. Die Spuren der Pilger sind in der Schweiz an fast jedem Ort sichtbar. Es ist kein Phänomen unserer Zeit, diesen Weg zu gehen – nein, die wahren Pilger waren schon lange vor uns hier, wir wandeln nur auf ihren Spuren!

Pilgerkapelle Haggenegg – am höchsten Punkt des Schweizer Jakobsweges


Nun geht es wieder abwärts. Eintausend Höhenmeter hinunter auf zum Teil recht steilen Gebirgspfaden. Je näher ich dem Tal komme, desto mehr Wirtschaftswege darf ich gehen. Die sind dann auch nicht mehr so steil. Es wird deutlich, dass der Anstieg zum Haggenegg vom Zürichsee gerechnet zweigeteilt war. Der erste Teil rauf zum Etzelpass und Einsiedeln. Der zweite Teil dann heute von Alpthal hinauf zur Passhöhe auf 1414 Meter Höhe. Hinunter auf 430 Meter Höhe geht es jetzt aber unendlich lang in einem Stück.

Ich komme nun ins Herz der Schweiz, nach Schwyz. Dieser Name ist nicht nur die Bezeichnung für eine traumhaft schöne Stadt. Schwyz ist auch die Bezeichnung für einen Kanton und für einen Bezirk. Und nachdem Schwyz der wichtigste der drei Urkantone war, wurde dieser Name auch für die gesamte Eidgenossenschaft verwendet. Daraus leitet sich überdies die italienische und französische Form der Namensgebung der Schweiz ab.

Fridolinskapelle


Kurz vor Schwyz, in Ried, besuche ich die Fridolinskapelle. Zum Dank für die gute Überquerung des Haggenegg möchte ich eine Kerze anzünden, habe jedoch keine passende Münze. Ich denke mir, die Bezahlung kann ich sicherlich auch an einem späteren Ort nachholen, der Herrgott wird das hoffentlich so akzeptieren.

Während des Gebets hat mich jedoch die Mutter Gottes so mitleidsvoll angesehen, dass ich als guter sparsamer Schwabe schweren Herzens eine 5-Franken-Münze in den Opferstock warf.

Als guter Schwabe habe ich jedoch nicht versäumt, sie ob dieser reichlichen Gabe auch gleich noch um gutes Wetter und Unterkunft für heute zu bitten! Und im Nachhinein kann ich sagen, diese fünf Franken haben sich gelohnt. Auf Mama Maria ist eben Verlass.

In Schwyz besuche ich die barocke Pfarrkirche St. Martin und bewundere dann die wunderschönen alten Gebäude im Stadtzentrum. Traumhaft schön. Der Blick auf die Speisekarte eines Restaurants wandelt beim Blick auf die Preise jedoch den Traum unverzüglich zum Albtraum. Ich werde hoffentlich heute Abend, egal wo ich mich auch befinde, ein pilgerfreundliches Restaurant finden. Wenn nicht, dann werde ich mich wohl oder übel einer Fastenkur unterziehen müssen.


Zahnwehkapelle

Von Schwyz aus geht’s durch Ibach nach Brunnen am Vierwaldstättersee. An den Wegen gibt es Dutzende kleiner Kapellen für jegliche Anlässe oder als Sühne für irgendwelche Mord- oder sonstige Untaten. Hier komme ich an der Zahnwehkapelle vorbei, welche angeblich die Schmerzen lindert, so man eines Gebetes mächtig ist. Im Hintergrund wachen der große und der kleine Mythen über das Land.

Brunnen – war eigentlich als mein heutiges Etappenziel vorgesehen. Ich gehe gleich zur Schiffsanlegestelle und erkundige mich nach der nächsten Verbindung hinüber nach Treib. Der Verkäufer meint, ich hätte Glück. In einer halben Stunde verkehrt das nächste Schiff. Es ist sogar der einzige noch im Betrieb befindliche Raddampfer auf dem Vierwaldstättersee. Nachdem es jetzt angenehm warm und sonnig ist, will ich die Schifffahrt entsprechend genießen und löse deshalb gleich ein Ticket weiter bis nach Beckenried.


Raddampfer

Bei einer kühlen Cola vom nahen Kiosk warte ich auf mein Schiff. Majestätisch und vorne am Bug reichlich mit Blumen geschmückt, fährt es vom See zur Anlegestelle herein. Beim Einsteigen kommen auch noch die zwei Pilgerinnen aus Tettnang angestürmt. Sie fahren aber nur hinüber nach Treib, um von dort weiterzugehen. Dann wird das voraussichtlich unser letztes Aufeinandertreffen. Wir verabschieden uns schon mal vorsichtshalber und wünschen uns „Buen Camino“. Und im nächsten Moment sind die zwei schon nicht mehr zu sehen.


Dampferfahrt

Ich genieße die Schifffahrt. Im Restaurant trinke ich zuerst eine gemütliche Tasse Kaffee und mache anschließend einen Schiffsrundgang, welcher bei der Größe des Schiffes entsprechend schnell beendet ist. Eigentlich kaum möglich, aber die zwei Pilgerinnen sehe ich nirgends. Erst als sie in Treib das Schiff verlassen, winken wir uns zum Abschied nochmals kurz zu. Ich glaube, die Ältere der zwei wäre am liebsten auch bis Beckenried gefahren.

Wunderbar ist der Blick über den See zurück nach Brunnen mit den zwei Mythen, meinen treuen Begleitern seit Einsiedeln. Kleine blaue Inseln in den Wolken lassen die Sonnenstrahlen auf dem Wasser aufblitzen und einzelne Berge um den See hell erstrahlen. Das gedämpfte und gleichmäßige Stampfen der Schaufelräder durch das Wasser hat eine beruhigende Wirkung und ist angenehm anzuhören. Ich setze mich auf eine Bank, schließe die Augen und genieße den Augenblick.


Jödelichor

Und wenn man denkt, diese Heimatfilmatmosphäre könnte nicht mehr getoppt werden, dann täuscht man sich gewaltig. Vorne im Schiff sitzt ein Schweizer Jödelichor und singt die schönsten Jodellieder.

Diese Ruhe, das leise Stampfen der Schiffsräder, der Chorgesang, der von einer traumhaft schönen Bergwelt eingebettete See. Für das Erlebte hier und jetzt könnte ich mir in keinem Theater der Welt den Eintritt leisten.

Bei herrlichem Sonnenschein komme ich in Beckenried an und beschließe, gleich hier nach einem Quartier zu suchen und den Tag gemütlich ausklingen zu lassen. Bei Familie Scheuber, direkt am See, Zimmer mit Balkon und Seeblick hab ich das große Los gezogen. Gemütlich, bezahlbar und mit herrlicher Aussicht.

Nach einer kurzen Pause und der Besichtigung der großen Kirche finde ich abends auf Empfehlung von Frau Scheuber gleich in der Nähe ein gutes Lokal. Ein wunderbarer Speisesaal mit Rundumblick auf den See und das Bergpanorama machen das wunderbare Essen zu einem Hochgenuss für Leib und Seele. Und ein frisch eingeschenktes Glas Bier, welches ich noch in aller Ruhe gemütlich genießen kann, runden einen wunderschönen Tag vollendet ab.


Abend am See

Beim abendlichen Blick von meinem Balkon über den See kann ich auf meine heutige Tagesetappe sehen, welche jenseits des kleinen und großen Mythen begonnen hat. An den zwei Bergen vorbei ging es über den Haggenegg und danach hinunter nach Schwyz und weiter nach Brunnen an den Vierwaldstättersee mit der romantischen Schifffahrt hierher nach Beckenried. Heute trägt die Zufriedenheit meinen Namen. Das ist ein schönes Gefühl.

18. Pilgertag, Dienstag, 05.05.2015

Beckenried–Gisigen: 24 km, Gesamt: 343 km

Nach einem wunderbaren ausgedehnten Frühstück starte ich in den heutigen Tag. Es geht zuerst am See entlang bis nach Buochs. Dort verlasse ich den Vierwaldstättersee und komme bald nach Stans mit der schönen Wallfahrtskirche St. Peter und Paul.


Frühling/Winter

Bis Stans war es eben, und ich konnte immer wieder den Blick vom Frühling hinauf in die winterlichen Berggipfel genießen. Neben mir auf den Streuobstwiesen stehen die ersten Obstbäume bereits voll in Blüte. Ich habe verschiedene Jahreszeiten im Blick.

Ab Stans wird es richtig hügelig. Keine großen Berge, aber trotzdem hab ich während des Tages sehr viele Höhenmeter zu überwinden.

Außerdem befinde ich mich offenbar wieder in der gastronomischen Diaspora. Ich komme immer mal durch kleine Weiler. Da erwarte ich gar keine Gastwirtschaft, aber leider finde ich nicht einmal einen kleinen Laden. Offensichtlich war ich in der Früh einfach nachlässig, als ich an einigen Supermärkten vorbeiging, ohne meinen Proviant wieder aufzufüllen. Diese Lektion lerne ich heute ausgiebig. Bequemlichkeit beim Einkaufen wird auf einem Pilgerweg zu Fuß gnadenlos mit Hunger und Durst bestraft. Auch das Gehen wird durch den Energieabfall nicht unbedingt zur Vergnügungsreise.

Hungrig und dürstend komme ich endlich nach St. Jakob. Schon von Weitem sehe ich das Werbeschild eines Gasthauses. Ich freue mich auf einen Teller Suppe und eine Tasse Kaffee. Umso größer dann die Enttäuschung, als ich das Schild „Ruhetag“ am Lokal hängen sehe.

Ich muss einfach weiterziehen und auf einer Bank meine letzte Käsescheibe und den letzten (halben) Körnersemmel essen. Und mein Trinkwasser ist jetzt auch aufgebraucht.

Und weil jetzt langsam auch die Energien aufgebraucht sind, versuche ich gleich ein Quartier für heute Abend zu reservieren. Mein Anruf im Haus Bethanien, dem Kloster der Dominikanerinnen, ist jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Dort sind derzeit 30-tägige Exerzitien und dementsprechend keine Betten frei – für nächste Woche könnte sie mir aber ein Zimmer reservieren. Gute Frau, so lange kann ich hier auf der Bank nicht warten.

Aber der nächste Anruf ist von Erfolg gekrönt. Im Pilger-Stibli ist ein Bett für mich frei. Gleichzeitig bin ich auch froh, weil sich meine Etappe dadurch um ca. 2 km verkürzt. Das Wissen, ein Bett für die Nacht in erreichbarer Entfernung zu haben, setzt jetzt neue Energien frei. Gestärkt raffe ich mich auf, auch die letzten Kilometer hinter mich zu bringen. Erschöpft und verschwitzt erreiche ich in der brennenden Sonne das Pilger-Stibli und werde vom kleinen Töchterchen Saskia empfangen.


Pilgerstibli

Im Stibli kann ich mir gleich Kaffee machen und eine kühle Cola ist auch im Kühlschrank. Neben dem Stibli, einer umfunktionierten Garage, an der Scheune die Treppe hoch, da ist dann die Pilgerherberge. Die habe ich heute für mich ganz allein, wie mir meine Gastgeberin Diana mitteilt. Das ist sehr angenehm. Ich habe Ruhe, kann die sauberen Sanitärräumlichkeiten ungestört benützen und mich bei einer kleinen Siesta wieder erholen. Am kleinen Tisch kann ich mein Tagebuch schreiben.

Abends regnet es ganz leicht, sodass die Luft wieder herrlich duftet und etwas abkühlt. Abendessen gibt’s im Gartenhäuschen der Familie. Die Kinder, Saskia und Denis, leisten mir Gesellschaft und erzählen vom Leben hier abseits der großen Städte und Dörfer. Den Großvater treffe ich vor dem Haus. Mit seinem Hut und dem buschigen Bart könnte er in jedem Heimatfilm das Klischee vom Schweizer Opi perfekt darstellen. Draußen rieselt immer noch der angenehme leichte Regen vom Himmel. Ich gehe deshalb sehr früh zu Bett, kann aber trotz des anstrengenden Tages nicht so richtig schlafen. Die ganze Muskulatur ist noch auf Dauerbetrieb. Ich merke, wie sich mein ganzer Körper auf die täglichen körperlichen Anstrengungen umstellt.

Vier Tage bin ich nun unterwegs. Die Muskulatur arbeitet auf Hochtouren und nutzt dazu auch leider die Nachtstunden. So unangenehm das vielleicht für den Moment ist, so dankbar kann ich mich aber bald auf eine wesentlich bessere körperliche Fitness freuen und meine Tagesetappen umfangreicher planen. Das macht mich schon etwas stolz und zufrieden.

19. Pilgertag, Mittwoch, 06.05.2015

Gisigen–Lungern: 28 km, Gesamt: 371 km

Sehr früh bin ich wach und kann mein Gepäck wieder sorgfältig zusammenlegen. Diana hat mir schon das Frühstück im Gartenhaus gerichtet. Ich kann mich gleich bedienen.

Zeitig breche ich auf. Es ist noch etwas regnerisch, aber trotzdem angenehm zu gehen. Bald komme ich am Haus Bethanien vorbei und treffe mancherlei Menschen, welche schlafwandlerisch durch die Gegend geistern. Offensichtlich die Auswirkungen der Exerzitien. Ich versuche, zu grüßen. Erhalte aber nur verklärte Blicke zurück …

Der nächste Ort ist Ranft. Ich habe jetzt schon des Öfteren Schilder gesehen, auf denen ein „Klausen-Weg“ angezeigt war, konnte aber nichts damit anfangen. Nun bin ich am Ort des Geschehens angelangt. An den zwei Pilgerkapellen mit der Zelle des Einsiedlers Bruder Klaus (1417–1487), in welcher er die letzten 20 Jahre seines Lebens unweit seiner Familie, nur Gott gewidmet, gelebt hat.

Im kleinen Souvenirgeschäft, welches von den Dominikanerinnen aus dem Haus Bethanien betrieben wird, will ich eine Kerze kaufen. Die kann man aber nicht so einfach in die Kapelle stellen, lasse ich mir erklären. Also kaufe ich gleich 5 Kerzen. Das ist ein gesamter Kerzenständer voll. Diese Kerzen werden am nächsten Tag mit einem Gebet und meinen fünf Widmungen von der Dominikanerin in der Pilgerkapelle angezündet. Beim Bezahlen wird mir bewusst, dass ich auf so einer Pilgerwoche ein kleines Vermögen für Kerzen ausgebe. Aber die Erfahrung zeigt, dass die Rendite dieser Geldanlage unermesslich ist, um es mal als sachlicher Banker auszudrücken.


Im Anbau der Kapelle ist die Zelle von Bruder Klaus.


Die Pilgerkapelle mit Kerzenständer.


Sarnersee

Nach diesen besinnlichen und nachdenklichen Momenten, welchen man als Pilger mit besonderer Aufmerksamkeit begegnet, geht es nun fünfhundert Meter steil bergauf nach Flüeli, dem Heimatort von Bruder Klaus, dem Schweizer Nationalheiligen. Sein bürgerlicher Name war Klaus von der Flüe.

Dieser Ort ist offensichtlich Wallfahrts- und Ausflugsort der ganzen Schweiz, Europa und der Welt. Aber trotzdem schön, gepflegt und gemütlich. In einem kleinen Kiosk lasse ich mir an der Kaffeebar einen Cappuccino servieren. Der tut richtig gut. Meinen Regenponcho benötige ich nicht mehr, den kann ich gleich im Rucksack verstauen.


Bruder Klaus

Danach führt mich mein Weg entlang eines kleinen Waldes und Wiesen wieder leicht bergab an den Sarnersee nach Sachseln, dem Verwaltungssitz von Flüeli-Ranft. Hier befinden sich in der Pfarrkirche unter dem Altar in einem silbernen Sarkophag die Gebeine von Bruder Klaus. Sieht aus, als ob man ihn in einem Regal abgelegt hätte. Entschuldigung, ist nicht böse gemeint, aber so ist meine Empfindung.

Nach dem Besuch der Kirche führt mich mein Weg endgültig zum Sarnersee. Dieser ist mit Wasser bis zum Rand gefüllt. Und auch noch darüber hinaus. Manche Liegewiese ist nur noch unter dem Wasserspiegel zu vermuten. So ergibt sich manche Situation, welche zum Schmunzeln einlädt. Wobei man bedenken muss, dass es hier 1997 sintflutartige Regenfälle gab, welche in Sachseln innerhalb von zwei Stunden schwerste Zerstörungen und Schäden von 120 Mio. CHF anrichteten. Der See ist wie ein Trichter, in welchem der Regen von all den Bergen ringsum landet.

Vom Sarnersee möchte ich noch weiter zum Lungerersee. Dazwischen liegt das kleine freundliche Städtchen Giswil. Hier finde ich ein gemütliches Café mit Terrasse. Einen großen Cappuccino, ein Stück Kuchen und eine kühle Cola wecken wieder alle Lebensgeister in mir.

Der Lungerer See liegt ca. 220 Höhenmeter über dem Sarner See, und der Weg hinauf ist so richtig unangenehm. Schwitzend und außer Atem komme ich oben an und habe einen wunderbaren Blick hinunter nach Giswil und den Sarnersee. In Kaiserstuhl entscheide ich mich, offensichtlich im Glauben, eine etwas kürzere Variante zu nehmen, auf die falsche Seeseite nach Lungern und wähle damit eine wahrhaftige Achterbahn mit enormen Steigungen.

Kirche Lungern


So komm ich gleich so richtig ins Schwitzen – mehr als mir lieb ist. Und auch mein Magen spielt verrückt, mir ist übel, und ich bekomme Kopfweh. Ich glaube, da hat mir die Sonne übel mitgespielt, oder ich war mit der Verpflegung nicht sorgfältig genug.

Einen kleinen Abstecher mache ich noch zur Kirche. Ein wunderbarer Bau mit großer Ähnlichkeit zur Muttergottes-Basilika in Lourdes. Danach erhalte ich im Haus St. Josef gleich ein wunderbares Zimmer, kann ausgiebig duschen und etwas ausruhen. Aber auch nach einer kleinen Siesta geht es mir nicht so besonders gut. Ich fühle mich überhaupt nicht wohl. Ein kleiner Spaziergang um das Haus, zu mehr bin ich nicht mehr in der Lage.

Glücklicherweise gibt es gleich um die Ecke gegenüber dem Bahnhof ein nettes Lokal. Und wie sich herausstellt, ist es auch gut und günstig. Ich bestelle mir eine große Terrine Suppe und eine Kanne Tee. So bin ich zwar gesättigt, aber mein Magen und mein Kopf fühlen sich nicht so an, wie es sein sollte. Selbst die Übertragung eines Fußballspiels vom FC Bayern in der CL findet bei mir keinen Gefallen. Das bedeutet höchstes Warnsignal. Auch in der Nacht kann ich kaum schlafen. Deshalb fasse ich den Entschluss, gleich morgen früh die Heimreise anzutreten.

Ein Ruhetag würde sich angesichts nur noch einer geplanten Etappe nicht mehr lohnen. Und hier habe ich durch den Bahnhof eine gute Anbindung nach Hause und später wieder zur Anreise.

20. Pilgertag, Freitag, 29.04.2016

Lungern–Oberried: 21 km, Gesamt: 392 km

Es ist wieder Pilgerzeit!

In den allerfrühesten Morgenstunden bringt mich meine Karin zum Bahnhof, um mit der Deutschen Bahn nach Friedrichshafen zu fahren. Schnell raus aus dem Zug und 5 Gehminuten durch die Stadt, dann bin ich schon auf der Autofähre über den Bodensee nach Romanshorn. Ich mache es mir im Restaurant bequem und genieße eine Tasse Kaffee. Zurück auf dem Schiffsdeck tut mir meine neue Fleecejacke gute Dienste. Sie ist warm und kuschelig. Bei den noch sehr frischen Außentemperaturen ist das sehr angenehm, genau wie der strahlend blaue Himmel.

Von Romanshorn geht es mit der Schweizer Bahn pünktlich und bequem über Zürich nach Lungern, meinem eigentlichen Ziel- bzw. Startort. Wegen Bauarbeiten an den Gleisen über den Brünigpass besteht ab Giswilen Schienenersatzverkehr, und alle Reisenden müssen auf Omnibusse umsteigen. Ich nehme die Gelegenheit beim Schopf und steige erst auf der Passhöhe in Brünig/Hasliberg aus. Nachdem es in letzter Zeit viel geschneit hat, erspare ich mir deshalb gute zwei Kilometer unangenehmen Aufstieg auf rutschigen Wegen mit Schneematch und Eisplatten.

Oben angekommen, trinke ich im kleinen Restaurant zuerst eine gemütliche Tasse Kaffee. Eine Frau und ein jüngerer Mann sprechen mich an und preisen mir die neue Pilgerherberge unten in Brienz an. Ich habe aber schon für die erste Nacht ein Zimmer in Oberried gebucht. Schade. Aber die zwei laden mich ein, in Brienz auf eine Tasse Kaffee vorbeizuschauen. Mal sehen. Fast genau um 12.00 Uhr starte ich dann meine diesjährige Pilgerwanderung.


Brünigpass

Auf der Passhöhe liegt noch Schnee. Trotzdem ist es angenehm zu gehen. Es herrscht eine wunderbare Stille. Die Luft ist frisch, doch die Sonne erwärmt mein Gemüt. Ich bin glücklich und zufrieden. Es ist schön, wieder auf Pilgerpfaden zu wandeln. Der Abstieg auf der Südseite ist steil, aber durch die Sonne bereits gutabgetrocknet. Neben dem Weg gibt es immer wieder Steintürme zu bewundern, welche offensichtlich als Glückbringer oder auch als Bergtrolle gedeutet werden können.


Traumaussicht

Je näher ich dem Tal komme, desto wärmer wird es. So kann ich bald ohne Gefahr auf die Gesundheit im Shirt gehen und alle Jacken im Rucksack verstauen. Nach Hofstetten mache ich auf einer Ruhebank eine gemütliche Vesperpause und genieße die traumhafte Bergwelt um mich herum. Vor mir erwartet mich bereits der Brienzersee.

Der einzige kleine Wertmutstropfen sind meine zwei großen Zehen. Durch den steilen und langen Abstieg vom Brünigpass sind die Zehennägel verletzt worden. Ich nehme ein festes Pflaster und mache einen Tapeverband. Das mildert zwar die Beschwerden, aber die Nägel gehen in nächster Zeit trotzdem runter, wachsen jedoch wunderbar wieder nach. So hab ich ein ganzes Jahr ein Andenken an den Brünigpass.

Holzpilger


Bald erreiche ich das schöne Städtchen Brienz und gehe ganz entspannt die Seepromenade entlang. Ich kann mich an einem hölzernen Pilgerfreund erheitern, der am See an die lange Pilgertradition hier erinnert.

In der Kirche bekomme ich meinen ersten Pilgerstempel dieses Jahr. Neben dem Nachweis, dass man als Pilger den Weg gegangen ist und damit in entsprechenden privaten und öffentlichen Herbergen nächtigen darf, sind diese Stempel im Pilgerausweis natürlich auch eine bleibende Erinnerung, wenn man zu Hause in einer ruhigen Stunde das Pilgerbuch durchblättert. Fast jeder Stempel könnte eine eigene Geschichte erzählen.

Dass der Weg nicht direkt am See entlang auf ebenen Pfaden nach Oberried führt, das war mir bekannt. Dass ich aber noch solche Höhen erklimmen muss, davon war ich dann doch überrascht. Entschädigt werden meine Mühen jedoch, als ich auf einer langen Hängeseilbrücke die große Schlucht über den Unterweidligraben überquere. Das ist schon ein aufregendes Erlebnis, wofür man in einer anderen Gegend eine Gebühr bezahlen muss.

Ich erfreue mich am Ausblick hinunter zum See und zurück auf das Tal, in welches ich über den Brünigpass abgestiegen bin. Mit einem Blick habe ich den Winter vor Augen, fühle aber auch die fast mediterrane Klimazone der Seen in der Mittelschweiz. Es ist beinahe ein Wunder, dass hier inmitten des Hochgebirges Palmen und ähnliche südliche Bäume und Sträucher gedeihen.

Auf angenehmen Schotterwegen erreiche ich nach einigem Auf und Ab die Gemeinde Oberried. Nervend sind jedoch zwei Düsenjets der Schweizer Luftwaffe. Die drehen hier unaufhaltsam ihre Runden und proben offensichtlich Steilflug und Formationsflug und was sonst alles noch. Die Frage sei mal erlaubt, ob das wirklich in diesem Ausmaß und vor allen Dingen an diesem Ort sein muss? Hier leben Menschen. Von den vielen Touristen, welche für einige ruhige Tage in der schönen Schweizer Bergwelt viel Geld bezahlt haben, ganz zu schweigen. Die Einzigen, welche sich eigentlich nicht aufregen sollen und alles so nehmen müssen, wie es ist, sind die Pilger, zu deren Spezies ich gehöre. Also, lieber Pilger Sepp, nicht aufregen und friedlich in Oberried ankommen.

Das tue ich auch gerne. Im Gasthof „Rössli“ habe ich bereits ein Zimmer reserviert. Die Wirtsleute, eine Schweizerin und ein Italiener, sind sehr nett, und ich kann wunderbar italienisch essen. Danach genehmige ich mir noch ein Gläschen Bier und melde mich per Internet zu Hause. Ein langer und erlebnisreicher Tag geht zu Ende. Wunderschön, ein Auftakt wie aus dem Bilderbuch. Zeitig und zufrieden falle ich in mein Bett und schlafe wunderbar ein.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
648 s. 298 illüstrasyon
ISBN:
9783991076483
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
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