Kitabı oku: «Reise um die Erde in 80 Tagen», sayfa 4

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ZEHNTES KAPITEL
Passepartout kann sich glücklich schätzen, dass er mit dem Verluste seiner Fußbekleidung davonkommt.

E

s ist allgemein bekannt, dass Indien – das große umgekehrte Dreieck, dessen Grundlinie im Norden, die Spitze im Süden liegt – eine Fläche von 1.400.000 Quadratmeilen aufweist, auf welcher eine Bevölkerung von 180 Millionen Menschen ungleichmäßig verbreitet ist. Über einen Teil dieses riesigen Landes übt die britische Regierung eine wirkliche Herrschaft aus, hält einen Generalgouverneur in Kalkutta, Gouverneure in Madras, Bombay, in Bengalen, und einen Stellvertreter desselben in Agra. Aber das eigentlich englische Indien umfasst nur eine Fläche von 700.000 Quadratmeilen und eine Bevölkerung von 100 bis 110 Millionen Einwohnern. Ein ansehnlicher Teil des Landes ist noch frei von der Oberherrschaft der Königin; und in der Tat ist bei einigen wilden und furchtbaren Rajahs im Inneren des Landes eine noch unbeschränkte Unabhängigkeit vorhanden.

Von 1756 an – seit welcher Zeit die erste englische Einrichtung an der Stelle, wo jetzt die Stadt Madras steht, datiert – bis zu diesem Jahre, wo der große Aufstand der Sepoys ausbrach, war die berühmte Indische Kompanie allmächtig. Sie annektierte nach und nach die verschiedenen Provinzen, welche sie den Rajahs um den Preis von Renten abkaufte, die sie wenig oder gar nicht entrichtete; sie ernannte ihren Generalgouverneur und alle von ihm eingesetzten Zivil- und Militärpersonen; aber jetzt besteht sie nicht mehr, und die englischen Besitzungen in Indien stehen direkt unter der Krone.

Daher sind auch das Aussehen, die Sitten und ethnographischen Einteilungen der Halbinsel in einer stetigen Umbildung begriffen. Sonst machte man dort mit allen uralten Transportmitteln seine Reise, zu Fuß und zu Roß, im Karren, im Schuhwagen, auf den Schultern eines Mannes, im Tragsessel, in der Kutsche etc. Jetzt fahren Dampfboote mit größter Schnelligkeit auf dem Indus und Ganges, und eine Eisenbahn, welche Indien der ganzen Breite nach durchzieht und seitlich abzweigt, verbindet Bombay mit Kalkutta innerhalb von nur drei Tagen. Diese Eisenbahn zieht nicht in gerader Linie durch Indien. Die direkte Entfernung beträgt nur 1.000 bis 1.100 Meilen und die Züge würden bei einer mittleren Geschwindigkeit nur drei Tage brauchen, um diese Strecke zu überbrücken; aber diese Entfernung wird mindestens um ein Drittel durch die Krümmung vergrößert, welche die Bahn durch eine Richtungsänderung bis Allahabad im Norden der Halbinsel beschreibt.

Die große vorderindische Eisenbahn nimmt in ihren Hauptpunkten folgende Richtung: Nach der Insel Bombay läuft sie über Salsette, setzt vor Tannah auf den Kontinent über, durchschneidet die Kette der West-Gates, zieht dann nordöstlich bis Burhampur und von da durch das fast unabhängige Gebiet des Bundelkund, steigt dann aufwärts bis Allahabad, biegt östlich ab, stößt bei Benares auf den Ganges, entfernt sich ein wenig von demselben und läuft dann wieder südostwärts über Burdivan und die französische Stadt Chandernagor bis nach Kalkutta, wo die Linie endet.

Um halb fünf Uhr abends waren die Passagiere der Mongolia in Bombay gelandet und genau um acht Uhr ging der Zug nach Kalkutta ab. Herr Fogg verabschiedete sich also von seinen Spielgenossen, verließ das Dampfboot, gab seinem Diener den Auftrag, einige Einkäufe zu tätigen, empfahl ihm ausdrücklich, sich vor acht Uhr am Bahnhof einzufinden und ging dann seinen regelmäßigen Schritt, der gleich dem Pendel einer astronomischen Uhr die Sekunde schlug, geradenwegs auf das Passbüro.

Als Phileas Fogg wieder aus dem Passbüro kam, begab er sich ruhig zum Bahnhof und ließ ein Diner auftragen. Der Wirt glaubte ihm unter anderen Gerichten ein Frikassee vom Kaninchen empfehlen zu sollen und rühmte es außerordentlich. Phileas Fogg ließ es auftragen, kostete es sorgfältig, fand es aber trotz seiner pikanten Sauce abscheulich. Er läutete nach dem Gastwirt.

»Mein Herr«, sagte er und sah ihm dabei scharf ins Gesicht. »Das soll Kaninchen sein?«

»Ja, Mylord«, erwiderte der Schelm frech. »Kaninchen von den Schilfwiesen.«

»Und dieses Kaninchen hat nicht gemiaut, als man es totschlug?«

»Gemiaut? Oh, Mylord! Ein Kaninchen! Ich schwöre ...«

»Herr Wirt«, versetzte Herr Fogg kühl. »Schwören Sie nicht und erinnern Sie sich, was ich Ihnen sage: Vor Zeiten hat man in Indien die Katzen als heilige Tiere angesehen. Das war eine bessere Zeit.«

»Für die Katzen, Mylord?«

»Und vielleicht auch für die Reisenden!«

Nach dieser Bemerkung fuhr er ruhig fort zu speisen. Einige Minuten nach Herrn Fogg war Agent Fix ebenfalls ausgestiegen und zu dem Polizeidirektor von Bombay geeilt. Er gab seine Eigenschaft als Detektiv zu erkennen, den ihm erteilten Auftrag, seine Lage gegenüber dem vermutlichen Vorgang des Diebstahls. Hatte man von London einen Haftbefehl erhalten? ... Es war nichts angekommen. Und es konnte auch ein Haftbefehl, der später als Fogg abging, noch nicht eingetroffen sein. Nun war Fix in großer Verlegenheit. Er wünschte vom Direktor dennoch einen Haftbefehl gegen Herrn Fogg zu erhalten. Derselbe schlug es ab. Die Sache gehörte vor die Verwaltung der Hauptstadt und diese konnte allein einen gesetzlichen Haftbefehl ausstellen. Diese Strenge der Prinzipien, diese Strenge in der Beachtung gesetzlicher Vorschriften ist anhand der englischen Sitten völlig nachvollziehbar, welche hinsichtlich der persönlichen Freiheit durchaus keine Willkür gestatten. Fix bestand nicht weiter darauf und begriff, dass er sich damit abfinden müsse, den Haftbefehl abzuwarten. Aber er beschloss, seinen unerforschbaren Schurken während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes in Bombay nicht aus den Augen zu lassen. Er zweifelte nicht, dass Phileas Fogg dort bleiben werde – und wir wissen, dass auch Passepartout dieser Meinung war – sodass mittlerweile der Haftbefehl anlangen könnte. Aber seit den letzten Aufträgen, welche Passepartout beim Verlassen der Mongolia von seinem Herrn erhalten hatte, war diesem wohl begreiflich geworden, dass es in Bombay ebenso wie in Suez und Paris gehen, dass die Reise hier nicht ein Ende haben und wenigstens bis Kalkutta fortgesetzt werde und vielleicht noch weiter. Und er fing an, sich die Frage zu stellen, ob diese Wette des Herrn Fogg nicht doch ernst gemeint sei und ob ihn nicht sein Verhängnis, während er in Ruhe leben wollte, dazu fortriss, in achtzig Tagen eine Reise um die Erde herum zu machen!


Unterdessen, nachdem er einige Hemden und Strümpfe gekauft hatte, ging er in den Straßen von Bombay spazieren. Gerade wurde ein Fest von den Parsi oder Gebern gefeiert, direkten Abkömmlingen der Anhänger Zoroasters, welche die fleißigsten im Gewerbe, zivilisiertesten, intelligentesten Hindus von strengster Lebensweise darstellen, wozu gegenwärtig die reichen eingeborenen Kaufleute Bombays gehören. Das Fest, welches sie an diesem Tage feierten, war eine Art religiösen Karnevals mit Prozessionen und öffentlichen Lustbarkeiten, wobei Bajaderen in rosenfarbener, mit Gold und Silber durchwirkter Gazebekleidung tanzten, welche, von Violen und lärmenden Tam-Tams begleitet, wunderhübsche Tänze, übrigens mit allem Anstand, aufführten. Dass Passepartout diesen merkwürdigen Festgebräuchen zuschaute, dass er dabei Augen und Ohren über die Maßen aufriss, dass er dabei aussah und eine Miene hatte, wie der unerfahrenste Bauerntölpel, den man sich denken kann, brauche ich nicht besonders hervorzuheben. Zum Unglück für ihn und seinen Herrn, dessen Reisezwecke er dadurch in Gefahr brachte, ließ er sich durch seine Neugierde weiter mitreißen, als es sinnvoll war. Passepartout war, nachdem er diesem parsischen Karneval zugesehen hatte, auf dem Wege zum Bahnhof begriffen, als er im Vorübergehen vor der bewundernswerten Pagode Malebar-Hill auf den unglückseligen Gedanken kam, ihr Inneres zu besichtigen. Er wusste nicht, erstens, dass den Christen der Eintritt in manche Pagoden der Hindu förmlich untersagt ist; zweitens, dass selbst die Gläubigen nicht eintreten dürfen, ohne ihre Fußbekleidung vor der Türe zu lassen. Ich muss hier bemerken, dass die englische Regierung aus Gründen richtiger Politik die Religionsausübungen des Landes nicht nur selbst in den geringsten Details respektiert, sondern ihnen auch Respekt verschafft, daher jede Verletzung ihrer Gebräuche mit strengen Strafen ahndet.


Passepartout trat, ohne etwas Schlimmes zu ahnen, wie ein bloßer Tourist hinein, bewunderte im Innern von Malebar-Hill das blendende Flitterwerk der brahmanischen Verzierungen, als er plötzlich auf den Boden des Heiligtums niedergeworfen wurde. Drei Priester fielen mit wütenden Blicken über ihn her, rissen ihm Schuhe und Strümpfe herunter und fingen an, ihn mit wildem Geschrei durchzuprügeln. Der kräftige und gewandte Franzose sprang rasch wieder auf die Beine, warf mit Faustschlägen und Fußtritten zwei seiner Gegner, die in ihre langen Gewänder eingewickelt waren, nieder, stürzte, so rasch ihn seine Beine trugen, aus der Pagode hinaus und entrann bald dem dritten Hindu, welcher, das Volk aufhetzend, ihm nachgeeilt war. So kam Passepartout fünf Minuten vor acht Uhr, einige Minuten vor der Abfahrt des Zuges barfuß und barhäuptig und ohne den Packen mit seinen Einkäufen, welchen er im Getümmel verloren hatte, auf dem Bahnhofe an.

Fix befand sich daselbst gerade beim Einsteigen. Er hatte gemerkt, dass Herr Fogg, dem er auf den Bahnhof nachgefolgt war, Bombay verlassen würde, und war sogleich entschlossen, ihn bis Kalkutta, und nötigenfalls noch weiter, zu begleiten. Passepartout bemerkte Fix, der sich im Dunkeln verborgen hielt, nicht; aber dieser hörte die Erzählung seiner Abenteuer, welche er seinem Herrn in aller Kürze wiedergab.

»Ich hoffe, das wird Ihnen nicht mehr passieren«, erwiderte Phileas Fogg herablassend, indem er in einem Waggon Platz nahm.

Der arme Junge, barfuß und ganz verblüfft, folgte ihm nach, ohne ein Wort hören zu lassen. Fix wollte eben in einen anderen Wagen einsteigen, als ein Gedanke ihn zurückhielt und plötzlich sein Vorhaben, mitzufahren, änderte.

»Nein, ich bleibe«, sprach er zu sich. »Ein auf indischem Gebiet verübtes Verbrechen ... Jetzt habe ich meinen Mann.«

ELFTES KAPITEL
Phileas Fogg kauft ein Reittier für einen sehr günstigen Preis.

D

er Zug fuhr planmäßig ab. Es befanden sich auf demselben eine Anzahl Passagiere, einige Offiziere, Zivilbeamte und Kaufleute, die wegen Handels mit Opium und Indigo in den Norden der Halbinsel zu reisen veranlasst waren. Passepartout befand sich mit seinem Herrn in derselben Waggonabteilung. In der Ecke gegenüber saß ein dritter Passagier. Es war der Brigadegeneral Sir Francis Cromarty, einer der Spielgenossen des Herrn Fogg während der Fahrt von Suez nach Bombay. Er war auf dem Wege zu seinen Truppen, die in der Nähe von Benares lagerten.

Sir Francis Cromarty, ein großer, blonder Fünfziger, der sich während der jüngsten Aufstände der Sepoys sehr ausgezeichnet hatte, konnte in Wahrheit für einen Eingeborenen gelten. Seit seinen Jugendjahren in Indien wohnhaft, war er nur selten in seinem Heimatlande gewesen. Es war ein Mann von Kenntnissen, der gerne über die Gewohnheiten, Geschichte, Organisation des Hindulandes Auskunft gegeben hätte, wenn Phileas Fogg sie nur hätte begehren mögen. Aber dieser Gentleman hatte kein Verlangen danach. Er machte nicht eine Reise, sondern eine Umfangslinie. Es war ein schwerer Körper, welcher nach den Gesetzen der rationellen Mechanik einen Kreis um den Erdball beschrieb. In diesem Augenblick stellte er eine wiederholte Berechnung der seit seiner Abreise aus London verbrauchten Stunden an; und wäre es nicht seiner Natur zuwider gewesen, eine unnütze Bewegung zu machen, so würde er sich die Hände gerieben haben.

Sir Francis Cromarty hatte wohl die Originalität seines Reisegefährten begriffen, obwohl er ihn nur die Karten in der Hand und zwischen zwei Robbers hatte studieren können. Er hatte daher Grund, sich zu fragen, ob unter dieser kalten Hülle ein menschliches Herz schlage, ob Phileas Foggs Seele für Naturschönheiten, für sittliche Eindrücke, empfänglich sei. Diese Aufgabe stellte er sich. Von allen Originalen, welchen der Brigadegeneral begegnet war, ließ sich keins mit diesem Produkt der exakten Wissenschaft vergleichen.

Phileas Fogg hatte Sir Francis Cromarty sein Vorhaben, einer Reise um die Erde, und die Bedingungen, unter welchen er sie vornahm, nicht verhehlt. Der Brigadegeneral sah in dieser Wette nur eine Exzentrizität ohne nützlichen Zweck, welcher notwendig der Sinn für Wohltätigkeit abging, von dem jeder vernünftige Mensch sich leiten lassen sollte. Bei einer solchen Art zu reisen würde der bizarre Gentleman offenbar weder sich selbst, noch anderen etwas zu Gute tun.

Eine Stunde nach der Abfahrt aus Bombay setzte der Zug über Viadukte von der Insel Salsette auf das Festland über. Bei der Station Callyan ließ er rechts eine Zweigbahn, welche über Kandallah und Punah nach dem südöstlichen Indien läuft, und fuhr in Richtung Pauwell. Von diesem Punkte aus durchzieht die Bahn das sehr verzweigte Gebirge der West-Gates, Ketten mit einem Grund aus Trapp und Basalt, und Gipfeln, die bis zur Spitze dicht bewaldet sind. Von Zeit zu Zeit tauschten Sir Francis Cromarty und Phileas Fogg einige Worte aus und eben jetzt knüpfte der Brigadegeneral eine Unterhaltung an, welche öfters abbrach:


»Vor einigen Jahren noch, Herr Fogg«, sprach er, »würden Sie an dieser Stelle eine Verzögerung erlitten haben, welche vermutlich Ihren Reiseplan in Gefahr gebracht hätte.«

»Weshalb, Sir Francis?«

»Weil die Eisenbahn am Fuße dieses Gebirges aufhörte, und man musste bis zu der auf der entgegengesetzten Bergseite gelegenen Station Kandallah den Weg im Palankin oder auf einem Klepper machen.«

»Diese Verzögerung würde die Ausführung meines Programms nicht behindert haben«, versetzte Herr Fogg. »Ich hatte den möglichen Fall einiger Hindernisse schon vorgesehen.«

»Inzwischen, Herr Fogg«, fuhr der Brigadegeneral fort, »liefen Sie Gefahr, durch das Abenteuer dieses Burschen eine recht schlimme Geschichte auf den Hals zu bekommen.«

Passepartout war, die Füße in seine Reisedecke gehüllt, in tiefen Schlaf gesunken und ahnte nicht, dass man über ihn sprach.

»Die englische Regierung ist, und mit Recht, gegen diese Art von Vergehen äußerst streng«, fuhr Sir Francis Cromarty fort. »Es ist ihr über alles daran gelegen, dass man die religiösen Gebräuche der Hindus respektiert; und wäre Ihr Diener ergriffen worden ...«

»Ei nun, Sir Francis, wäre er ergriffen worden«, erwiderte Herr Fogg, »so wäre er verurteilt worden; er hätte seine Strafe bekommen und wäre dann ruhig nach Europa zurückgekehrt. Ich sehe nicht, wie durch diese Geschichte sein Herr wäre aufgehalten worden!«

Darüber brach die Unterhaltung ab. Während der Nacht fuhr der Zug über die Gates, verweilte in Nassik und eilte am folgenden Tage, dem 21. Oktober, über ein verhältnismäßig flaches Land, das Gebiet von Khandeisch. Das wohlbebaute Feld war mit Flecken bedeckt, über welchen, wie der christliche Kirchturm in Europa, das Minarett einer Pagode emporragte. Zahlreiche kleine Gewässer, meist Nebenflüsse des Godavery oder Zuflüsse zu demselben, bewässerten diese fruchtbare Gegend.

Als Passepartout aufwachte, schaute er sich um und konnte nicht glauben, dass er auf der ›großen Halbinsel-Bahn‹ durch das Hinduland fuhr. Dies schien ihm unfassbar; und doch war es so natürlich, wie irgendetwas auf der Welt. Die Lokomotive, von einem englischen Maschinisten gefahren und mit englischer Kohle geheizt, trieb ihren Rauch über Pflanzungen von Baumwolle, Kaffee, Muskat, Gewürznelken, rotem Pfeffer. Der Dampf wirbelte in Spiralwindungen um Gruppen von Palmen, zwischen welchen sich malerische Wohnhäuser zeigten, einige Viharis, eine Art verlassener Klöster und merkwürdige Tempel, reich an unbeschreiblichem Schmuck indischer Architektur. Hierauf breiteten sich unermessliche Weiten Landes aus, so weit die Blicke reichten, Schilfwiesen mit Schlangen und Tigern, die durch das Geräusch des Zuges aufgeschreckt wurden; endlich führte die Bahn durch Wälder, worin Elefanten hausten, die mit intelligentem Blick dem vorübereilenden Zuge nachschauten.

Während dieses Morgens fuhren unsere Reisenden, jenseits der Station Malligaum, über den unheimlichen Landstrich, der so oft von den Anhängern der Göttin Kali mit Blut befleckt wurde. Nicht weit entfernt ragte Ellora mit seinen bestaunenswerten Pagoden, nicht weit Aurungabad, die berühmte Hauptstadt des grimmigen Aureng-Zeb, nun einfacher Hauptort einer der vom Reiche des Nizam abgetrennten Provinzen. Über diese Gegend übte einst das Haupt der Thugs, Feringhea, König der Würger, seine Gewaltherrschaft aus. Diese Banditen, in einem unfassbaren geheimen Bund vereinigt, erwürgten zur Ehre der Todesgöttin Opfer jedes Alters, ohne jemals Blut zu vergießen, und es gab eine Zeit, wo man an keiner Stelle dieser Gegend den Boden aufgraben konnte, ohne auf einen Leichnam zu stoßen. Die englische Regierung hat zwar dieses Morden in erheblichem Grade einzuschränken vermocht, aber der entsetzliche Geheimbund besteht und wirkt noch fort.

Um halb ein Uhr hielt der Zug auf der Station Burhampur an, und Passepartout konnte sich für einen hohen Preis ein Paar mit falschen Perlen verzierte Pantoffeln kaufen, die er mit unverkennbarer Eitelkeit anzog. Die Reisenden nahmen rasch ihr Frühstück ein, und dann ging es weiter nach der Station Assurghur, nachdem sie eine Strecke entlang dem Tapty gefahren waren, einem Flüsschen, das in der Nähe von Surate in den Golf von Cambaye fließt.

An dieser Stelle müssen wir davon Kenntnis erhalten, welche Gedanken damals Passepartouts Geist beschäftigten. Bis zu seiner Ankunft in Bombay hatte er gemeint, und konnte auch meinen, es werde hierbei sein Bewenden haben. Jetzt aber, seitdem er unter vollem Dampf durch Indien fuhr, war eine Veränderung in seinem Denken eingetreten. Sein natürlicher Charakter stellte sich im Galopp wieder ein. Es kamen ihm die phantastischen Ideen seiner Jugend wieder, er hielt jetzt die Projekte seines Herrn für ernst gemeint, er glaubte jetzt an das wirkliche Bestehen der Wette, folglich auch dieser Reise um die Erde, und an das höchste Zeitmaß, welches nicht überschritten werden durfte. Er wurde schon unruhig über mögliche Verzögerungen, unglückliche Zufälle, die sich unterwegs ereignen konnten. Er teilte nun das Interesse an dieser Wette und zitterte bei dem Gedanken, dass er sie am Abend zuvor durch seine unverzeihliche Tölpelei hätte gefährden können. So war er denn auch, weil er nicht so phlegmatisch war wie Herr Fogg, weit unruhiger als dieser. Er zählte und zählte abermals die verflossenen Tage, fluchte, wenn der Zug Halt machte, warf Herrn Fogg Langsamkeit vor und tadelte ihn dafür, dass er dem Maschinisten keine Prämie versprochen habe. Der wackere Junge wusste nicht, dass, was auf einem Paketboot möglich war, auf einer Eisenbahn, deren Geschwindigkeit eine vorschriftsmäßige ist, nicht mehr möglich ist.

Gegen Abend kam man in die Gebirgsengen von Sutpour, welche das Gebiet von Khandeisch von dem des Bundelkund trennen.

Als am folgenden Morgen, dem 22. Oktober, Passepartout auf seine Uhr sah, antwortete er auf eine Frage Sir Francis Cromartys, es sei drei Uhr früh. Und in der Tat musste die fortwährend nach dem Meridian von Greenwich gestellte Uhr nachgehen, da sich derselbe bei 67 Grad weiter westlich befand; und sie ging wirklich um vier Stunden nach.

Sir Francis berichtigte also die von Passepartout angegebene Zeit und machte demselben die nämliche Bemerkung, welche ihm schon von Fix gemacht worden war. Er versuchte ihm begreiflich zu machen, dass er sich nach jedem folgenden Meridian richten müsse, und dass, weil er stets nach Osten fuhr, d. h. der Sonne entgegen, die Tage ebenso viele Male um vier Minuten kürzer seien, als er Grade durchlaufen habe. Aber es fruchtete nicht. Mochte der eigensinnige Junge die Bemerkung des Brigadegenerals begriffen haben oder nicht, er weigerte sich hartnäckig, seine Uhr anders zu stellen und ließ sie unverändert bei der Londoner Stundenangabe. Eine Harmlosigkeit übrigens, die niemand schaden konnte.

Um acht Uhr früh, und fünfzehn Meilen vor der Station Rothai, hielt der Zug mitten auf einer großen Lichtung, die von einigen Wohnhäusern und Arbeiterhütten umgeben war, an. Der Schaffner ging an der Wagenreihe vorüber und sprach:

»Die Reisenden haben hier auszusteigen.«

Phileas Fogg sah Sir Francis an, dem ein Aufenthalt mitten in einem Wald von Tamarinden und Khajours unbegreiflich vorkam. Passepartout, der nicht weniger betroffen heraussprang und die Gleise untersuchte, kam alsbald wieder und rief:

»Hier hört die Bahn auf, mein Herr!«

»Was meinen Sie?«, fragte Sir Francis Cromarty.

»Ich meine, der Zug geht nicht weiter.«

Der Brigadegeneral stieg ebenfalls aus. Phileas Fogg folgte gemächlich nach. Beide wendeten sich an den Schaffner:

»Wo befinden wir uns?«, fragte Sir Francis Cromarty.

»Beim Weiler Kholby«, erwiderte der Schaffner.

»Halten wir hier an?«

»Allerdings. Die Bahn ist noch nicht vollendet...«

»Wie! Nicht vollendet?«

»Nein! Es ist noch eine Strecke von fünfzig Meilen zwischen hier und Allahabad, wo die Bahn wieder anfängt, fertig zu bauen.«

»Die Journale haben doch die vollständige Eröffnung der Bahn angezeigt!«

»Was meinen Sie, Herr Offizier, war es ein Irrtum der Journale?«

»Und Sie verkaufen Billetts von Bombay nach Kalkutta!«, fuhr Sir Francis Cromarty fort, der seinen Gleichmut verlor.

»Allerdings«, erwiderte der Schaffner. »Aber die Reisenden wissen wohl, dass sie sich von Kholby bis Allahabad weiterbefördern lassen müssen.«

Sir Francis wurde wütend. Passepartout hätte den Schaffner gern umgebracht, welcher doch nichts dazu konnte. Er wagte seinen Herrn nicht anzusehen.

»Sir Francis«, sagte Herr Fogg, »wenn es Ihnen gefällig ist, so wollen wir nach Mitteln suchen, damit wir nach Allahabad kommen.«

»Herr Fogg, es handelt sich hier um eine Verspätung, welche Ihren Interessen durchaus hinderlich ist.«

»Nein, Sir Francis, es war vorgesorgt.«

»Wie? Sie wussten, dass die Bahn ...«

»Durchaus nicht, aber ich dachte mir, dass meine Reise früher oder später irgendeine Verzögerung erleiden werde. Nun ist noch nichts verloren. Ich habe zwei Tage Vorsprung, die kann ich opfern. Am 25., mittags, wird ein Dampfboot von Kalkutta nach Hongkong abgehen. Jetzt haben wir erst den 22. und wir werden noch rechtzeitig in Kalkutta eintreffen.«

Gegen eine mit solcher Selbstsicherheit ausgesprochene Aussage war nichts einzuwenden. Es war nur allzu wahr, dass die Eisenbahn hier unterbrochen war. Die Journale gleichen den Uhren, die gerne vorgehen; und so hatten sie auch die Vollendung der Linie zu früh angezeigt.

Den meisten der Passagiere war diese Unterbrechung der Bahn bekannt und sie hatten beim Aussteigen aus dem Zuge alle Arten von Fuhrwerken, welche sich im Bereich des Fleckens fanden, vierrädrige Palkigharis, von Buckelochsen gezogene Karren, Reisewagen, die wandelnden Pagoden glichen, Palankins, Ponys etc. in Besitz genommen. Daher konnten auch Herr Fogg und Sir Francis Cromarty trotz aller Bemühungen im ganzen Umkreis keins auftreiben.

»Ich gehe zu Fuß«, sagte Phileas Fogg.

Passepartout kam dazu und machte ein saures Gesicht, als er seine prächtigen Pantoffeln ansah, welche für eine Wanderung nicht geeignet waren. Zu gutem Glück hatte auch er sich danach umgesehen und sprach mit einigem Stocken:

»Mein Herr, ich glaube, ich habe ein Transportmittel gefunden.«

»Was für eins?«

»Einen Elefanten! Er gehört einem Hindu, der hundert Schritte von hier wohnt.«

»So gehen wir hin, um uns den Elefanten anzusehen«, versetzte Herr Fogg.

Nach fünf Minuten standen Phileas Fogg, Sir Francis Cromarty und Passepartout vor einer Hütte neben einem mit hohen Pallisaden umzäunten Platz. In der Hütte befand sich ein Inder, in der Umzäunung ein Elefant. Auf ihre Bitte führte der Inder Herrn Fogg und seine beiden Gefährten in das Gehege hinein. Hier fanden sie ein halb gezähmtes Tier, welches von seinem Besitzer nicht zum Saumtier aufgezogen, sondern zum Kampf abgerichtet wurde. Zu diesem Zwecke hatte er angefangen, den von Natur sanften Charakter des Tieres umzubilden, indem er ihn allmählich zum Wutausbruch, welcher in der Hindusprache ›mutsch‹ genannt wird, hinzuleiten bemüht war, und zwar dadurch, dass er ihn drei Monate lang mit Zucker und Butter fütterte. Dieses Verfahren mag vielleicht ungeeignet erscheinen, um ein solches Resultat zu erzielen, aber es wird doch von den Züchtern mit Erfolg angewendet. Zu gutem Glück für Herrn Fogg war dieser Elefant erst seit kurzem in diese Zucht genommen worden und vom ›mutsch‹ hatte sich noch nichts gezeigt.

Kiuni – so hieß das Tier – konnte, wie alle seine Stammesgenossen, lange Zeit rasch vorwärts dringen, und in Ermangelung eines anderen Reittieres beschloss Phileas Fogg sich desselben zu bedienen. Aber die Elefanten sind in Indien, wo sie schon selten zu werden anfangen, teuer. Die männlichen, welche allein für die Kämpfe im Zirkus taugen, sind äußerst gesucht. Diese Tiere pflanzen sich im gezähmten Zustande selten fort, sodass man sie sich also nur durch die Jagd verschaffen kann. Daher widmet man ihnen auch äußerste Pflege, und als Herr Fogg den Inder fragte, ob er ihm seinen Elefanten leihen wollte, schlug er es rundweg ab. Fogg drang in ihn und bot für das Tier den enormen Preis von zehn Pfund die Stunde. Er weigerte sich. Zwanzig Pfund? Abermalige Weigerung. Vierzig Pfund? Ebenso. Passepartout kam bei jeder Steigerung außer sich. Aber der Inder ließ sich nicht dazu bestimmen. Doch war es eine hübsche Summe. Nahm man an, der Elefant brauche fünfzehn Stunden für den Weg bis Allahabad, so betrug das sechshundert Pfund, welche er seinem Besitzer einbrachte. Phileas Fogg, ohne im Mindesten aus seiner ruhigen Fassung zu kommen, machte dem Inder darauf den Vorschlag, ihm sein Tier abzukaufen, und bot ihm dafür zuerst tausend Pfund. Der Inder wollte ihn nicht abgeben! Sir Francis Cromarty nahm Herrn Fogg beiseite und forderte ihn auf, wohl zu überlegen, ehe er noch weiter gehe. Phileas Fogg erwiderte seinem Gefährten, er sei nicht gewohnt, unüberlegt zu handeln, es handle sich schließlich um eine Wette über 20.000 Pfund; dieser Elefant sei ihm dafür nötig und er müsse ihn haben, sollte er auch zwanzigmal mehr für ihn zahlen müssen, als er wert sei.

Herr Fogg ging wieder zu dem Inder, aus dessen kleinen, lüsternen Augen man wohl ablesen konnte, dass es bei ihm nur auf den Preis ankam, und bot ihm nacheinander erst 1.200 Pfund, dann 1.500, dann 1.800, schließlich 2.000 Pfund. Passepartout erblasste vor Entrüstung. Für 2.000 Pfund gab der Inder ihn her.

»Bei meinen Pantoffeln«, rief Passepartout, »der macht den Preis des Elefantenfleisches hübsch teuer!«

Nachdem der Handel abgeschlossen war, ging es nur noch um einen Führer. Dieser war leichter zu finden. Ein junger Parse mit gescheitem Gesichtsausdruck bot seine Dienste an. Herr Fogg ging darauf ein und versprach ihm eine tüchtige Belohnung, welche seinen Verstand noch zu steigern geeignet war.

Unverzüglich wurde der Elefant vorgeführt und reisefertig gemacht. Der Parse verstand sich trefflich auf das Geschäft eines ›Mahut‹ bzw. Elefantenführers. Er warf dem Tier eine Satteldecke über den Rücken und brachte auf seinen beiden Seiten zwei ziemlich unbequeme Tragkörbe an.

Phileas Fogg bezahlte den Inder mit Banknoten aus dem famosen Sack. Passepartout stellte sich an, als würden sie ihm aus dem eigenen Leibe gezogen. Darauf bot er Sir Francis Cromarty einen Platz bis zur Station Allahabad an und der Brigadegeneral nahm es an. Ein Passagier mehr machte dem Riesentier nichts aus. In Kholby kaufte man Lebensmittel ein. In dem einen der beiden Körbe nahm Sir Francis Cromarty Platz, in dem andern Phileas Fogg. Passepartout setzte sich rittlings auf die Satteldecke zwischen seinen Herrn und den Brigadegeneral. Der Parse saß auf dem Halse des Tieres und um neun Uhr verließ es den Flecken und drang auf kürzestem Wege ins Dickicht des Latanenwaldes.


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22 aralık 2023
Hacim:
304 s. 57 illüstrasyon
ISBN:
9783868209549
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