Kitabı oku: «Der Dritte Weg in der Retrospektive», sayfa 3
I.Die Regelungsautonomie der verfassten katholischen Kirche und der Caritas im kollektiven Arbeitsrecht
1.Kirchliches Selbstbestimmungsrecht
Wenn man heute nach Bedingungen und Begründungen des Dritten Weges fragt, findet man die Antwort im Verfassungsrecht: Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Demnach „ordnet und verwaltet [jede Religionsgesellschaft] ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. In seinem Urteil zum Dritten Weg 2012 kam das BAG zu dem Ergebnis, dass Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV den Kirchen die Gestaltung der Rechtsverhältnisse mit ihren Mitarbeitern im kollektiven Arbeitsrecht gewährleistet.38 Die Kirchen können aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts ein am Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft ausgerichtetes Arbeitsrechtsregelungsverfahren schaffen.39 Zu den „eigenen Angelegenheiten“ i.S.v. Art. 137 Abs. 3 WRV gehören sowohl die Regelung der Dienstverhältnisse als auch die Möglichkeit, zur Regelung der Dienstverhältnisse die Formen des Privatrechts zu nutzen.40 Diese Regelungsautonomie betrifft nicht nur die Frage, „ob“ für kirchliche Bedienstete das weltliche Arbeitsrecht Anwendung finden soll, sondern auch „wie“ diese Anwendung ausgestaltet wird. Eine Religionsgesellschaft kann daher grundsätzlich selbstständig darüber befinden, ob sie die Arbeitsbedingungen durch den Abschluss von Tarifverträgen regelt oder ob sie diese in Arbeitsrechtlichen Kommissionen vereinbart.41 Auch die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO) weist in ihrer Präambel auf die durch das Grundgesetz garantierte Freiheit der Kirche hin, „ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen“.42
Auf dieses Selbstbestimmungsrecht können sich auch Einrichtungen berufen, die nicht verfasste Kirche sind, sofern sie ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet sind und eine institutionelle Verbindung zur Kirche aufweisen, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt.43 So wird die Tätigkeit der verbandlichen Caritas zum einen über Art. 4 Abs. 2 GG geschützt, denn karitative Tätigkeit ist Teil der Religionsausübung, zum anderen gilt auch für diese das Selbstbestimmungsrecht, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV.44 Das deutsche Staatskirchenrecht beruht insofern auf zwei Pfeilern, dem Grundrecht der Religionsfreiheit und den institutionellen Garantien der Weimarer Reichsverfassung, die über Art. 140 GG Anwendung finden.45 Gleichwohl stellen Art. 140 GG und die kirchenrechtlichen Bestimmungen der WRV keine Grundrechte i.S.v. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG dar, eine etwaige Verletzung dieser Bestimmungen kann jedoch durch eine Verfassungsbeschwerde und eine mögliche Rechtsverletzung der korporativen Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG erreicht werden.46 Soweit sich die Schutzbereiche der korporativen Religionsfreiheit aus Art. 4 GG und des Art. 137 Abs. 3 WRV überlagern, geht letzterer als speziellere Norm insoweit vor, als er das Selbstbestimmungsrecht der Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterwirft.47
Mit den „für alle geltenden Gesetzen“, i.S.v. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ist nicht der allgemeine Gesetzesvorbehalt gemeint.48 Die Bedeutung dieser Schranke war lange Zeit ungeklärt.49 Heute erfolgt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter, um der Wechselwirkung zwischen Kirchenfreiheit und Schrankenzweck Rechnung zu tragen.50 Das bedeutet insbesondere in dem hier betrachteten Bereich, dass „kirchliche Belange und die korporative Religionsfreiheit mit den Grundrechten der betroffenen Arbeitnehmer und deren in den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen enthaltenen Interessen auszugleichen“ sind.51 Ein „für alle geltendes Gesetz“ kann neben kollidierendem Verfassungsrecht auch ein Rechtsgut des Allgemeinwohls sein, beide Rechtspositionen sind in möglichst hohem Maß zu verwirklichen.52
Diese heutige staatskirchenrechtliche Begründung des Dritten Weges könnte auch ein Motiv der ursprünglichen Entstehung des Dritten Weges gewesen sein. Denn sowohl die Überlegungen für ein eigenes Arbeitsrecht in der Caritas als auch die Arbeit der vom VDD eingesetzten Kommission, die das System der KODA-Ordnungen entwickelte, beginnen zu Zeitpunkten, in denen das Bonner Grundgesetz von 1949 die Kirchenartikel der WRV rezipierte. Die Gegner des Dritten Weges stellen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht als eine der tragenden Begründungen des Dritten Weges dagegen aus einer konkreten historischen Überlegung heraus in Frage: Dass das staatliche Arbeitsrecht bei einer privatrechtlichen Anstellung auch für die Kirchen Geltung hatte, war in der Weimarer Republik Konsens. Eine juristische Auseinandersetzung über Art. 137 Abs. 3 WRV, insbesondere eine Rechtsprechungspraxis im Hinblick auf eine Abwägung mit den Interessen der Koalitionen (Art. 159 WRV), gab es zu dieser Zeit, auch mangels eines Verfassungsgerichts, nicht.53 Nitsche bezeichnet es als „Mysterium“, dass zur Zeit der Weimarer Republik die Erstreckung der kollektivrechtlichen Möglichkeiten auf die Kirchen nicht diskutiert wurde und heute aus derselben Norm das Gegenteil hergeleitet werde.54 Der heute weiterhin über Art. 140 GG gültige Art. 137 Abs. 3 WRV habe bereits in der Weimarer Zeit „keine, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht über den Wortlaut hinaus erweiternde Interpretation erhalten.“55 Dieser Aussage lässt sich aber auch in staatskirchenrechtlicher Hinsicht entgegnen: „Bonn ist nicht Weimar“.56 Tatsächlich ist nach Verabschiedung des Grundgesetzes eine wissenschaftliche Debatte über den Bedeutungswandel der staatskirchenrechtlichen Weimarer Artikel geführt worden.57
Das Verständnis des Selbstbestimmungsrechts in der jeweils betrachteten Zeit (während der Weimarer Republik, während des Dritten Reiches und nach dem Zweiten Weltkrieg) soll in dieser Arbeit kurz aufgegriffen werden. Wenn auch das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV nicht der einzige und entscheidende Faktor für die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen in der Caritas und der verfassten katholischen Kirche gewesen sein mag, sondern diese von weiteren Umständen abhing, so müssen doch die staatskirchenrechtlichen Vorgaben in den jeweiligen Verfassungen und ihre Relevanz für die arbeitsrechtliche Ordnung betrachtet werden. Vor allem aber soll der Einfluss des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV auf die Generierung des Dritten Weges untersucht werden. Haben die in den Entscheidungsgremien der Caritas und der verfassten katholischen Kirche Verantwortlichen sich bei der Schaffung der Regelungen bewusst am Verfassungsrecht orientiert und die Entscheidung eines eigenen kollektiven Arbeitsrechtsverfahrens anhand dieser Orientierung getroffen? Hat eine bewusste Überlegung zur Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts die Entscheidung schließlich hervorgerufen?
2.Der Gedanke der Dienstgemeinschaft
Neben dem verfassungsrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrecht ist das Leitbild der kirchlichen Dienstgemeinschaft ein „Schlüsselbegriff des kirchlichen Arbeitsrechts“58 und eine weitere tragende Begründung für die eigenen Kollektivverfahren der Kirchen. Es handelt sich bei diesem Begriff jedoch nicht um eine eigenständige Rechtsquelle.59 Die Dienstgemeinschaft ist kein Verband im Rechtssinne, sondern drückt aus, was das Proprium im Dienst der Kirche ist, wie sie ihren Dienst erbringt.60 Der Begriff der Dienstgemeinschaft beschreibt den religiös geprägten Sendungsauftrag: Der Dienst aller Beschäftigten im kirchlichen Bereich wird demnach vom Wesen und Auftrag der Kirche beherrscht.61 Sowohl in der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse62 als auch in den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR)63 wird der Begriff der Dienstgemeinschaft umschrieben.64 Eindeutig ist der Gehalt dieses Begriffes jedoch nicht geklärt, vielmehr weist er sowohl theologische, soziologische und auch arbeitsrechtliche Ebenen auf.65 Das Leitbild der Dienstgemeinschaft wird im kollektiven Arbeitsrecht bemüht, um besondere Regelungen im kirchlichen Bereich zu legitimieren.66 In Art. 7 Abs. 2 S. 1 GrO heißt es: „Wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip des kirchlichen Arbeitsrechts schließen kirchliche Dienstgeber keine Tarifverträge mit Gewerkschaften ab“. Der Begriff der Dienstgemeinschaft wurde und wird dazu genutzt, kirchliche Beschäftigungsverhältnisse von anderen Beschäftigungsverhältnissen abzugrenzen.67 Der Begriff hält fest, dass sich die Gestaltung des Arbeitsrechts in Kirche und Caritas nicht allein an den Notwendigkeiten eines ökonomischen Betriebes orientieren darf.68 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Ausrichtung der Arbeitsbedingungen unter Zugrundelegung dieses Leitbildes durch die Kirchen und ihre Einrichtungen ist von der Rechtsprechung bestätigt worden.69 Diese Anerkennung führt dazu, dass dem bürgerlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis das Strukturelement der Dienstgemeinschaft zugrunde liegt, es entsteht nicht etwa ein kirchenrechtliches Statusverhältnis.70 Bis heute ist der Begriff nicht unumstritten, sondern wird durchaus skeptisch gesehen, insbesondere da er keine theologische Auslegungstradition vorweisen kann.71
Es stellt sich im Hinblick auf das Leitbild der Dienstgemeinschaft historisch betrachtet ebenfalls die Frage, ob dieses auch ursprünglich die Entstehung des Dritten Weges geprägt hat. Wie zu sehen sein wird, taucht der Begriff der Dienstgemeinschaft zunächst in den 1936 erlassenen Tarifordnungen für die dem DCV angeschlossenen Anstalten auf, ehe er dann mit den ersten AVR der Caritas 1949 wieder Eingang in arbeitsrechtliche Regelungen der Caritas findet. Der Gedanke, dass eigene Vertragsordnungen und Verfahren im kirchlichen Arbeitsrecht eher auf Akzeptanz stoßen, wenn sie theologische Hintergründe vorweisen können, tauchte zu Beginn der 1950er Jahre so bereits in den Entscheidungsgremien der Caritas auf.
38BAG 20.11.2012 - 1 AZR 179/11.
39BAG 20.11.2012 - 1 AZR 179/11.
40BVerfG 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83; BAG 20.11.2012 - 1 AZR 179/11; zuvor bereits Jurina, Das Dienst- und Arbeitsrecht im Bereich der Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, S. 29 ff.; zum kirchlichen Selbstverständnis und seinen Modifikationen im Arbeitsrecht Herbolsheimer, Arbeitsrecht in kirchlicher Selbstbestimmung, S. 90 ff.
41Reichold, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 160, Rn. 1 m.w.N.
42Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO) v. 27. April 2015.
43BVerfG 22.10.2014 - 2 BvR 661/12; das bedeutet freilich nicht, dass jede einzelne Einrichtung zur Etablierung eines kirchenarbeitsrechtlichen Kollektivsystems befugt ist, denn die wesentliche staatskirchenrechtliche Beziehung zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht besteht zwischen dem Staat und der jeweiligen Religionsgemeinschaft, nicht aber zu deren jeweiliger Einrichtung. Solche Einrichtungen nehmen allerdings über die verfasste Kirche an deren Selbstbestimmungsrecht teil, können sich aber insoweit nicht auf eine eigenständige, insbesondere nicht auf eine von der amtskirchlichen Position abweichende Position berufen, näher Dütz, NZA 2008, 1383 ff.
44Rüfner, Die Bedeutung der verbandlichen Caritas, in: Feldhoff/Dünner (Hrsg.): Die verbandliche Caritas, S. 170, 171 mit Verweis auf BVerfG 16.10.1968 - 1 BvR 241/66; BVerfG 11.10.1977 - 2 BvR 209/76.
45Hillgruber, KuR 2018, 3; zum Verhältnis des Art. 4 GG zu Art. 140 GG; Arleth, Das Recht kirchlicher Arbeitnehmer auf Streik, S. 74 ff.; Classen, Religionsrecht, Rn. 36 ff.; von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 76; Czermak/Hilgendorf, Religions- und Weltanschauungsrecht, Rn. 137; Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 137 WRV, Rn. 20-22.
46BVerfG 1.12.2009 - 1 BvR 2857/07, Rn. 127 ff.
47Landau, Die Rechtsprechung des BVerfG zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Bereich ihrer Arbeitsverhältnisse anhand des Chefarzt-Beschlusses vom 22. Oktober 2014 in: Reichold (Hrsg.), Führungskultur und Arbeitsrecht in kirchlichen Einrichtungen, S. 35.
48Landau, Die Rechtsprechung des BVerfG zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Bereich ihrer Arbeitsverhältnisse anhand des Chefarzt-Beschlusses vom 22. Oktober 2014 in: Reichold (Hrsg.), Führungskultur und Arbeitsrecht in kirchlichen Einrichtungen, S. 35.
49Zur Entwicklung siehe hier nur: Arleth, Das Recht kirchlicher Arbeitnehmer auf Streik, 2016, S. 100 ff.
50Unruh in: v. Mangold/Klein/Starck (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2018., Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 42.
51BVerfG 22.10.2014 - 2 BvR 661/12.
52Unruh in: v. Mangold/Klein/Starck (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2018., Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 42.
53Keßler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, S. 342; Nitsche in: Däubler (Hrsg.), Arbeitskampfrecht, § 18 Rn. 112; Schatz, Arbeitswelt Kirche, S. 36.
54Nitsche, in: Däubler, Arbeitskampfrecht, § 18 Rn. 113, der von einer sinnvariierenden Bedeutung des Art. 137 WRV ausgeht, welche es ermögliche, die dort genannten Schranken des für alle geltenden Gesetzes als variable, von der Kirche verschiebbare Schranken zu verstehen. Nach Nitsche war die Herausnahme der Kirchen aus dem BetrVG Anfang der 1950er Jahre eine politisch motivierte Entscheidung; dazu auch unten B. III. 2. a).
55Nitsche, in: Däubler (Hrsg.), Arbeitskampfrecht, § 18 Rn. 112.
56So bereits Anfang der 1950er Jahre Smend, ZevKR 1951, 4 („Aber wenn zwei Grundgesetze dasselbe sagen, so ist es nicht dasselbe“); auch aufgegriffen von Campenhausen, in: Listl/Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR, 2. Aufl., S. 56.
57von Campenhausen, in: Listl/Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR, 2. Aufl., S. 55; Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, 3. Aufl., § 31, Rn. 12, beide mit Verweis auf den Aufsatz von Smend, ZevKR 1951, 4 ff.; näher zu diesem Wandel unten: B. V. 2.
58Herr, Arbeitgeber Kirche – Dienst in der Kirche, S. 64; Joussen, RdA 2007, 328, 335.
59Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 4, Rn. 18.
60Richardi, ZfA 1984, 109 (119 f.).
61Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 2 Rn. 2.
62Art. 1 S. 1 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO) i.d.F. des Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands. v. 27.04.2015: „ Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft) “.
63§ 1 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) i.d.F.v. 15.03.2018: „Die Caritas ist eine Lebens- und Wesensäußerung der katholischen Kirche. Die dem Deutschen Caritasverband angeschlossenen Einrichtungen dienen dem gemeinsamen Werk christlicher Nächstenliebe. Dienstgeber sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden eine Dienstgemeinschaft und tragen gemeinsam zur Erfüllung der Aufgaben der Einrichtung bei…“
64Zu Begriff und Grundlagen der Dienstgemeinschaft Neuhoff, Die Dienstgemeinschaft als Grund und Grenze des kirchlichen Arbeitsrechts.
65Neuhoff, Die Dienstgemeinschaft als Grund und Grenze des kirchlichen Arbeitsrechts, S. 32, 33; Thüsing/Mathy, Mutatur, non tollitur – Kirchliche Dienstgemeinschaft als Grund und Grenze der Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts, in: Schavan/Thüsing (Hrsg.), FS für Feldhoff zum 80. Geburtstag, S. 563 ff.
66Joussen, RdA 2007, 328, 332; siehe auch Richardi, Die Dienstgemeinschaft als Leitbild für die arbeitsrechtliche Ordnung des kirchlichen Dienstes, in: Eder/Floß (Hrsg.), Grundkonsens in der Dienstgemeinschaft, Festschrift für Wolfgang Rückl, S. 169 ff.
67Neuhoff, Die Dienstgemeinschaft als Grund und Grenze des kirchlichen Arbeitsrechts, S. 33.
68Herr, Arbeitgeber Kirche – Dienst in der Kirche, S. 68.
69BVerfG 11.10.1977 - 2 BvR 209/76; BVerfG 25.3.1980 - 2 BvR 208/76; BVerfG 4.6.1985 - 2 BvR 1703/83; BAG 16.9.1999 - 2 AZR 712/98; BAG 26.10.2006 - 6 AZR 307/06; BAG 20.11.2012 - 1 AZR 179/11.
70Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 4 Rn. 7.
71Dazu Bock, Der kirchliche Dienst und das staatliche Recht, in: Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), Das Recht der Kirche, S. 569 ff.; Heinig, ZevKR 2009, 62 (72 ff.); von Nell-Breuning, Stimmen der Zeit 1977, 705 ff.
II.Struktur der Akteure: Verfasste katholische Kirche und Caritas
Die Entstehung eines Systems wie das des Dritten Weges bedurfte eines Ordnungsgebers. Um nachvollziehen zu können, wer in verfasster katholischer Kirche und Caritas Ordnungsgeber und Initiator des Dritten Weges war, müssen die Strukturen dieser Akteure dargestellt werden.72 Die Struktur einer Organisation regelt die Verteilung der Aufgaben der Gesamtorganisation auf die verschiedenen Stellen und Ebenen sowie den Ablauf von Entscheidungsprozessen.73 Wenn deutlich wird, welche Stellen Adressaten eines etwaigen Regelungsauftrages waren, kann erarbeitet werden, wie die Regelungsfindung selber erfolgte. Dennoch geht es hier nicht darum, die gesamten Struktur- und Organisationsprinzipien der verfassten katholischen Kirche und der Caritas zusammenzufassen74, denn das würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten und ist für den angestrebten Erkenntnisgewinn nicht erforderlich.
Auch die Strukturen und Zuständigkeiten der beiden Akteure entwickelten sich über die Jahre hinweg weiter, sodass zunächst ein Überblick über die entscheidenden Organe gegeben wird und Umstrukturierungen der Ordnungsgeber, falls zum Verständnis der Entwicklung des Dritten Weges erforderlich, an geeigneter Stelle geschildert werden.
1.Verfasste katholische Kirche
Die verfasste katholische Kirche in Deutschland besteht aus 27 Diözesen, welche in einer Region zu einer Kirchenprovinz zusammengefasst sind. Die vorrangige unter ihnen ist die Erzdiözese. Die übrigen Diözesen sind der Erzdiözese in bestimmten Bereichen rechtlich unterstellt.75 In Deutschland gibt es sieben Erzdiözesen, die sieben Kirchenprovinzen vorstehen (Bamberg, Berlin, Freiburg, Hamburg, Köln, München und Freising, Paderborn). Die kleinste Einheit innerhalb der kirchlichen Organisationsformen ist die Pfarrgemeinde. Die Pfarreien eines Gebiets sind zusammengefasst in einem Dekanat.76
Die Diözesen sind Teilkirchen der römisch-katholischen Weltkirche, sie sind derjenige Teil des Gottesvolkes, der der Hirtensorge des Bischofs in Zusammenarbeit mit den Priestern anvertraut ist, can. 369 CIC.77 Entscheidendes Merkmal der Organisationsstruktur der verfassten katholischen Kirche ist der hierarchische Aufbau und der damit verbundene Autoritätsanspruch.78 Hauptelemente der Verfassung der katholischen Kirche sind der Primat des Papstes und das Bischofsamt.79 Dem Bischof obliegt das Amt des „Hirten“ und des „Lehrers“ der Gemeinde, can. 375 CIC,80 er hat die gesetzgebende Vollmacht.81 Dieses Verständnis des Diözesanbischofs als Hirten liegt sowohl dem CIC von 1917 als auch dem CIC nach der Reform 1983 zugrunde.
Diese Struktur hat Bedeutung für die Arbeitgeberfunktion: streng genommen existiert „der Arbeitgeber Kirche“ nicht, denn Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsrechts ist, wer einen Arbeitnehmer beschäftigt. Innerhalb der verfassten katholischen Kirche kommen etwa die Kirchengemeinde und das Bistum als Arbeitgeber in Betracht.82 Für die Entwicklung des eigenen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens wird im Folgenden zwischen dem diözesanen Bereich, der als Anstellungsträger insbesondere die Bistümer, Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbände umfasst, und dem Deutschen Caritasverband und den ihm angeschlossenen Anstellungsträgern zu unterscheiden sein.83 Die Kirchengemeinden müssen sich bei der Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion an die arbeitsrechtlichen Regelungen der Diözesen halten. Die arbeitsrechtliche Gesetzgebung der Diözesen orientiert sich an Richtlinien, die von überdiözesanen Institutionen erarbeitet werden.
Als solche überdiözesanen Institutionen bestehen in der verfassten katholischen Kirche die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD). Der Dualismus beider Institutionen erklärt sich dadurch, dass die DBK im staatlichen Recht nicht rechtsfähig ist.84 Der VDD ist „weltlicher Arm“ der DBK und als Körperschaft des öffentlichen Rechts85 funktionsfähiger Rechtsträger. Für den Bereich der überdiözesanen rechtlichen und wirtschaftlichen Aufgaben ist mit dem VDD erstmals eine überdiözesane juristische Person des staatlichen Rechts geschaffen worden.86
Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung des Dritten Weges in der verfassten katholischen Kirche waren Kommissionen, die durch den Verwaltungsrat des VDD eingesetzt worden waren. Die Darstellung des VDD und seiner für den Dritten Weg verantwortlichen Entscheidungsorgane kann aber nicht ohne eine vorherige Darstellung der DBK erfolgen, da der VDD seine Legitimation von der Deutschen Bischofskonferenz erfährt und die DBK sich für Angelegenheiten des weltlichen Rechts des VDD bedient.87 Zudem bestehen personelle Verflechtungen zwischen DBK und VDD, so ist der Geschäftsführer des VDD gleichzeitig der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz.