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Kitabı oku: «Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band», sayfa 10

Yazı tipi:

Ich verstand ihn nicht, und begab mich auf mein Zimmer.

Unter Andern hatte ich erfahren, daß in einigen Tagen ein neuer Lehrer der Weltweisheit, an dem Platze des Mannes, welchem ich das Ohr geliehn hatte, erscheinen würde. Dies wartete ich ab, indem ich mir die Zeit mit Spaziergängen in den gar anmuthigen Gegenden vertrieb. Der Tag kam heran. Ich saß vor dem Lehrstuhl. Der Weise trat auf, und hub an: „Alles was mein Vorgänger gesagt hat, ist nichtig, ich erkläre ihn für einen grundlosen Schwätzer, noch gab es keine Weltweisheit, hier aber ist eine:“ Nun zählte er eine Art Buchstabenrechnung auf, womit er der menschlichen Denkkraft Anschaulichkeit zu geben strebte, und vertiefte sich so in Unverständlichkeit, daß ich gern davon lief. Zu Hause nahm mich mein kritischer Gastwirth in sein Zimmer. Hören sie nun meine umgeformte Kritik, sprach er. Mir kam ein Wink von bedeutender Hand zu, da galt es, in einen andern Ton zu fallen. Jetzt hatte er eine Lobschrift gefertigt, die nicht preisender, ausschweifender, ja kriechender sein kann, lachte hoch auf während ihrer Mittheilung, und erwartete mein Bravo über seine Gefügigkeit, das ich ihm freilich nicht versagen konnte.

Ich hatte genug, und schlug die Straße nach Zigzig ein. Hier sind die Haupt-Bücherniederlagen der Gilimerier, auch bringt man auf den alljährigen Buchmarkt mehrere Tausend neue Werke. Wie mußte ich staunen, als ich in die weitläuftigen Läden trat! Die Abtheilungen aller Materien, machte allein eine ziemliche Schrift, die Aufzählung aller vorhandenen Bücher, ein ungeheures Werk in vielen Bänden. Was giebt es Gutes unter dem Neuesten, fragt ich: z. B. der Religion? Der Buchhändler gab mir einige Sachen in die Hand, und ich blätterte. Sie vergriffen sich, sagt ich, das sind ja Sätze gegen den Crodoismus. Vielleicht Freigeistereien. – Nein, nein! – „Ich habe wenig Zeit. Auch etwas von neuerer Aufklärung!“ – Eine Menge neuer Schriften lag vor mir. Ich sah hinein. „Aber mein Herr, ich empfange immer das Entgegengesetzte. Hier find ich ja nur das Lob der Büsterichs und Druden.“ – Ich versichere, daß das die neueste philosophische Moral ist.

Nun konnte ich nicht umhin, die Fabrike im Allgemeinen sehr zu loben, denn Veränderung der Waare ist allerdings ein vortrefflicher kaufmännischer Grundsatz.

Ich verließ Zigzig, um so früher, als die durch den Ruf der großen Stadt Plapria oder Martialia entflammte Neugierde mich trieb, und nach wenigen Tagen, zog ich in ihre langen perspektivischen Straßen.

In der That, überall viel blendende Pracht, und eine so regelvolle Ordnung der schönen Gebäude, wie ich nirgends sah. Zugleich aber auch das Bild des Elends. In allen Häusern Sieche. Die Aerzte viel beschäftigt, eben so viel die Leichenwagen. Die Stadt war schon einige Jahre in Feindes Händen, und die Truppen der Eroberer kosteten ihr viel, obschon ihre eigenen Erwerbsquellen versiegt waren. Ich bedauerte die Einwohner.

Ich ging indessen auch in die zahlreichen Buchläden, und ließ mir die Neuigkeiten zeigen. Fast nichts wie Schriften über Politik und Kriegskunst. Hm, merkte ich an, wenn ihr es so gut versteht, wie man Bündnisse knüpfen, und den Kampf führen soll, warum ging doch euer meistes Land verloren? Der Buchhändler erwiederte: Ach ein anderes die Theorie, ein anderes die Ausführung. Ei, das sollte kein anderes sein, gab ich darauf, Ausführbarkeit ist ja eben die Eigenheit einer guten Theorie.

Ich ging hierauf nach einem Caffeehause zu frühstücken. Da kam ein Mann mit freudigem Gesichte hereingesprungen, und rief: Die Feinde verlassen die Stadt in einer Viertelstunde! Das erweckte große Freude. Ich nahte ihm gesprächig, und fragte: Um Vergebung, welche Gründe bewegen den Feind dazu? – „Gründe? Gründe? was weiß ich!“ – Ohne Gründe ist die Erscheinung denn doch nicht denkbar. Ihr Wort in Ehren, aber noch glaube ich es nicht. – „Sie glauben es nicht, halten es also auch mit dem Feinde?“ – Wie sollt ich, der Fremde aus ferner Weltgegend, der so wenig mit dem einen als mit dem andern Theile in Verbindung steht. Allein ich urtheile nach gesunder Vernunft. Politische Ereignisse können es allerdings dahin wenden, daß der Sieger ihr Land räumt, von denen muß aber doch erst die Rede mit Ueberzeugung sein. Sonst meine ich, ist es gar nicht rathsam, sich mit Gerüchten zu schmeicheln, deren Täuschung doch bald offenbar wird, denn seit den Vierundzwanzig Stunden, daß ich in Martialia bin, hat man wohl schon sechsmal den gewünschten Abzug jener bewaffneten Macht prophezeit, aber falsch. – „Ei Herr, sie sind kein Patriot, das geht aus allen ihren Reden hervor!“

Ein Mann, der ein inländischer Krieger von Rang sein sollte, fiel ein: „Nun, ists denn nicht einmal Zeit, daß die *** zum *** gehen?“ Er bediente sich derber Worte. Ich dachte: Ein Ausbruch des Zorns gegen die, von welchen man geschlagen und gefangen wurde, erklärt sich leicht. Allein es war nicht blos der Zorn. Die Meinung des Mannes ward in der Fortsetzung seines Gespräches offenbar. Denn er ließ sich nun weitläuftig über die Feinde aus und das bald, indem er mit Gründen zu beweisen strebte, sie wären ohne Kriegskunst, Ordnung, Mannszucht, Tapferkeit, bald mit der verächtlichsten Spötterei über ihre Formen, sie lächerlich zu machen suchte. Man lachte ihm lauten Beifall.

Ich, etwas befremdet, konnte nicht umhin, den Antheil fortzusetzen. Freilich hätte ich klüger gethan, zu schweigen. Aber mein Herr, rief ich, in aller Welt, was gewinnen sie, wenn sie ihren Ueberwinder herabwürdigen? Je mehr ihnen das gelingt, je tiefer müssen sie ja mit sinken. Ich dächte, ich würde meinen glücklichen Feind auf die stolzeste Höhe hinauf rühmen, das zöge mich immer ein gut Stück nach. Mindestens glänzte ich als kluger Würdiger. So gäbe es wenigstens mein Takt mir an.

Hilf Himmel! wie übel erging mirs!

Einer warf mir Injurien an den Kopf, der andre gar das Glas. Da ich mich neuerdings auf das Vernünftige in meiner Behauptung steifte, kams dahin, daß ich unter Prügeln zur Thür hinausgeworfen wurde.

So hatt’ ich denn auch ein Pröbchen der Weisheit in Martialia, und eilte über Hals und Kopf nach dem großen Handelsorte Derbia. Hier findet man enge schmutzige Gassen, hohe hölzerne Häuser, alte Tempel. Die Einwohner scheinen nicht so fein, nicht so klug wie die in Martialia, doch so viel ein flüchtiger Blick, oder die eigne augenblickliche Erfahrung urtheilen können, möchte ich behaupten: sie wären mehr, als sie scheinen, denn ich hörte keine ungesunden Urtheile, und bekam noch weniger Prügel.

Das geschäftige Leben, von welchem man die Zeichen in einem großen Hafen, weitläuftigen Speichern und andern Dingen sieht, stockte eben gewaltig, die Schiffe waren meistens abgetakelt, die großen Waarenläger verschlossen.

Ich fragte nach der Ursache einer so betrübten Lage der Dinge. Seufzend gab mir ein Kaufmann zur Antwort: Seit vielen Jahren wüthet ein Krieg zwischen den Carthagern, welche einst vor Scipio dem Römer in die Tiefe von Afrika flohn, und den Vercingenten, welche Cäsar vertrieb, und deren ihr fast allenthalben in Gilimerien gesehn habt. Welchen Vorwand man auch hat gültig machen wollen, so ist doch die Hauptsache immer gewesen, daß die Carthager allein Vortheil von gewissen köstlichen Fruchtpflanzungen ärndten wollen, die nur auf einem vor wenigen Jahrhunderten erst entdeckten Landstrich gedeihn.

Und wem gehört denn dieser Landstrich? fragte ich.

Der Derbianer erwiederte: Als er hinter Gebürgen und Wüsten ausgemittelt wurde, ging hin wer da wollte, den fast kindisch schwachen Einwohnern Land zu nehmen und anzubauen. Die Celtiberier, die Vercingenten, die Carthager und andere.

Ich. Die Gilimerier griffen ohne Zweifel doch auch zu?

Der Derbianer. Die Gilimerier nicht. Sie kauften die seltene Frucht von anderen.

Ich. O Himmel, warum versäumten sie denn die Gelegenheit, machten sich abhängig von anderen, verloren im Handelsgleichgewicht – denn ich ahne schon, wie es hat kommen müssen.

Der Derbianer. Auch fertigen die Carthager viele Waaren besser an, wie wir. Sonst holte sie Derbia, und gewann dabei sowohl, wie beim Handel mit den seltenen Früchten.

Ich. Warum lassen die Gilimerier irgendwo etwas besser fertigen, als bei sich? Zeigt ihnen denn hier ihre Weisheit nicht die Mittel an? Warum nehmen sie vom Ausländer lieber, wie vom Einländer, gesetzt es fehlte auch die volle Güte?

Der Derbianer wurde etwas hitzig, verbat allen Tadel der Art und führte mich in seine Bibliothek. Nirgends, rief er, giebt es schätzbarere Werke über Handel und Kunstfleiß, da sehen sie diese stolze Reihen klassischer Bände, und verstummen sie!

Ich machte eine tiefe Verbeugung gegen die Bücher, und eine gewöhnliche gegen den Kaufmann, dann ging ich aus seinem Hause.

Fünftes Kapitel.
Was Perotti unter den Carthagern sah

Nun dacht ich: so hab ich denn das weise Volk gesehn, das die vortrefflichste Staatsverfassung ersann, aber nichts an dem alten ehrwürdigen Bau ausbessern wollte, bis er zusammenstürzte; dessen Väter sich um Satzungen des Crodoismus erschlugen, aber wo bei den Enkeln, die Druden aufgeklärt, und die Philosophen orthodox wurden; das seine Kriegskunst und Tapferkeit mit Glück gegen sich selbst wandte, aber uneinig dem Auslande unterlag, das, wie über alle Dinge, von Handel und Kunstfleiß die herrlichsten Theorien kennt und ausgesogen wird. Eigentlich tragen die Söhne der Väter Schuld, und der Apfel pflegt dann auch nicht weit vom Stamme zu fallen.

Ich wollte die Carthager sehn, und ließ mich über den Strom zu ihnen hinübersetzen. Es war eigentlich alle Verbindung aufgehoben, doch fand ich heimlich Mittel, auf ein koarthagisches Fahrzeug zu kommen, deren die Menge auf dem Strom umherschwammen.

Der Schiffer der mich fuhr, rief: Verdamm mich Crodo, ihr kommt ins Land der Freiheit und Großmuth! Nirgends auf Erden gilt der Mensch so viel, wie bei uns. Wir sind ein Volk von Weliken4.

Das klingt hoch, erwiederte ich.

Bald waren wir hinüber. Es ging zur Hauptstadt. Die Dörfer unterwegs, waren sehr nett gebaut, aber außer Knaben und Greisen, selten ein männlicher Einwohner zu entdecken. Dazu paßten in Büschen und hinter Hügeln, gewaffnete Männer auf, die, wenn sich eine Mannsperson zeigte, sogleich auf sie eindrangen, und sie fortführten. Nicht sowohl die Güte meiner Pässe, sondern, wie es schien, meine Jahre, und mein schwächlich Ansehn, machten, daß ich, auch schon angepackt, wieder losgelassen wurde.

Ich hatte einen Mann am Strande getroffen, der wie ich, nach der Hauptstadt Nodnol wollte, und mit ihm Reisegesellschaft gemacht. Er war, so wie der Schiffer, von dem Lande der Carthager eingenommen. Natürlich fragte ich ihn: was es mit der sonderbaren Menschenjagd für eine Bewandniß habe? und wurde unterrichtet: daß man die aufgegriffenen Männer auf den Prahmen brauche, die theils Waaren verführten, theils die Prahmen andrer Völker wegnähmen, die auch Waaren laden wollten.

Ich murmelte das Wort Freiheit zwischen den Zähnen, und erkundigte mich bei meinem Reisegefährten, der ein Kaufmann war, und Ghlt hieß, welche Satzungen und Gebräuche denn der Carthager Anspruch auf den Namen des großmüthigsten Volkes begründeten. Herr Ghlt antwortete:

Erstens hat das Land Gesetze, welche die niedrigsten Tagewerker dem vornehmsten Mann gleichstellen, Niemand darf ohne Wissenschaft aller Welt im Kerker gehalten werden, durch seines Gleichen wird der Verbrecher gerichtet, keine Peinfrage, keine Marterstrafe. Ueber die Religionen herrscht die vollkommenste Duldung. Die große Hauptstadt, zu der wir bald kommen, und die wenige Nebenbuhlerinnen auf dem Erdball hat, zählt nicht allein eine große Menge von Armen- und Waisenanstalten, die der öffentliche Schatz unterhält, sondern es giebt auch, durch den Beitritt edelgesinnter Bürger, in allen ihren Theilen, Stiftungen, zu unentgeltlicher Heilung armer Kranken. Mehr als ein Dutzend Gesellschaften zu Abhelfung allerlei Noth, Leiden, Gefahr, eine für unvorsätzliche Schuldner, eine zur Aufmunterung guter Gesinde, eine gegen Laster und Unsittlichkeit, eine zur Verhütung von Verbrechen und falschen Spielen, und noch viele andere.

Das läßt sich hören, sagte ich, und wurde eben gewahr, wie große Geldsummen auf ein Fahrzeug geladen wurden. Man sahe zugleich Bedeckung von des Weliks Leuten dabei. Welche Bestimmung mögen diese Schätze haben? fragt ich wieder, und Ghlt antwortete mir: Das ist Geld, welches wir unseren Bundesgenossen senden, damit sie den Krieg wider unsere Feinde um so nachdrücklicher führen können. Schon mehr als funfzehn Jahre erhalten wir einen weitschichtigen furchtbaren Krieg unserer Bundesgenossen, und die Kosten gehen uns dennoch immer wieder ein. Nicht nur das großmüthigste, sondern auch das klügste, entwurfreichste, im Handel Allen überlegene Volk, sind die Carthager. Es gab sonst auf der Nähe ein kleines aber zum Handel gar bequemes Ländchen, dessen Einwohner durch Fleiß und Sparsamkeit mehrerer Jahrhunderte, ungeheure Reichthümer gesammelt hatten. Wir nahmen ihm aber zuletzt seine auswärtigen Besitzungen, seine Prahmen, sein Gewerbe, und die vielen Gelder, die es uns geliehn hatte, bekam es nicht zurück. So mußte es verarmen, und wir triumphirten auf seinem Ruin. Da sind unsre Nachbarn, die Vercingenten. Einst waren sie auch im Handel geschäftig, und boten uns im Kriege die Spitze. Sie geriethen aber einmal in innre Noth, da paßten die Carthager den Zeitpunkt ab, und wurden im Handel ihre Meister. Die Celtiberier hatten wir Lust zu berauben. Sie ließen eben Prahmen mit Silber von ihren Bergwerken kommen. Mitten im Frieden nahmen wir sie weg, und kündigeten dann Krieg an. Jetzt darf sich auf den Strömen, die das kultivirte Afrika umfließen, kein Prahmen sehen lassen, oder wir nehmen ihn weg. Unser Handel soll allein gelten, wir finden Mittel, allen Kunstfleiß der übrigen Völker zu vernichten, und da wir so die Preise nach Willkühr stellen können, saugen wir nach und nach all ihr Mark aus.

Ich schlug die Hände über den Kopf zusammen. Also gegen einen ins Wasser Gefallenen, gegen einen Schuldner seid ihr großmüthig, und den Völkern seid ihr Räuber und Mörder?

Ach, rief Ghlt, das ist vaterländische Tugend!

Wir langten nun bald in Nodnol an. Es ist in der That ein Ungeheuer von einer Stadt. So viele Schiffe sahe ich nie beisammen, wie auf dem Strome, der ihren Hafen bildet, die Waarenvorräthe, die Kaufmannsspeicher, übertrafen an Größe und Weitläuftigkeit, auch die gespannteste Erwartung, viele ansehnliche Prachtgebäude, Monumente des Staatsreichthums, viele geschmackvolle Anlagen im Kleinen, Belege des hohen Wohlstandes der Einzelnen, wurden überall sichtbar. Das Menschengewühl setzte in Erstaunen. Allein es entdeckte sich auch bald, daß man weit mehr Waaren besaß, wie man loszuwerden hoffen durfte, viele Läden waren ohne Beschäftigung; eine unerhörte Menge von Arbeitern aller Art, mit bleichen verhungerten Gesichtern, fragte vergebens nach Arbeit; Noth und Elend boten in den entlegenen Winkeln ein gräßlich Schauspiel dar, und die Unsittlichkeit hatte eine schauderhafte Höhe erreicht.

Aber wo sind denn nun die Reichthümer, welche ihr von allen Seiten erpreßtet? fragte ich meinen Begleiter. Sind sie in die Hände weniger Einzelnen gekommen, welch Heil wird dem Volke davon? Er stockte, und sagte mir, ich sollte in den großen Pallast gehn, wo die Gesetzgebung und Staatshaushaltung öffentlich gehandhabt würden, da würde ich über die großen Angelegenheiten Licht empfangen.

Der Rath wurde befolgt. Ich hörte dreierlei verhandeln. Einmal die Nothwendigkeit neuer Auflagen, wobei die älteren aufgezählt wurden, deren fast auf allen Lebensbedürfnissen bestanden, so daß ein Einwohner dieses Landes, die Abgaben zu erschwingen, mehr als die Hälfte seiner Vermögenseinkünfte geben, oder mehr als die Hälfte seiner Zeit, um diesen Zweck arbeiten mußte. Leibeigne zur Hälfte, waren also diese gepriesenen Freien. Eben bewilligte man eine Abgabe auf das Trinkwasser. Dann wurden die nothwendigen Summen zur Erhaltung der Kriegsprahmen für das laufende Jahr gefordert. Sie waren so hoch, daß ich wohl begriff, wie das meiste, was dies Volk von anderen im Handel gewann, auf dem Wege der Auflagen den Einwohnern wider abgenommen werden mußte, um jene große Kosten zu bestreiten. Endlich kam die Schuld der Nation zur Sprache. Sie betrug weit mehr, als den Werth des Landes, mit Allem was darin ist. Also war man nicht reich, sondern arm, nicht nur arm, noch weniger. Der Wucher baute eigentlich doch nur das Unglück der Menschen, wie riesenhaft er auch seine Spekulationen anlegte.

Ich begab mich vor die Stadt hinaus. Da sah ich ein Lager bei dem anderen, überall Waffenübung. Was bedeutet dies? fragte ich einen Spaziergänger.

Das sind unsere Freiwilligen, gab er zur Antwort.

„Und wozu versammelt ihr so viel Jugend? Entzieht dem Ackerbau so viele Hände?“

Aus Furcht vor einem Angriff der Vercingenten, die über den Strom kommen mögten. Schon Jahre lang sind wir so in Bereitschaft. Noch Jahre lang werden wir es fortsetzen müssen. Wohl ist es nothwendig. Die Vercingenten können sechs Mann stellen, wo wir einen stellen, sind fertig im Landkriege, wir müssen auf unsrer Hut sein, daß wir die Ufer vertheidigen.

„So viel Angst, Sorge, Mühe, Verbrechen und Gewinn, der am Ende doch wieder in Nichts zerfließt. Und wenn nun den Vercingenten es dennoch einmal gelänge, den Fuß siegreich ans Land zu setzen?“

Dann würden die Vornehmsten und Reichsten entfliehen. Mögten die Feinde das Land hinnehmen.

„Und das Land würde seinem Unheil überlassen, die Schuld wäre quitt? – Adieu Land der Carthager! Ich habe das Land der Freiheit, Großmuth und der Handelsherrlichkeit gesehn.“

Siebentes Kapitel.
Was Perotti unter den Vercingenten sah

Nichts Eiligers hatte ich zu thun, als mich aus dem Lande der Freiheit und Großmuth zu entfernen. Ein Räuber, der ein stattlich Pferd ritt, plünderte mich noch unterwegs, und da ich alles hingab, war er in der That so großmüthig, mir das Leben zu lassen. Gut daß ich mir durch einige Gaukelkünste Etwas wieder erwarb, sonst wäre ich in die drückendste Verlegenheit gekommen.

Ich ließ mich zu den Vercingenten übersetzen. Eigentlich sollte es nicht sein, doch mit Geld läßt sich Vieles möglich machen.

An dem Gestade der Vercingenten sahe ich große Vorkehrungen, um in das Land der Carthager zu fallen. Es lagerte ein Heer, viele Fahrzeuge waren bereit, über den breiten Strom zu setzen. Doch sagte mir ein Vercingent ins Ohr: Wer weiß, ist es Ernst damit, wir richten aber schon genug aus, wenn die Carthager in Furcht gehalten werden. Sie sind dann genöthigt, alle Kräfte zur Bereitschaft des Widerstandes anzuspannen.

Ich erfuhr im Lande, daß die Vercingenten vor mehreren Jahren sich genöthigt gesehen hätten, eine Regierungsveränderung vorzunehmen. Das ging niemand etwas an, wie ihnen selbst. Allein mehrere auswärtige Mächte waren mit gewaffneter Hand aufgetreten, und hatten begehrt, sie sollten die alten Formen herstellen. Das hatte nun Partheiwuth und innere Noth aufs höchste gebracht. Nichts war mehr zu verlieren, alles zu gewinnen. Darum stand die Nation in voller Kraft auf, ihr Recht zu behaupten. Wenn alles auf dem Spiele steht, muß sogar der Muthlose verwegen sein. Genug, die Kraftsumme, welche jetzt in Thätigkeit kam, brachte neben einer, dem Kriege günstigen geographischen Lage die erstaunenswerthesten Wirkungen hervor, und besser stand noch der Vercingenten Spiel, als ihre Feinde sich schlecht mit einander vertrugen, und oft ihre Lust daran hatten, wenn der heimlich gehaßte Bundesgenoß Unfälle erlitt. Wie glorreich sie aber auch kämpften, und jeden Krieg mit Eroberung krönten, die Carthager (wir wissen schon warum) bewirkten durch ihr Gold ihnen immer neue Kämpfe. Zuletzt wurden die Vercingenten der Sache recht gewohnt, der Krieg war ihr Element, und sie machten sich von einem Lande nach dem anderen Meister.

Eben da ich nach der Hauptstadt reis’te, sah ich auf den Landstraßen bald Wagen mit erbeuteten Waffen, bald Siegeszeichen aus einer eben gewonnenen Schlacht, bald lange Reihen Gefangener, die aus der Fremde gebracht wurden.

Sehr begierig war ich, ihre Hauptstadt zu sehen, und der Wunsch wurde mir bei den vortrefflichen Wegen und Anstalten zum schnellen Fortbringen der Reisenden bald gewährt.

Ihr Umfang ist ebenfalls beträchtlich, wenn sie sich gleich durch Schönheit der Straßen und Wohnhäuser im Allgemeinen nicht empfiehlt. Kömmt man übrigens nach dieser Stadt, so wird man (mit Ausnahme einiger Gegenstände, die bald zur Berührung kommen sollen) nichts weniger meinen, als daß dies der Mittelpunkt eines kriegerischen und immerfort in Krieg begriffenen Landes sei. Nichts wie üppige Vergnügungen überall. Schauspiele in allen Gegenden der Stadt, die leckersten Gastereien bei den Großen, eine Menge Lustgärten, die den raffinirtesten Lebensgenuß darbieten, Spiel- und Tanzhäuser ohne Zahl. Nicht in Soldatentracht geht hier der Held, der vielleicht mit Wunden bedeckt ist, und jenseit der Gränze vor Kurzem vielleicht Wunder der Tapferkeit verrichtete. Im weichlichen Stutzeranzuge sieht man ihn, von köstlichen Salben duftend, von Schöne zu Schöne fliegen, Musik, Gesang und Galanterie treibend. Was die Historie von einem Sybaris, einem Capua spricht, bleibt bei Weitem gegen das sinnentrunkene Leben zurück, das die Vercingenten in ihrer Hauptstadt führen, und die Schätze, welche man den Feinden abnahm, werden hier zu den feinsten Schwelgereien angelegt. Ich fragte in den Buchläden, welche Werke am meisten Leser fänden, und mir wurde ein Lehrgedicht über die leckere Kochkunst genannt. Und gleichwohl darf ein solcher Prasser nur zu den Heeren gerufen werden, so scheut er wieder keine Mühseligkeit, und theilt Mangel, Noth und Gefahr, mit dem niedrigsten Krieger auf die geläufigste Weise.

Ich konnte mich nicht genug verwundern, wie das, was sonst die Menschen zu allem Kräftigen und Muthigen abspannt, hier gar keine nachtheilige Wirkung äußerte, und sah mich dann ein wenig nach den Mitteln um, welche die Vercingenten anwendeten, um das Feuer des Kriegsgeistes bei ihren Bürgern nicht verglimmen zu lassen.

Was ich aber da sahe, lockte mir wieder ein neues Staunen ab. Denn Gemüth und Einbildungskraft waren hier nach allem, was darin anschlagen, reizen, begeistern kann, so in Ueberblick und Lenkbarkeit gebracht, als wären sie sichtbare fühlbare Räder einer Maschine, die man nach Gefallen in Bewegung bringt. Eine dichterische Spannung war über das gesammte Soldatenhandwerk gebracht, daß jeder Krieger nichts Edleres, Höheres fassen konnte, wie die Waffe. Alle Künste strebten, das Herz in den Banden der Begeisterung fest zu halten, der Feldherr hatte Aussicht, in großen Marmorstatüen, Untergebieter der Truppen in Büsten und Gemälden, der Geringste in goldener Namensschrift an Ehrensäulen auf die Nachwelt zu kommen. Man feierte phantastische, verbrüdernde, ermuthigende Feste, bei Versammlung der Heere, an Tagen berühmter Siege. Dem Alter der Hülflosigkeit des Kriegers, winkten bequeme Versorgungen. Der Lohn für den besondern Muth war ausschweifend. Der Neugeworbene konnte hoffen, schon im künftigen Jahre eine bedeutende Stufe zu erklimmen, die Krieger von Rang erlangten neben Ehrenzeichen und Schätzen, oft Land und Leute, wurden herrschende Grauen, wohl gar Weliks. So viele Aussaat mußte denn wohl mit Frucht wuchern, und nichts wunderte mich mehr, als wie die Feinde der Vercingenten, die das System solcher Anreize nicht kannten, nicht in Ausführung bringen wollten (auch nicht mehr konnten), doch immer Sieg hofften. Ohne ein Wunder vom Himmel blieb er, alle Umstände zusammengenommen, denn doch nicht denkbar. Einige waren aber auch klug, und wandten sich auf die Seite derer, die sie doch einmal nicht zu bezwingen verstanden.

Uebrigens ist es blos eine gewisse Kürze des Entschlusses, welche die Vercingenten zu dem Gipfel der Größe erhebt. Was ihnen gut dünkt, thun sie gleich zur Stelle, haben sie geirrt, ändern sie geschwind wieder ihren Weg. Liegt ein Stein vor ihnen, dieweil andre ihn messen, und weitläuftig über die Mittel berathen würden, ihn wegzuschaffen, sprengten sie lange darüber weg. Wer tiefe Ueberlegung, lange Berechnungen ihrer Plane, hartnäckige Ausdauer an einem Vorhaben bei ihnen suchte, würde sehr irren, überall nur kurzer muntrer Entschluß, das nächste zu thun. Und das führt sie denn um so weiter als ihre Nachbarn träge im Handeln sind. Außerdem, so viel Abgeschliffenheit ihnen eigen ist, mag ich nichts mit ihnen zu thun haben, außer bei den Tafeln der Großen ihrer Hauptstadt.

Ich gerieth bald in armseelige Umstände. Denn indem ich täglich in den vornehmsten Gasthäusern schmauste, und niedliche Mädchen dazu einlud (ein Fehler, in den ich wohl nun nicht mehr fallen dürfte) ward mein Geld bald rein all. So gern ich das lustige Treiben fortgesetzt hätte, mein Erwerb langte nicht, da es viel feinere und geschicktere Gaukler gab. Ich sang zuletzt in die Guitarre, gewann aber auch da nichts, und lief, Schulden nachlassend, davon.

4.Königen.
Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 haziran 2018
Hacim:
260 s. 1 illüstrasyon
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Metin
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