Kitabı oku: «Konstruktive Rhetorik in Seminar, Hörsaal und online», sayfa 3
Eine Rede hat ein Handlungsziel
Ein Gespräch im Alltag dient oft verschiedenen Zwecken. Das Ziel ist Verhandlungssache, und manchmal einigt man sich erst in seinem Verlauf, worauf man hinauswill – z.B. eine Beziehung zu klären oder einen Beschluss zu fassen. Zur öffentlichen Rede hingegen gehört, dass sie einem eindeutigen Ziel untergeordnet ist. Es ist von vornherein festgelegt, was die Rednerin oder der Redner tun wird: zum Beispiel neutral informieren (wie bei einer Nachrichtensendung oder einer Durchsage am Bahnhof), zu praktischer Tätigkeit anleiten (wie bei einer sportlichen Trainingseinheit oder einer naturwissenschaftlichen Übung) oder Texte auslegen (wie im juristischen Vortrag oder in der Predigt). Die Redetypen sind verschieden; das Ziel ist aber immer klar definiert:
»Unterhaltung
»Aufklärung
»Anleitung
»Befehl
»Anklage
»Verteidigung
»Verkündigung
»Begrüßung
»Nachruf usw.
Dass die Rede jeweils einem Hauptziel verpflichtet ist, ist die Voraussetzung dafür, dass sich Redner und Publikum zu einer gemeinsamen Veranstaltung finden. Im Verlauf der Rede sind zwar auch Nebenziele möglich. So kann ein informativer Vortrag über Klimaveränderung durchaus auch werbenden Charakter haben, eine unterhaltende Erzählung kann auch eine weltanschauliche Botschaft enthalten usw. Aber sie ordnen sich dem Hauptziel unter. Dennoch ist es für die praktische Rhetorik wichtig, auch eine kleinteiligere Handlungsstruktur zu erkennen, die die Rede in einzelne Schritte aufteilt. Ein längerer Vortrag zerfällt zum Beispiel in Thesen und Argumente, denen Hintergrundinformationen vorausgeschickt werden. Zwischendurch werden Hauptaussagen mit Beispielen illustriert, Fragen werden gestellt, Zusammenfassungen formuliert usw. Wir werden sehen, dass es für die attraktive Gestaltung einer Rede wichtig ist, dass man sich dieser Handlungsformen bewusst ist, dass man weiß: Jetzt stelle ich eine These auf – jetzt erzähle ich eine kurze Geschichte – jetzt unterbreche ich die Darstellung mit einer Frage usw.
Handlungsziele der Rede
Jede Rede hat ein Hauptziel, das als Handlung verstanden werden kann: Informieren, Unterhalten, Überzeugen, Auffordern usw. Die Rede ist weiter aufgeteilt in Teilhandlungen: Ankündigen, Behaupten, Begründen, Illustrieren, Zusammenfassen usw.
Typisch für die öffentliche Rede ist, dass die jeweiligen Handlungsformen von der Rednerin oder vom Redner bestimmt werden. Aber je dialogischer die Rede gehalten wird, desto eher können sich alle Gesprächspartner daran beteiligen. In einer abwechslungsreich gestalteten Schulstunde zum Beispiel erarbeiten die Schülerinnen und Schüler einleuchtende Beispiele. In der Präsentation eines neuen Produkts sind Fragen der Kundinnen oft informativer als die Behauptungen des Verkäufers. In einem Live-Streaming sind die Chat-Beiträge mindestens so wichtig wie die eigentliche Präsentation. Deshalb ist es sinnvoll, auch den Handlungsaspekt der öffentlichen Rede nicht einseitig aus dem Blickwinkel des Redners zu sehen. Die Vorstellung, dass Publikum und Organisatoren an der Ausrichtung der Rede mitbeteiligt sind, nimmt viel Gewicht von den Schultern der hauptverantwortlichen Person. Wenn Redner und Publikum auf Augenhöhe sind, sich unter dem Zeichen der Gleichberechtigung finden, ist die Gliederung in Teilhandlungen auch eine Gliederung in Rede und Gegenrede.
Planung gehört immer dazu
Viele Gespräche im Alltag entstehen spontan und laufen ohne eine geplante Struktur ab. Wenn es dabei drunter und drüber geht, liegt oft gerade darin ihr Reiz. Eine Rede für die Öffentlichkeit dagegen hat in der Regel eine längere Entstehungsgeschichte. Sie geschieht oft in Zusammenarbeit mit anderen, mit Rückgriff auf frühere Reden und Texte als Quellen. Im Prinzip aber handelt es sich um vorbereitete Reden – um Wortmeldungen, denen eine gewisse Zeit der Überlegung vorausgegangen ist.
Zur Erinnerung an Martin Luther King gehört die berühmte Rede, die er am 28. August 1963 am Ende des großen Marsches auf Washington vor dem Lincoln Memorial hielt. Im Film, der das dokumentiert, wirkt er vor der riesigen Menschenmenge wie in Trance. I have a dream, sagt er in der Mitte der Rede und hebt an zu der berühmten Passage, einer Vision von einem Amerika der Einheit und Gleichberechtigung. Aber dies ist weder eine spontane Eingebung noch eine einsame Tat. Hinter ihm auf dem Podium sitzt die Sängerin Mahalia Jackson. Er ist mitten in seinem vorbereiteten Text, als sie ihm zuruft: „Erzähl ihm vom Traum, Martin!“28
Da schiebt King sein Manuskript beiseite und spricht die unsterblichen Worte:
„Heute, meine Freunde, sage ich euch: Auch wenn wir uns den Schwierigkeiten des heutigen und morgigen Tags stellen, habe ich immer noch einen Traum. Es ist ein Traum, der tief im Amerikanischen Traum wurzelt. Ich träume davon, dass eines Tages diese Nation aufsteht und die wahre Bedeutung ihres Bekenntnisses erleben wird: ‚Wir erachten diese Wahrheiten als selbstverständlich: dass alle Menschen gleich erschaffen worden sind.‘ “
Und dann erweitert er sein Bekenntnis mit drei Bildern, die diese Sehnsucht illustrieren:
„Ich träume davon, dass sich eines Tages, auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne einstiger Sklaven und die Söhne einstiger Sklavenhalter zusammensetzen können am Tisch der Bruderschaft.
Ich träume davon, dass eines Tages sogar der Staat Mississippi, ein Staat, der in der Hitze des Unrechts schmort, in der Hitze der Unterdrückung schmort, sich wandelt zu einer Oase der Freiheit und Gerechtigkeit.
Ich träume davon, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe beurteilt, sondern nach dem Gehalt ihres Charakters.“ 29
So spontan King diese unsterbliche Passage einbaute, so wenig improvisiert war sie. Derart wohlgesetzte Worte können nicht einer plötzlichen Eingebung entspringen. King konnte auf ein Repertoire zurückgreifen, das er im Lauf der Zeit aufgebaut hatte. Bei mehreren früheren Ansprachen hatte er ähnliche Passagen verwendet. Als Mahalia Jackson rief: „Erzähl ihm vom Traum“, meinte sie genau das. Vielleicht wäre er auch selbst darauf gekommen. Aber auf jeden Fall nahm er die Anregung bereitwillig auf. Eine Mischung zwischen vorformulierten Passagen und spontaner Kreativität machten die Rede zu einem authentischen Produkt.
Eine Rede zu planen, heißt …
»das Redeziel bestimmen
»das Zielpublikum kennen
»Hauptaussagen notieren
»den Aufbau der Rede skizzieren
»Notieren der Möglichkeiten, mit dem Publikum zu interagieren
Recherche ist die wichtigste Aufgabe
Reden entstehen geplant. Und eine gute Rede basiert nicht nur auf solchen einzelnen vorbereiteten Formulierungen, sondern auf intensiver Beschäftigung mit dem Stoff. Ebenso wie das Sammeln gehört auch das Verwerfen von Material dazu. Auch das ist essenziell. Es führt dazu, dass man mehr weiß, als man schließlich vor Publikum sagt, und das ist eine Grundlage für das sichere Reden.
Noch heute orientiert sich die Rhetorik an den Schritten, die im klassischen Altertum galten, an den so genannten Produktionsstadien. Man nannte meist fünf, und sie werden immer noch mit ihren lateinischen Namen bezeichnet:30
»Inventio (das Auffinden des Stoffs, der Informationen, die seine Botschaft erhellen und stützen)
»Dispositio (die Anordnung der einzelnen Aussagen so, dass die Rede einen überzeugenden Aufbau erhält)
»Elocutio (die sprachliche Gestaltung der Rede)
»Memoria (das gedankliche Durchgehen und Sich-Einprägen der Rede)
»Actio (der Auftritt, mit der sprecherischen und körpersprachlichen Präsentation der Rede)31
Vier dieser fünf Produktionsstadien betreffen die Planung und Vorbereitung. Dabei sticht die Inventio als inhaltliche Grundlage noch heute heraus, weil sie das garantiert, womit man als Vortragender am überzeugendsten auftritt: inhaltliche Kompetenz. Wir nennen es heute Recherche, und sie ist eine Schlüsselqualifikation in sehr vielen Berufen; wenn es darum geht, einen Text zu verfassen (oder eben auch eine gesprochene Rede), kommt man ohne sie nicht aus. Für die öffentliche Rede ist sie ein wichtiges Merkmal, das sie vom alltäglichen Gespräch unterscheidet. Unsicherheit über einen Sachverhalt gehört zur privaten Konversation. „Lass uns das mal nachschlagen/googeln/erfragen.“ ist eine gängige Aufforderung, mit der man gemeinsam Informationen ergänzt, um danach weiter diskutieren zu können.
Dass man vorbereitet vor ein Publikum tritt, entspricht auch den Erwartungen an eine Rednerin oder einen Redner: Als Einzelperson zu einer Gruppe zu sprechen, ist ein Privileg. Weil man etwas zu sagen hat, lohnt es sich für andere Menschen, zuzuhören und damit das eigene Wissen zu ergänzen oder in Frage zu stellen. Die Rednerin ist Expertin. Expertin zu sein, bedeutet aber in dem meisten Fällen nicht einfach, aus dem erworbenen Wissen zu schöpfen, sondern recherchieren zu können. Auf keinem Gebiet ist es ratsam, einen alten Vortrag aus der Schublade zu ziehen und ihn so zu halten, wie es vor ein paar Jahren, Monaten oder auch Tagen passend war. Man greift zwar auf Früheres zurück, reagiert aber auch auf Aktuelles. Das eine gibt Sicherheit, das andere ermöglicht den Kontakt mit dem Publikum.
Vorbereitung kann einengen oder Sicherheit bringen
Eine gute Vorbereitung birgt immer die Gefahr, dass man sich zu eng an einem Konzept orientiert. Die Rede kann in Sprache und Tempo zu starr wirken. Gute Vorbereitung kann aber auch als Chance gesehen werden, von ihr abzuweichen, so dass die Rede lebendig wirkt – dank spontaner Ergänzungen, Tempoveränderungen, Reaktionen auf Einwände. Je besser dabei die Vorbereitung, desto leichter ist es, den eingeschlagenen Weg zu verlassen und ihn bei Bedarf wieder aufzunehmen.
Die Rede als Produkt dieser Rahmenbedingungen
Alle genannten Bedingungen der öffentlichen Rede haben die traditionelle Art, sich vor Publikum auszudrücken, beeinflusst, und zwar im Negativen wie im Positiven.
Dass man sich vor einer Gruppe in einem größeren Raum findet, beeinflusst die Bedeutung der Stimme wie auch der Körperhaltung und -bewegung. Das kann einengen, aber auch eine gewisse Sicherheit geben. Die zeitliche Begrenzung führt oft zu einem erhöhten Sprechtempo und zu einem Aufbau, der im Vergleich zum Gespräch knapper strukturiert ist. Trotzdem kann der Zeitdruck auch zu einer kompakteren Darstellung zwingen. Die kulturellen und sozialen Normen betreffen viele Rahmenbedingungen, von Äußerlichkeiten der Kleidung und des Auftretens bis zu sprachlichen Formulierungen. Die Ausrichtung auf ein Redeziel hat dazu geführt, dass es verschiedene Gattungen von Reden gibt, für die sich ihrerseits wieder Gewohnheiten und Regeln entwickelt haben. Sich daran zu halten (etwa an die Struktur einer Grabrede), kann zwar Mühe bereiten, aber es kann einem auch einen hilfreichen Rahmen geben. Die inhaltliche Planung führt manchmal zu einer Sprache, die sich nur schwer von schriftlichen Vorbildern löst, hilft aber beim Aufbau und der Klarheit der Botschaft. Insgesamt aber darf nicht vergessen werden, dass jede Rede – ob sie sich an konventionelle Vorgaben hält oder konstruktiv und dialogisch verstanden wird – das Produkt dreier Kräfte ist. Die Rednerin oder der Redner steht zwar im Vordergrund und trägt einen großen Teil der Verantwortung; aber das Publikum beteiligt sich in jedem Fall mit und kann dem Ereignis einen unerwarteten Verlauf geben. Und im Hintergrund übt immer die veranstaltende Institution ihren Einfluss aus und gestaltet die Rede mit.
2Vom Monolog zum Dialog
Es gibt klassische Vorstellungen davon, was eine gute Rede ist. Viele davon sind aber für den Sachvortrag eher hinderlich. Sie stellen Anforderungen, die schwer zu erfüllen sind, und verhindern eine Begegnung auf Augenhöhe mit dem Publikum. Im Dialog sind wir nicht nur authentischer, sondern erzielen auch bessere Resultate, weil wir gemeinsam vorgehen. Deshalb lautet die Empfehlung: Nutze die Stärken des Dialogs, auch wenn du einen Vortrag hältst.
Das gilt zugegebenermaßen nicht für die, deren Ziel es ist, auf einer Demo die Massen aufzupeitschen. Es gilt auch nicht für die, die in den großen Festzelten Wählerstimmen zusammentrommeln oder auf Instagram Kunden für die neueste Duschgel-Duftnote begeistern wollen. Es gilt aber für alle jene, deren Hauptziel es ist, andere zu informieren: Fachleute, die einen Vortrag über ihr Fachgebiet halten, Studierende, von denen man ein Seminar-Referat erwartet, Dozentinnen, Instruktoren, Fremdenführer und viele andere, für die das Reden nicht Berufung ist, denen es aber auch nicht erspart bleibt. Man erwartet von ihnen keine schauspielerischen Leistungen. Man erwartet, dass sie authentisch bleiben.
Wenn man zum Reden abgerichtet wird
Zugegeben: das braucht auch andere Arten des Rhetoriktrainings, als was viele Coaches und Beratungsfirmen anbieten, die angeblich lehren, wie ein Einzelner das Publikum „begeistert und bewegt“,32„bei Laune hält“33 oder „anrührt oder erschüttert“,34 so dass „eine motivierende Welle der Begeisterung durch das Publikum schwappt und alle mitreißt“.35 Sie machen glauben, man könne Menschen nach einem simplen Schema zum Reden abrichten.
Da sitzen dann die Leute vor ihrem Trainer und lernen, wie man „Glaubhaftigkeit“ und „Schubkraft“ erlangt. Der Trainer hat nämlich „Menschen beobachtet, die bis zu tausend Prozent überzeugt sind von dem, was sie sagen.“ Und diese haben, so fährt er fort, „ein natürliches sprechtechnisches Verhalten.“ Deshalb sollen jetzt alle mal aufstehen und es dem Trainer nachmachen:
Der Zauber liegt in Ihrer rechten Hand: Nehmen Sie Ihren rechten Unterarm nach vorne, waagrecht, machen eine Art O – und jetzt kommt’s: Sie – takten – Ihre – Botschaft!36
Und die Gruppe tut, wie ihr gesagt wurde: Die Leute heben den Arm und sprechen den vorgegebenen Satz. Jede Phrase begleiten sie mit einem Schlag des Arms, lassen eine kurze Pause folgen, dann die nächste Phrase mit der gleichen
Geste und so weiter. Auf diese Weise übernehmen die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer angeblich die Überzeugungskraft großer Redner. Denn: „Menschen, die bis zu tausend Prozent überzeugt sind von dem, was sie sagen, die machen Folgendes: Die dehnen die Botschaft rhythmisch auseinander.“ Der Trainer verspricht: „Wenn Sie dieses Verhalten erkennen und auf egal welche Botschaft übertragen, dann erreichen Sie dieselbe Glaubhaftigkeit und dieselbe Schubkraft!“
Dieser Unsinn kann auf YouTube bewundert werden. Er kam dort bisher auf knapp 900.000 Aufrufe.37 Was da nicht gesagt wird: dass diese Art des Redens lächerlich wirkt, wenn sie der eigenen Persönlichkeit widerspricht. Und die Frage, die nicht beantwortet wird: ob es denn erstrebenswert ist, dass jede beliebige Botschaft ungeahnte „Glaubhaftigkeit und Schubkraft“ erfährt.
Mitdenken statt Eintrichtern
Wer von einem Publikum träumt, das sich auf diese Weise beeinflussen lässt, träumt von einer Schafherde. Es ist das Publikum aus grauer Vorzeit, als man die Zuhörer mit Befehlsempfängern verwechselte. Oder den Worten des großen Trainers: „Arbeit im Hirn des Zuhörers ist Widerstand … Widerstand gegen Sie und Ihr Anliegen.“ Aber Widerstand bricht man nicht mit aufgesetzten Verhaltensweisen.
So klang die Botschaft des Rhetorik-Trainers
Führen Sie / in Ihrer Verwaltung / Lean Management ein; / fünfzig Prozent / Ihrer Konflikte / sind verschwunden.
Das sind sechs Phrasen, sechs Betonungen, dazwischen fünf Pausen. Dazu sagt die konstruktive Rhetorik: Vergiss solche Regeln, die von jedem Kontext losgelöst sind. Erzähle stattdessen ruhig, was Lean Management ist – aus deiner Kompetenz heraus und verständlich. Und wenn du zur Empfehlung kommst, dies auch einzuführen, wird es automatisch passend klingen. Denn alle haben mitgedacht und brauchen keine künstlichen Gesten und Betonungen.
Wenn Zuhören wirklich Widerstand wäre, würde jeder Auftritt zum Kampf, und nicht mal dann wären die wirksamsten Waffen solche plakativen Werkzeuge aus der Mottenkiste des Laienschauspielers. Vielleicht funktionieren sie noch für Politikerinnen und Politiker, die ihre Wahlkampfreden halten, bei denen sowieso nur ihre eigenen Schäfchen zuhören. Wer aber in erster Linie informieren will und seine Zuhörerinnen und Zuhörer nicht als Gegner sieht, sondern als mitdenkende Individuen, wird auf derartige Mätzchen verzichten und sich sagen: Es geht mir nicht darum, den Leuten „egal welche Botschaft“ einzutrichtern, sondern darum, meine Inhalte verständlich und attraktiv einem intelligenten Publikum mitzuteilen, das bereit ist, zuzuhören, mitzudenken und das Gesagte auch kritisch zu hinterfragen.
Wer dazu bereit ist, kann die klassischen Anleitungen zum Monolog vergessen. Wer dazu bereit ist, wird mehr erreichen und es auch leichter haben, wenn er die Redeaufgabe als Dialog versteht.
Das Publikum ernst nehmen
Wie sieht denn die Alternative aus? Der erste Tipp für einen erfolgreichen Vortrag, bei dem das Publikum mitgeht, lautet: Nimm die Leute wahr, die dir zuhören sollen! Nimm sie ernst. Nimm dir deshalb Zeit, sie anzusehen, bevor du sprichst. Und statt deine Phrasen zu skandieren, sprich sie so aus, dass man mitdenken kann. Das ist das Gegenteil von Eintrichtern, das Gegenteil des „Auseinanderdehnens“ einer auswendig gelernten Botschaft. Es ist die Koordination von Denken und Sprechen. Da besteht ein Satz nicht aus sechs betonten Phrasen, sondern nur das, was im Satz neu ist, erhält die Hauptbetonung; der Rest unterstützt es, weil sich Melodie und Rhythmus dem unterordnen. Und den Unterarm kann man getrost vergessen.
Grundgedanke: das Verständnis für den Austausch
Konstruktive Rhetorik verrät nicht faule Tricks, sondern fördert das Verständnis für den Austausch: Entwickle deine Gedanken so, dass die Leute mitdenken können. Das gelingt dir, wenn du mit ihnen in Kontakt bist. Die Voraussetzung dazu:
»Nimm das Publikum wahr.
»Formuliere die Gedanken frei anhand von Stichworten, so dass du während des Redens auch selber mitdenkst.
»Nutze Pausen – nicht weil sie magische Kräfte haben, sondern weil du in den Pausen siehst, wie das Gesagte ankommt und erkennst, was vom Publikum zurückkommt.
Informationen bringen mehr als Überredungskünste
Klassische Rhetoriktrainings gehen vom Monolog aus, vom Reden gegen andere. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Überzeugungsrede. Eine Sache wird vertreten und muss gegen andere verteidigt werden. Das ist natürlich in vielen Reden enthalten, aber meistens nicht das Hauptziel – weder in Vorträgen oder Vorlesungen noch in Instruktionsvideos, Berichten oder Reportagen. Hier geht es primär darum, Leuten, die etwas Neues erfahren wollen, dieses neue Wissen zu vermitteln und sie anzuleiten, wie sie es weiter vertiefen können. In vielen Fällen ist dies auch die Haupttätigkeit von Verkäufern, Journalistinnen oder Unternehmenssprechern. Es ist nicht ein Reden gegen andere, sondern ein Reden für andere und mit anderen. Auch wenn die Zuhörer eine Stunde lang stumm bleiben, können sie aktiviert werden, denn sie wollen lernen, unterhalten werden, selbst weiterdenken. Eine konstruktive, dialogische Einstellung nimmt diese Bereitschaft zur Mitarbeit auf.
Gespräch – Vortrag – Online-Präsentation: Drei Beispiele
Welches sind die Stärken des Dialogs und welche davon können in die Präsentation – vor Publikum oder online – übernommen werden? Das ist leicht zu erkennen, wenn man eine Person bei den verschiedenen Aufgaben beobachtet: beim Gespräch, beim Vortrag und bei der Online-Präsentation.
Da ist die erfolgreiche Unternehmensberaterin Olivia Grau.38 Sie hat Managerinnen namhafter Firmen betreut und Weltklassesportler zum Erfolg geführt. Ihre Stärke ist die Motivation einzelner Menschen im persönlichen Kontakt. Wer sie zum privaten Gespräch trifft, erkennt ihre besondere Ausstrahlung, sie wirkt sympathisch und zugewandt. Wer sie im Vortrag hört, spürt bereits eine gewisse Distanz. Und in der Online-Präsentation in ihren Videos hat sie fast alle ihre sympathischen Züge verloren. Die folgenden Abschnitte beschreiben diese Unterschiede und zeigen, wo die Stärken liegen, auf denen sie auch im Vortrag aufbauen kann.