Kitabı oku: «Transkulturalität - Prozesse und Perspektiven», sayfa 7
In der politischen Ökonomie ist von ‚De-KommodifizierungKommodifikation, Kommodifizierung, Kommodifzierbarkeit‘ die Rede, wenn beispielsweise wohlfahrtsstaatliche Verteilungsfragen vom Marktmechanismus entkoppelt werden, während im umgekehrter Sinne und auf einen konkreten Fall bezogen ‚(Re-)Kommodifizierung‘ des Gesundheitswesens bedeutet, dass es einem Prozess der Ökonomisierung und Kommerzialisierung unterworfen wird und betriebswirtschaftliche Verwertungsimperative in den Vordergrund treten.3 Dass über die zu kulturellen Waren gewordenen kulturellen Ressourcen hinaus auch anderes, wie die gerade erwähnten kulturellen DifferenzDifferenzen, kommodifiziert werden können, ist erst relativ spät in den Fokus der kultur- und sozialwissenschaftlicher Forschung getreten.
Um dies an einem Befund aus der SprachwissenschaftLinguistik zu illustrieren: In soziolinguistischen Studien (u.a. Heller 2002, Duchêne/Heller 2012) der letzten beiden Jahrzehnte spielt das Konzept der KommodifikationKommodifikation, Kommodifizierung, Kommodifzierbarkeit eine Rolle, um den Finger auf neoliberale Strategien der Verwertung von Sprache und sprachlicher DifferenzDifferenz unter Bedingungen der GlobalisierungGlobalisierung zu legen. Zunächst bestand ein Aspekt dieser Untersuchungen darin, wie Unternehmen bzw. ihre Marketingabteilungen mit sprachlichen Formen – auch mit Formen aus ansonsten marginalisierten oder stigmatisierten sprachlichen Varietäten – Authentizität für Produkte schaffen und wie diese Authentizität als Mehrwert zum Zwecke ihrer besseren Vermarktung eingesetzt wird (vgl. auch Budach/Roy/Heller 2003).4 Ein häufig anzutreffendes Beispiel ist die Verwendung von sprachlichen Varietäten wie DialektDialekten, die ansonsten im NationalstaatNationalstaat nicht oder seltener für die großräumige und/oder schriftliche KommunikationKommunikation bestimmt sind, um lokale und soziale Authentizität zu erzeugen und Dienstleistungen und Produkte in Tourismus, Landwirtschaft, Lebensmittel- und Getränkeindustrie usw. besser vermarkten zu können. Weirich (2018) weitet die Untersuchungen zur Kommodifizierbarkeit von sprachlichen Ressourcen aus, indem sie sie rückbindet an die jeweils gegebenen sprachlichen und ökonomischen Verhältnisse auf den verschiedenen Ebenen der Gesellschaft. In analytischer Hinsicht geht es ihr darum, die ReichweiteReichweite sprachlicher Ressourcen von IndividuenIndividuum, Individuen hinsichtlich ihrer Kommodifizierbarkeit auf dem Arbeitsmarkt in den Griff zu bekommen (ebd., 57ff., hier S. 74).
2.7 Auf dem Weg zu Transkulturalität: Schlüsselbegriffe
2.7.1 UngleichheitUngleichheit
Für jede Form des Konfliktmanagements, und so auch, wie oben gezeigt, für die Strategien der BikulturalitätBikulturalismus, Bikulturalität, des MultikulturalismusMultikulturalismus und der InterkulturalitätInterkulturalität, ist der Umgang mit UngleichheitUngleichheit und DifferenzDifferenz zentral. KonfliktmanagementKonfliktmanagement verlangt nach Aushandlungsprozessen. Hierbei ist die Anerkennung von Ungleichheit und Differenz ein wichtiger Schritt. Ob sie anerkannt werden oder auch nicht, Ungleichheit und Differenz sind Kardinalprobleme menschlicher Gesellschaften und Ursachen für vielfältige gesellschaftliche Konflikte.
UngleichheitUngleichheit kennt viele Formen. Individuell sind die Menschen nicht gleich. Sie unterscheiden sich biologisch und sozial, so in ihrer körperlichen Ausstattung und ihren genetischen Dispositionen, in ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten, Interessen und Neigungen, Lebensformen und Tätigkeiten, Anschauungen, Aktivitäten und vielem mehr. Zum Problem werden diese naturgegebenen oder auf persönlichen Entscheidungen basierenden Ungleichheiten, wenn sie, gesellschaftssystemisch begründet, Anhaltspunkte für soziale Ungleichheiten ergeben, diese Ungleichheiten politisch organisiert und legitimiert werden und/oder sie sich aus den ökonomischen Verhältnissen ergeben. Ist die GleichheitGleichheit der Menschen ein allgemeines Gerechtigkeitsideal und gilt Gleichheit vor dem Gesetz als demokratisches Grundprinzip, so sind ökonomische, politische, soziale und andere Ungleichheiten tief im Funktionieren der KlasseKlassengesellschaften verwurzelt. Soziale Ungleichheiten sind überall und alltäglich wahrnehmbar: als Unterschiede zwischen armen oder reichen Menschen, als Unterschiede in ihren Lebensverhältnissen, wenn sie in einer heruntergekommenen Wohnung in einem ebensolchen Viertel oder in einer Penthouse-Wohnung eines noblen Quartiers leben, in den Diskriminierungen, wenn ihnen als Gehbehinderte zu hohe Treppen den Zugang zu öffentlichen Gebäuden und Räumen verwehren oder in den Ausgrenzungen, wenn vor Hunger und Krieg Geflüchteten Schutz, Hilfe und menschenwürdige Behandlung vorenthalten wird.
Während soziale DifferenzierungDifferenzierungsozialeDifferenzierung sowohl aus gesellschaftlicher Arbeitsteilung als auch aus vielen anderen Aspekten individueller und gesellschaftlicher Verfasstheit resultiert, „geht es bei der UngleichheitUngleichheit um Rangunterschiede bzw. Statusdifferenzen, die auf privatwirtschaftlichen Eigentums-, MachtMacht, -verhältnisse und HerrschaftsverhältnisseHerrschaftsverhältnissen beruhen“ (Butterwegge 2020, 12; Hervorhebung von mir). Ökonomische Ungleichheit sei der Schlüssel zur Erklärung gesellschaftlicher Verwerfungen unterschiedlicher Art. In Verteilungskonflikten sieht Butterwegge die grundlegenden KonfliktKonflikte, denen Beziehungs-, Anerkennungs- und Wertschätzungskonflikte nachgeordnet blieben (vgl. ebd., 13f.). Nach Berger/Powell (2009, 15) besteht soziale UngleichheiUngleichheitsozialet dann, „wenn Menschen (immer verstanden als Zugehörige sozialer Kategorien) einen ungleichen Zugang zu sozialen Positionen haben und diese sozialen Positionen systematisch mit vorteilhaften oder nachteiligen Handlungs- und Lebensbedingungen verbunden sind.“ Soziale Ungleichheit bedeutet demnach nicht notwendig Ungerechtigkeit, vielmehr gäbe es auch Formen legitimer sozialer Ungleichheit. Butterwegge verweist auf Berufe, die ein unterschiedliches Maß an Talent, Engagement und praktischer Routine erforderten, was sich in der PrestigePrestige- und Einkommenshierarchie niederschlagen würde (ebd., 15). Kontrovers diskutiert werde, „welche Form sozialer Ungleichheit man als gerecht oder legitim und welche als ungerecht oder illegitim ansehen“ (vgl. ebd.) könne.
Strittig sei zudem
die Funktionalität der sozioökomischen UngleichheitUngleichheit sozioökonomische, des Reichtums und der ArmutArmut für das bestehende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Ungleichheit ist ein konstitutives Merkmal jeder kapitalistischen Gesellschaft, aber für diese auch insofern nützlich, als die Armut wie eine Drohkulisse, ein Druckmittel und ein Disziplinierungsinstrument wirkt, während der Reichtum umgekehrt als Leistungsanreiz, Lockmittel und Belohnung für aufstiegsorientierte Gruppen der Bevölkerung erscheint. (ebd., 17)
Von diesen Überlegungen ausgehend, stellt sich die Frage, in welcher Weise UngleichheitUngleichheit mit dem Verständnis von KulturKultur und weitergehend auch mit dem von Transkulturalität zusammenhängen. Ungleichheit erstreckt sich ja keineswegs nur auf sozioökonomische Ungleichheit, sondern auch auf Ungleichheiten, die aufs engste konstitutiv für das Kulturelle sind, von denen hier als Formen die BildungsungleichheitBildungsungleichheit und die sprachliche Ungleichheit erwähnt werden sollen. In diesem Zusammenhang wird auch die Kritik an Wimmers Bestimmung von ‚Kultur‘ in Abschnitt 2.3 präzisiert, die darin besteht, dass er die sozioökonomischen und politischen Dimensionen des Kulturellen zu wenig berücksichtigt.
Wie Quenzel/Hurrelmann (2019, 3) in ihrem Band über „Bildungsarmut“ zeigen, gilt es in der bildungswissenschaftlichen und soziologischen Ungleichheitsforschung als ausgemacht, dass BildungBildung mittlerweile das vorherrschende Medium zur Produktion und Reproduktion sozialer UngleichheitUngleichheitsoziale darstellt. Bildung wird nicht zuletzt deshalb immer bedeutsamer,
weil in modernen Gesellschaften auf der individuellen Ebene der Bedarf an Kompetenzen zur Bewältigung komplexer Anforderungen an die Lebensführung und auf der gesellschaftlichen Ebene die Nachfrage nach analytischen und kommunikativen Qualifikationen stark gestiegen ist (ebd.).
Für die Angehörigen der jungen GenerationGeneration bedeuten die wachsenden Bildungsanforderungen, dass sie einen immer größeren Teil ihrer Adoleszenz statt mit Lohnerwerbsarbeit für den Besuch von Schulen und Hochschulen nutzen, sich bilden und auf eine berufliche Karriere vorbereiten können. Doch aufgrund sozialer Ungleichheiten, Prozesse der MigrationMigrationMigrationArbeits-, Bildungs-, Heirats-, Pendel- darin eingeschlossen, können längst nicht alle Angehörigen dieser Generation von der Möglichkeit längerer Bildungswege profitieren. Selbst unter jenen, die Schul- und Hochschulabschlüsse vorweisen könnten, sind die „ersten zehn bis fünfzehn Jahre des Erwerbslebens […] quer durch alle Bildungsschichten von befristeten Verträgen, temporärer Arbeitslosigkeit, Teilzeitjobs und Mehrfachjobs geprägt“ (ebd., 14). Vor allem bei den weniger Erfolgreichen bestehen die Konsequenzen in geringerem Selbstwertgefühl, psychischer Belastung, demonstrativem Konsum und deviantem Verhalten, fehlenden Netzwerken, geringeren Erwerbschancen und gesundheitlichen Problemen, während auf der Ebene der Gesellschaft ökonomische Folgen, Folgen für die politische IntegrationIntegration und für den sozialen Zusammenhalt zu Buche schlagen (vgl. ebd., 14-20).
Butterwegge (2020) kritisiert das Konzept der ‚Bildungsarmut‘, weil es „zur Reduktion des Armutsproblems auf seine kulturelle Dimension bei[trägt]“. Es suggeriere, dass ArmutArmut durch Bildungsdefizite bedingt sei. „Auch weckt der Begriff ‚Bildungsarmut‘ kaum Empathie, Mitgefühl oder Mitleid, sondern dient […] eher der Diffamierung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen“ (ebd., 227).
Einkommens- und finanzschwachen Familien wird auf diese Weise das sie sozial ausgrenzende und stigmatisierende Etikett der „Bildungsferne“ angeheftet. Damit vertauscht man Ursache und Wirkung, denn ArmutArmut zieht in einer zunehmend ökonomischen Imperativen gehorchenden, marktförmig bzw. kapitalistisch organisierten Gesellschaft zwangsläufig mangelnde bzw. mangelhafte BildungBildung nach sich, während eine gute (Aus-)Bildung heutzutage keineswegs mehr die Gewähr dafür bietet, außerhalb des breiten Niedriglohnsektors zu arbeiten. Bildung garantiert weder den beruflichen und sozialen Aufstieg, noch verhindert sie den wirtschaftlichen Abstieg. (ebd. 230f.)
Wenn höhere oder geringere BildungBildung kein unmittelbares Korrelat in den Dynamiken von sozialem Auf- oder Abstieg hat, so ist der Zusammenhang zwischen ‚BildungsungleichheitBildungsungleichheit‘ und der ‚(Re-)Produktion kultureller Verhältnisse‘ dennoch ersichtlich, wie die oben von Quenzel/Hurrelmann referierten Erkenntnisse zeigen.
Sprachliche UngleichheitUngleichheitsprachliche wird in diesem Buch in verschiedenen Zusammenhängen behandelt. Einzelne Aspekte von sprachlicher Ungleichheit, hier insbesondere von sprachlicher DiskriminierungDiskriminierung großer Gruppen der Bevölkerung in BelgienBelgien und in KanadaKanada/Canada, wurden bereits in den Abschnitten 2.2, 2.4 und 2.5 angesprochen. Andere Aspekte finden sich in Kapitel 5. Sprachliche Ungleichheit ist wie jede Form von Ungleichheit das Ergebnis von MachtMacht, -verhältnisse, die ausgeübt wird, um Menschen hierarchisch zu behandeln, sie in Kategorien einzuteilen und sie als Einzelne und Angehörige dieser Kategorien mit Bewertungen zu versehen (vgl. Blommaert 2010, 154). Die AkteurInnen dieser Macht, die Mächtigen oder die von ihnen Ermächtigten, sind nicht nur jene, welche die Macht haben, Befehle zu erteilen und Anweisungen zu geben oder die als SprecherIn von und für Gruppen eigens für diese Rolle legitimiert sind. Im Fall von sprachlicher Ungleichheit sind die AkteurInnen nicht einige Wenige, sondern kurioserweise viele und potentiell alle, die zu einer Sprachgemeinschaft gehören. Sie üben sprachlich symbolische Macht aus, und dies sowohl gegenüber den Angehörigen dieser Gemeinschaft selbst als auch gegenüber anderen, mit denen sie einen Kommunikationsraum teilen, die aber andere Sprachen sprechen. Typische Fälle für Letzteres bestehen in der sprachlichen Ungleichbehandlung von MinderheitenMinderheiten – als autochthone, migrantischemigrantisches Schreiben oder als genderbasierte Minderheiten – durch die Angehörigen der MehrheitsgesellschaftMehrheit, -sgesellschaft oder durch die Apparate des Staates.
MigrationMigrationMigrationArbeits-, Bildungs-, Heirats-, Pendel- geht geradezu zwangsläufig mit dem Anwachsen sprachlicher DiversitätDiversitätsprachliche in gesellschaftlichen Räumen einher und zieht im NationalstaatNationalstaat das nach sich, was Coulmas (2005) als ‚Sprachregimes‘ beschreibt. Er versteht darunter ein Bündel von Gewohnheiten, rechtlichen Regulierungen und Ideologien, die je nach sozialem Raum die Praxis der SprecherInnen in der Wahl der sprachlichen Mittel beschränken. Busch (2013, 135) verweist zudem darauf, dass es hierbei nicht nur um normative Regulierungen von Sprache, sondern auch um die UngleichheitUngleichheitsozioökonomische in der Verteilung von Ressourcen und MachtMacht, -verhältnisse geht. Sprachliche IntegrationIntegration und Partizipation unterliegen den jeweiligen Sprachregimes, die ihrerseits wiederum Einfluss darauf haben, wie sich das sprachliche Repertoire von ImmigrantInnen verändert. Sprachliche Ungleichheit ergibt sich hierbei durch die Hierarchisierung von Sprachen im Rahmen von gesellschaftlicher MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit.
Anders verhält es sich mit Formen von sprachlicher DiskriminierungDiskriminierung in einer Sprache. Sie entsteht dadurch, dass unsere sprachlichen Handlungen, wenn wir über andere und mit anderen Menschen reden, immer auch Kategorisierungen umfassen: wir teilen Menschen in Kategorien ein und schreiben diesen Kategorien zusätzliche Eigenschaften zu, die nicht selten Bewertungen darstellen oder solche implizieren.
Stefanowitsch (2012) diskutiert die Problematik von sprachlicher UngleichheitUngleichheitsprachliche an einigen Beispielen, darunter an Aussagen wie „Frauen gehen gern shoppen“ oder „Männer können ihre Gefühle nicht zeigen“. Einer der Mechanismen, die zu DiskriminierungDiskriminierung beitragen, besteht darin, dass den Mitgliedern der jeweiligen KategorieKategorie, Kategorisierung noch weitere und scheinbar allgemeingültige Eigenschaften zugeschrieben werden, ohne Rücksicht darauf, ob dies für die Angehörigen dieser Kategorie zutrifft. Ein anderer Mechanismus setzt an der Relevanz von Unterscheidungen an, beispielsweise beim biologischen GeschlechtGender. Stefanowitsch erwähnt hierfür Tätigkeitsbezeichnungen, bei denen nach GeschlechtGeschlecht unterschieden werde (Student/Studentin, Krankenpfleger/Krankenpflegerin), wiewohl das einzig Relevante, was bei der Tätigkeit eine Rolle spielen sollte, die Qualifikation und die Bereitschaft zu dieser Tätigkeit sei. Zwar könne auf die irrelevante GeschlechtGeschlechtermarkierung verzichtet werden, aber sie sei so tief in das Alltagsdenken eingegraben, dass geschlechtsneutralen Formulierungen (Studierende, Pflegekräfte) nicht selten mit Spott oder Unwillen begegnet würde (vgl. ebd., 4).
Besonders problematisch seien
sprachliche Kategorien, wenn sie nicht nur mit zusätzlichen Bedeutungsaspekten behaftet sind, sondern außerdem historischen Ballast transportieren. Die fast schon verzweifelt anmutende Suche nach einem ‚akzeptablen‘ Wort für ‚Menschen mit dunkler Hautfarbe‘ – von Neger zu Farbiger oder Schwarzer zu Person of Color (PoC) oder dunkelhäutiger Mensch – verstellt nicht nur den Blick auf die Frage, warum man Menschen überhaupt nach ihrer Hautfarbe kategorisiert, sondern auch auf die geschichtlichen Zusammenhänge, aus denen diese KategorisierungKategorie, Kategorisierung hervorgegangen [ist] und zu denen sie beigetragen hat. (ebd., 4)
In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat die Kritik seitens der feministischen Bewegung an sexistischem Sprachgebrauch und dem KolonialismusKolonialismus in der Sprache zu einer deutlichen Sensibilisierung für die Problematik sprachlicher UngleichheitUngleichheitsprachliche geführt. Vieles an Veränderungen in Richtung sprachlicher Sichtbarkeit von Frauen und von GeschlechtergerechtigkeitGeschlechtergerechtigkeit in der Sprache wurde inzwischen erreicht (vgl. die Studien in Spieß/Reisigl 2017 und Reisigl/Spieß 2017). Zugleich zeichnet sich in jüngster Vergangenheit aus der Sicht heutiger Trans-Gendertheorien deutliche Skepsis gegenüber der Verfestigung einer binären GeschlechtGeschlechterordnung ab. Dass wir es hierbei mit einem fundamentalen WandelWandel nicht nur der Geschlechterkonstruktionen, sondern auch der kulturellen Verhältnisse zu tun haben, sei hier zumindest erwähnt.
Im Sinne eines Fazits zur Problematik von UngleichheitUngleichheit sei auf die Untersuchungen von Haug (2011) verwiesen. Für Haug ist „KulturKultur […] selbst ein integraler Bestandteil der MachtMacht, -verhältnisse-, HerrschaftHerrschafts- und KlassenverhältnisseKlasse, -nverhältnisse – und diese sind überall und immer kulturell überformt“ (ebd., 38). Mit anderen Worten: Ungleichheit und Differenz sind Haug zufolge zentrale Elemente des Kulturellen. Doch was bedeutet es dann, wenn Geertz (1996) eine seiner Wiener Vorlesungen unter die Frage stellt: „Was ist eine Kultur, wenn sie kein Konsens ist?“ (ebd., 67ff.). Steht hier eine Ungleichheits- und Konfliktkonzeption gegen eine Konsens- und Ausgleichskonzeption von Kultur? Die Antwort auf die Leitfrage gibt Geertz am Schluss der erwähnten Vorlesung: Kultur bedeutet Umgang mit Differenz.
2.7.2 DifferenzDifferenz
KonfliktmanagementKonfliktmanagement verlangt nach Aushandlungsprozessen. Hierbei ist die Anerkennung von Differenz – im Sinne von ‚Unterschied‘ (als Form oder Resultat) und ‚Unterscheidung‘ (als Operation oder Prozess) – ein wichtiger Schritt, der seinerseits zur Voraussetzung hat, dass die Differenz überhaupt erst in die Welt eingeführt und die beteiligten Akteure sich ihrer bewusst sind. Sich der Differenz bewusst zu werden, bedeutet, die GrenzeGrenze(n) oder Grenzen wahrzunehmen, die die verschiedenen Seiten, Parteien, Interessenlagen usw. voneinander trennen.
In einem topografischen Sinne sind GrenzenGrenze(n) die Orte oder Räume, an denen Entitäten sowohl aufeinandertreffen als auch unterschieden werden, z. B. in Form von Grenzen zwischen Staaten oder Regionen. Als natürliche Gegebenheit stellt ein Fluss für Wanderer oder für eine Gemeinschaft eine Grenze dar, aber eben nur solange, wie es keine Brücke oder keine Fähre gibt, so dass der Fluss allenfalls als ein Hindernis oder als ein Symbol für eine Grenze anderer Art, z. B. die eines Herrschaftsbereichs, wahrgenommen wird. Weshalb Grenzen menschengemachte Konstrukte sind, entlang derer sie sich ihre Ordnungen schaffen und ihre Kategorien und Systeme ausbilden, auch die von KulturKultur und kultureller Differenz. Die sozial- und kulturwissenschaftliche Grenzforschung (vgl. Lamont/Molnár 2002, Paasi 2011, Schiffauer et al. 2018) zeigt jedoch, dass die Beziehungen zwischen Differenz und Grenze um vieles komplexer sind, als es eine topografische Wahrnehmung von Grenzen oder die Vorstellung einer Grenze als Linie suggeriert, wie in der sprichwörtlichen „roten Linie“, die nicht überschritten werden darf, ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Oder auch, dass soziale Grenzen als Teil von sozialen DemarkationDemarkationspraktiken zwischen Gruppen oder KlasseKlassen gegebenenfalls nicht sichtbar sind, wie es die Metapher der „gläsernen Decke“ in der Organisationssoziologie ausdrücken will. So richtet die neuere Grenzforschung stattdessen ihr Augenmerk einerseits auf die Praktiken des Umgangs mit Grenzen und die Prozesse des Errichtens, Verteidigens, Durchdringens und Dekonstruierens von Grenzen.1 Und sie untersucht die Ordnungen, die hierbei zur Disposition stehen. Andererseits positioniert sie sich in methodologischer Hinsicht, indem sie dem Prinzip „thinking from the border“ Rechnung trägt, d.h. Grenzen nicht als Rand-Phänomen zu betrachten, sondern ihre Komplexität in den Mittelpunkt zu rücken (vgl. Bossong/Gerst/Kerber et al. 2017, Schindler 2019). In kultur- und sprachwissenschaftlicher Perspektive sind Grenzen sowohl als Praxis der DemarkationDemarkation als auch als Zonen des KontaktKontakts, als Räume des Übergangs und auch als Bereiche eines Kontinuums mit je eigenen kulturellen und sprachlichen Ausprägungen zu verstehen, in welchen sich in der InteraktionInteraktion Muster überlagern, Formen mischen und auf diese Weise Anderes und Neues entsteht, das selbst wiederum den Referenzpunkt für DifferenzierungDifferenzierung darstellt.
Allerdings, und hier ist erneut auf den Soziologen Pierre Bourdieu zu verweisen, steht der Bewusstwerdung von DifferenzDifferenz und GrenzeGrenze(n) oft jenes Phänomen entgegen, das er „le pouvoir de violence symbolique“ (in Bourdieu/Passeron (1970), dt. 1973), d.h. „die MachtMacht, -verhältnisse symbolischer GewaltGewaltsymbolische –“ nennt. ‚Symbolische Gewalt‘ bedeutet die implizite, nicht sofort sichtbare, in diesem Sinne auch die gesellschaftlich akzeptierte Gewalt, mit der die vorherrschende Sicht auf die soziale Welt legitimiert wird. Bourdieu/Passeron betrachten die symbolische Gewalt nicht als rationales Kalkül. Sie wirkt vielmehr durch eine Art Komplizenschaft der Beherrschten, die, um über die HerrschaftsverhältnisseHerrschaftsverhältnisse nachzudenken, nur über die Denkkategorien der Herrschenden verfügen und diese verinnerlicht haben. Nicht grundlos haben Bourdieu/Passeron den Begriff der symbolischen Gewalt im Kontext einer TheorieTheorie der unsichtbaren Hand des Bildungssystems entwickelt. Denn sie wollen zeigen, wie sich das Prinzip der symbolischen Gewalt in einer legitimen gesellschaftlichen Institution – das gilt für das Bildungswesen ebenso wie für das Fernsehen, das Kino, die Zeitungen etc. – entfaltet und sich im HabitusHabitus der Akteure verankert. 18 Jahre nach dem Erscheinen von „La reproduction“ (1970, dt. „Grundlagen einer Theorie der symbolischen Gewalt“) kommt Bourdieu erneut auf diese Problematik zurück. In seinem Werk „La domination masculine“ (1998b, dt. „Die männliche HerrschaftHerrschaft, -sverhältnisse“ 2005) untersucht er eine besondere Form der symbolischen Gewalt. Er geht der Frage nach, warum zwischen Männern und Frauen eine so große Differenz in der Wahrscheinlichkeit des Zugangs zum öffentlichen Raum besteht und warum Frauen in diesen Räumen systematisch unterhalb der Männer positioniert sind.
Dass sich mit dieser Frage in prominenter Weise – sozusagen disziplinkonstituierend – die GenderGender- und Diversitätsforschung befasst, braucht nicht weiter betont zu werden, schon aber der Sachverhalt, dass die der ‚symbolischen GewaltGewaltsymbolische –‘ inhärente Dynamik auch als KonfliktKonflikt zwischen Kräften der Homogenisierung und der Diversifizierung/DifferenzierungDifferenzierung zu analysieren ist, eine Dynamik, die einerseits aus der Nicht-Wahrnehmung von Pluralität und andererseits aus dem Umgang mit Differenz erwächst. Mit welchen lebensweltlichen Konsequenzen dies verbunden ist und welche Erklärungsmodelle dafür entwickelt werden, lässt sich an Untersuchungen im Schnittpunkt von Organisationssoziologie, Betriebswirtschaft Genderund Gender StudiesGender Studies, Genderforschung eindrücklich in ErfahrungErfahrungsprachliche – bringen.
Das Problem ist hinreichend bekannt: Im Zusammenhang mit dem Versagen des Managements vieler Großunternehmen in den Finanz-, Banken- und Wirtschaftskrisen der Jahre 2008 bis 2011 konstatierte der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Siemens Peter Löscher: „In der Führungsetage sitzen nur weiße Männer. […] Wir sind zu eindimensional“ (zitiert nach Erfurt Sandhu 2014, 1). Ein anderer Insider des Topmanangements, ein früheres Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom beschreibt „die Führungsetagen als ‚tradiertes System eingeschliffener Verhaltensweisen und Sozialmechanismen‘, welche mit ‚einem (oft unbewussten) Immunsystem‘ fremde Einflüsse abwehren“ (ebd,. 3), weshalb Erfurt Sandhu schlussfolgert:
Diese Persistenz von HomogenitätHomogenität in oberen Führungsetagen deutet auf rätselhafte Beharrungskräfte hin, die Veränderungsmaßnahmen im Topmanagement abprallen lassen. Die Unternehmen sind zwar bemüht, Führungsetagen vielfältiger werden zu lassen, aber ein tatsächlicher WandelWandel findet nicht statt. Stattdessen reproduziert sich die Homogenität weiter. (ebd., 2)
In Zahlen ausgedrückt: 2014 waren knapp 96 Prozent der Vorstandspositionen der Top-200-Unternehmen in DeutschlandDeutschland von Männern besetzt. Bis heute (2020) ist eine Veränderung, wenn überhaupt, nur mit dem Mikroskop erkennbar. Um das Problem der Beharrungskräfte und Trägheit in Unternehmen – zumindest – auf einer theoretischen Ebene in den Griff zu bekommen, entwickelten Sydow/Schreyögg/Koch (2009) die TheorieTheorie der unsichtbaren Hand der organisationalen Pfadabhängigkeit, die, wie Erfurt Sandhu zeigt, auch einen Ansatz dafür bietet, wie die anhaltende HomogenitätHomogenität in Führungsetagen erklärt werden kann und warum viele der durch diversity management angestoßenen Veränderungsmaßnahmen scheitern. Zudem geht es ihr darum, „die emergenten Effekte pfadabhängiger Dynamiken“ (ebd., 5) zu beleuchten und schließlich zu ermitteln, wo anzusetzen ist, um Pfade – basierend auf formalen und informellen Selektionsprozessen – in der Rekrutierung von Führungspersonal aufzubrechen und ein höheres Maß an Geschlechter- und anderer DiversitätDiversität in Führungsetagen zu erreichen. Der Ausschluss von „Unpassenden“, z. B. von Frauen, sei „nicht zwangsläufig durch die einzelnen Führungskräfte intendiert, sondern ein emergenter Systemeffekt auf kollektiver Ebene zur Stabilisierung des Systems“ (ebd., 212). Keine Organisation komme ohne Koordination und Stabilität aus. „Problematisch wird es jedoch für die Anpassungs- und Lernfähigkeit des Systems, wenn die GrenzenGrenze(n) des Topmanagements undurchlässig bleiben“ (ebd.).
Von dieser wirtschaftswissenschaftlich und gendergender-basierten Ausdeutung von Bourdieus Konzept der symbolischen GewaltGewaltsymbolische – und zum Umgang mit DifferenzDifferenz im Kontext dessen, was seit den späten 1980er Jahren als ‚Unternehmenskultur‘ (vgl. Schreyögg 1989) bezeichnet wird, lässt sich ein Bogen zur kulturtheoretischen Diskussion über Differenz schlagen. Dabei steht außer Frage, dass ein WandelWandel der Unternehmenskultur unabdingbar die Durchlässigkeit von GrenzenGrenze(n) im Auge haben muss. Doch nicht nur die Grenzen in ihrer Spannung zwischen Persistenz und Durchlässigkeit sind hierbei von Bedeutung, sondern auch die VernetzungVernetzung von Kulturen und die Anschlussfähigkeit des Tuns der Akteure an gesellschaftliche, demografische und andere Wandelprozesse. Dies alles läuft darauf hinaus, die verschiedenen Aspekte von Differenz und DifferenzierungDifferenzierung in den Blick zu bekommen.
Bekanntermaßen sind es die TheoretikerInnen der Postkolonialismusforschung und der feministischen und Geschlechterstudien, die mit ihren Differenzkonzepten und -interpretationen ein sehr viel genaueres Verständnis von sozialen Prozessen und Interaktionen erreicht haben und die zeigen, wie binäre Grenz-Logiken – das Eigene vs. das Fremde, innen vs. außen, global vs. lokal, Mann vs. Frau, IdentitätIdentität vs. AlteritätAlterität usw. – aufzubrechen sind. Seitens der Postkolonialismusforschung liegt ein deutlicher Akzent auf dem Zusammenhang von ‚KulturKultur‘ und ‚Differenz‘. So sind die Schlüsselbegriffe in Homi Bhabhas Denken ‚HybriditätHybridität‘, ‚Dritter Raum‘ und ‚kulturelle DifferenzDifferenz‘, während für Stuart Hall „das verhängnisvolle Dreieck“ (Hall 2018), bestehend aus den Konzepten und Vorstellungen von ‚Rasse‘, ‚EthnieEthnie‘ und ‚NationNation‘ die Projektionsfläche darstellt, entlang derer er seine differenztheoretischen Betrachtungen entwickelt.2
Bhabhas Begriff der ‚kulturellen Differenz‘ ist ein Konzept, das sich – um die prägnante Formulierung von Saal (2014, 37) aufzugreifen, „auf das produktive Potential differenter Perspektiven im Rahmen interkultureller Verhandlungen und Austauschprozesse“ bezieht. Der ‚Dritte Raum‘ sei „der Ort, wo diese Verhandlungen stattfinden“, während „HybriditätHybridität auf die grundsätzliche Differentialität von KulturKultur“ (ebd.) referiert.3 Stuart Hall wiederum lotet verschiedene Zusammenhänge der Dialektik von kultureller IdentitätIdentitätkulturelle und Differenz aus, die er beide im Sinne eines Produktionsprozesses und einer Nichtabgeschlossenheit betrachtet und aufeinander bezieht. Was dann zur Folge hat, dass bei ihm Identität4 keinesfalls essentialistischessentialistisch verstanden wird, wie es ansonsten in Alltags-, in politischen und oft auch in wissenschaftlichen Diskursen immer wieder der Fall ist, sondern bei ihm grundsätzlich als ‚IdentifikationIdentifikation‘ zu lesen und durch Dimensionen der Hybridität, KreolisierungKreolisierung, EntwurzelungEntwurzelung und DiasporaDiaspora geprägt wird.
Es soll hier nicht darum gehen, die differenztheoretischen Erkenntnisse der beiden Kulturtheoretiker der Multi- und InterkulturalitätInterkulturalität im Detail zu referieren. Vielmehr ist es für das weitere Verständnis wichtig, sich auf die Eckpunkte zu konzentrieren, die mit den Begriffen, die das „verhängnisvolle Dreieck“ bilden, ziemlich genau den Ort und die Dynamiken dieser Diskussionen markieren. Bezugspunkt ist die Auseinandersetzung mit dem KolonialismusKolonialismus und dessen Erbe, d.h. mit den Differenzen, Kategorien und GrenzenGrenze(n), die durch dieses Machtsystem etabliert und sich auf lange Zeit in die Gesellschaften und in das Verhalten der Menschen eingeschrieben haben. Wer es genauer wissen will, der lese die Werke des aus Martinique stammenden Vordenkers der EntkolonialisierungEntkolonialisierung, des Psychaters und Schriftstellers Frantz Fanon „Schwarze Haut, weiße Masken“ (frz. 1952, dt. 1980) und „Die Verdammten dieser Erde“ (frz. 1961, dt. 1966) sowie des tunesisch-französischen Soziologen und Autors Albert Memmi „Der Kolonisator und der Kolonisierte. Zwei Portraits.“ (frz. 1957, dt. 1980). Auch für Stuart Hall ist Frantz Fanon eine zentrale Referenz.