Kitabı oku: «Mein Freund, der Kunde», sayfa 2
Raus aus der Stressfalle!
Wer es allen recht machen will, kann nichts richtig machen
Mitarbeiter in Unternehmen, die verkaufen wollen, ohne sich auf ihre Stärken zu konzentrieren, geraten zunehmend unter Stress. So wie der Verkäufer einer Einzelhandelskette, dem ich vor Kurzem als Kunde gegenüberstand. Sein Unternehmen betreibt große Verbrauchermärkte auf der »grünen Wiese«, die neben Lebensmitteln auch ein umfangreiches Non-Food-Sortiment bieten. Von den Cornflakes bis zum Geschirrspüler bekommt man hier alles. Damit erhebt das Unternehmen das Gegenteil von Konzentration zum Prinzip. Da ich mit meiner Familie nun einmal da war und wir einen neuen Wäschetrockner suchten, machte ich mich auf den Weg in die Elektroabteilung.
Nach langem Suchen fand ich den einzigen für die Elektroabteilung zuständigen Mitarbeiter. Sichtbar lustlos begleitete er mich zu dem Wäschetrockner, der gerade als »Preishammer« ausgewiesen war. Ich fragte den Verkäufer, was denn für diesen Trockner spricht. Da schaute ich in ungläubige Augen. Diese schienen zu sagen: Kann man das riesige Preisschild etwa übersehen? Ich wusste, dass ich zu diesem günstigen Preis im Internet problemlos noch andere Geräte finden würde. Deshalb wollte ich vom Verkäufer wissen: Warum soll ich genau diesen Wäschetrockner gerade hier kaufen? Ist der besonders gut, haltbar, oder effizient? Bekomme ich hier einen besonders guten Service?
Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit
Ich sah den Verkäufer an und merkte, wie er jetzt maximal unter Stress stand. Man konnte förmlich beobachten, wie der Schweiß auf seiner Stirn Perlen formte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, außer vielleicht, die technischen Daten vorzulesen, die auf einem großen Schild auf der Ladeluke des Trockners zu lesen waren. Dafür veränderte er jetzt seine Körperhaltung in Richtung »Brust raus, Bauch rein«. Unter Verkäufern heißt diese Reaktion »SABVA«. Die Abkürzung steht für »Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit«.
Schließlich bedankte ich mich herzlich bei dem Verkäufer und ging weiter in die Lebensmittelabteilung. Dieser Mann tat mir einfach nur leid. Wie soll solch ein Mitarbeiter Kunden für seine Produkte gewinnen? Ein einziger Verkäufer war hier zuständig für alles, was Strom verbraucht: Wäschetrockner und Waschmaschinen, Flachbildfernseher, Hi-Fi-Anlagen, Mobiltelefone, MP3-Player, Haartrockner, Netbooks, Rasierapparate, Funkwecker, Kühlschränke und und und. Wie soll sich dieser Mitarbeiter auch nur mit einem einzigen Produkt auskennen? Er hat schon genug damit zu tun, in seiner Abteilung den Überblick zu behalten. Wenn dann noch das Gehalt und die Arbeitsbedingungen nicht gerade berauschend sind, ist Dauerfrust angesagt. Doch eines ist klar: Ein frustrierter Verkäufer macht keine Kunden zu Freunden.
VON DEN BESTEN LERNEN: Kopp Schleiftechnik GmbH
Wenn von Unternehmen die Rede ist, die begeisterte Mitarbeiter haben und ihre Kunden zu Fans machen, fallen in der Literatur Namen wie Apple, Porsche oder Prada. Durch den Mittelstand geht dann ein Raunen. »Wenn ich iPhone und iPad, den 911er oder edle Handtaschen verkaufen sollte, dann hätte ich es auch leichter«, entgegnen Unternehmer. Dass die Produkte aber gar nicht besonders »sexy« sein müssen, um begeisterte Mitarbeiter zu haben und Kunden zu Freunden zu machen, beweisen deutsche Mittelständler immer wieder. Eines der Unternehmen, die hier den Bogen raus haben, ist die Kopp Schleiftechnik GmbH.
Wer die idyllisch am Rande eines Dorfs im Odenwald gelegene Firma besucht, betritt keine Werkshalle, sondern eine »Manufaktur«. Diese Bezeichnung bringt den Stolz des familiengeführten Werkzeugherstellers und seiner Mitarbeiter auf den Punkt. Kunden, die sich bei Kopp für Zerspanungswerkzeuge, Bohrer oder Fräser interessieren, suchen keine Massenprodukte. Sie wollen vielmehr das für ihren Betrieb genau passende Werkzeug haben. Dazu braucht ein Hersteller zuallererst die Bereitschaft, seinen Kunden zuzuhören. Jürgen, Achim und Heike Kopp haben Spaß daran, ihre Kunden ganz genau kennenzulernen.
Die mittelständisch geprägte deutsche Werkzeugindustrie erwirtschaftet laut Fachverband Werkzeugindustrie e.V. (FWI) einen Umsatz von mehr als 2,7 Mrd. Euro im Jahr. Wie kann ein kleiner Betrieb mit weniger als 50 Mitarbeitern sich hier fokussieren? Kopp Schleiftechnik besetzt mit Maßarbeit und Präzision eine lukrative Nische. »Durch die ausführliche Beschäftigung mit den Produktionsanforderungen des Kunden entstehen zunächst neue Werkzeugideen«, erklärt die Firma auf ihrer Website. »Unsere Fachleute arbeiten dann eng zusammen, um aus Zeichnungen und Plänen hochwertige Werkzeuge herzustellen.«
(http://www.kopp-schleiftechnik.de/seiten/manufaktur/manufaktur.htm)
Doch Know-how und Qualitätsstreben sind noch nicht alles. Bei Kopp hat man sich ausdrücklich zum Ziel gesetzt, auch durch »menschliche Werte« zu überzeugen. Die Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft e.V. hat die Kopp Schleiftechnik GmbH jüngst für ihre »partnerschaftliche Unternehmenskultur« ausgezeichnet. Der Preis ist die Anerkennung für das jahrelange Bemühen um ein Klima, das für Management, Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen stimmt. Ehrlichkeit und Verantwortung zählen zu den Kernwerten der Firma, auf die sich die Kunden verlassen können. Objektive Befragungen bestätigen regelmäßig, dass Mitarbeiter und Kunden sich gut aufgehoben fühlen. Mit der Formel »Maßarbeit + Qualität + Werte« sieht man sich im Odenwald für die Zukunft gut gerüstet.
Kopp Schleiftechnik GmbH: Was lässt sich daraus lernen?
Das Produkt muss nicht sexy sein, wenn die Firma sexy ist.
Konzentration ist auf mehreren Ebenen möglich (Produkte, Prozesse, Märkte usw.).
Wenn kleine Anbieter es zum Prinzip erheben, auf individuelle Kundenwünsche einzugehen und menschliche Werte zu leben, brauchen sie keine Angst vor den »Großen« zu haben.
Wer sich nicht konzentriert, brennt aus
Hektik und Stress als Normalzustand?
In Unternehmen, die sich nicht konzentrieren, regiert Stress statt Begeisterung. Das gilt nicht nur für frustrierte Verkäufer in der Elektroabteilung. Wenn ich als Berater zum ersten Mal in ein mittelständisches Unternehmen komme, bin ich häufig schockiert über die Hektik und Unruhe, die mir da entgegenschlägt. In solchen Firmen war typischerweise schon die Terminfindung schwierig. Und als Externer muss man damit rechnen, dass auch an den Besuchstagen kurzfristig noch irgendetwas abgesagt, umgestellt oder zeitlich gekürzt wird. Klar, »Business« kommt von »busy«, und ich erwarte in einem Unternehmen nicht die Atmosphäre einer Kurklinik. Aber manchmal habe ich das Gefühl, die Mitarbeiter »rotieren« nur noch den ganzen Tag.
In den Gesprächsrunden in solchen Unternehmen kommen wir den Ursachen meistens schnell auf die Spur. Das Management will hier alles auf einmal und sofort. Ständig werden Ideen für neue Produkte generiert und ständig sollen neue Märkte erobert, neue Kundenkreise erschlossen werden. Mit der Zeit ist so ein richtiger Gemischtwarenladen entstanden. Die Vertriebsmannschaft soll dann alles verkaufen, verkaufen, verkaufen. Sie ist ständig auf Achse, um alle diese Produkte in den Markt zu drücken. Doch kaum kommt mal ein Produkt gut an, wird es schon vom nächsten abgelöst. Hier scheint das Motto zu regieren: Wir wissen zwar nicht, worin wir gut sind, aber das machen wir mit voller Kraft.
Mehr Gelassenheit durch Konzentration
Immer wenn ich in solchen Unternehmen zu Besuch bin, weiß ich wieder, welchen Sinn mein Beruf hat. Denn alle diese Mitarbeiter könnten viel weniger Stress, viel mehr Zeit für ihre Familien und viel mehr Freude bei der Arbeit haben, wenn man ihnen nur hilft, sich zu konzentrieren. Die Vertriebsmannschaft braucht dann kein aggressives Verkaufen mehr, sondern kann jedem Kundenkontakt so gelassen entgegensehen wie einem Besuch bei Freunden.
Doch in vielen Unternehmen kommen den Mitarbeitern diese Gedanken im ersten Moment exotisch vor. Sie sind es dermaßen gewohnt, im Hamsterrad zu drehen, dass sie sich schon fast nichts anderes mehr vorstellen können. Sie glauben, nur dann dauerhaft erfolgreich sein zu können, wenn sie die Schlagzahl noch weiter erhöhen und noch offensiver verkaufen. Woran liegt das?
Immer an den Kunden denken
Im Mai 1998 musste ich selbst zum ersten Mal schmerzhaft lernen, wie man es sich unnötig schwer machen kann, seine Produkte zu verkaufen. Als ich im Flieger auf dem Weg von Frankfurt nach Chicago saß, war ich noch guter Dinge. Mein erster Kundenbesuch in den USA stand an. Der sollte ein besonderes Highlight meiner noch jungen Karriere werden. Auf dem heruntergeklappten Tischchen vor meinem Sitz hatte ich neben Cola und einer kleinen Tüte Nüsse vom Bordservice jede Menge Unterlagen ausgebreitet. Ich wollte perfekt vorbereitet sein, um unsere Firma ins beste Licht zu rücken und diesen Kunden zu gewinnen. Immer noch feilte ich an meinen Argumenten.
Bei dem Kunden im Mittleren Westen der USA wurde ich dann begrüßt wie ein alter Freund. Ich war total begeistert und konnte es kaum erwarten, bis es endlich hieß: »Let’s talk business.« Ich donnerte meine Argumente in Richtung meines Gesprächspartners, wie einst Boris Becker in Wimbledon seine Bälle auf die andere Seite des Netzes: Wir bieten Qualität made in Germany. Wir haben ein 2000 Quadratmeter großes Lager. Unser Team ist eines der jüngsten aller Unternehmen der Region. Wir haben die modernsten Ausbildungsstandards. Und so weiter. Ich redete und redete.
»What’s in it for me?« – Was habe ich davon?
Als ich endlich fertig war, wirkte mein Gegenüber, ein großer, stämmiger Amerikaner, völlig unbeeindruckt. Nach einer unangenehmen Pause sagte er mit ruhiger, tiefer Stimme: »Okay, Juergen, just one question.« Nur eine Frage. »What’s in it for me?« Was habe ich davon? Mit dieser Frage hatte mein Kunde mich kalt erwischt. Er hatte ja recht: Was hatte er von unserem Lager? Was hatte er davon, dass wir in Deutschland produzierten? Was interessierte ihn das Durchschnittsalter unseres Teams?
Plötzlich war mir klar, dass ich meine Geschichte aus der falschen Perspektive erzählt hatte. Nämlich aus der Innenperspektive. Ich musste sie dem Kunden neu erzählen. Nicht »Made in Germany« war ihm wichtig, sondern dass unsere Produkte zwar nicht billig, aber dafür haltbar und damit langfristig günstig waren. Oder dass wir wegen unserer Lagerlogistik auch sehr kurzfristig liefern konnten. Dass überhaupt Schnelligkeit und Flexibilität zu unseren Stärken zählten. Da hatte ich in unzähligen BWL-Büchern alles über das Thema »Kundennutzen« gelesen. Doch erst die Frage eines amerikanischen Provinz-Unternehmers machte mir klar, was das Wort bedeutet. Es bedeutet: »What’s in it for me?«
Aufhören, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen
In der Theorie ist jedem Unternehmer und jedem Manager im Mittelstand klar, dass er seinen Kunden maximalen Nutzen bieten muss. Niemand würde sagen: Unsere Firma produziert nutzloses Zeug. In der Praxis sehe ich jedoch immer wieder, wie man sich liebend gern mit sich selbst beschäftigt. Da sagt dann irgendjemand aus dem Führungskreis: »Lasst uns doch mal brainstormen.« Abends beim Bier werden dann Ideen über Ideen produziert. Die Umsetzbarkeit? Besprechen wir ein andermal. Hauptsache wir Manager wissen, wie man so was macht. Wenn ein Kunde anwesend wäre, würde er sich verdutzt die Augen reiben. Er müsste sich fragen: Was habe ich von all den tollen Ideen?
In die Außenperspektive wechseln!
Der Ausweg aus der Falle ist der Wechsel in die Außenperspektive. Kennen Sie den Rat, den Arbeitspsychologen praktisch jedem jungen Bewerber geben, der nicht weiß, wo er sich bewerben oder welche Ausbildung er machen soll? Dieser Rat lautet: Frag deine Freunde, wenn du wissen willst, was deine Stärken sind. Lass dich von außen »spiegeln«. Was deine Freunde an dir am meisten schätzen, sind deine größten Stärken. Auch Unternehmen können diesen Rat beherzigen. Sie müssen dazu bloß »Freunde« durch »Kunden« ersetzen. Wenn Manager untereinander Pläne schmieden, spielen oft ihre persönlichen Lebensträume und Fantasien von grenzenlosem Erfolg mit hinein. Im Extremfall schaut niemand mehr auf die tatsächlichen Stärken, sondern nur noch auf das, was er gerne wäre und wie er das Unternehmen gerne hätte.
Kunden geben da viel ehrlicheres und besseres Feedback. Wenn man sie offen fragt und ernsthaft einbindet, sagen sie dem Unternehmen alles, was ihnen nicht passt. Aber sie sagen auch alles, was sie an dem Unternehmen richtig stark finden. Nachdem wir damals bei drilbox unseren »China-Schock« erlitten hatten, riefen wir deshalb einen Kundenbeirat ins Leben. Nicht als Alibi-Veranstaltung, wie bei manchem Konzern, sondern um wirklich von den Kunden zu lernen, worin wir richtig gut sind.
Das ehrlichste Feedback gibt der Kunde
Den Kundenbeirat luden wir bewusst nicht in die Firma ein, sondern ins Privathaus des Unternehmers Jörg Knoblauch. Es sollten Treffen »unter Freunden« sein. Wir wollten der Wahrheit ungeschminkt ins Auge sehen und waren auf jede Kritik gefasst. Überraschenderweise waren alle Kunden nicht nur sehr engagiert bei der Sache, sondern wiesen uns hauptsächlich auf unsere Stärken hin. Sie benannten dabei auch Dinge als Stärken, die für uns völlig selbstverständlich waren. Unser breites Produktsortiment war den Kunden zum Beispiel viel wichtiger als der Preis oder die Tatsache, dass die Bohrerkassetten made in Germany waren. Die Tatsache, dass wir auch für das seltenste Werkzeug die passende Aufbewahrungsbox liefern konnten, hatten wir bis dahin in unserem Marketing nie herausgestrichen. Wir glaubten, die Chinesen hätten unsere Expansionspläne durchkreuzt. Und jetzt lernten wir, was die Kunden an uns schätzten.
VON DEN BESTEN LERNEN: Eifel-Destillerie P. J. Schütz
Im Jahr 2010 wurde der »Bundesehrenpreis« des deutschen Landwirtschaftsministeriums, die landesweit höchste Auszeichnung für Lebensmittelqualität, erstmals in der Kategorie Spirituosen vergeben. Preisträger war die Eifel-Destillerie P. J. Schütz in Lantershofen im Ahrtal. Das Unternehmen stellt seit 1925 Kräuterspirituosen und Fruchtliköre her. »Eifelgeist«, »Eifelgold« und »Schütz-Boonekamp« zählen zu den traditionellen Spezialitäten. Der Firmensitz befindet sich auf einem landwirtschaftlichen Gut. Hier können Kunden während der Öffnungszeiten des Fabrikverkaufs auch direkt einkaufen.
Jahrelang war es das ehrgeizige Ziel des durchaus schon erfolgreichen Unternehmens, noch in die Sortimente der großen Ketten des Lebensmittel-Einzelhandels (LEH) aufgenommen zu werden. Ein großer Teil der Managementaktivitäten galt diesem Ziel. Bekanntlich sind die Bedingungen der großen Handelsketten für ihre Lieferanten sehr streng. Der gnadenlose Wettbewerb im LEH ermöglicht zudem nur hauchdünne Margen. Die zu erwartende Absatzsteigerung hätte mit geringer Profitabilität erkauft werden müssen. Entsprechend schwierig waren die Verhandlungen.
Die Strategiewende kam, als die Eifel-Destillerie den Markt intensiver erforschte und sich auf ihre eigentlichen Stärken konzentrierte. Es stellte sich nämlich heraus, dass der Hersteller zu den bekanntesten Marken in der Region zählte. Überraschenderweise besaßen die Fruchtliköre des Traditionsunternehmens bei jungen Erwachsenen geradezu Kult-Charakter. Als »Himbi« war der Himbeerlikör von P. J. Schütz ein Renner in den Lokalitäten des gesamten Umlandes. Es bestand überhaupt kein Grund zu der Befürchtung, dass die Stammkunden »aussterben« könnten.
Heute ist die Eifel-Destillerie P. J. Schütz konsequent als regionale Marke aufgestellt und begreift genau das als ihre Stärke. Das Thema Eifel spielt im Marketing eine zentrale Rolle. Daneben entdeckte der Hersteller, dass natürliche Zutaten, die seit jeher ausschließlich verwendet wurden, genau im Trend der Zeit liegen. Mit Premium-Likören aus besten Rohstoffen konnten deshalb neue, anspruchsvolle Kundengruppen im Einzugsgebiet des Unternehmens gewonnen werden.
Eifel-Destillerie: Was lässt sich daraus lernen?
Konzentration auf die eigenen Stärken kann Selbstbeschränkung bedeuten.
Probleme ziehen mehr Aufmerksamkeit an als Chancen. Wenn etwas nicht klappt, wird es immer wieder versucht. Hier gilt es, sich rechtzeitig Alternativen zuzuwenden.
Die eigenen Stärken sind einem Unternehmen manchmal überhaupt nicht bewusst. Wer den Kunden aufmerksam zuhört, erlebt Überraschungen.
An den Grenzen der Effizienzoptimierung
Selbstverständlich ist es legitim, wenn sich Unternehmen mit sich selbst beschäftigen. Die Innenperspektive ist notwendig, um beispielsweise Prozesse zu optimieren oder die Teamfähigkeit der Mitarbeiter zu steigern. Seit Jahren kümmern sich Unternehmen intensiv um das Thema Effizienz. Zeitplansysteme, Lean Management, Restrukturierung, Prozessoptimierung, Abflachung der Hierarchien – das alles war und ist richtig und wichtig. In vielen Unternehmen im Mittelstand konnten Effizienzpotenziale von 30 bis 40 Prozent gehoben werden. Entsprechend stark ist die Leistungsfähigkeit gestiegen.
Gewonnene Spielräume werden wieder verschenkt
Was ich heute jedoch häufig beobachte, ist die stillschweigende Kompensation der Effizienzoptimierung. Die höhere Leistungsfähigkeit des Unternehmens verpufft, weil die gewonnenen Spielräume für unüberlegte Expansionen genutzt werden. Man will mehr machen, weil man mehr machen kann. Anstatt es besser zu machen. Wurden Ressourcen früher durch Bürokratie und ineffiziente Prozesse verschwendet, so gehen sie heute typischerweise dadurch verloren, dass ein Unternehmen lauter Dinge ausprobiert, durch die es unter seinen Kunden nur schwer Freunde gewinnen kann.
Effizienzoptimierung macht heute vor allem dann Sinn, wenn gleichzeitig an den Kernkompetenzen gearbeitet wird. Wer Energien sammelt, um sie im nächsten Moment wieder zu verschwenden, hat nichts gewonnen. Erst Effizienz plus Konzentration schafft die nötige Beweglichkeit, um sich ganz auf die Kunden und ihre Bedürfnisse zu konzentrieren.
Es geht auch einfach
Die aktive Arbeit an der Kernkompetenz gehört heute für das Management jedes mittelständischen Unternehmens auf die Agenda. Und es ist Aufgabe eines Vertriebsleiters, das Bewusstsein der Kernkompetenz bei allen Mitarbeitern mit Kundenkontakt immer wieder zu stärken. Am Ende wird jeder Mitarbeiter sagen können: Ich »verkaufe« nicht. Sondern ich weiß genau, wer wir sind und welchen Nutzen wir bieten, und ich gewinne damit immer wieder von Neuem das Vertrauen unserer Kunden. Der Schlüssel dazu ist die kontinuierliche Arbeit an der Kernkompetenz.
Es genügt nicht, einmal auf ein Flipchart zu schreiben, was ein Unternehmen besonders gut kann. Das ist bestenfalls der Anfang in den Firmen, die im Prozess der Konzentration und der Stärkung ihrer Identität noch nicht weit gekommen sind. Menschen verändern sich ständig, Märkte verändern sich ständig, deshalb müssen auch Unternehmen sich ständig verändern. Aber nicht willkürlich, sondern indem sie bei dem, was sie besonders gut können, immer besser werden und immer neue Facetten dieser Kompetenz erkennen.
Sich Zeit nehmen, nachdenken und zum Kern vorstoßen
Ungeahnte Chancen entdecken
Als wir damals bei drilbox den ersten Schock überwunden hatten, wie einfach es war, unsere Produkte zu kopieren, haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, was andere alles nicht oder nur sehr schwer kopieren könnten. Ein Punkt war die bereits erwähnte Produktvielfalt. Wir waren damals ein Spezialist, der nichts als Bohrerkassetten herstellte. Unsere asiatischen Nachahmer suchten bloß nach lukrativen Gelegenheiten. Unsere gesamte Produktpalette zu kopieren, hätte sich für sie nicht gerechnet. Sie konzentrierten sich deshalb auf die meistverkauften Varianten. Deshalb beschlossen wir, in unsere Vielfalt zu investieren, diese deutlicher zu kommunizieren und unsere Kunden noch mehr nach ihren speziellen Wünschen zu fragen.
Ein anderer Punkt zählte nicht nur bei uns zu den großen Stärken. Viele Mittelständler sind durch ihre gewachsenen Kundenbeziehungen und das so entstandene Vertrauen stark. Das wird oft gar nicht gesehen. Nicht wenige Unternehmer denken: Wenn mich ein Konkurrent beim Preis unterbietet, bin ich geliefert. Sie unterschätzen, wie wichtig ihren Kunden freundschaftliche, vertrauensvolle Beziehungen sind. Sie selbst wechseln ja auch nicht reflexartig die Bankverbindung, nur weil es inzwischen billige Direktbanken gibt. Sondern Sie wissen, wie wichtig ein persönlicher, seit Jahren vertrauter Ansprechpartner bei der Hausbank gerade dann ist, wenn es einmal nicht so rund läuft.
Besonders wenn sich das Angebot eines Unternehmens an Firmenkunden richtet, sind persönliche Kundenbeziehungen oft Teil der Kernkompetenz. Wo sich maßgeschneiderte Lösungen »auf dem kurzen Draht« vereinbaren lassen, ist der Preis oft nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium. Außerdem schätzen es Firmenkunden, wenn ein Partner ihre Sorgen und Nöte versteht. Unter Freunden kann man beispielsweise über kurzfristige Zahlungsschwierigkeiten aufgrund von Liquiditätsengpässen offen reden und dafür Lösungen finden. Wo man sich lange kennt und dem anderen vertraut, weiß man, dass er erstens die Wahrheit sagt und zweitens schnell wieder bei Kasse sein wird. So übt man sich ein wenig in Geduld, wo ein Konzern längst das Mahnverfahren in Gang setzen würde. Kundenbeziehungen lassen sich gezielt pflegen und aktiv stärken, zum Beispiel durch Kundentage oder einen Kundenbeirat. Sobald man weiß, dass diese intakten Beziehungen zur eigenen Kernkompetenz zählen.
Methodenkoffer
Kernkompetenzen sind besondere Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Technologien, die vom Kunden als einzigartig angesehen, von der Konkurrenz nur schwer zu kopieren und auf eine Vielzahl von Märkten übertragbar sind. Wenn die Kernkompetenzen unzureichend entwickelt oder nicht bekannt sind, gilt es zu handeln.
To do:
Analysieren Sie Ihre Stärken und Schwächen. Schreiben Sie auf, was Ihr Unternehmen besonders gut kann und was verbesserungsbedürftig ist.
Vergleichen Sie Ihr Profil mit der Konkurrenz. Analysieren Sie insbesondere, was die besten Ihrer Branche einzigartig macht.
Finden Sie heraus, wer die Know-how-Träger in Ihrem Haus sind, und stärken Sie diese.
Fragen Sie sich, was der Kunde von Ihren Produkten hat. Beschäftigen Sie sich mit Ihrem Kunden und nehmen Sie dessen Perspektive ein.
Führen Sie regelmäßig Gespräche mit Betriebsfremden (Bankmitarbeiter, Verbandsmitarbeiter, Journalisten usw.), um Betriebsblindheit vorzubeugen.
Zeigen, wer man ist und was man zu bieten hat
Ob Sie wirklich wissen, was Ihre Kunden am meisten an Ihnen schätzen, zeigt Ihnen der legendäre »Elevator Pitch«, auch »Fahrstuhltest« genannt. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten für einen mittelständischen Fensterhersteller. Schon lange jagen Sie einem potenziellen Kunden hinterher. Es ist ein großes Hochbau-Unternehmen, das jedes Jahr Zigtausende Fenster einkauft. Immer wieder haben Sie mit dem Unternehmen telefoniert. Jetzt endlich dürfen Sie einmal persönlich vorbeikommen. Der stellvertretende Einkaufsleiter will sich eine Viertelstunde Zeit für Sie nehmen.
Nun gut, denken Sie, besser als nichts, und fahren hin. Die Hochbau-Firma sitzt in einem Hochhaus – wo sonst? Sie melden sich am Empfang und man bittet Sie, in die 7. Etage zu fahren. Als Sie vor dem Aufzug warten, tritt ein Herr im dunklen Anzug mit korrektem Silberscheitel neben Sie, nickt Ihnen freundlich zu und sagt »Guten Morgen«. Sie kennen den Mann von Fotos. Es ist der Firmengründer und Chef höchstpersönlich, auf dem Weg in die oberste Etage.
Spontan zeigen können, wer man ist
Was machen Sie jetzt? Sie werden die nächsten ein bis zwei Minuten mit dem Chef verbringen. Er kann nicht weglaufen. Und weil er ein höflicher Mensch ist, wird er Ihnen zuhören, wenn Sie ihn ansprechen. Aber was sagen Sie? Fangen Sie das Verkaufsgespräch, das Sie mit dem stellvertretenden Einkaufsleiter führen wollten, jetzt mit dem Chef an? Keine gute Idee. Der Chef wird Sie an den Einkauf verweisen. Und wenn Sie dort damit prahlen, schon mit dem Chef gesprochen zu haben, werden die Mitarbeiter sich übergangen fühlen und Ihnen nie im Leben einen Auftrag geben.
Also, was machen Sie? Wenn Sie Ihre potenziellen Kunden wie Ihre potenziellen Freunde behandeln und deren Vertrauen gewinnen möchten, dann zeigen Sie jetzt einfach, wer Sie sind. Wenn der Chef Sie nach Ihrer Firma fragt, dann erzählen Sie nichts von einem x-beliebigen Fensterhersteller. Sondern Sie erzählen, was Ihre Kunden an Ihnen lieben. Was Sie besonders gut können. Ihre Kernkompetenzen. Ersparen Sie dem Chef die Frage »What’s in it for me?«. Denn das müssen Ihre Worte wiedergeben.
Ein solches Fahrstuhlgespräch können Sie nicht in Wochenendseminaren proben. Wenn Sie die typischen »Verkäufersprüche« aufsagen, wird Ihr Gesprächspartner das merken und seine Ohren auf Durchzug schalten. Wenn Sie aber authentisch sind und ganz selbstverständlich darüber sprechen, warum Sie glauben, mit Ihren Stärken diesem Kunden wirklich weiterhelfen zu können, dann werden Sie mit ziemlicher Sicherheit auf offene Ohren stoßen. Vorausgesetzt, Sie können die Dinge auf den Punkt bringen.
Der Kern ist immer einfach
Die Zehn Gebote haben nur 81 Wörter
Wenn Sie Ihre Kernkompetenz auf den Punkt bringen wollen, kommt Ihnen ein allgemeingültiges Prinzip zugute: Der Kern ist immer einfach. Wesentliches lässt sich kurz fassen. Um zu zeigen, wie unnötig schwer wir es uns da oft machen, verglich der Journalist Bodo H. Hauser einmal die Textmenge der Zehn Gebote mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und dem Umfang einer typischen EU-Verordnung. Tatsächlich haben die Zehn Gebote nur 81 Wörter. Damit war für das Volk Israel alles Wesentliche gesagt. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung hat immerhin schon 1320 Wörter. Und die Verordnung der Europäischen Union über die ökologische Landwirtschaft hat sage und schreibe 13 800 Wörter!
Der »Fahrstuhltest« zeigt Ihnen: Wenn Sie kurz machen können, was Sie ausmacht, dann liegen Sie richtig. Wenn auch ein Viertklässler versteht, was Ihre Firma für ihre Kunden leistet, haben Sie es auf den Punkt gebracht. Oft, wenn ich als Berater in mittelständische Unternehmen komme, trommele ich alle Mitarbeiter mit Verantwortung zusammen und stelle dann vor versammelter Mannschaft eine einfache Frage: Was, glauben Sie, sind Ihre größten Stärken? Sehr häufig kommt jetzt eine von zwei Reaktionen: Die erste ist an die Decke schauen und die zweite auf den Boden schauen. Meistens ist es der Vertriebsleiter, der sich schließlich ein Herz fasst und das Wort ergreift. Und typischerweise kommen jetzt erst einmal Plattitüden.
Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie nur kurze Zeit später, nach intensivem gemeinsamem Nachdenken über die Stärken des Unternehmens, jeder einzelne Mitarbeiter ohne langes Nachdenken und mit einer Menge Stolz darstellen kann, worin die Kernkompetenz besteht. Und dann, noch mal kurze Zeit später, kommen die ersten Berichte, dass Kundenbesuche plötzlich anders verlaufen. Man muss ja gar nicht mehr so angestrengt »verkaufen«! Es hat sich etwas verändert.