Kitabı oku: «Mein Freund, der Kunde», sayfa 4

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Der Kunde, das unbekannte Wesen

Wer kauft, bleibt oft dem Zufall überlassen

Unternehmen ohne klaren Zielgruppenfokus kennen typischerweise ihre Produkte gut und ihre Kunden schlecht. Sie bringen ihre Waren oder Dienstleistungen auf den Markt und überlassen es dann mehr oder weniger dem Zufall, wer diese kauft. Jeder, der die Rechnung bezahlt, ist willkommen. Jedenfalls so lange, bis es zu Umsatzeinbrüchen, dem Verlust von Marktanteilen oder schmelzenden Gewinnmargen kommt. Und dann niemand im Unternehmen einen blassen Schimmer hat, woran das liegen könnte. Während wir das Verhalten unserer langjährigen Freunde meist sehr gut einschätzen können, sind Fremde für uns oft schwer berechenbar. Das Gleiche gilt für Unternehmen: Wer seine Kunden gut kennt, versteht auch ihre wechselnden Ansprüche und Bedürfnisse. Wer sich hingegen mit seinen Kunden kaum oder nur oberflächlich beschäftigt, für den bleibt auch das Kundenverhalten meist ein Rätsel.

Auch hier war früher scheinbar vieles einfacher. In einer Mangelwirtschaft decken große Unternehmen vielfältige Bedürfnisse breiter Bevölkerungsschichten ab. In der Übergangsphase vom Mangel zur schrill bunten Vielfalt schlägt dann die Stunde der mittleren Marktsegmente. So stellten Siemens oder AEG in der alten Bundesrepublik alle möglichen Elektrogeräte für den Endverbraucher her. Opel baute Autos für sämtliche Altersgruppen und Einkommensschichten – vom Kadett für die Hausfrau über den Manta für den sportlichen Single bis hin zum Diplomat für den Herrn Direktor. Und vom Arbeiter bis zum Bundeskanzler trugen alle Männer Unterwäsche von Schiesser. Diese Zeiten sind endgültig vorbei! Experten sprechen hier vom »Tod der Mitte«. Tatsächlich ist das mittlere Marktsegment in den letzten beiden Jahrzehnten in den allermeisten Branchen um mindestens 20 Prozent geschrumpft. Opel und Schiesser sind der Pleite nur knapp entkommen. Siemens hat selbst seine lange so erfolgreiche Telefonsparte verkauft und konzentriert sich jetzt auf Großunternehmen wie die Deutsche Bahn als Kunden.

Die Konsequenz: Wer in Zukunft Erfolg haben und wachsen möchte, muss genauer als bisher wissen, wer seine Kunden sind und was diese wollen. Sind die Kunden alt oder jung? Wollen sie »billig« oder »Premium«? Gibt es Kunden mit ganz speziellen Bedürfnissen, die andere Hersteller nicht erkannt haben? Herrscht bei bestimmten Kunden ein ganz besonderes Lebensgefühl, das sich im Marketing gezielt ansprechen lässt? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, heißt es für Unternehmen: Augen auf! Ohren auf Empfang! Bleistifte zücken! Während Sie mit diesem Buch im ersten Schritt den Blick nach innen gerichtet und sich nach den eigenen Stärken gefragt haben, gilt es nun im zweiten Schritt, den Blick nach außen zu lenken und herauszufinden, welche Kunden perfekt zu Ihren Stärken passen.

Wer Kunden nicht fragt, bleibt dumm

»Kundendialog« ist oft eher Monolog

Was in manchen Unternehmen »Kundendialog« heißt, hat mit einem Dialog oft nur noch wenig gemeinsam. Da werden Beschwerden zügig abgearbeitet, damit bloß wieder Ruhe einkehrt. Oder es gibt ab und zu mal eine Kundenbefragung. Dort darf der Kunde dann in einem Online-Formular anklicken, ob er mit den Produkten, der Freundlichkeit oder Schnelligkeit insgesamt sehr zufrieden, zufrieden, weniger zufrieden oder überhaupt nicht zufrieden war. Je allgemeiner die Frage, desto wertloser die Antwort. Oft werden positive Ergebnisse nicht einmal differenziert ausgewertet, sondern dienen pauschal der Beruhigung, dass man im Großen und Ganzen richtig liegt. Um es klar zu sagen: Mit ein paar Standard-Fragebogen kommen Sie bei der Zielgruppenfokussierung nicht weiter. Treten Sie in den Dialog mit Ihren Kunden! Stellen Sie echte Fragen und hören Sie zu.

Bevor Sie drauflos fragen, machen Sie sich am besten erst einmal klar, was Sie überhaupt herausfinden wollen. Die folgenden zwei Leitfragen haben sich als Ausgangspunkt für Kundengespräche bewährt:

Was ist Ihnen als Kunde wichtig?

Warum ist Ihnen das wichtig?

Die zweite Frage ist dabei oft entscheidender als die erste. Nehmen wir einmal an, ein Beratungsunternehmen fragt einen Geschäftsführer im Mittelstand, was ihm bei Unternehmensberatern wichtig ist. Dann antwortet dieser vielleicht, dass ihm Nachhaltigkeit sehr wichtig ist. Die Beratung soll wirklich dauerhaft etwas verändern und nicht bloß ein Strohfeuer anfachen. Jetzt fragen die Berater noch einmal nach, warum denn das so wichtig sei. Der Geschäftsführer antwortet: »Ach wissen Sie, mein Vater, der Seniorchef, hält ja überhaupt nichts von Unternehmensberatern. Der glaubt, wir verschwenden nur unser Geld, wenn wir solche Anzugträger mit Köfferchen beauftragen.«

Verdeckte Motive kommen ans Licht

Jetzt haben Sie einen entscheidenden Hinweis, was bei Ihrem potenziellen Kunden los ist! Wenn Sie einen Kunden wie diesen wollen, hilft Ihnen eine Hochglanzbroschüre wahrscheinlich nicht viel weiter. Sie müssen die graue Eminenz im Unternehmen ins Boot holen, wenn Sie den Auftrag wollen. Manchmal sind solche Erkenntnisse die erste Spur für eine Nische, die Sie besetzen können. So gibt es inzwischen Unternehmensberater, die auf Unternehmerpaare spezialisiert sind. Diese Berater haben sich psychologisch besonders fortgebildet und wissen, dass die betriebswirtschaftlich beste Lösung keine Chance hat, wenn es einen versteckten Paarkonflikt gibt, der alles blockiert. Genauso gut könnte sich ein Berater auf die Konstellation »Seniorchef und Juniorchef« spezialisieren und Unternehmen als seine Zielgruppe definieren, die von einem solchen Duo geführt werden.

Direkt fragen und Muster erkennen

Ob per Telefon, Internet oder im persönlichen Gespräch – nehmen Sie Kontakt zu Ihren Kunden auf

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, mit Ihren Kunden ins Gespräch zu kommen. Ob Sie vor Ort oder am Telefon mit Kunden sprechen, E-Mails schreiben oder Ihre Facebook-Seite verwenden, hängt von Ihrer Branche, der Größe Ihres Unternehmens und natürlich Ihrem persönlichen Geschmack ab. Manche Unternehmen berufen einen Kundenbeirat ein oder veranstalten ein eintägiges Kundenforum mit vollem Programm. Solche persönlichen Zusammenkünfte an einem angenehmen Ort in offener und lockerer Atmosphäre sind das Beste, was Sie machen können. Doch auch jedes kurze Gespräch beim Vertreterbesuch hilft weiter. Letztlich sind die Mittel und Wege gar nicht so entscheidend. Hauptsache, Sie fangen überhaupt damit an, Ihre Kunden besser kennenzulernen und sie zu fragen, was ihnen wichtig ist.

Damit Sie mit den Antworten auch etwas anfangen können, ist es zudem wichtig, allen Kunden die gleichen oder zumindest ähnliche Fragen zu stellen. Unterschiedliche Antworten auf die gleiche Frage bringen Sie auf die Spur, was Kunden voneinander unterscheidet. Idealerweise sollten Sie immer auch Personen befragen, die sich für Ihr Produkt interessieren, aber dann doch woanders gekauft haben. Klar, das kostet manchmal Überwindung. Sie sind bei einem Kunden abgeblitzt und das fühlt sich selten gut an. Die Erfahrung zeigt jedoch: Die allermeisten Nichtkunden fühlen sich wertgeschätzt, wenn ein Unternehmen sie nach den Gründen fragt, warum sie nicht gekauft haben. Deshalb geben sie genauso bereitwillig Auskunft wie echte Kunden. Übrigens: Es soll schon mancher Nichtkunde durch diese Form der interessierten Nachfrage irgendwann doch noch zum Kunden geworden sein!

VON DEN BESTEN LERNEN: Kern-Haus AG

Die Kern-Haus AG aus Ransbach-Baumbach im Westerwald baut Einfamilienhäuser in Fertigbauweise oder nach individuellen Entwürfen. Klaus Kern kennt dieses Geschäft seit mehr als 30 Jahren und hat mit seiner Firma schon über 10 000 Einfamilienhäuser errichtet. Das ist für den Vollblut-Unternehmer jedoch kein Grund, sich zurückzulehnen. Im Gegenteil, die Kern-Haus AG suchte nach einem Weg, ihre Kunden noch besser kennenzulernen. So entstand die Idee zu einem »Kundenforum«. Für einen Tag öffnete das Unternehmen seine Türen und bot eine ebenso informative wie unterhaltsame Veranstaltung. Nicht nur die Teilnahme war kostenlos, sondern es wurden sogar die Reisekosten übernommen.

Der Tag begann um 10:30 Uhr mit einem Sektempfang in einem Seminarhotel in der Nähe der Firmenzentrale bei Koblenz. Vorstand Bernhard Sommer begrüßte die Gäste und übergab dann an den Moderator. Dieser stellt das Programm des Tages vor. Neben Informationen und Tipps rund um das Thema Hausbau gab es kulinarische Köstlichkeiten und auch kleine Geschenke. Die Veranstaltung sollte den Kunden in erster Linie Spaß machen. In lockerer Atmosphäre bestand vielfach die Möglichkeit zum Austausch. Ein schöner Tag, ganz wie unter echten Freunden.

In dieser offenen Atmosphäre wurden den Kunden nun auch Fragen gestellt, wie zum Beispiel: Was waren für Sie die Argumente für Kern-Haus? Als Sie mit Kern-Haus gebaut haben, was ist dabei besonders gut gelaufen? Gab es auch eine Situation, wo Sie »Oh nein!« gesagt haben? Was würden Sie Ihren Freunden und Bekannten über Kern-Haus erzählen? Ein Hausbau ist im Leben vieler Menschen ein wichtiges und auch emotionales Thema. Deshalb nahmen sich die Gäste gern Zeit für die Teilnahme am Kundenforum und sprachen ausführlich über ihre Erfahrungen. Am Ende des Tages waren aus Unternehmenssicht jede Menge nützliche Hinweise zusammengekommen. Es zeigte sich, wer die »echten Freunde« der Firma Kern-Haus sind.

Kern-Haus: Was lässt sich daraus lernen?

Der Aufwand lohnt sich, einen schönen Rahmen für persönliche Gespräche mit Kunden und Interessenten zu schaffen.

Unternehmen sollten selbstkritisch sein und ihre Kunden auch aktiv nach schlechten Erfahrungen fragen.

Ungefilterte Rückmeldungen der Kunden – sowohl positive als auch negative – sind für das Management besonders wertvoll.

Antworten systematisch auswerten und diskutieren

Haben Sie erst einmal genügend Antworten Ihrer Kunden und Nichtkunden zusammen, machen Sie sich Gedanken, mit wem Sie es wirklich zu tun haben. Hierzu brauchen Sie keinen Soziologieprofessor. Gute Ergebnisse erzielen Sie beispielsweise, wenn Sie einen internen Workshop veranstalten, bei dem Sie die Ergebnisse Ihrer Kundengespräche zusammentragen und gemeinsam bewerten. Die Workshopteilnehmer sollten eine gute Mischung sein aus Mitarbeitern, die nah am Kunden sind, und Führungskräften, die abstraktes und strategisches Denken gewohnt sind. Die unterschiedlichen Aussagen der Kunden können Sie auf bunte Karten schreiben und dann auf Stellwänden sortieren. Meistens werden jetzt ganz spontan Muster und Gemeinsamkeiten erkennbar.

Auf einem Flipchart oder einer separaten Wand können Sie erste Vermutungen festhalten: Wer sind unsere Kunden wirklich? Was haben sie gemeinsam? Was finden sie an uns gut? Was stört sie? Welche unserer Argumente haben sie überzeugt und welche vielleicht nicht? Wie würden sie uns ihren Freunden gegenüber beschreiben? Nach einer Weile ist es im Raum fast mit Händen zu greifen: Der Kunde ist kein unbekanntes Wesen mehr. Er bekommt ein Profil. Ganz bestimmte Eigenschaften und Bedürfnisse kristallisieren sich heraus. Diese Spuren gilt es nun weiter zu verfolgen. Ein kompetenter externer Moderator kann Ihnen bei diesem Erkenntnisprozess helfen.

Von der Zielgruppe zum Freundeskreis

Das Denken in Zielgruppen ist heute für viele Unternehmen selbstverständlich. Traditionell werden Zielgruppen über soziologische Merkmale wie Alter, Familienstand, Einkommen oder Wohnort segmentiert. So entdeckte das Marketing in den Achtzigerjahren die YUPPIES (Young Urban Professional People = junge, großstädtische Selbstständige und Freiberufler) oder in den Neunzigern die DINKS (Double Income No Kids = kinderlose Doppelverdiener). Vom BMW Z3 bis zur Fertig-Paella mit Shrimps wurden Produkte auf diese Zielgruppen zugeschnitten. In den letzten Jahren beschäftigten sich Marktforscher dann stärker mit psychologischen Aspekten. Es wurden Wertesysteme und Lebensstile der Verbraucher erforscht. Herausgekommen sind dabei zum Beispiel die LOHAS (Lifestyle Of Health And Sustainability = auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausgerichteter Lebensstil). Auf diese Zielgruppe werden Ayurveda-Tees nun genauso losgelassen wie Gartenmöbel aus heimischen Hölzern.

Doch könnten Sie auf Anhieb sagen, ob Ihre Kunden eher DINKS oder LOHAS sind? Und wenn ja, was folgt daraus für Ihr Unternehmen? So wertvoll die traditionellen Definitionen von Zielgruppen auch sein mögen, so schnell kommen Sie damit in der Unternehmenspraxis an Grenzen. Wenn auch die meisten Ihrer Konkurrenten gerne kaufkräftige LOHAS-Mütter als Kunden hätten, sind Sie bei Ihrer Zielgruppenfokussierung noch nicht viel weiter gekommen. Der Ausweg: Entwickeln Sie eine andere Sichtweise von Zielgruppe! Stellen Sie sich dazu die ganz spezielle Zielgruppe Ihres Unternehmens doch einmal wie einen Freundeskreis vor. In einem Freundeskreis gibt es immer Gemeinsamkeiten, die verbindend wirken. So haben junge Eltern oft einen Freundeskreis aus anderen jungen Familien. Man ist in derselben Lebensphase, hat ähnliche Sorgen und versteht einander.

Harte und weiche Faktoren beachten

Probleme und Bedürfnisse treffen auf Werte und Stile

Um den Freundeskreis Ihres Unternehmens kennenzulernen, suchen Sie nach Gemeinsamkeiten zwischen Ihren besten Kunden. Sie werden dabei möglicherweise feststellen, dass hier sowohl eher »harte« als auch sogenannte »weiche« Faktoren eine Rolle spielen. Ein »harter« Faktor ist beispielsweise, dass es in der Zielgruppe immer ein bestimmtes Problem gibt, das ein Unternehmen lösen soll. Ein Wachdienst zum Beispiel hat immer das Problem zu lösen, dass sich die Kunden vor Einbrechern, Räubern oder Entführern fürchten. Die »weichen« Faktoren haben dagegen mehr mit den Werten, dem Geschmack und dem Stil der Kunden zu tun. So möchte vielleicht nicht jeder Kunde eines Wachdienstes, dass vor seinem Haus ein uniformierter Bodybuilder mit Sonnenbrille positioniert wird, der aussieht wie aus einem billigen US-Actionstreifen. Mancher potenzielle Kunde wird da sagen: So was passt einfach nicht zu mir. Ja, ich möchte Schutz, aber bitte diskret. Beachten Sie also sowohl die harten als auch die weichen Faktoren, wenn Sie Ihre Zielgruppe genau fokussieren. In der folgenden Übersicht ist dies noch einmal dargestellt:


Zielgruppenfokussierung
Harte Faktoren Weiche Faktoren
Probleme Werte
Bedürfnisse Geschmack
Wünsche Lebensstil

Unterschiedliche Zielgruppen für das gleiche Angebot

Was will mein Kunde?

Ein einprägsames Beispiel für zwei Unternehmen, die auf der Ebene der harten Faktoren auf nahezu exakt dieselben Kundenbedürfnisse reagieren, sich jedoch aufgrund von weichen Faktoren an unterschiedliche Zielgruppen richten, waren jahrelang die Drogeriemarktketten Schlecker und dm. Schlecker-Kunden lebten typischerweise im ländlichen Raum oder in Vorstädten und wollten ihren täglichen Bedarf an Drogerieartikeln im möglichst nahen Umkreis ihrer Wohnung decken. Sie kauften Markenartikel, wenn diese bei Schlecker besonders preisgünstig waren, und sonst gerne No-Name-Produkte. Das Einkaufserlebnis spielte für den typischen Schlecker-Kunden kaum eine Rolle. Auch über die Unternehmenspolitik dachte er wenig nach. Diese geringe Kundenbindung wurde für Schlecker nach der Insolvenz und nötigen Restrukturierung zum Problem. In der Öffentlichkeit überwog eher Mitleid mit den »Schlecker-Frauen« als der Wunsch, ein lieb gewonnenes Unternehmen in der bisherigen Form zu erhalten.

Die dm-Kunden waren und sind anders gestrickt. Sie nehmen einer Studie zufolge sogar größere Umwege in Kauf, um bei dm statt bei der Konkurrenz zu kaufen. In den Läden selbst schätzen sie die aufgeräumten Regale, die angenehmen Farben, das freundliche Personal und die vielen Natur- und Bioprodukte. Auch der gute Ruf von dm als Arbeitgeber – der in auffälligem Kontrast zu den vielen Skandalen bei diversen anderen Handelsketten steht – zählt für diese Zielgruppe. Mit dem an ein Goethe-Zitat angelehnten Claim »Hier bin ich Mensch, hier kauf’ ich ein« spricht dm gezielt Kunden an, für die menschliche Werte ebenso zählen wie der Preis. Werte können also bei der Kaufentscheidung eine gleich große oder noch größere Rolle spielen als Probleme, Bedürfnisse und (materielle) Wünsche. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass diese »Wertekomponente« bei der Kaufentscheidung tendenziell stark zunimmt.

Methodenkoffer

Sobald ein Unternehmen nicht mehr glaubt, jedes Bedürfnis befriedigen und jeden möglichen Kunden gewinnen zu müssen, kann die Zielgruppenfokussierung beginnen. Aus dem Gesamtmarkt mit seinen vielfältigen Kundengruppen gilt es diejenigen herauszufinden, die zur eigenen Kernkompetenz (vgl. Schritt 1) passen.

To do:

Verschaffen Sie sich Klarheit über den Gesamtmarkt der eigenen Branche und die zugehörigen Kundengruppen. Eine Baufirma schaut hier zum Beispiel, wer alles in der Baubranche tätig ist und wer die Kunden sind.

Analysieren Sie die Spezialisierungen Ihrer Mitbewerber. Wo sind Konkurrenten dank Spezialisierung wettbewerbsfähiger? Welche Teilmärkte lassen die erfolgreichsten Konkurrenten noch frei?

Unterteilen Sie Ihren Markt in Zielgruppen. Berücksichtigen Sie dabei harte und weiche Faktoren.

Bewerten Sie die infrage kommenden Zielgruppen. Ermitteln Sie, welche Zielgruppen für Ihr Unternehmen erfolgversprechend sind. Kriterien sind Umsatzpotenzial (Kaufkraft), Beratungsaufwand, Logistikaufwand, Zukunftsprognosen usw.

Gehen Sie auch nach Ihrem Gefühl: Mit welchen Menschen machen Sie rein emotional gesehen am liebsten Geschäfte? Das kann eine Spur zu Ihrem »Freundeskreis« sein.

Eine fast schon verrückte Segmentierung von Zielgruppen nach weichen Faktoren hat übrigens Coca-Cola vorgenommen. Denn bei Coca-Cola Light und Coca-Cola Zero handelt es sich im Grunde um ein und dasselbe Produkt. Nämlich Cola mit künstlichen Süßungsmitteln anstelle von Zucker. Marktforscher hatten aber herausgefunden, dass Cola Light ein Image als »Frauengetränk« hat. Junge Männer hielt das anscheinend von der Brause für Figurbewusste fern. So wurde Coca-Cola Zero als zuckerfreie Limonade für Männer positioniert. Einer der Werbespots zeigt einen jungen Mann, wie er lässig eine Cola Zero aus dem Kühlschrank holt und in der nächsten Szene im Fußballstadion seine Mannschaft anfeuert. Ist das jetzt männlich genug? Ob es bei Ferrero irgendwann auch die Yogurette für den Mann geben wird, bleibt abzuwarten. Im Gegensatz zu Getränkeflaschen sind Schokoriegel im Stadion jedenfalls noch nicht verboten.

Mut zum Verzicht zahlt sich langfristig aus

Auch Mario Götze musste sich entscheiden

Tennis hat er ausprobiert und Basketball. Bei einem einjährigen Schüleraustausch in die USA sogar Baseball. Mario Götze hat in seiner Kindheit so ziemlich jede Sportart betrieben. Hauptsache, es war ein Ball im Spiel. Irgendwann wurde ihm klar: Fußball soll es sein. Nur noch Fußball. Bei seinem Verein durchlief er sämtliche Nachwuchsabteilungen und trat schließlich im Endspiel um die A-Jugend-Meisterschaft an. Im August 2011 stand er dann zum ersten Mal in der Startelf der deutschen Nationalmannschaft beim Freundschaftsspiel gegen Brasilien in Stuttgart. Hier schoss er das Tor zum 2:0. Spätestens seit diesem »Traumtor« gilt der damals 19-Jährige als eines der größten Talente im deutschen Fußball. Es hat sich für Mario Götze offensichtlich gelohnt, Tennis, Basketball und Baseball aufzugeben.

Bei so manchem deutschen Mittelständler habe ich dagegen das Gefühl, als ob dort Tennis, Basketball, Baseball und Fußball gleichzeitig gespielt werden soll. Nebenbei will man noch ein wenig reiten und schwimmen. Und wenn der Chef gefragt wird, ob er auch Kugelstoßen anbieten kann, überlegt er allenfalls kurz, wo er jetzt schnell so eine dicke Kugel herbekommt. Sagt aber vorsichtshalber schon mal zu. So wie ein norddeutscher Anbieter von Einfamilienhäusern, den ich einmal kennengelernt habe. Als der Chef vom örtlichen Bürgermeister gefragt wurde, ob sein Unternehmen der Gemeinde auch einen Kindergarten bauen könne, sagte dieser spontan zu. Dabei hätte er doch sagen müssen: »Sorry, das ist nicht unsere Baustelle!« Wir bauen Einfamilienhäuser. Kommunale Bauten sind ein ganz anderes Geschäft.

Konzentration fällt vielen Mittelständlern schwer

Menschlich ist die Reaktion des Hausbau-Unternehmers nur allzu verständlich. Erstens fällt es den meisten Menschen schwerer, Nein zu sagen als Ja. Zweitens machen wir oft lieber ein schlechtes Geschäft sofort, als auf ein besseres warten zu müssen. »Der Spatz in der Hand ist mir lieber als die Taube auf dem Dach«, sagt der Volksmund dazu. Diesen Satz höre ich auch oft von Unternehmern, wenn es um Konzentration und Zielgruppenfokussierung geht. Besonders schwer fällt es Unternehmen, bestehende Kunden nicht mehr zu bedienen, weil die Strategie jetzt Konzentration erfordert. Ein Satz, der dann häufig fällt, lautet: »Ich bin doch nicht verrückt und gebe meinen mühsam eroberten Kunden wieder her.« Verständlich ist das alles. Und trotzdem ist es falsch.

Spitzensportler wird nur, wer sich auf eine Sportart konzentriert. In der Kindheit und Jugend bedeutet das zunächst einmal Verzicht. Dieser Verzicht kann schon mal schmerzhaft sein. Die anderen Sportarten machen schließlich auch viel Spaß! Aber intensives Training in der einen Sportart lässt eben nicht mehr genug Zeit für andere. Letztlich kostet es Mut, sich wirklich zu entscheiden. Der Weg zum Erfolg ist mit Rückschlägen gepflastert. Auch die späteren Sportstars hatten oft Zweifel: Ist diese Sportart wirklich die richtige? In anderen Disziplinen war ich doch auch gut. Nur mit Mut und Konsequenz geht es dann weiter. Durchhaltevermögen ist gefragt. Für Unternehmen gilt genau das Gleiche.

Wie Fokussierung auf Zielgruppen sich rechnet

Nischenkunden sind profitabler

Mut, Konsequenz und Durchhaltevermögen gehören dazu, wenn ein Unternehmen sich einen Freundeskreis schaffen will, statt weiter Produkte für alle und jeden in den Markt zu drücken. Da hilft es, sich hin und wieder die Argumente zu vergegenwärtigen, warum eine solche Strategie sich langfristig immer auszahlt. Zunächst zeigt die Erfahrung in nahezu allen Branchen: Nischenkunden zahlen mehr. »Es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben«, lautete 1966 der Werbespruch für die Zigaretten der Marke Atika. Rauchen ist heute nicht mehr angesagt, aber der Spruch stimmt immer noch!

Das iPhone von Apple ist teurer als ein Samsung Galaxy. Die Vergleichstests gewinnt meistens Samsung. Aber würde ein echter »Apple-Fan« deshalb wechseln? Niemals! Ein anderes Beispiel: Teure Bio-Lebensmittel liegen in Tests der Stiftung Warentest oft weit abgeschlagen hinter den Billigangeboten von Aldi. Doch auch wenn die Weissagung der Indianer einträfe und der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet und der letzte Fisch gefangen wäre, würde so ein echter LOHAS-Kunde wohl lieber Geld essen als zu Aldi gehen. Nischenkunden sind eben oft hundertprozentig überzeugte Kunden. Der Preis ist für sie zweitrangig.

Als Hersteller haben Sie bei kleinen Zielgruppen nicht nur größere Margen, sondern auch geringere Kosten. Umgekehrt ist Diversifikation immer teuer. Die Konzentration auf eine klar umrissene Zielgruppe macht vieles schlanker. Vor einigen Jahren musste zum Beispiel Volkswagen mit Millionenaufwand einen neuen Schlüsseltyp für die zugekaufte Marke Bentley entwickeln. Der Grund: Die sonst konzernweit vom Seat Ibiza bis zum Audi A8 eingesetzten Klappschlüssel waren den Bentley-Kunden nicht exklusiv genug. Wäre Bentley dagegen eigenständig geblieben, hätte es auch ein Schlüssel getan, den man nicht einklappen kann. Hauptsache, es hat ihn nicht jeder in der Tasche.

Bündelung von Know-how

Im Luxussegment zählt eben Exklusivität manchmal mehr als Funktionalität. Das demonstriert auch die Edel-Handymarke Vertu. Die bis über 100 000 Euro teuren Geräte basieren auf Nokia-Technik, haben oft noch eine konventionelle Tastatur und sind damit im Vergleich zu iPhone & Co. geradezu altmodisch. Der Kundenzielgruppe ist das egal. Sie will nicht die neuesten Apps, sondern höchste Exklusivität. Inklusive Handarbeit und edelste Materialien. Hohe Entwicklungskosten sowie schnelle und damit wiederum teure Produktzyklen wie bei Apple, Samsung oder HTC bleiben dem britischen Hersteller somit erspart. Hier wird ein Know-how gebündelt, das mehr mit Handwerkskunst als mit Technik zu tun hat.

Doch nicht nur, wer Know-how bündeln kann, spart viel Geld. Die Konzentration auf eine bestimmte Zielgruppe senkt immer auch Marketing- und Vertriebskosten. Eine einzige Website zu pflegen ist eben günstiger, als für jede Marke und jede Zielgruppe einen eigenen Auftritt haben zu müssen. Die BMW Group zum Beispiel muss für die Marke Mini alles ein zweites Mal online bereitstellen, was für die Kernmarke BMW schon da ist. Mini hat eine eigene Website, macht unterschiedliche Kampagnen und hat eine andere Vertriebsmannschaft. Die Vertriebsleute sollen zudem von ihrer Persönlichkeit her anderen Kundentypen sympathisch sein. Alles, weil es verschiedene Zielgruppen unter einem Dach gibt. Für einen Konzern mag sich das ja noch rechnen. Aber im Mittelstand frisst so etwas schnell die Erträge auf.

VON DEN BESTEN LERNEN: Hans-Jürgen Müller GmbH & Co. KG

Der kleine Ort Stützengrün im Erzgebirge hat eine lange Tradition in der Herstellung von Bürsten und Besen. Die alten Bürstenfabriken aus rotem Backstein stehen heute unter Denkmalschutz. Seit 1945 produziert die Firma Hans-Jürgen Müller GmbH & Co. KG hier Rasierpinsel. Damals, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, war der Rasierpinsel ein Brot-und-Butter-Produkt. Rasieren bedeutete für Männer grundsätzlich Nassrasur. Und zum Auftragen der »Rasierseife« wurden eben Rasierpinsel benötigt. In den Sechzigerjahren begann dann der Siegeszug der elektrischen Trockenrasur. Und für die verbliebenen Nassrasierer gibt es heute Rasiergels, die sich auch mal eben schnell mit den Fingern auftragen lassen. Wozu also noch Rasierpinsel?

Die Firma Hans-Jürgen Müller hat auf diese Frage eine ebenso überzeugende wie profitable Antwort gefunden: Unter der Marke Mühle verkauft sie ihre Rasierpinsel an Männer, die eine Rasur als sinnliches Erlebnis genießen wollen. Diese Zielgruppe besteht aus kaufkräftigen Ästheten, die wahrscheinlich auch lieber mit einem Füller von Faber-Castell in ein Moleskine-Notizbuch schreiben, als Notizen in ihr Smartphone zu tippen. Getreu dem Claim »Gentlemen prefer Style« finden solche Kunden bei Mühle alles für die »Rasurkultur«: von Rasierpinseln und Rasierern über Halter, Schalen und Spiegel bis hin zu hochwertigen Pflegeprodukten.

Mühle-Pinsel bestehen aus feinem Dachshaar und können in unzähligen, edel wirkenden Designs geordert werden. Natürlich auch im firmeneigenen Webshop. Während die meisten Mühle-Pinsel um die 50 Euro kosten, lässt sich der Hersteller seine exklusivsten Ausführungen mit mehr als 200 Euro bezahlen. Die Wende vom Allerweltsprodukt zum Luxusartikel wird durch den Internetauftritt des Unternehmens konsequent unterstützt. Das Wording enthält Begriffe wie »Mythos« und »Hingabe« sowie Adjektive wie »vollendet« oder »kultiviert«. Die Aufforderung an die Zielgruppe lautet: »Verwandeln Sie Pflicht in Genuss mit allen Sinnen!«

Hans-Jürgen Müller GmbH & Co. KG: Was lässt sich daraus lernen?

Selbst in zusammenbrechenden Märkten sind die verbleibenden Liebhaber des Produkts eine hoch interessante Zielgruppe.

Erfolgreiche Nischenanbieter konzentrieren sich auf ein Bedürfnis, das sie am besten von allen Anbietern verstanden haben.

Wer seine Zielgruppe genau kennt, erschafft im Marketing eine eigene Welt, die diese Kundengruppe emotional berührt.

Reputation aufbauen

Zugegeben: Der Mut zum Verzicht auf Kunden und zur Fokussierung auf eine Zielgruppe kann kurzfristig zu schmerzhaften Einbrüchen bei Umsatz und Ertrag führen. Es dauert auch manchmal eine Weile, bis sich die positiven Effekte zeigen, das Unternehmen also höhere Preise durchsetzen, Kosten sparen und Know-how bündeln kann. Doch der lange Atem lohnt sich auch deshalb, weil ein Unternehmen mit klarer Kernkompetenz und ausgeprägtem Zielgruppenfokus Reputation aufbaut. Dieser gute Ruf erhöht den Markenwert der vertriebenen Produkte und schließlich auch den Unternehmenswert.

Der Unternehmenswert ist längst nicht mehr nur ein Faktor für Konzerne. Im Mittelstand ist Unternehmensnachfolge seit Jahren ein großes Thema. Wenn sich in der Eigentümerfamilie kein Nachfolger findet, muss am besten ein Käufer her. Und hier gilt: Unternehmen mit ausgezeichneter Reputation, kaufkräftigen Zielgruppen und starken Marken finden auch leicht einen Käufer. Wer als Unternehmer langfristig in die Reputation und den Marktwert seiner Firma investiert, schafft sich also Optionen, sein Lebenswerk irgendwann einmal Gewinn bringend in gute Hände zu übergeben.

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