Kitabı oku: «Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb», sayfa 3

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„(…) interlanguage grammars are not limited to the parameter settings realized in the L1 grammar. Rather, functional categories, features and feature values absent from the L1 grammar are instantiated in the interlanguage representation.“ (White, 2003: 127)

Die Frage, ob die Lerner letztendlich die zielsprachliche L2-Grammatik erreichen können, wird nur im Rahmen dieser Hypothese bejahend beantwortet.

Dieser Überblick über die generativen Ansätze zum Anfangszustand, zum Verlauf und zum Endzustand des Zweitspracherwerbs ist keinesfalls vollständig.7 Ziel war lediglich, diejenigen Hypothesen zu erhellen, die im Kontext der Entwicklung der Satzstruktur in der Zweitsprache relevant zu sein scheinen. Der Erwerb der Wortstellung im Deutschen als Zweitsprache, der im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht, wird in Kapitel 4.2 separat vorgestellt.

2.2 Bilinguale Erwerbsszenarien im frühen Alter

Der Mensch kann sich prinzipiell jede natürliche Sprache aneignen. Aus biologischer bzw. genetischer Perspektive ist niemand auf eine bestimmte Sprache vorprogrammiert (vgl. z. B. Pfeiffer, 2003: 265). Ganz im Gegenteil: Jeder verfügt über eine genetische Anlage zum Erwerb mehrerer Sprachen (vgl. Meisel, 2007a: 93). Als Oberbegriff für verschiedene Szenarien des mehrsprachigen Erwerbs wird im Allgemeinen der Begriff bilingualer Spracherwerb verwendet (vgl. Rothweiler, 2007: 106).1 Der Weg zur Zweisprachigkeit im frühen Alter kann aber unterschiedliche Formen annehmen. Daher werden in der Fachliteratur einzelne Spracherwerbstypen spezifiziert, die sich zunächst einmal auf die zeitliche Abfolge von erworbenen Sprachen beziehen.

2.2.1 Bilingualer Erstspracherwerb

Ein Spezialfall der individuellen Zweisprachigkeit ist der bilinguale Erstspracherwerb, der auch als doppelter Erstspracherwerb oder simultaner Erwerb zweier (oder mehrerer) Sprachen bezeichnet wird (vgl. Tracy & Gawlitzek-Maiwald, 2000: 502f.). In der einschlägigen Literatur hat sich dafür auch das Kürzel 2L1 (= zwei Erstsprachen) oder BFLA (= bilingual first language acquisition) etabliert. Dieser Erwerbstyp bezieht sich auf die Situation, in der ein Kind zwei Sprachen von klein auf gleichzeitig erwirbt. Dies geht prinzipiell entweder durch die Verteilung des Inputs zwischen den Elternteilen, also nach dem Prinzip Eine Person – eine Sprache, oder zwischen dem Zuhause (Familiensprache) und der Umgebung (Umgebungssprache), vonstatten. Allerdings stellt sich dabei die problematische Frage, wann genau der Erwerb der zweiten Sprache einsetzen soll, damit man vom bilingualen Erstspracherwerb sprechen darf. Laut manchen Forschern (vgl. z. B. De Houwer, 2009) ist unabdingbare Voraussetzung dafür die strikte Gleichzeitigkeit, d. h. der Kontakt mit beiden Sprachen von Geburt an. Andere sind indessen der Ansicht, dass die Grenze für das Alter von drei Jahren anzusetzen ist (vgl. Meisel, 2008: 59).

Nach Ansicht vieler haben bilinguale Kinder, die von Anfang an mit zwei Sprachen aufwachsen, eine schwierige Aufgabe zu meistern. Sie seien nicht nur sprachlich, sondern auch kognitiv, emotional oder sogar moralisch verwirrt.1 Viele Eltern machen sich auch Sorgen darüber, dass ihre Kinder die Sprachen mischen und sie nicht auf dem gleichen Niveau beherrschen.2 Aus diesem Grund ging man in der Mehrsprachigkeitsforschung lange davon aus, dass bilinguale Kinder zuerst über ein gemeinsames System für beide Sprachen verfügen, das sich erst sukzessive ausdifferenziert. In diesem Zusammenhang sind vor allem ältere Arbeiten anzuführen, wie etwa die Studien von Leopold (1949, 1978) oder auch Volterra und Taeschner (1978), die noch heute gerne zitiert werden. Leopold (1949, 1978) geht der Grammatikentwicklung seiner Tochter in den ersten beiden Lebensjahren auf den Grund und stellt dabei fest, dass sie ein fusioniertes System aufgebaut hatte, in dem Elemente beider Sprachen anzutreffen sind (vgl. Leopold, 1978: 23). Volterra und Taeschner (1978) nehmen anhand einer Analyse von Daten zweier italienisch-deutscher Kinder an, dass simultan bilinguale Kinder zunächst drei Phasen durchlaufen müssen, um schließlich zwei distinkte sprachliche Systeme herauszubilden. In der ersten Phase verfügen sie über ein gemeinsames Lexikon, das sich aus Lexemen beider Sprachen zusammensetzt. Als Evidenz hierfür werten sie das Fehlen von Wortäquivalenten. In der zweiten Phase sind zwar bereits zwei Lexika vorhanden, dennoch haben die Kinder nur eine Grammatik zur Verfügung, die sie auf beide Sprachen anwenden, was nach Volterra und Taeschner (1978) daran zu erkennen ist, dass die untersuchten Kinder nicht-zielsprachliche Wortstellungsmuster benutzen. Schließlich folgt eine völlige Trennung sowohl im Bereich der Lexik als auch der Grammatik, wobei jede Sprache nur mit einer Person assoziiert wird. Die vollständige Zweisprachigkeit beginnt demzufolge erst dann, wenn der personenbezogene Sprachgebrauch verschwindet.

Müller et al. (2011: 108–118) stellen dieses Drei-Phasen-Modell infrage, indem sie die Anwendung der nicht-zielsprachlichen Wortstellung auf Spracheneinfluss zurückführen. Sie weisen darauf hin, dass Volterra und Taeschner (1978) anhand der gleichen Daten zuerst von einer hybriden Grammatik und in der dritten Phase von Interferenzen sprechen. Um ihnen vorzubeugen, empfehlen sie während der dritten Phase, das Prinzip Eine Person – eine Sprache einzuhalten, was auch eher zweifelhaft erscheint.3 Das Drei-Phasen-Modell wird auch von Meisel (1989: 15f.) einer Kritik unterzogen. Er beklagt die Außerachtlassung unabhängiger Variablen, wie z. B. des Alters und der mittleren Äußerungslänge (MLU). Er bemerkt zu Recht, dass Volterra und Taeschner (1978) die Existenz von Sprachmischungen in der ersten Phase als Argument für ein gemeinsames Lexikon vorbringen, aber gleichzeitig feststellen, dass Sprachmischungen auch nach Abschluss der zweiten Phase vorkommen können. Meisel (1989: 17) bemängelt weiterhin den Missbrauch der Sprachdaten in dem Sinne, dass die Phase der hybriden Grammatik anhand von Äußerungen nur eines Kindes spezifiziert wird. In der Untersuchung von Volterra und Taeschner (1978) wurde auch die Tatsache übersehen, dass die Sprachentwicklung eines Kindes unbalanciert war, was ebenso beachtet werden sollte.

Anhänger der Ein-System-Hypothese betrachten das Auftreten von Sprachmischungen als Evidenz für ihre Thesen. Meisel (2003: 4) argumentiert unter Zugrundelegung der Unterscheidung zwischen Kompetenz und Performanz, warum Sprachmischungen nicht als Beweis für die vermutete Fusion zweier Sprachen zugelassen werden dürfen. Sie stellen dem Autor zufolge eine wichtige sozial-funktionale und kommunikative Strategie dar, die im Sprachgebrauch von bilingualen Kindern und Erwachsenen oft zur Anwendung kommt. Diesbezüglich besteht die Notwendigkeit, zwischen language separation und language differentiation zu unterscheiden. Der erste Begriff bezieht sich auf die Fähigkeit, mit zwei Sprachen in verschiedenen Interaktionen dem Kontext angemessen zu hantieren, also auf den soziolinguistischen Aspekt, der mit der Performanz zusammenhängt. Der zweite hingegen ist psycholinguistisch zu deuten und beschreibt die Independenz zweier Systeme auf kognitiver Ebene, d.h. im Zusammenhang mit der Kompetenz (vgl. auch Cantone, 2007: 15).

Es gilt heute als gesichert, dass der bilinguale Erstspracherwerb bezüglich der grammatischen Entwicklung dem monolingualen Erwerb gleichkommt. Zweisprachige Kinder entwickeln von früh an zwei separate grammatische Wissenssysteme und durchlaufen dieselben Erwerbsstadien wie monolinguale Kinder. Infolgedessen werden zwei vollständige und gleichwertige Grammatiken erworben, die der monolingualen Kompetenz an Qualität in Nichts nachstehen (vgl. z. B. Rothweiler, 2007: 115; Wode, 1993: 243).4 Die verfügbare Evidenz spricht nicht nur für die distinkte Entwicklung einzelsprachlicher grammatischer Phänomene, sondern auch für einen frühen kontextbezogenen Einsatz von Sprachen. Bilinguale Kinder sind schon im Alter von weniger als zwei Jahren imstande, ihre Sprachen personenbezogen zu verwenden und ihre Sprachwahl demgemäß zu korrigieren (vgl. z. B. Genesee, 1989; Tracy & Gawlitzek-Maiwald, 2000: 513). Ferner lässt sich beim simultanen Erstspracherwerb, zumindest innerhalb der ersten sechs Jahre, kein systematischer zwischensprachlicher Einfluss nachweisen (vgl. De Houwer, 2018: 131).

Viele simultan bilinguale Kinder weisen jedoch eine unbalancierte Zweisprachigkeit auf, bei der eine der Sprachen als schwächere oder nicht-dominante Sprache bezeichnet wird. Als Grund dafür sind vor allem Asymmetrien im Input anzunehmen (vgl. z. B. Unsworth, 2016: 173; Yip, 2016: 122). Grosjean (1982) stellt diesbezüglich zu Recht fest: „The main reason for dominance in one language is that the child has had greater exposure to it and needs it more to communicate with people in the immediate environment“ (Grosjean, 1982: 189).5 In der Fachliteratur wird diskutiert, inwieweit der Erwerb zweier Sprachen unausgeglichen sein muss, um tatsächlich von einer schwächeren Sprache sprechen zu können. Zur Bestimmung der Sprachdominanz wurden viele qualitative und quantitative Kriterien vorgeschlagen. Dazu gehören in erster Linie der MLU-Wert in Morphemen, Silben oder Wörtern, aber auch der Erwerb funktionaler Kategorien, der Größe des Lexikons oder die Mischrichtung (vgl. Müller et al., 2011: 75f.).

Die meisten Forscher nehmen an, dass die Entwicklung der schwächeren Sprache zwar verzögert ist, aber immer noch dem monolingualen Spracherwerb gleicht. So gesehen sind die Unterschiede zwischen der schwächeren und der stärkeren Sprache nicht qualitativer, sondern lediglich quantitativer Natur (vgl. Meisel, 2007b; Cantone et al., 2008; Bonnesen, 2009). In einer Studie zeigen Sopata und Długosz (2020), dass der Erwerb der Wortstellung im Deutschen als schwächerer Sprache in der Tat wie beim Erstspracherwerb, lediglich langsamer verläuft. Zeitverzögert werden allerdings nur die Inversion und die Verbalklammer erworben, nicht die Negationsstellung. Andere Forscher vermuten dagegen Gemeinsamkeiten zwischen der Entwicklung der schwächeren Sprache und dem Zweitspracherwerb. Pfaff (1994) untersucht z. B. den Erwerb der Nominal- und Verbalmophologie durch unbalancierte deutsch-türkische Kinder und stellt darin fest: „[Children] have little enough effective contact with German so that their patterns of language acquisition of German are more like L2 than like L1 learners“ (Pfaff, 1994: 94).6

2.2.2 Kindlicher Zweitspracherwerb

Wenn ein Kind mit einer zweiten Sprache konfrontiert wird, nachdem es die Grundzüge seiner ersten Sprache erworben hat, spricht man vom sukzessiven Zweitspracherwerb, der zumeist den ungesteuerten Zweitspracherwerb signalisiert (vgl. Rothweiler, 2007: 106).

Zweitspracherwerb kann aber auch im gesteuerten Kontext vonstattengehen. Die Dichotomie natürlich/gesteuert ist irreführend, weil sie zwei klar abgrenzbare Erwerbstypen nahelegt. Beide Erwerbsprozesse basieren jedoch auf den kognitiven Fähigkeiten des Menschen und haben als natürlich zu gelten. Der Lernkontext hat einen großen Einfluss auf den kindlichen Zweitspracherwerb:

„Der schulische Lernkontext scheint nicht oder unzureichend zur Entfaltung der für den natürlichen kindlichen Zweitspracherwerb charakteristischen Merkmale beizutragen, wie beispielsweise große Schnelligkeit der aufeinander folgenden Phasen des Spracherwerbs und geringe Anzahl der zielsprachlichen Abweichungen in der Lernersprache.“ (Sopata, 2009: 428)

Wenn auch der natürliche Zweitspracherwerb von Kindern durch einen formalen Unterricht in der Schule begleitet wird, handelt es sich dabei immer noch um einen natürlichen Input. Da die vorliegende Arbeit nur den natürlichen Zweitspracherwerb anvisiert, wird hier der gesteuerte Zweitspracherwerb nicht weiter thematisiert.1

Die Bezeichnung sukzessiv ist aber nicht einzig dem Zweitspracherwerb von Kindern vorbehalten, sondern bezieht sich auf jede Situation, wenn die Zweitsprache später als die Erstsprache erworben wird, also auch auf den Zweitspracherwerb von Erwachsenen. Der sukzessive Zweitspracherwerb wird weiter je nach Alter bei Erwerbsbeginn eingeteilt, wobei die genauen Altersgrenzen fortwährend Gegenstand heftiger Kontroversen sind (vgl. Kapitel 4.3). Zuerst sollte das Alter von drei Jahren als Grenze zwischen dem bilingualen Erstspracherwerb und dem kindlichen Zweitspracherwerb beachtet werden:

„Wenn der Beginn des Erwerbs einer zweiten Sprache im vierten Lebensjahr oder später liegt, ist der Spracherwerb nicht mehr simultan, sondern es handelt sich um kindlichen Zweitspracherwerb (…). Der kindliche Zweitspracherwerb erfolgt ungesteuert, auch wenn heute im KiTa-Alltag häufig Sprachförderung allgemeiner Art und zum Teil auch gezielt stattfindet. Der kindliche Zweitspracherwerb unterscheidet sich vom erwachsenen Zweitspracherwerb auf den ersten Blick dadurch, dass Kinder in den meisten Fällen weit erfolgreicher sind als Erwachsene. Das liegt vor allem darin begründet, dass die Spracherwerbsfähigkeit, die den Erst- und den doppelten Erstspracherwerb ermöglicht und steuert, nicht mit einem Schlag verschwindet. Erwachsenen steht diese Fähigkeit nicht mehr zur Verfügung, aber Kinder können sie nutzen. Wie lange diese Fähigkeit erhalten bleibt, wird kontrovers diskutiert.“ (Rothweiler, 2007: 122)

Der kindliche Zweitspracherwerb kann demgemäß zwischen dem (bilingualen) Erstspracherwerb und dem Zweitspracherwerb von Erwachsenen positioniert werden, weil er sich allmählich von dem Ersteren entfernt und gleichzeitig dem Letzteren nähert. Dass das dritte Lebensjahr das Ende einer sensiblen Phase sein kann, bestätigen u. a. Untersuchungen zum Erwerb der deutschen Verbstellung (vgl. Kapitel 4.2.3). Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass es keine einzige kritische Periode gibt, sondern vielmehr ein Bündel von sensiblen Phasen, die verschiedene Aspekte der L2-Grammatik selektiv betreffen (vgl. Kapitel 4.3). Dies ist insofern wichtig, als die Selektivität der Alterseffekte das Auseinanderhalten der einzelnen Erwerbstypen erschwert und gleichzeitig auch impliziert, dass solch ein Auseinanderhalten unmöglich oder sogar unnötig ist.

Einige Forscher orientieren sich auch daran, ob der Zweitspracherwerb früh oder spät erfolgt. Schulz und Grimm (2012: 164) argumentieren, dass der Erwerb der zweiten Sprache im Alter von zwei bis drei Jahren als früher Zweitspracherwerb klassifiziert werden sollte; bei einem Erwerbsbeginn mit sechs Jahren oder später wird dagegen vom späten kindlichen Zweitspracherwerb gesprochen. Laut Hufeisen und Riemer (2010: 738) kann dann vom frühen Zweitspracherwerb die Rede sein, wenn die Zweitsprache im Alter von ungefähr vier bis sechs Jahren hinzukommt. Vom kindlichen Zweitspracherwerb ist darüber hinaus der Zweitspracherwerb Erwachsener abzugrenzen, dessen Anfang nach Meisel (2008: 59) für das achte und nach Ruberg (2013a: 182) für das elfte Lebensjahr anzusetzen ist.2 Vor diesem Hintergrund wird für die Zwecke der vorliegenden Arbeit von folgenden drei Erwerbstypen ausgegangen, die zunächst einen heuristischen Wert haben:


Simultaner Erstspracherwerb (simultan bilinguale Kinder) AbE ≤ 3
Kindlicher Zweitspracherwerb (sukzessiv bilinguale Kinder) AbE ≥ 4
Zweitspracherwerb Erwachsener AbE > 11

In diesem Rahmen sind nur diejenigen Alterseffekte relevant, die sich im Bereich des Zweitspracherwerbs der Wortstellung auswirken. Daher werden an dieser Stelle andere Studien, die zur Bestimmung der Altersgrenzen beitragen, nicht weiter thematisiert. Stattdessen wird in den nachfolgenden Kapiteln auf den kindlichen Zweitspracherwerb detaillierter eingegangen, indem seine relevantesten Aspekte näher beleuchtet werden.

2.3 Einflussfaktoren auf den kindlichen Zweitspracherwerb

Außer dem Alter zu Erwerbsbeginn, das als Schlüsselvariable bei der Unterscheidung zwischen den einzelnen Spracherwerbstypen gilt, gibt es eine Reihe von Faktoren, die den Anfangszustand und Verlauf des Zweitspracherwerbs unterschiedlich stark determinieren. Da die Verhältnisse, in denen eine Zweitsprache erworben wird, normalerweise viel komplexer sind als beim Erstspracherwerb, ist es nie ein einzelner Faktor allein, sondern immer ein Zusammenspiel verschiedener Variablen, die sich auf die Entwicklung der Zweitsprache auswirken. Im Folgenden werden nur diejenigen Einflussfaktoren thematisiert, die im Kontext des kindlichen Zweitspracherwerbs relevant erscheinen.1

In der Fachliteratur hat sich mittlerweile die Differenzierung zwischen internen und externen Faktoren etabliert. Erstere beziehen sich auf die Eigenschaften des Lerners selbst, wohingegen Letztere von der Umgebung bestimmt und vom Lerner unabhängig sind (vgl. z. B. Ellis, 1985: 276; J. Paradis, 2011: 213). Sie umfassen folgende Faktoren:2

„Internal factors include age of onset, knowledge of another language, cognitive maturity and language learning aptitude. External factors include socio-economic status (SES), maternal education and L2 proficiency, number of siblings, length of exposure, input quantity and quality as well as language use or output.“ (Unsworth et al., 2011: 207)

Rothweiler und Ruberg (2011: 11) stellen fest, dass beim sukzessiven bilingualen Erwerb die kognitive, physiologische und anatomische Entwicklung nicht an erster Stelle stehen. Den Autoren zufolge ist – außer dem Erwerbsalter – die Dauer des Kontakts mit der Zweitsprache (length of exposure LoE, length of residence LoR), also der Erwerbszeitraum, eine wesentliche Einflussvariable für den erreichten Sprachentwicklungszustand. Insbesondere in Hinblick auf den Erwerb der Satzstruktur im Deutschen verweisen Rothweiler und Ruberg (2011: 11) auf aktuelle Befunde, die zeigen, dass Kinder, die im Alter von bis zu vier Jahren in Kontakt mit der deutschen Sprache treten, die Satzstrukturen einschließlich Frage- und Nebensätzen innerhalb von acht bis 18 Monaten erwerben (vgl. Rothweiler, 2006; Thoma & Tracy, 2006). Die Rolle der Kontaktdauer mit der Zweitsprache wird u. a. von Hopp (2011) hervorgehoben. Er untersucht die Entwicklung der Determinansphrase beim frühen Zweitspracherwerb des Deutschen bei Kindern mit verschiedenen Erstsprachen im Alter zwischen 3;5 und 7;0 Jahren. Ihr Kontakt mit der Zweitsprache setzte im Alter zwischen 1;2 und 5;0 ein und dauerte zwischen 0;5 und 5;4 Jahren. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass nicht das Erwerbsalter, sondern vielmehr die Kontaktdauer einen signifikanten Einfluss auf den untersuchten Bereich hat.

Eine weitere Bestätigung für Auswirkungen der Kontaktdauer auf den kindlichen Zweitspracherwerb liefert eine Studie von Armon-Lotem et al. (2011). Anhand von Satzwiederholungs- und Satzergänzungsaufgaben untersuchen sie die Entwicklung der komplexen Syntax und Morphologie bei 65 russisch-deutsch bilingualen Kindern im Alter zwischen 3;11 und 7;2 Jahren. Das Alter der Kinder bei Erwerbsbeginn betrug zwischen 1;0 und 3;10, die Kontaktdauer zwischen 1;1 und 5;5 Jahren. Die Kontaktdauer mit dem Deutschen erweist sich, im Gegensatz zum Erwerbsalter, als signifikanter Faktor sowohl beim Erwerb der Syntax (p < 0,05) als auch der Morphologie (p < 0,01). Die fehlenden Alterseffekte sind jedoch angesichts des Erwerbsalters der Kinder nicht verwunderlich. Die meisten von ihnen sind weniger als 30 Monate alt und befinden sich daher noch innerhalb der kritischen Phase (vgl. Meisel, 2007a).

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Studie von Unsworth (2016) zu verweisen, welche die Auswirkungen der Kontaktdauer und des Erwerbsalters auf die Entwicklung des V2-Phänomens bei englisch-niederländischen Kindern ins Visier nimmt. Das Erwerbsalter der Kinder lag entweder vor (M = 2;4) oder nach dem vierten Lebensjahr (M = 5;5). Die Gruppe mit niedrigerem Alter bei Erwerbsbeginn war im Durchschnitt 7;3 Jahre alt und hatte 5;0 Jahre Kontakt mit der Zweitsprache hinter sich. Das durchschnittliche Alter bei Erwerbsbeginn in der zweiten Gruppe lag bei 9;1 Jahren, und die durchschnittliche Kontaktdauer bei 3;7 Jahren. Unsworth (2016) kalkuliert zusätzlich den kumulativen Input in Jahren und den aktuellen Input in Prozent. Aufgrund zweier Aufgaben zur Sprachproduktion versucht die Autorin, die V2/V3-Stellung zu elizitieren. Es stellt sich heraus, dass beide Gruppen unabhängig vom Erwerbsalter die gleichen falschen V3-Strukturen sowohl mit finiten als auch mit infiniten Verben produzieren. Demgegenüber zeigen die Ergebnisse, dass der Input in der Zweitsprache der einzige Faktor ist, der die Fehler der Kinder erklären kann. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die einfache Erwerbsdauer in Jahren, sondern um die aktuelle Inputsituation der Kinder: Je mehr Input in der Zweitsprache sie aktuell erhalten, desto weniger Fehler machen sie.3

Zum Faktor Kontaktdauer ist anzumerken, dass nach fünf bis zehn Jahren Kontakt mit der Zweitsprache die Kompetenz als stabilisiert gelten kann und nach Ablauf dieser Periode der Erwerbszeitraum nicht mehr mit dem erreichten Endzustand korreliert (vgl. z. B. Granena, 2016: 17). Nach Wode (1993: 327) ist die Stabilisierungsphase bei erwachsenen L2-Lernern sogar noch früher abgeschlossen, und zwar schon nach Ablauf von zwei bis zweieinhalb Jahren. Längerfristig sind dem Autor zufolge ein frühes Kontaktalter sowie Art und Umfang des Kontakts für den Lernerfolg entscheidend.4 Wenn man zusätzlich bedenkt, dass simultan bilinguale Kinder prinzipiell weniger Sprachangebot im Vergleich zu monolingualen Kindern erhalten, aber dennoch an das muttersprachliche Niveau heranreichen, scheint die Kontaktdauer nicht der entscheidende Einflussfaktor auf den Zweitspracherwerb im syntaktischen Bereich zu sein.5

Da aber einzelne Lerner trotz der gleichen Kontaktdauer die Zweitsprache unter verschiedenen Bedingungen erwerben können, ist notwendigerweise mit Variationen in verschiedenen Parametern des sprachlichen Inputs zu rechnen:

„Children exposed to the L2 in a setting outside the home receive less input than L1 children exposed to a single language in both the home and social settings. This difference is both quantitative and qualitative in terms of the contexts that each language may be used in and is influenced by factors, such as the educational system, the status and the power relations between the two languages, and the institutional support that the minority language receives.“ (Chondrogianni & Marinis, 2011: 320)

Daher wird in der Zweitspracherwerbsforschung auch der sprachliche Input, dem ein Kind innerhalb des Erwerbsraums ausgesetzt ist, als ein sehr wichtiger Faktor analysiert. Dabei scheinen sowohl seine Quantität als auch Qualität eine bedeutsame Rolle zu spielen.6 Veränderungen in der Inputsituation sind insbesondere in Migrantenfamilien zu beobachten, in denen beide Elternteile die gleiche Sprache verwenden.7 Das Kind ist dann in seinen ersten Lebensjahren fast ausschließlich dieser Sprache ausgesetzt. Ein Kontakt mit der Zweitsprache fällt normalerweise erst mit Eintritt in den Kindergarten oder in die Grundschule zusammen. Folglich ändert sich die Inputsituation des Kindes drastisch, weil die Erstsprache in den Hintergrund rückt und die Zweitsprache stark hervortritt (vgl. Rothman, 2009). Unterschiedlich können auch Inputquellen sein, denen bilinguale Kinder ausgesetzt sind. Manchmal passiert es, dass nur ein Elternteil die Minoritätssprache zu Hause spricht, wodurch die Inputmenge deutlich reduziert wird. Auch Geschwister haben einen großen Einfluss darauf, wie viel Sprachangebot in beiden Sprachen bilingualen Kindern zuteilwird. Anzumerken ist dabei, dass sich die Berechnungen der Inputmenge in den meisten Studien lediglich auf eine retrospektive Einschätzung der Inputsituation stützen, d. h. die Eltern werden gebeten, einzuschätzen, wie viel Zeit das Kind mit seiner Familie verbringt oder wie viele Stunden Kontakt mit den Medien in beiden Sprachen das Kind hat. Die zweifelhafte Validität der Elternfragebögen wird von Carroll (2017) wie folgt auf den Punkt gebracht:

„(…) it may seem like a perfectly reasonable methodological decision to rely on questionnaires in which parents are asked to estimate how much time they spend with their children and what languages they are using when they do so. However, temporal units are crude measures of exposure and they tell us nothing about input [KD].“ (Carroll, 2017: 6)

Wenn auch diese Ansicht legitim zu sein scheint, darf nicht vergessen werden, dass die retrospektiven Selbstangaben der Eltern normalerweise die einzige Möglichkeit sind, Informationen über den Input zu gewinnen. Zudem argumentieren einige Forscher, dass die von den Eltern angegebene Einschätzung der Inputmenge den Verlauf der bilingualen Entwicklung in vielen Bereichen tatsächlich voraussehen kann (vgl. J. Paradis, 2017).

Auch die Qualität des sprachlichen Angebots kann sich auf den kindlichen Zweitspracherwerb auswirken. Nach Rothweiler (2007: 123) ist ein konstanter und eindeutiger Input relevant, in dem die verschiedenen Sprachen durch eine Zuordnung zu bestimmten Personen und Situationen getrennt werden. Ebenso förderlich ist es, wenn der Input in beiden Sprachen umfangreich ist und in erster Linie von Muttersprachlern kommt. Genauere Untersuchungen, die der genauen Struktur des Inputs und ihrem Einfluss auf den kindlichen Zweitspracherwerb der deutschen Wortstellung gewidmet wären, sind meines Wissens noch zu erwarten.

In Studien zum kindlichen Zweitspracherwerb der grundlegenden Wortstellungsmuster im Deutschen wird der Input zwar als wichtiger Faktor analysiert, er wird jedoch ausschließlich in Monaten ab dem Eintritt des Kindes in eine deutschsprachige Kinderbetreuungseinrichtung gemessen (vgl. Czinglar et al., 2017: 16). Der Erwerb der deutschen Wortstellung scheint weniger von verschiedenen Eigenschaften des Inputs abzuhängen, weil er in einer geordneten Entwicklungssequenz verläuft, die sich durch den Input kaum modulieren lässt. Da diese Entwicklungssequenz beim Zweitspracherwerb anders verläuft als beim Erstspracherwerb (vgl. z. B. Diehl et al., 2000: 63f.), ist davon auszugehen, dass nicht der Input, sondern vielmehr das Alter bei Erwerbsbeginn für den Wortstellungserwerb konstitutiv ist. Eine weitere Bestätigung dafür bietet der Erwerb des Deutschen als Herkunftssprache. In einer Studie zur Verb- und Negationsstellung zeigt Długosz (2019), dass der Erwerb dieser zwei Phänomene sogar in einer sehr ungünstigen Inputsituation problemlos verläuft. Obwohl die allgemeine Kompetenz der untersuchten Kinder in der Herkunftssprache von einer Attrition betroffen zu sein scheint, erweisen sich die grundlegenden Wortstellungsmuster weitestgehend als robust und veränderungsresistent. In diesem Zusammenhang ist erneut auf den generativen Ansatz innerhalb der Zweitspracherwerbsforschung hinzuweisen, in dessen Rahmen postuliert wird, dass die L2-Grammatiken Eigenschaften aufweisen, die nicht dem Input entstammen können, sondern nur innerhalb der Universalgrammatik erklärbar sind (vgl. Sopata, 2009: 89). Von diesem Standpunkt aus gesehen darf dem Input keine alleinige oder entscheidende Erklärungskraft zugesprochen werden, zumindest nicht beim frühen Zweitspracherwerb.8

Die weiteren, eingangs erwähnten, externen Faktoren, wurden im Kontext des Erwerbs der deutschen Wortstellung kaum untersucht. Erste Versuche, den Einfluss des sozioökonomischen Status auf den Zweitspracherwerb des Deutschen zu ermitteln, wurden zwar bereits unternommen, jedoch nicht in Bezug auf die Syntax (vgl. z. B. Czinglar et al., 2015). Einen durchaus wichtigen Faktor, der entweder als intern zu klassifizieren oder als unabhängig von der Intern/Extern-Unterscheidung zu betrachten ist, stellt das bereits vorhandene L1-Wissen dar, das sowohl den Erwerb als auch die Verarbeitung der Zweitsprache bei Kindern beeinflussen kann. Auf die Frage des Einflusses der Erstsprache und seiner möglichen Manifestationen wird im darauffolgenden Subkapitel eingegangen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass neben dem Alter bei Erwerbsbeginn auch die Dauer, Menge und Quantität des sprachlichen Inputs beim frühen Zweitspracherwerb eine bedeutsame Rolle spielen. Nichtsdestotrotz scheint der Erwerb der grundlegenden Wortstellungsmuster in der Zweitsprache Deutsch in erster Linie vom Alter bei Erwerbsbeginn abhängig zu sein. Die Möglichkeit des positiven Einflusses der Inputmenge und der Kontaktdauer mit der Zweitsprache, der in einigen Studien zum Erwerb des syntaktischen Wissens in anderen Sprachen bestätigt wurde, muss im Kontext des Deutschen als früher Zweitsprache erst untersucht werden.