Kitabı oku: «Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb», sayfa 4
2.4 Spracheneinfluss beim kindlichen Zweitspracherwerb
Die Untersuchung des Einflusses der Erstsprache auf den Erwerb von Zweitsprachen in verschiedenen sprachlichen Bereichen wird innerhalb der Zweitspracherwerbsforschung als zentrale Aufgabe angesehen (vgl. Odlin, 2003). Zahlreiche Untersuchungen haben verschiedenerlei Interaktionen zwischen zwei sprachlichen Systemen sowohl bei Erwachsenen (vgl. z. B. Arabski, 2006; Muysken, 2013) als auch bei Kindern (vgl. Döpke, 1998; Argyri & Sorace, 2007; Kupisch, 2007) ans Licht gebracht. Alle Arten gegenseitiger Beeinflussung zwischen Sprachen bei einem Individuum werden in der englischsprachigen Literatur durchgängig unter dem Sammelbegriff cross-linguistic influence zusammengefasst. Dem entspricht das deutsche Äquivalent Spracheneinfluss, das von Müller et al. (2011) im Kontext der kindlichen Zweisprachigkeit vorgeschlagen wurde.1 Im Verlauf des bilingualen Spracherwerbs (2L1 und L2) kann man im Grunde folgenden drei Manifestationen von Spracheneinfluss begegnen (vgl. Paradis & Genesee, 1996: 3f.; Müller et al., 2011: 12, 121f.):
1 Transfer (transfer): Transfer besteht in der Eingliederung einer grammatischen Eigenschaft aus der einen Sprache in die andere Sprache. Kurzum: Es handelt sich hier um eine Übertragung von Eigenschaften.
2 Beschleunigung (acceleration): Beschleunigung bedeutet, dass eine Eigenschaft in der Grammatik der betreffenden Sprache früher vorkommt als beim monolingualen Erwerb.
3 Verlangsamung (delay): Verlangsamung führt dazu, dass eine Eigenschaft in der Grammatik der betreffenden Sprache später auftritt als beim monolingualen Erwerb.
Der Spracheneinfluss, der einen beschleunigenden Effekt auf den Erwerbsprozess hat, wird als positiver Transfer bezeichnet.2 Wird der Erwerb hingegen durch einen Spracheneinfluss verlangsamt, so spricht man vom negativen Transfer. Die beiden Begriffe werden im Rahmen der Zweitspracherwerbsforschung folgenderweise definiert:
„Negativer Transfer entsteht, wenn die beiden Sprachen, die Muttersprache und die Zweitsprache, für einen bestimmten grammatischen Bereich unterschiedlich sind und der Lerner die grammatischen Regularitäten der Erstsprache auf die Zweitsprache anwendet. Positiver Transfer entsteht, wenn sich die beiden Sprachen in einem grammatischen Bereich gleichen und der Lerner die Regularitäten der Erstsprache für seine Zweitsprache übernehmen kann und sich somit ein problemloser Erwerbsverlauf abzeichnet.“ (Müller et al., 2011: 22)
Es ist wichtig hervorzuheben, dass der Transfer kompetenzabhängig ist. Da aber der Spracheneinfluss auch die Performanz betreffen kann, weisen Müller et al. (2011: 19) auf das Kriterium der Vorkommensfrequenz von Spracherscheinungen hin, anhand dessen der kompetenzabhängige Transfer von Performanzphänomenen abgegrenzt werden kann.3 Diejenigen Spracherscheinungen, die mit einer Frequenz von unter 5 % vorkommen, sollten den Autorinnen zufolge der Performanz zugerechnet werden. Erst wenn der Gebrauch einer Struktur diese Häufigkeitsschwelle überschreitet und systematisch auftritt, wird von Transfer gesprochen. Ein weiteres Kriterium ist der Übergang von einer Struktur zu einer anderen, der im Falle des Transfers linear erfolgen sollte (vgl. Sopata, 2010b: 221). Ferner kann der Transfer von der Erstsprache nur dann zweifellos belegt werden, wenn Kinder mit unterschiedlichen Ausgangssprachen systematisch die gleichen abweichenden Strukturen produzieren, was es ermöglicht, den Transfer von einzelsprachlichen Erscheinungen auseinanderzuhalten (vgl. Sopata, 2009: 114). Dieser Logik folgend sollte der kompetenzgetriebene Transfer sowohl in der Sprachproduktion als auch in der Sprachrezeption erkennbar sein.
Rothweiler und Ruberg (2011: 14) argumentieren, dass bisherige Untersuchungen zum kindlichen Zweitspracherwerb keine eindeutigen Belege für strukturellen Transfer liefern können. Eine derartige Argumentation ist zwar sehr radikal, sie erweist sich aber angesichts der soeben diskutierten Bedingungen für das Auftreten des Transfers als legitim. Nichtsdestotrotz gibt es einige bemerkenswerte Studien, die nicht-zielsprachliche Erwerbsverläufe auf den Einfluss der Erstsprache zurückführen. Haznedar (1997) untersucht beispielsweise die frühe Phase der Entwicklung der Verbalphrase im Englischen als Zweitsprache bei einem türkischen Jungen (Erwerbsalter: 4;3). Türkisch ist eine SOV-Sprache und unterscheidet sich deswegen vom Englischen, das die SVO-Folge aufweist. Innerhalb der ersten drei Monate produziert der Junge überwiegend Äußerungen mit der für das Türkische typischen XV-Folge, was die Autorin mit dem Transfer von der Erstsprache in Verbindung bringt. Auch Haberzettl (2005) analysiert die Möglichkeit des Transfers beim kindlichen Zweitspracherwerb. Sie untersucht den Erwerb des Deutschen bei türkischen und russischen Kindern (Erwerbsalter: 6;0–8;0). Die türkischsprachigen Kinder beginnen den Deutscherwerb mit einer rechtsköpfigen Verbalphrase, also mit der XV-Folge, die sowohl mit dem Verlauf des Erstspracherwerbs bei monolingualen deutschen Kindern als auch mit dem Transfer aus der Erstsprache Türkisch im Einklang steht. Die Autorin ist der Ansicht, dass das Vorhandensein der rechtsköpfigen Verbalphrase in der Erstsprache der Kinder ihnen den Erwerb der Satzstruktur im Deutschen erleichtert hat. Demgegenüber produzierten die russischsprachigen Kinder zuerst die kanonische SVO-Folge, die auch zu Beginn des Zweitspracherwerbs Erwachsener attestiert wird, wodurch der Erwerb der deutschen Satzstruktur für sie viel schwieriger war als für die türkischsprachigen Kinder. Haberzettl (2005) erklärt die verschiedenen Erwerbsverläufe mit dem Transfer aus den jeweiligen Erstsprachen der Kinder (vgl. Kapitel 4.2.3).
Auch scheint das Alter bei Erwerbsbeginn einen Einfluss auf das Auftreten des syntaktischen Transfers zu haben: Je älter ein Kind am Anfang des Zweitspracherwerbs ist, desto eher ist mit Transfererscheinungen zu rechnen, wie sie aus dem Zweitspracherwerb Erwachsener bekannt sind.4 Kinder bringen sie allerdings viel leichter hinter sich als Erwachsene (vgl. Rothweiler & Ruberg, 2011: 14). Aufgrund der Tatsache, dass die erstsprachliche Kompetenz bei jüngeren Kindern noch nicht völlig entwickelt und stabilisiert ist, ist es nicht verwunderlich, dass der Einfluss der Erstsprache erst mit steigendem Erwerbsalter an Stärke zunimmt.5 Einen Nachweis dafür liefert z. B. die Studie von Sopata (2013a), in der sie den Erwerb der W-Fragen bei vier polnisch-deutschen Kindern untersucht, die bei erstmaligem Kontakt mit dem Deutschen unterschiedlich alt waren. Während bei dem jüngsten Mädchen mit dem Erwerbsalter 2;6 kein Transfer nachweisbar ist, produzieren die drei älteren Jungen (Erwerbsalter: 3;8, 4;0, 4;7) nicht-zielsprachliche V3-Strukturen, die im Polnischen neben der V2-Stellung möglich sind. Brehmer und Gielge (2019) zeigen auch, dass der Spracheneinfluss bei älteren Kindern mit steigender Kontaktdauer mit der Zweitsprache nachlässt. Sie untersuchten 20 deutsch-polnische Kinder im Alter zwischen 7;0 und 12;11 Jahren. Ihr Erwerbsalter variierte zwischen 0;0 und 11;0, die Kontaktdauer zwischen 0;8 und 11;4 Jahren. Auf der Basis von Urteilsdaten weisen Brehmer und Gielge (2019) nach, dass der Einfluss des Deutschen im Bereich der Satzklammer mit der Länge des Kontakts mit dem Polnischen negativ korreliert.
Außer den Faktoren Erwerbsalter und Kontaktdauer werden in der einschlägigen Literatur auch sprachinterne Bedingungen vorgeschlagen, die für das Auftreten von Spracheneinfluss eine bedeutsame Rolle spielen:6
„Cross-linguistic influence occurs at the interface between two modules of grammar, and more particularly at the interface between pragmatics and syntax in the so-called C-domain, since this is an area which has been claimed to create problems in L1 acquisition.“ (Hulk & Müller, 2000: 228)
„Syntactic cross-linguistic influence occurs only if language A has a syntactic construction which may seem to allow more than one syntactic analysis and, at the same time, language B contains evidence for just one of these possible analyses. In other words, there has to be a certain overlap of the two systems at the surface level.“ (Hulk & Müller, 2000: 228)
Nach der ersten Bedingung tritt der Spracheneinfluss dann auf, wenn ein syntaktisches Phänomen an der Schnittstelle zwischen grammatischen Modulen oder zwischen Syntax und Pragmatik liegt. Der zweiten Bedingung zufolge muss Sprache A Konstruktionen aufweisen, die so geartet sind, dass sie mehr als nur eine syntaktische Analyse erlauben, und Sprache B sollte Evidenz nur für eine der möglichen Analysen enthalten. Mit anderen Worten: Es muss eine Überlappung zwischen zwei Systemen an der Oberfläche des Satzes gegeben sein. Argyri und Sorace (2007: 80) ergänzen die zweite Bedingung, indem sie unter diesen Umständen den Spracheneinfluss von Sprache B zu Sprache A prognostizieren. Um die Richtung des Spracheneinflusses zu bestimmen, ziehen Müller et al. (2002) ein Komplexitätskriterium heran. Sie gehen davon aus, dass Kinder einem Ökonomieprinzip folgen und daher die weniger komplexe Analyse auf beide Sprachen anwenden. Eine Übergeneralisierung der komplexeren Analyse wäre dementsprechend aus Gründen der Ökonomie weniger wahrscheinlich.7
Die Schnittstellen zwischen grammatischen Modulen und zwischen Syntax und Pragmatik werden auch von anderen Autoren als problematische Bereiche beim Zweitspracherwerb angesehen. Ein Grund für die Instabilität an den Schnittstellen sollen Probleme bei der Sprachverarbeitung sein, wenn Informationen aus multiplen Domänen in Echtzeit integriert werden müssen. Diese Annahme hat sich in der Spracherwerbsforschung unter dem Begriff Interface-Hypothese etabliert (vgl. Sorace & Filiaci, 2006; Sorace, 2011).
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Spracheneinfluss auch während der Sprachverarbeitung vorkommen kann.8 Das bekannteste Beispiel für ein Produktionsphänomen sind wohl Sprachmischungen9, die keinesfalls als Anzeichen eines Kompetenzdefizits, sondern als Teil des natürlichen Repertoires mehrsprachiger Kinder angesehen werden sollten. Sie sind darüber hinaus regelgeleitet und können je nach Alter als sozial-funktionale oder als kommunikative Strategie analysiert werden (vgl. z. B. Cantone, 2007; Tracy, 2009).10 Nach Meisel (2007b: 506) kann es auch innerhalb einer Sprache zu einer „versteckten Sprachmischung“ kommen, bei der nur strukturelle Eigenschaften der nicht-involvierten Sprache aktiviert werden, ohne dass lexikalisches Material im Spiel ist. Dadurch können dem Autor zufolge ungewöhnliche Strukturen erklärt werden, die zuweilen von bilingualen Kindern produziert werden. Von einer Koaktivierung zweier Sprachen während der Sprachverarbeitung geht auch Hulk (2000) aus, indem sie untypische Strukturen in der Kindersprache nicht auf strukturellen Transfer, sondern auf spezifische Verarbeitungsmechanismen im bilingualen Sprachgebrauch zurückführt, wenn eine Sprache bei der Aktivierung der anderen nur teilweise ausgeschaltet wird: „One language is activated whereas the other is inhibited. However, inhibition is never complete [KD]“ (Hulk, 2000: 75). Demzufolge kann die unvollständige Ausschaltung einer der Sprachen sogar zu Fehlern in der Sprachproduktion und -rezeption (z. B. in Grammatikalitätsurteilen) führen, die wohlgemerkt nicht die Kompetenz der Kinder widerspiegeln, sondern lediglich als Resultat der Koaktivierung zweier Sprachen während der Sprachverarbeitung (in Echtzeit) gelten dürfen (vgl. auch Meisel, 2010: 110).
Außerdem sollte darauf hingewiesen werden, dass diese ungewöhnlichen Strukturen bzw. Fehler auch von Asymmetrien zwischen Produktion und Rezeption herrühren können. Schulz (2007: 73) betont in diesem Zusammenhang, dass Kinder komplexe syntaktische Strukturen produzieren können, bevor sie diese Strukturen korrekt zu interpretieren vermögen. Somit können bilinguale Kinder in ein und demselben Sprachbereich je nach Aufgabe unterschiedliche Ergebnisse erzielen (vgl. auch Grüter, 2018: 201–207).
Der Spracheneinfluss kann sich auch in subtilerer Weise manifestieren, z. B. durch quantitative Veränderungen in einer der Sprachen. Dies betrifft Situationen, in denen eine Struktur oder Eigenschaft in beiden Sprachen vorhanden ist (was die Möglichkeit der Transfers ausschließt) und in einer der Sprachen häufiger oder auch seltener zum Vorschein kommt. Yip und Matthews (2007) zeigen beispielsweise, dass englisch-kantonesisch bilinguale Kinder infolge der Beeinflussung des Kantonesischen Nullobjekte im Englischen viel öfter benutzen als monolinguale englische Kinder. Ein noch feinstrukturierteres Beispiel für den Spracheneinfluss im Bereich der Nullelemente kann der Fall sein, wenn Mechanismen der Referenzfestlegung von Nullargumenten von einer Sprache auf eine andere angewendet werden (vgl. z. B. Sopata, 2019a).
Insgesamt zeigt sich, dass der Spracheneinfluss nicht nur den Erwerbsprozess, sondern auch die Sprachverarbeitung von bilingualen Kindern betreffen kann. Beim Ersteren handelt es sich im Prinzip um drei Phänomene, d. h. Transfer, Beschleunigung und Verlangsamung, wohingegen mit dem Letzteren Interaktionen zwischen zwei sprachlichen Systemen beim Sprechen und beim Sprachverstehen gemeint sind, die mit spezifischen Sprachverarbeitungsmechanismen im bilingualen Sprachgebrauch in Verbindung zu bringen sind.
2.5 Fazit
Der in diesem Kapitel vorgenommene Versuch, die wichtigsten Aspekte der kindlichen Zweisprachigkeit aus spracherwerbstheoretischer Sicht darzustellen, zeigt, dass der kindliche Zweitspracherwerb ein enorm komplexer Prozess ist, der trotz intensiver Forschungstätigkeit immer noch wenig untersucht ist. Die Auseinandersetzung mit dem generativen Ansatz hat demonstriert, dass die Spracherwerbshypothesen, die in seinem Rahmen entwickelt wurden, eine herausragende Erklärungskraft für den Grammatikerwerb besitzen. Infolgedessen wird in der vorliegenden Arbeit von der Syntaxautonomie innerhalb der modular aufgebauten Sprachfähigkeit sowie von der Existenz der Universalgrammatik, die bei der Entwicklung der Zweitsprache nicht uneingeschränkt zugänglich ist, ausgegangen. Daher wird auch angenommen, dass der Erstspracherwerb und der Zweitspracherwerb Erwachsener zwei fundamental verschiedene Prozesse sind, die zu einem qualitativ anderen grammatischen Wissen führen. Es wurde ferner dafür argumentiert, dass das Alter bei Erwerbsbeginn der entscheidende Faktor beim Zweitspracherwerb der deutschen Sprachstruktur ist, zumindest in der frühen Phase des Erwerbsprozesses. Welche Faktoren die fortgeschrittenen Erwerbsphasen determinieren, ist jedoch noch eine offene Frage, die im weiteren Verlauf der Arbeit beantwortet werden soll.
3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen
Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, einen linguistisch definierten Beschreibungsapparat in gebotener Kürze darzustellen, um die Erwerbsaufgabe der untersuchten Kinder nachvollziehbar zu machen. Angesichts einer beträchtlichen Menge von in der Fachliteratur zur Verfügung stehenden Beschreibungen des deutschen Satzes (vgl. z. B. DUDEN-Grammatik, 2009; Dürscheid, 2012; Pittner & Berman, 2013; Wöllstein, 2014) erhebt die folgende Darstellung der Wortstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen allein diejenigen Phänomene beschrieben werden, deren Erwerb in der vorliegenden Arbeit untersucht wird, d. h. die Inversion im Deklarativsatz (XVS), die Verbalklammer, die Verbendstellung im Nebensatz und die Stellung der Negation in Relation zum Verb im Deklarativsatz. Zugrunde gelegt werden hier sowohl das topologische Modell (auch: Stellungsfeldermodell), das die Eigenschaften der deutschen Satzstruktur übersichtlich beschreibt als auch die generative Grammatik, die über die rein linguistischen Beschreibungen hinausgeht und die Erwerbsaufgabe aus kognitiver Sicht erklärt. Im Anschluss an die Auseinandersetzung mit den untersuchten Wortstellungsphänomenen im Deutschen wird auch die Wortstellung im Polnischen im Rahmen einer komparativen Besprechung näher beleuchtet.
3.1 Allgemeines zur Wortstellung im Deutschen
Die Wortstellung im Deutschen gilt einerseits als relativ frei, was auf die variable Anordnung von Elementen im Mittelfeld zurückzuführen ist, andererseits aber wird sie im Einzelfall durch das Ineinandergreifen von syntaktischen, pragmatischen, kognitiv-semantischen sowie prosodischen Faktoren determiniert (vgl. Speyer, 2011: 14).1 Zur Beschreibung der Wortstellung innerhalb des Satzes bietet sich zunächst das topologische Feldermodell an, das zuerst von Drach (1937) entworfen und später von anderen Sprachwissenschaftlern (vgl. z. B. Zifonun et al., 1997) weiterentwickelt bzw. modifiziert wurde.2 Ausgangspunkt hierfür ist die Beobachtung, dass die Teile des Verbalkomplexes in der deutschen Sprache als diskontinuierliche Konstituenten vorkommen und damit die restlichen Konstituenten einklammern. Als Folge dessen entsteht eine Satzklammer und der Satz wird in drei Felder gegliedert: Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld. Diese werden durch die Grenzmarker, d. h. die linke und die rechte Satzklammer, voneinander abgegrenzt (vgl. Pittner & Berman, 2013: 79):
Vorfeld | Linke Klammer | Mittelfeld | Rechte Klammer | Nachfeld |
Sie | hat | ihn schon einmal | gesehen | irgendwo. |
Tab. 1:
Das Stellungsfeldermodell des deutschen Satzes nach Pittner und Berman (2013: 79).
In der linken Klammer befindet sich der finite Teil, in der rechten Klammer der nicht-finite Teil des Verbalkomplexes. Die Form des finiten Verbs verändert sich im Deutschen in Abhängigkeit von den vier Kategorien Person, Numerus, Tempus und Modus. Das regelmäßige Flexionsparadigma für (thematische) Verben im Präsens kann folgendermaßen dargestellt werden:
Infinitiv | machen | |
1. | Singular | mach(e) |
2. | Singular | machst |
3. | Singular | macht |
1. | Plural | machen |
2. | Plural | macht |
3. | Plural | machen |
Aus erwerbstheoretischer Sicht sind insbesondere die Kategorien Person und Numerus von Belang, denn der Erwerb der Subjekt-Verb-Kongruenz (SVK) bei monolingualen Kindern geht mit dem Erwerb syntaktischer Phänomene einher (vgl. z. B. Clahsen, 1982).3 Die Form des nicht-finiten Teils des Verbalkomplexes (des Infinitivs oder des Partizips) in der rechten Klammer bleibt unverändert. Die Besetzung der restlichen topologischen Einheiten, d. h. des Vor-, Mittel- und Nachfelds ist auch bestimmten syntaktischen Regelungen unterworfen. Im Vorfeld kann idealiter nur eine Konstituente stehen, die im unmarkierten Fall mit dem Subjekt identisch ist. Wenn keine besonderen Prinzipien dagegen vorliegen, kann sich aber auch jede andere Konstituente im Vorfeld befinden, ebenso wie ganze Sätze. Wird das Vorfeld durch eine andere Konstituente als das Subjekt oder ein Adverb besetzt, so handelt es sich um eine Topikalisierung. Unbetonte Elemente wie das Reflexivpronomen echt reflexiver Verben, Modalpartikeln, das akkusativische Personalpronomen es und abtrennbare Verbpartikeln können nicht im Vorfeld erscheinen. Eine Ausnahme macht das expletive es, das stets im Vorfeld stehen muss (vgl. Philippi & Tewes, 2010: 238f). Im Mittelfeld können im Prinzip alle Elemente des Satzes stehen, ausschließlich der Elemente, die andere Einheiten besetzen müssen. Die Anordnung der nominalen Elemente im Mittelfeld hängt zwar von pragmatischen Faktoren ab, es gibt aber einige feste Regeln, z. B. die unmarkierte Folge: Subjekt > indirektes Objekt > direktes Objekt. Im Nachfeld müssen wiederum mit sodass eingeleitete Sätze, dass-Komplemente von es scheint sowie Vergleichsphrasen stehen. Möglich sind auch eingebettete Komplementsätze, Relativsätze und umfangreiche oder nachgestellte Konstituenten. Dass-Komplemente von es heißt und finite Subjekt- oder Objektkomplemente zahlreicher Verben können entweder im Nachfeld oder auch im Vorfeld stehen (vgl. Philippi & Tewes, 2010: 239−242).4
Hinsichtlich der Stellung des finiten Verbs gibt es im Deutschen genau drei denkbare Positionen: Verberst- (V1), Verbzweit- (V2) und Verbendsätze (VE).5 In der ersten Position steht das finite Verb grundsätzlich in Aufforderungsätzen, Entscheidungsfragesätzen und Wunschsätzen ohne Komplementierer6. Kennzeichnend für sie ist das Nichtvorhandensein des Vorfelds und die Platzierung aller Satzglieder im Mittelfeld oder gegebenenfalls im Nachfeld. Die rechte Satzklammer kann hierbei leer bleiben, wohingegen die linke mit einem finiten Verb besetzt sein muss (vgl. Dürscheid, 2012: 76, 91).
Linke Klammer | Mittelfeld | Rechte Klammer | Nachfeld |
Komm | doch mit mir ins Kino. | ||
Wirst | du heute mit mir ins Kino | kommen, | wenn du Zeit hast? |
Kämst | du doch mit mir ins Kino! |
Tab. 2:
Felderbesetzung in V1-Sätzen nach Dürscheid (2012: 91).
Zur Klasse der Sätze mit V1-Stellung zählen darüber hinaus uneingeleitete, vorangestellte Nebensätze, die in einem übergeordneten Satz auch das Vorfeld besetzen können:
Vorfeld | Linke Klammer | Mittelfeld | Rechte Klammer | Nachfeld |
Kommst du mit mir ins Kino, | freue | ich mich sehr. |
Tab. 3:
Ein uneingeleiteter, vorangestellter Nebensatz als V1-Satz nach Dürscheid (2012: 91).
Laut Philippi und Tewes (2010: 237) können auch Deklarativsätze mit einem finiten Verb in der initialen Position vorkommen:
Vorfeld | Linke Klammer | Mittelfeld | Rechte Klammer | Nachfeld |
Hat | er doch das Auto | gestohlen, | ohne an die Folgen zu denken. |
Tab. 4:
Ein Aussagesatz mit V1-Stellung nach Philippi und Tewes (2010: 236).
Da die V1-Stellung außerhalb des Bereichs der vorliegenden Arbeit liegt, wird sie hier nicht weiter behandelt. In den nachfolgenden Subkapiteln sollen stattdessen die V2-, VE- und Negationsstellung detaillierter beschrieben werden.
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