Kitabı oku: «"Ich habe die Wolken von oben und unten gesehen"», sayfa 4

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SPIEL UND ERNST: MEINE ZEIT BEI FUSSBALL, MUSIKKAPELLE UND BERGRETTUNG

Schon während meiner Zeit in den ersten Klassen im Internat spielte ich in den Ferien Fußball auf dem Fußballplatz in der Au in St. Anton, wo sich jetzt die Hauptschule befindet. Es war der naturbelassenste Platz der Welt, denn eigentlich war es eine Weide für die Kühe von St. Anton. Naturbelassen bedeutete, dass der Platz von West nach Ost abfiel, nicht planiert war und zahlreiche bis zu einem halben Meter tiefe Unebenheiten aufwies. Zudem wuchsen am Rand des Spielfeldes zwei Fichten, die man trickreich umspielen musste. Nicht nur die Fußballer, auch die Kühe liebten die meist nur mit niederem Gras bewachsene Au. Kunstdünger oder Rasensamen wurden nicht gebraucht, da die Kühe das Gras immer recht kurz hielten und mit ihren Fladen für die Düngung sorgten. Es ging hemdsärmlig rau zu. Vor Spielen auf dem Platz waren zwei Mann mit Schubkarren und Schaufel unterwegs, um die „exkrementellen Unebenheiten“ zu beseitigen. Das gelang aber nur teilweise, und in der Abwehr musste man beim Hineingrätschen vorsichtig sein, um nicht braune Schleifspuren zu bekommen. Wenn ein Fladen vergessen worden war, musste der darauf landende Ball mit Gras abgewischt werden. Als Tore dienten dünne, lange, entastete Baumstämme. Ein Netz hinter dem Tor gab es nicht. Der Tormann bemühte sich deshalb besonders, die Bälle zu halten, denn bei einem Tor oder einem Fehlschuss waren die Wege weit, um den Ball wieder zu holen.

Natürlich war unser Fußballplatz für den Spielbetrieb eines Vereins nicht zugelassen, aber trotzdem gab es immer wieder Wettkämpfe. Legendär waren die Spiele von den Nassereinern gegen die Dörfler. Die Dörfler mit Reinhold Falch, dem späteren Direktor des Flughafens in Innsbruck, sowie mit Harald Rofner, Gerd Doff-Sotta, Walter Wasle, Benno Mussak und Kurt Fahrner waren uns vom spielerischen Potential her weit überlegen. Zudem waren die meisten auch größer als wir Nassereiner. Aber wir, Karle Cordin, Karl Wolfram, Walter Strolz, Gebhard Strolz, den wir „Siemandli“ nannten, Elmar Schulter und ich haben gegen die übermächtigen und großen Gegner nie ein Spiel verloren. Mir kam die in der Stella angeeignete Technik zugute, außerdem hatten wir Nassereiner den größeren Kampfgeist. Nur so lässt sich diese klare Überlegenheit erklären. Ich produzierte Tore wie am Fließband. Der Vater von Karle, Karl Cordin, war meist der unparteiische und gerechte Schiedsrichter dieses Fußballkampfes zwischen den Ortsteilen.


Die Fußball-Junioren des SV St. Anton. Vorne v. I.: Reinhold Falch, Alfred Matt, Kurt Fahrner, hintere Reihe v. I.: Walter Wasle, Walter Strolz, Franz Alber, Harald Rofner, Gerd Doff-Sotta, Karl Gabl, Karl Wolfram, Karl Cordin

Während es bei uns keine Zuschauer gab, waren bei den Spielen der Älteren am Sonntag einige Zaungäste und viele von uns Jüngeren anwesend. Der älteste und aktivste Fußballer war sicher Sepp Staffler, Skilehrer und Begründer der Volkstanzgruppe, der noch mit über sechzig Jahren Fußball spielte. Otto Schuler, Herbert Rofner, Karl und Helmut Schranz, mein Schwager Kurt Strauß, Edi und Karl Falch, deren Hausname „Thomas“ war, und Adi Berger sind einige der Spieler der „Kampfmannschaft“, an die ich mich noch erinnere. Besonders beachtet wurde von den Zuschauern, wenn einem Spieler ein Schuss gerade nach oben gelang, also eine „Kerze“. Den Spielfluss brachte das zwar gehörig durcheinander, aber beim Publikum kam es gut an. Mit lautem Raunen und Beifall wurde der Spieler belohnt.

Die Gründung des Fußballvereins SV St. Anton erfolgte Mitte der 1960er-Jahre. Damit ein Verein beim Tiroler Fußballverband angemeldet und in der Meisterschaft spielberechtigt sein konnte, mussten mindestens zwei Kampfmannschaften vorhanden sein. So wurde neben der ersten Mannschaft, die in der untersten Liga spielte, auch eine Juniorenmannschaft, der ich angehörte, aufgestellt. In der Juniorenliga spielten die renommiertesten Vereine des Oberlandes – Imst, SV Reutte und SV Landeck. Weil der alte Fußballplatz in St. Anton nicht homologiert wurde und der neue Platz in der Wolfsgrube noch nicht fertig war, mussten wir unsere Heimspiele zuerst in Zams, später in Schönwies austragen. Zu unserem Team gehörten drei Skirennläufer des Nationalteams: Alfred Matt war unser exzellenter, reaktionsschneller Tormann, Harald Rofner eine wichtige treibende Kraft im Mittelfeld und Karle Cordin ein schneller Rechtsaußen. Reinhold Falch und Gerd Doff-Sotta bildeten ein schwer zu umspielendes Bollwerk in der Abwehr. Weiters waren im Team: Walter Wasle, Franz Alber, Karl Wolfram, Kurt Fahrner und Walter Strolz. Mein Freund Walter war nicht gerade der beste Techniker, dafür flößten seine harten Schienbeine jedem Gegner schmerzvollen Respekt ein.


Meine Torschüsse waren gefürchtet: Perfekte Schusshaltung beim Meisterschaftsspiel der ersten Mannschaft des SV St. Anton in Silz. Im Hintergrund ist Karl Schranz interessierter Beobachter.

Zum ersten Auswärtsspiel mussten wir ausgerechnet in die Bezirkshauptstadt zum SV Landeck, der in Perjen über ein fast neues Fußballstadion verfügte, das damals in seiner Art das schönste im ganzen Oberland war. Nicht gerade charmant wurden wir begrüßt. Unverhohlen wurden wir als die „Bloßfüßigen“ tituliert. Wir fühlten uns nicht diskriminiert, sondern angespornt. Unsere Antwort wollten wir den Landeckern auf dem Spielfeld geben. Wir spielten wie entfesselt. Gerd Doff-Sotta und Reinhold Falch überwanden das Mittelfeld mit weiten Pässen. Ihre Steilvorlagen für die Stürmer durchlöcherten die ansonsten stabile Landecker Hintermannschaft nach Belieben. Mir gelangen als unscheinbarem Mittelstürmer drei Tore. Wir gewannen 4:2, wenn ich mich richtig erinnere. Vielleicht stand es am Ende sogar 4:1. Die Bloßfüßigen siegten gegen die gut beschuhten Landecker. Wenn ich ihn treffe, reibe ich diesen Sieg Walter Guggenberger, dem späteren Nationalrat der SPÖ und Leiter des Bundessozialamtes in Innsbruck, der damals die spielbestimmende Kraft bei den Junioren der Landecker war, noch heute gerne unter die Nase.

In der Meisterschaft landeten wir im Mittelfeld der Tabelle, wenngleich uns auch beeindruckende Erfolge gelangen. In der jährlichen Statistik des Österreichischen Fußballverbandes (ÖFB) über die Meisterschaft in den diversen Ligen schien ein von den Junioren des SV St. Anton erzielter Rekord auf: Gegen den ASV Landeck gewannen wir, wenn ich mich recht erinnere, einmal mit 21:1 oder 22:1. Der ASV ging durch einen Elfmeter in der ersten oder zweiten Minute in Führung, dann spielte nur noch St. Anton gegen eine wahrscheinlich ersatzgeschwächte Mannschaft. Immer, wenn ein Torschuss danebenging, holten wir für den Landecker Torhüter den Ball und legten ihn auf die 5-Meter-Markierung zum Abstoß. So konnte das Spiel möglichst rasch fortgesetzt werden. Ich weiß nicht, ob ich bei diesem Spiel sieben oder acht Tore schoss, irgendwann bekamen wir ernsthafte Probleme mit der Zuordnung der jeweiligen Treffer.

Einige von den Junioren wechselten dann in die erste Kampfmannschaft des SV St. Anton, wo neben den oben genannten auch Karl Schranz und Martin Burger, beide Kollegen im ÖSV-Skiteam, sowie Reinhard Hauser und Walter Thurner spielten. Konditionell waren wir mit den fünf Skifahrern Burger, Cordin, Matt, Rofner und Schranz den meisten Teams überlegen. Da Fußball aber ein Mannschaftssport und kein Individualsport wie das Skifahren ist, haperte es manchmal im Stellungsspiel und bei den Kombinationen. Karl Schranz zum Beispiel dribbelte bravourös und ballverliebt, weshalb es manchmal auch etwas länger dauern konnte, bis wir den ihm zugespielten Ball zurückbekamen. Aber irgendwann musste natürlich auch er den Ball abgeben oder er wurde vom Gegner gestellt.

Ein Erlebnis war es, mit Karl Schranz nach Wien zu fahren. Er organisierte mehrmals ein Spiel gegen einen Klub in der höchsten österreichischen Spielklasse, wenn ein solcher aufgrund eines Länderspiels im Praterstadion an einem Wochenende spielfrei hatte. Neben dem Trainingsspiel mit den besten Vereinen konnten wir unseren Aufenthalt in Wien mit einem Besuch eines Länderspiels verknüpfen. Es erfüllte uns mit Stolz, dass wir gegen die besten Fußballer spielen durften. Ich erinnere mich an ein Spiel in Hernals gegen den damals erstklassigen Wiener Sportklub, in dessen Reihen Nationalspieler wie Fritz Raffreider aus Dornbirn, die bekannten Gebrüder Hof und der Nationaltormann Wilhelm Kaipel spielten. Der Sportklub siegte „verdient“, aber sie ließen auch uns mitspielen. Neben Karl Schranz durfte auch ich an Willi Kaipel vorbei nach einer Direktabnahme den Ball ins Tor schießen.

An der Universität Innsbruck studierend, spielte ich im Team der Meteorologen bei den Universitätsmeisterschaften in der Halle mit. Zu den Besten gehörten damals Ekkehard Dreiseitl und mein Tourenkollege Gerhard Markl. Nachdem ich mir beim Spiel mehrere Verletzungen, unter anderem Muskelfasereinrisse und Rippenprellungen, zugezogen hatte, hängte ich schweren Herzens meine Fußballschuhe an den Nagel.

Durch mein Bergsteigen und meine Mitgliedschaft bei der Musikkapelle in St. Anton ergaben sich mehr und mehr Terminprobleme am Wochenende. Einmal gab es auch Schelte von meinem Vater. Anstatt mit der Musikkapelle bei der Autoweihe in St. Christoph auszurücken, zog ich es vor, am Jahnturm neben der Vallugagratstation mit Walter Strolz dessen Erstbegehung durch die Südwand zu wiederholen (Schwierigkeit VI/A1). Während dieser kurzen technischen Kletterei, zum Teil an von Walter konzipierten Holzkeilen mit dünnen Schnüren und Hunderternägeln als Sicherungspunkten, ähnlich der Fiedler-Flunger-Führe in der Martinswand bei Zirl, hörten wir die St. Antoner Musikkapelle aus St. Christoph bis zu uns herauf. Ein schlechtes Gewissen hatte ich am Jahnturm schon, aber ich bereue es nicht, mit Walter diese Tour gemacht zu haben.

Nachdem ich als Solotrompeter in der Stella Matutina aufgetreten war, wollte ich, anfangs nur in den Ferien im Sommer, zu Weihnachten und zu Ostern, zur Musikkapelle in St. Anton. Eugen Haueis und Siegfried Spiss kümmerten sich um meine Aufnahme. Bald wurde Kapellmeister Grillmeyer von meinem früheren Volksschullehrer und Organisten Herbert Sprenger abgelöst. Und so durfte ich die erste Trompete blasen. Die „Musi“ war und blieb mein liebster Verein und ich bin dankbar, so viele warmherzige, nette St. Antoner kennengelernt zu haben. Obwohl die Proben oft mühsam waren, hatten wir aber auch großen Spaß. Direkt vor den Trompeten saßen die Flügelhornspieler. Unter ihnen waren der Landwirt Norbert „Norbertli“ Scalet, Fritz Falch, der später weltweit als Raumplaner tätig war, und Arnold „Noldi“ Schranz, der Bruder von Karl Schranz.

Ich war ein großer Fan von Noldi, der ein talentierter Bläser war. Und ich war mir auch sicher: Wenn er die Chance gehabt hätte, ein Konservatorium zu besuchen, er wäre einer der führenden Trompeter Europas geworden. Unvergesslich für mich ist der Gräberbesuch an Allerheiligen, den die Musikkapelle begleitete. Zum Gedenken an die vielen Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges wurde das Lied: „Ich hatt’ einen Kameraden“ intoniert, und Noldi blies das Trompetensolo mit einer Inbrunst, die alle Friedhofsbesucher jedes Jahr tief bewegte. Auch an „s’Norbertli“, den Vater des Mooserwirtes Eugen Scalet, erinnere ich mich noch gut. Er brachte uns mit seinem trockenen Oberländer Humor oft zum Lachen.

Wir spielten bei Prozessionen und Zeltfesten, gaben Konzerte auf der Planie, und auch zu Weihnachten spielte ich mit einer kleinen Bläsergruppe Weisen an verschiedenen Plätzen in der Gemeinde. Wir waren meistens eine leistungsfähige Kapelle, nur einmal war unser Auftreten beim Musikfest in Lech von Irritationen begleitet. Unsere Fahnenpatin Christl Moosbrugger vom Hotel Post in Lech hatte es zu gut mit uns gemeint und uns vor unserem Konzert im Festzelt zu Bier und Wein eingeladen. Der Alkohol auf nüchternen Magen verfehlte nicht seine Wirkung auf unser Spiel. Es mangelte an der genauen Koordination der einzelnen Instrumente, besonders auffällig war, wie unrhythmisch die Tschinellen am Ende der Musikstücke schlugen. Bei dem in Festzelten üblichen Lärm gingen diese Unstimmigkeiten aber offensichtlich unter. Der Beifall war jedenfalls sehr groß.

Einmal war unsere Musikkapelle sogar ein Überraschungsgeschenk. Mit Adi Werner, dem legendären Wirt vom Hospizhotel in St. Christoph, fuhren wir mit einem Bus zu einer Hochzeit in einem Schloss im Taunus bei Frankfurt. Unter den Gästen war auch Marika Kilius, eine Eiskunstläuferin, die es sogar zur Europa- und Weltmeisterin brachte. Während des Hochzeitsessens hielt Adi Werner eine launige Rede, in der er ein kostbares Geschenk ankündigte, das man sorgfältig behandeln solle, weil man es wieder zurückgeben müsse. Als unsere Musikkapelle danach im Freien zu spielen begann, war die Überraschung bei der Hochzeitsgesellschaft groß. Weder die geladenen Gäste noch das Hochzeitspaar hatten von unserem Auftritt gewusst. Die Überraschung war gelungen. Wir wurden zum Fest eingeladen, und bei Havannazigarren und Champagner ließen wir es uns gut gehen. Als unsere wenige Mann starke Tanzkapelle aufspielte, verwandelte sich die vorher eher steife Party in ein zünftiges Tiroler Fest. Bei der Damenwahl fiel die Wahl der Eisprinzessin Marika Kilius auf Albert Schranz, den wir natürlich alle sehr um diese Ehre beneideten.

Mit der Musikkapelle St. Anton bei der Sattelkopf-Gipfelmesse mit Pater Fritz Tschol. Vordere Reihe v. I.: Jakob Mussak, Karl Gabl, Norbert Scalet, nach den drei Kindern Arnold Schranz

Über meine Bergtouren mit Harald Rofner und Walter Strolz wurde in St. Anton viel geredet, insbesondere weil Walter, manchmal auch ein bisschen Münchhausen, wortreich und humorvoll über unsere Abenteuer berichtete. So blieb es nicht aus, dass der Ortsstellenleiter der Bergrettung, der Gendarmeriebeamte Erich Genewein, uns im Jahr 1965 fragte, ob wir Mitglieder der Bergrettung werden wollten. Wir fühlten uns geehrt, in diesen illustren Kreis der Bergsteiger St. Antons aufgenommen zu werden.

Meinen ersten Rettungseinsatz hatte ich auf dem Wanderweg vom Galzig zur Ulmer Hütte. Eine deutsche Touristin hatte sich den Fuß gebrochen und musste, da es noch keine Rettungshubschrauber gab, mühsam mit einer schweren Einradtrage zur Bergstation der Galzigseilbahn transportiert werden.

Neben der Lawinenkatastrophe im März 1988 sind mir vor allem weitere Lawinenunfälle sowie einzelne andere Sucheinsätze in Erinnerung geblieben. Bei einem Lawinenunfall im Schöngraben unterhalb des Törlis hatte Walter Strolz als Einsatzleiter die weitere Suche nach der Bergung von zwei Toten abgebrochen, da die Bergretter massiv von Nachlawinen bedroht waren. Der Südhang über der Unfallstelle erstreckte sich über 700 Höhenmeter bis zur Bacherspitze hinauf. Nach den großen Neuschneemengen von etwa einem Meter musste mit weiteren Lawinen gerechnet werden. Etwa fünf Tage später war es dann so weit. Die Schneedecke hatte sich gesetzt und verfestigt. Die Lawinengefahr war geringer. Nochmals stiegen meine Bergrettungskameraden und ich mit Lawinenhunden zur Lawine in diesem engen Tobel hinauf. Es dauerte nicht lange, bis der Lawinenhund Rambo von Gilbert Hörschläger Witterung aufnahm. Nur wenig unter der Schneeoberfläche fanden wir das Snowboard eines vermissten Australiers. Bald danach kam ein Handschuh zum Vorschein und dann fand der Hund den Snowboarder selbst. Als sein Hinterkopf zum Vorschein kam, versuchte ich mit meinem Handschuh zu seinem Mund zu kommen. Ich erschrak. Vor seinem Mund konnte ich eine große elliptische, glasig vereiste Atemhöhle ertasten, die mindestens 20 Zentimeter Durchmesser hatte. Der Verunfallte dürfte noch viele Stunden unter der Lawine, wahrscheinlich bewusstlos, geatmet haben. Trotzdem war die Unterbrechung der Suche bei der großen Lawinengefahr fünf Tage vorher unbedingt notwendig gewesen. Es hätten dreißig Bergretter von St. Anton unter meterhohen Schneemassen begraben werden können. Ganz in der Nähe dieses Lawinenunfalles mit drei Toten haben wir Jahre später einen weiteren Toten im untersten Teil der Schöngrabenabfahrt geborgen.


Ausflug mit der Bergrettung St. Anton in die Silvretta. Im Jahr 2015 feierte ich mein 50-jähriges Jubiläum.


Lawineneinsatz im Törli 1995. Aufgrund großer Lawinengefahr konnte ein verschütteter Snowboarder erst Tage nach dem Lawinenabgang tot geborgen werden.

Gefürchtet habe ich mich bei einem Flug mit dem Hubschrauber von Nasserein zum Vorderen Rendl unterhalb des Gambergs. Vier kanadische Skiläufer und ein Snowboarder waren von einer Lawine verschüttet worden. Der flaumige und tiefe Neuschnee hüllte den Hubschrauber beim Start und bei der Landung neben der Lawine derart ein, dass dieses Whiteout dem Piloten keine Sicht gewährte. Die Lawine hatte ein Ausmaß von etwa zwölf Hektar erreicht. Eine derart große Lawine ist bei Sucheinsätzen sehr selten. Obwohl wir den primären Suchbereich ungefähr bestimmen konnten, war der Einsatz, zu dem die Bergrettungen im Stanzertal bis Landeck geholt wurden, nicht von Erfolg gekrönt. Denn der Snowboarder war ohne Lawinenverschüttetensuchgerät von dieser Lawine begraben worden, und die Suche mit Lawinensonden bis sechs oder sieben Meter Tiefe ist sehr schwierig.

In die Jahre gekommen und nach einigen Verletzungen habe ich den aktiven Dienst faktisch aufgegeben. Dafür engagiere ich mich heute umso mehr bei der Ausbildung des Bergrettungsnachwuchses. Peter Veider, der Ausbildungsleiter der Tiroler Bergrettung, bat mich schon vor vielen Jahren, Wetterwissen an den Nachwuchs weiterzugeben. Es sind jedes Mal inspirierende Abende, die ich im Jamtal verbringe.


Die Tiroler Hindukusch Skiexpedition 1970. Im Basislager am Fuß des Noshaq (7492 m). V. I. Uli Schwabe, Hans-Jörg Moser, Gerhard Markl, Roland Schulz, Karl Gabl und Gerd Gantner. Jörg Schmidl war bereits im Krankenhaus.

EIN WELTREKORD AUF 7492 METER HÖHE

Mit der ersten Skibefahrung des Noshaq stellten wir einen Rekord auf, über den sogar im „American Alpine Journal“ und im „Alpine Journal“ des britischen Alpine Club berichtet wurde. Der 7492 Meter hohe Berg war 1970 der höchste Gipfel, von dem eine Skiabfahrt erfolgt war. Sogar die deutsche Wochenillustrierte „Quick“, die eher für großbusige und durchaus nicht unattraktive Cover bekannt war, berichtete in einem mehrseitigen Artikel darüber. Uli Schwabes damalige Freundin und spätere Frau arbeitete als Redakteurin bei der Zeitschrift. So kam der Kontakt zustande. „Schussfahrt mit dem Tod im Nacken“ war der Artikel über die „Erste Tiroler Skiexpedition des Akademischen Alpenklubs Innsbruck zum Hindukusch“, wie unsere Expedition offiziell hieß, reißerisch überschrieben.

In der damals üblichen Aufmachung war in der „Quick“ zu lesen: „Sie waren 21 Tage unterwegs, um einen Triumph auszukosten, der eine Stunde dauerte. Sie fuhren 6000 Kilometer weit, um auf dem 7492 m hohen Noshaq, dem höchsten Berg Afghanistans im Hindukusch ein Abenteuer zu erleben, das noch niemand vor ihnen gewagt hatte: Sie wollten die höchste Ski-Abfahrt der Welt bewältigen. Wedeln, wo noch kein anderer Spuren im Schnee hinterlassen hatte.“

Zum Akademischen Alpenklub brachte mich Wolfi Nairz. Er war Ende der 1960er-Jahre mit zahlreichen Erstbegehungen und großartigen alpinen Leistungen schon eine Größe im Alpinismus und war mein erster Mentor. Beim Studium in Innsbruck hatte ich ihn kennengelernt. Als ich Anfang Mai 1969 mit ihm zum ersten Mal die Auckenthaler-Route in der Martinswand (VI–/A1) kletterte, hätte ich mir nicht in den kühnsten Träumen vorstellen können, dass ich etwas über ein Jahr später mit Skiern im Hindukusch unterwegs sein würde. Um ehrlich zu sein, kletterte ich nicht mit Wolfi durch die Martinswand, vielmehr zog er mich über die senkrechte Wand hinauf. Bis dahin war ich noch nie in diesem Schwierigkeitsgrad unterwegs gewesen. Böse Zungen behaupten noch heute, ich hätte damals – um mir bei den Vorauskletternden keine Blöße zu geben – anstatt des bei schwachen Kletterern üblichen Rufes „Zug“, um die abdrängenden und ausgesetzten Passagen meistern zu können, immer „Arlbergexpress“ geschrien und auf die weit darunter im Inntal liegende Bahnstrecke gezeigt. Jahre später stieg ich dann die Auckenthaler, den Ostriss (VI) oder auch die Fischzuchtplatten (VII) in der Martinswand vor.

Nach der Sanierung des Ostrisses beschwerte ich mich einmal in der Innsbrucker Szene, dass einer der neuen Bohrhaken deutlich höher angebracht worden war als der alte Haken. Robert Renzler, der spätere Generalsekretär des Österreichischen Alpenvereins, hatte Erbarmen mit meiner Körpergröße und hängte in den besagten Haken eine Schlinge mit der Aufschrift „Für Charly“ ein. Ich habe bei der nächsten Begehung der Route darüber sehr geschmunzelt.

Während Neil Armstrong im Juli 1969 auf dem Mond einen kleinen Schritt für einen Menschen, aber einen riesigen Sprung für die Menschheit absolvierte, wurde ich zur gleichen Zeit aus den Ostalpen auf meine erste Westalpentour katapultiert. Über die Aiguille Blanche de Peuterey und mit einem Biwak auf dem Grand Pilier d’Angle stiegen wir auf den Gipfel des Mont Blanc. Die von mir eigens für diese Tour gekaufte Daunenjacke erfüllt heute noch ihren Zweck. Im Dezember 2013 hatte ich sie im Solukhumbu dabei und im Dezember 2014 wärmte sie mich am Kilimandscharo.

Als ich zum Alpenklub kam, plante Wolfi Nairz gerade gemeinsam mit Hans-Jörg Moser und Ulrich Schwabe eine Skiexpedition in den Hindukusch. Nachdem uns Wolfgang Axt, der 1968 am Noshaq gewesen war, genau informiert hatte, wurde der Noshaq als Ziel ausgewählt. Auch ich durfte mitfahren. Wolfi hatte zu dieser Zeit schon höhere und anspruchsvollere Ziele vor Augen, sodass er nicht mit uns nach Afghanistan kam. Also brachen Anfang Juli 1970 sieben ambitionierte Nachwuchshöhenbergsteiger in Innsbruck auf. Vom Akademischen Alpenklub Innsbruck waren dabei: Ulrich Schwabe (26), Physiker und als ehemaliges Mitglied des B-Kaders der österreichischen Ski-Nationalmannschaft unser bester Skiläufer, unsere Expeditionsärzte Roland Schulz (26) und Jörg Schmidl (27), der Apotheker Hans-Jörg Moser (26) und ich. Vom Akademischen Alpinen Verein nahm zudem Gerhard Markl (26), Student der Glaziologie, an der Expedition teil. Er war der Neffe des legendären Skiweltmeisters Guzzi Lantschner, der 1932 in Cortina d’Ampezzo die Abfahrt gewonnen hatte. Und von der Akademischen Sektion des Alpenvereins begleitete uns Gerd Gantner (25), Student der Medizin.

Die Finanzierung der Skiexpedition war gut organisiert. Die gesamten Lebensmittel, die wir zum Hindukusch mitnahmen, stammten von österreichischen und deutschen Firmen. Zahlreiche Sponsoren ermöglichten uns Studenten, den Eigenanteil an den Kosten relativ niedrig zu halten. Mir haben beispielsweise viele Sportgeschäfte in St. Anton mit einer Spende von 500 Schilling sehr geholfen.

Unsere Ausrüstung unterschied sich deutlich von den Hightech-Produkten, mit denen Höhenbergsteiger heute unterwegs sind. Das Schuhgeschäft Öhlschläger in Innsbruck unterstützte uns mit handgefertigten, dreifach genähten Skischuhen mit Filzinnenschuh. Es waren nicht die damals üblichen Schnürschuhe, sondern Schnallenskischuhe, wahrscheinlich die ersten, die für Skitourengeher gemacht wurden. Sie waren sehr schwer. Ein Schuh wog etwa zwei Kilogramm. Kein Vergleich zu dem, was heute ein Tourenskischuh wiegt. Die besonders leichten bringen gerade einmal ein paar hundert Gramm auf die Waage. Fritz Baur, Inhaber der Firma Lodenbaur in Innsbruck und selbst Alpenklub-Mitglied, schneiderte uns mit feinstem Stoff gefütterte Knickerbocker aus Tiroler Loden auf den Leib. Ulrich Schwabe besorgte Rossignol-Ski in der heute für Tourenski üblichen Länge. Als Tourenbindung testeten wir als Erste den Rotamat, eine eigens von der Firma Marker in Farchant bei Garmisch-Partenkirchen entwickelte Bindung. Die Daunenschlafsäcke und Daunenjacken waren schon damals qualitativ sehr hochwertig. Die Hände schützten wir mit Walkfäustlingen vor der Kälte.

Afghanistan sollte für zweieinhalb Monate Abenteuer pur werden. Mit zwei VW-Bussen – einen davon kauften wir in München für 600 D-Mark – fuhren wir von Innsbruck aus über die kommunistischen Länder Jugoslawien und Bulgarien, die Türkei und ein wirtschaftlich erstarkendes Persien bis nach Afghanistan.

Eineinhalb Monate waren wir auf Achse. Statt auf geteerten Autobahnen waren wir über weite Strecken auf Schotterpisten unterwegs. Mit den Abstechern zu den Moscheen von Isfahan und Mazar-e Sharif legten wir damals insgesamt 17.000 Kilometer zurück. Um Zeit zu sparen, blieben wir zum Fahrerwechsel oft nicht stehen, sondern der Fahrer rutschte, das Lenkrad haltend, zur Mitte des Busses, und die Ablöse kletterte vom Rücksitz auf den Fahrersitz und übernahm das Steuer.

Wir besuchten die Buddhastatuen in Bamian, die schon längst ihrer Gesichter beraubt waren. Dieses Weltkulturerbe wurde im März 2001 von den Taliban gesprengt. In Balch, wo Alexander der Große 323 v. Chr. Roxane, die Tochter eines Stammesfürsten, geheiratet haben soll, besichtigten wir die Überreste von alten Tempeln. Bei den Band-e-Amir-Seen, seit 2009 der erste Nationalpark Afghanistans, bewunderten wir die durch Kalksinterungen entstandenen Dämme, vor allem aber die dunkelblaue Farbe der Seen in der fast weißen Wüste im Norden Afghanistans.

An etwas für mich Furchterregendes erinnere ich mich noch sehr gut. Nie in meinem Leben hatte ich ein derart unheimliches Geräusch gehört. Tief in unsere Schlafsäcke verkrochen, lagen wir irgendwo im Osten der Türkei, in der Nähe von Erzurum, im Freien auf unseren Matten. Plötzlich, in sternklarer Nacht, schrie in wenigen Metern Entfernung ein unheimliches Tier. Das tiefe Luftholen und das darauf folgende Röhren glaubte ich als das Gebrüll eines Tigers identifizieren zu können. Kein anderes Tier kam mir in den Sinn, das so ein schauderbares Gebrüll hätte von sich geben können. Gleichzeitig wunderte ich mich aber, weil ich nie von der Existenz von Tigern in der Türkei gelesen hatte. Lachend klärten mich die Kollegen über meinen Irrtum auf: Ein Esel hatte mich in große Angst versetzt. Weniger lustig fanden wir in der Früh aber die Skorpione, die es sich unter unseren Liegematten bequem gemacht hatten.

Viel zu lachen hatten wir auch mit Hans-Jörg Moser. Er hatte einen unbeschreiblichen Humor. Wäre er nicht ein erfolgreicher Apotheker in Imst und tüchtiger Hüttenwart der Adolf-Pichler-Hütte in den Kalkkögeln bei Innsbruck geworden, einer Karriere als begnadetem Kameramann, Regisseur oder tiefgründigem Kabarettisten wäre wohl nichts im Wege gestanden. Köstlich amüsierten wir uns über Hans-Jörg in Kabul. In der Hauptstadt Afghanistans liefen die Männer 1970 in bunten, meist blauweiß gestreiften Flanellpyjamas durch die Straßen. Während wir uns an diesem ausgefallenen Businessanzug erheiterten, kam uns Hans-Jörg abhanden. Ehe wir uns versahen, tauchte er wenig später lässig auf der Straße flanierend in eben solch einem Pyjama auf.

Über Kundus, das spätere Hauptquartier der deutschen Bundeswehr in Afghanistan, fuhren wir bis nach Faizabad. Dort ließen wir unsere Busse stehen und luden das 800 Kilogramm schwere Expeditionsgepäck auf einen Lastwagen, um in den Wakhan zu gelangen, eine blinddarmartige geografische Ausbuchtung zwischen China und Pakistan. In dem kleinen Dorf Qazi Deh am Beginn des Wakhan-Korridors begann unser Abenteuer Noshaq. Gemeinsam mit dem Bürgermeister organisierten wir etwa vierzig Träger für vier Tage. Gerhard Markl handelte als Lohn für jeden Träger 450 Afghani, etwa zwölf Euro, aus. Dass wir überhaupt zu Trägern gekommen sind, wundert mich noch heute. Denn während Gerhard Markl verhandlungssicher Tirolerisch sprach, konferierte der Bürgermeister in seinem Farsi-Dialekt.


In zwei VW-Bussen legten wir innerhalb von eineinhalb Monaten zwischen Innsbruck und Afghanistan mit Abstechern nach Isfahan im Iran und ans Kaspische Meer 17.000 Kilometer zurück.

Drei Tage führte uns unser Weg über 30 Kilometer und 2000 Höhenmeter zum Basislager. Der Anmarsch war nicht nur wegen der weglosen Moräne holprig, über die wir stiegen. Jörg Schmidl fiel schon am ersten Tag in den Mandaras, einen reißenden Gletscherbach, und am zweiten Tag schneite es so stark, dass die Träger fast die Motivation verloren, die Lasten zum Basislager zu schleppen. Schließlich stellten wir auf 4500 Meter Höhe unsere Zelte auf. Die Träger stiegen ab, wir waren auf uns allein gestellt. Einen Koch, wie bei Expeditionen heute üblich, hatten wir nicht dabei. Wir teilten die Aufgaben auf. Meine studentischen Kochkünste waren gefürchtet, sodass ich zum Kartoffelschälen und zum Abwaschen abkommandiert wurde. Gerhard war der Feuermeister: Ihm gelang es immer, die Benzinkocher in Gang zu setzen, wenn auch manchmal die Speisen einen leichten Benzingeruch hatten. Unser bester Koch war Gerd. Doch bei dem Breipulver, das wir als Kraftnahrung mitgenommen hatten, versagten auch seine Kochkünste: Das Essen trocknete den Gaumen aus, der Geschmack erinnerte wenig Verwöhnte an Mehlpapp und Gourmets an Spachtelpulver. Am besten schmeckte uns das Hirschgulasch aus der Dose, das mir der Metzger Murr in St. Anton auf die Reise mitgegeben hatte.


Der an einem Lungen- und Gehirnödem erkrankte Jörg Schmidl musste über eine Strecke von 30 Kilometern zur Straße nach Quazi Deh getragen werden. Von dort brachte ihn Roland Schulz nach Kabul.

Kaum im Basislager angekommen, wurden drei Teilnehmer, einer davon war ich, durch eine schwere Darminfektion geschwächt. Vor allem die Nächte im Zelt fürchtete ich. Der Körper kündigte die Notwendigkeit zum Toilettengang nämlich regelmäßig zu spät an, meist kam ich nicht weiter als bis zum Öffnen des Zeltreißverschlusses.

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