Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 12
Ich sah ihm an, daß er mich nicht begriff; da er es aber nicht wagte, mich mit einer darauf bezüglichen Frage zu belästigen, so forderte ich ihn auf:
»Komm jetzt wieder mit herab! Ich werde es dir nachher erklären. Leg die Steine möglichst so darauf, wie sie erst gelegen haben! Jetzt möchte ich vor allen Dingen erfahren, warum El Ghani beim Ersteigen des Felsens so große Eile gehabt hat. Es ist mir bis jetzt nicht möglich, dieses heimliche Heraufklettern und Verstecken der Sachen hier mit der Anwesenheit so vieler Beni Khalid in Einklang zu bringen. Sie müssen doch unbedingt gesehen haben, was er tat!«
Als die Stelle ihre frühere Beschaffenheit wieder erhalten hatte, stiegen wir wieder hinab und auf die Pferde, weiche, weil gut erzogen, ruhig stehen geblieben waren. Wir ritten hinüber nach dem Gemäuer, wo wir den Brunnen vermuteten. Er war es allerdings. Ein oben festgebundenes Seil aus Dattelfasern führte hinab; ein Ledereimer, mit einem Steine beschwert, hing daran. So und nicht anders war wohl auch der Brunnen beschaffen, aus welchem einst Rebekka dem Oberhirten Abrahams und seinen Kamelen Wasser schöpfte. An gewissen Einrichtungen und Gebräuchen des Orientes können Jahrtausende vorübergehen, ohne das geringste zu ändern.
In der Nähe des Brunnens war, ekelerregend gegen den Felsen geworfen, das Gescheide (Gedärme) von zwei Gazellen zu sehen, und dort, vom Westen her, kam eine sehr breite, noch junge Reiterspur aus der Wüste herbei. Es war ein wahres Wunder, daß sich in der ganzen Umgegend kein einziger Geier zeigte, sonst wären die Überreste dieser beiden Tiere längst verschwunden gewesen. Mir aber kam, sobald ich sie sah, sofort die Klarheit, die mir bis jetzt gefehlt hatte.
»Schau dies Gescheide und sieh diese Spuren!« sagte ich zu Kara. »Sie teilen mir das mit, was ich vorhin so gern wissen wollte. Die Beni Khalid haben, während sie hier lagerten, die Gazellen gesehen und sind, von der Jagdlust gepackt, alle fortgeritten, ohne daß ein einziger von ihnen hier blieb. Inzwischen kamen die Mekkaner an, welche schwach und müde waren und also nicht weiterkonnten, sondern hier bleiben mußten, obgleich sie sahen, daß der Platz schon von Beduinen besetzt sei. Da lag nichts näher, als daß sie versuchten, vor allen Dingen ihren kostbaren Raub in Sicherheit zu bringen, denn mochten diese Beduinen ihnen befreundet oder nicht befreundet sein, Gegenstände von solchem Werte wirken, wenn sie zufällig entdeckt werden, überall verführerisch, diese hier wahrscheinlich sogar verräterisch. Während EI Ghani darum hier unten herum nach einem bequemen und zugleich zuverlässigen Verstecke vergeblich suchte, sah er die Beni Khalid zurückkehren. Nun galt es die höchste Eile. Da unten kein Ort zu finden war, richtete sich sein hilfesuchender Blick nach der Höhe des Felsens, welcher dem Brunnen am fernsten lag und darum wahrscheinlich am wenigsten beachtet wurde. Er packte die Sachen schnell in den Sidschdschadi, eilte hin und stieg mit Hilfe seines Sohnes, dessen Fußspitzeneindrücke wir noch sahen, hinauf, um sie dort zu verbergen. Er konnte die Stelle nur flüchtig mit Steinen zudecken, denn er mußte eher wieder herunter, als die Beduinen so nahe herankamen, daß sie sehen konnten, wo er sich befand und was er da zu tun hatte. Zu seiner Freude erkannte er in ihnen befreundete Leute, hütete sich aber doch, ihnen von dem Pakete etwas zu sagen, denn von gestohlenen Sachen spricht man, außer wenn sie Mitschuldige sind, selbst zu den besten Bekannten oder den nächsten Verwandten nicht. Später sah er den Perser mit den Soldaten kommen und war nun doppelt froh darüber, daß er die gestohlenen Gegenstände versteckt hatte, denn er konnte nun sich und seine Begleiter getrost aussuchen lassen und dadurch, daß man nichts fand, beweisen, daß er und sie unschuldig seien. Ja, er konnte noch mehr, nämlich seinen Verfolger dadurch verderben, daß er ihn, den von den Beduinen grimmig gehaßten und verachteten Schiiten, beschuldigte, ihm nur aus Glaubensfeindschaft nachgeritten zu sein, um ihn, den Liebling des Oberhauptes der Sunniten, zu überfallen und zu töten. Wenn es ihm gelang, die Beni Khalid hiervon zu überzeugen, so war der Perser unbedingt verloren. Daß es ihm gelungen ist, haben wir gehört, denn dem Oberaufseher des Kanz el A‘da sind die Adern geöffnet worden, damit er sich verbluten möge.«
»So ist es, Effendi, ja, so, ganz genau so ist es! Ich freilich wäre nicht auf diese sich wie von selbst ergebenden Gedanken gekommen, deren Zusammenhang gar nicht zu zerreißen ist. Die Mekkaner haben natürlich die Absicht, die Sachen heimlich zu holen, ehe sie den Brunnen verlassen.«
»Ja. Eben darum nahm ich sie nicht mit, sondern ließ sie liegen, um beweisen zu können, daß der Liebling des Großscherifs den Schatz der Glieder wirklich gestohlen hat. Wenn ich bemerke, daß die Zeit dazu gekommen ist, steige ich, natürlich ohne daß er es ahnt, mit Scheik Tawil Ben Schahid heimlich hinauf, um ihn zu erwarten. Sobald er die Gegenstände aus dem Verstecke genommen hat, ist der Beweis erbracht. Es ist zwar immerhin möglich, daß diese Begebenheit einen andern Verlauf nimmt, als ich jetzt denke, aber dann werden wir uns in Beziehung auf unser Verhalten dieser Änderung anbequemen und auf keinen Fall den Vorteil, welchen wir hier errungen haben, aus der Hand geben. Jetzt aber wollen wir zurückreiten, denn die Sonne ist dem Horizonte nahe, und wir müssen, ehe es dunkel wird, bei unsern Leuten sein.
Wir ritten zurück, eine ziemliche Strecke nördlich von dem Wege, den wir hierzu eingeschlagen hatten. Als wir ankamen, lagen die drei Beni Khalid noch immer gebunden an der Erde; es schien also, wie ich auch bestimmt erwartete, alles beim alten zu sein, doch Halef meldete mir, sobald er uns sah, mit lauter Stimme und in mit sich selbst zufriedenem Tone:
»Gut, daß ihr kommt, Sihdi! Wir haben nur noch auf euch gewartet.«
»Womit?«
»Den Vertrag mit dem Scheik der Beni Khalid abzuschließen.«
»So hast du mit ihm verhandelt?«
»Ja..
»Ohne mich zu fragen?!«
»Ich habe dich doch gebeten, hier mich allein bestimmen zu lassen!«
»Das bezog sich nur auf die Bestrafung der Beleidigung deiner Hanneh, aber nicht auch auf das weitere.«
»Verzeih, Effendi! Das habe ich nicht gewußt. Ich bin aber überzeugt, daß du dem, was wir ausgemacht haben, deine Genehmigung nicht versagen wirst.«
»Ich bin nicht überzeugt, hoffe es aber. Welches Übereinkommen habt ihr getroffen?«
»Der Scheik der Beni Khalid ist einverstanden, sich gegen den Perser austauschen zu lassen; die Soldaten gibt er aber noch nicht frei.«
»Warum?«
»Er sagt, Person gegen Person; er mit seinen beiden Leuten hier seien drei, der Perser mit seinen Soldaten und dem Khabir aber zweiundzwanzig Personen, also ein sehr ungleiches Verhältnis. Darum sollen einstweilen nur er und der Perser freigegeben werden.«
»Wieso einstweilen?«
»Weil um die Mekkaner gekämpft werden soll. Siegen wir, so werden die Soldaten freigegeben, und wir bekommen die Mekkaner, doch nur gegen das Versprechen, ihnen nichts gegen Leib und Leben zuzufügen.«
»Und siegen die Ben Khalid, was dann?«
»In diesem Falle bekommen wir weder die Mekkaner, noch die Soldaten und haben auch den Perser wieder auszuliefern.«
»Auch diesen? Das ist zuviel verlangt! Warum bist du auf diesen Punkt eingegangen?«
Da ging ein unendlich selbstbewußtes Lächeln über sein liebes, kleines Gesicht, und er antwortete:
»Ich wäre auch auf noch mehr eingegangen, Effendi, denn daß wir besiegt werden, das liegt ja nicht im Bereiche selbst der allerentferntesten Möglichkeit. Davon bist du doch grad ebenso wie ich überzeugt!«
»Ich warne dich, allzu sicher zu sein. Hochmut kommt sehr leicht vor den Fall!«
»Es ist kein Hochmut, Sihdi, sondern nur die demütigste, die allerdemütigste Überzeugung. Gib dem großen, schwarzen Panther auf, mit einer Zeltkatze um Leben und Tod zu kämpfen! Ist es Hochmut, wenn er darüber lacht? Sie ist ja nicht seinesgleichen; sein Schwanz ist dreimal länger als sie; wenn er sie mit seiner Pranke nur berührt, muß ihre arme Seele aus dem Fell heraus. Das weiß er; aber das ist kein Hochmut von ihm, sondern nur bescheidene Selbsterkenntnis. Nun denke, daß wir Haddedihn die Panther, die Beni Khalid aber die Katzen sind. Wir besitzen infolgedessen die Demut und Bescheidenheit des Panthers, und es ist also eine vollständige Verkennung der Umstände und eine vollständig umgedrehte und ganz verkehrte Anwendung des Fernrohres deiner Urteilskraft, wenn du anstatt das kleine, das große Glas vor die Augen hältst und meine Demut als Hochmut bezeichnest.«
Wenn mir diese sonderbare Art seiner Beweisführung nicht bekannt gewesen wäre, so hätte ich jetzt lachen müssen; so aber fragte ich:
»Du sprichst von Leben und Tod. Soll der Kampf so scharf genommen werden?«
»Ja.«
»Sind die Personen schon bestimmt, zwischen denen er stattzufinden hat?«
»Nur erst zwei.«
»Was? Wie? Nur erst zwei? Das ist ja genug!«
»Nein, Sihdi, das genügt noch nicht.. Tawil Ben Schahid bestand darauf, daß es sechs sein sollen, von jeder Seite drei.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht darnach gefragt. Es ist uns ja ganz gleich, oder vielmehr, meinen Haddedihn wäre es am liebsten, wenn bei dieser vortrefflichen Gelegenheit jedem von ihnen erlaubt würde, sich mit einem Ben Khalid zu messen.«
»Dennoch hättest du auf einen dreifachen Zweikampf nicht eingehen sollen, ohne mich vorher zu fragen! Weiche zwei sollen wir außer mir noch wählen? Es werden sich alle dazu drängen, und das macht die Sache schwer.«
»Außer dir, sagst du?«
»Natürlich!«
»Für so natürlich halte ich das nicht.«
»Habe ich dir nicht gesagt, daß du mich dem Scheik als denjenigen bezeichnen sollst, den der betreffende Ben Khalid als Gegner haben wird?«
»Ja, das hast du freilich gesagt.«
»Und du hast es getan?«
»Nein. Hast du denn wirklich geglaubt, daß ich so wenig Ehrgefühl besitze, einen andern an meine Stelle treten zu lassen? Ich habe selbstverständlich nicht dich, sondern mich genannt.«
»Hm! Was sagte Hanneh dazu?«
»Sie hatte gar nichts anderes erwartet und freute sich darüber.«
»So hat sie keine Sorge?«
»Sorge? Angst? Um mich? O Sihdi, Sihdi, Sihdi! Meine Hanneh soll Angst um ihren tapfern, unüberwindlichen Hadschi Halef Omar haben! Nimm es mir nicht übel, aber ich muß dich wirklich fragen, ob du vielleicht zufälligerweise von Sinnen, ganz von Sinnen bist! Ich bin ja schon überhaupt gar nicht zu besiegen; aber wenn ich während des Kampfes ihre schönen, lieben Augen auf mich gerichtet weiß, so würde ich hundert Riesen erwürgen, wenn sie es wagten, mich nur falsch anzusehen. Das kannst du dir doch denken? Erweckt der Anblick deiner Emmeh nicht auch solche Kampfeslust in dir?«
»Nein.«
»So kann ich wirklich nicht umhin, dir mitzuteilen, daß meine Hanneh deiner Emmeh vorzuziehen ist. Bei einem Weibe, die ihren Mann so friedlich stimmt, muß er ja seine ganze Tapferkeit verlieren! Wie kann sie denn stolz auf ihn sein und auf sein Heldentum, welches ihm von der Lieblichkeit ihres Angesichtes und von der Anmut ihres freundlichen Benehmens abgestohlen worden ist! Nein, meine Hanneh hat mich als Helden kennen gelernt, hat mich trotz aller ihrer fünftausend bezaubernden Eigenschaften einen Helden bleiben sehen und wird es nie erleben, daß in diesem meinem Ruhme jemals auch nur die allergeringste Lücke entstehe. Also, nicht dich habe ich dem Scheik genannt, sondern mich.«
»So fehlt also nur noch der dritte.«
»Du meinst, der zweite und der dritte?«
»Nein, denn der zweite bin ich.«
»Du? Effendi, ich bitte dich, sieh hier doch einmal ab von deiner Gewohnheit, die größten Gefahren immer auf dich zu nehmen! Erstens bist du doch eigentlich kein Haddedihn, obgleich du ganz zu uns gehörst, sondern ein Europäer, den stets für uns kämpfen zu lassen, uns unsere Ehre rauben würde. Und zweitens üben sich meine Krieger täglich, ohne Gelegenheit zu finden, ihre Tapferkeit im Ernste beweisen zu können, weil wir auf deinen Rat nach Allahs Willen mit allen Stämmen, die uns umgeben, in Frieden leben. Und nun sich hier einmal die Möglichkeit zeigt, sich mit andern Kriegern zu messen, willst du sie um diese große Freude bringen, indem du den Ruhm, gesiegt zu haben, für dich in Anspruch nimmst! Was sagst du jetzt?«
»Deine Gründe sind gut, doch weißt du ja, daß ich mich stets lieber auf mich selbst als auf andere verlasse.«
»So will ich dir noch einen bringen, und der wird deinen Widerstand ganz gewiß besiegen.«
Er trat ganz nahe an mich heran, machte ein höchst bedenkliches Gesicht, hob den Zeigefinger warnend empor und sagte leise:
»Wenn du mitkämpfest, und wir werden alle drei besiegt, so sind wir tot, und es ist alles, alles verloren. Bist du aber nicht mit dabei, so bist du eben dann noch da, und es ist noch nichts verloren! Das mußt du doch einsehen! Nicht, Sihdi?«
Jetzt mußte ich nun freilich lachen. Ich legte ihm die Hand auf die Achsel und antwortete:
»Du spielst den schlauen Fuchs, und zwar nicht ganz umsonst. Ich werde mir die Sache überlegen; wir haben ja noch Zeit! Komm mit hin zu den Beni Khalid!«
Indem wir zu ihnen gingen, kam ich an Kara Ben Halef vorüber, dem zu sagen ich vergessen hatte, daß er gegen jedermann, auch gegen seinen Vater und seine Mutter, von dem, was wir auf dem Felsen entdeckt hatten, schweigen solle. Ich holte das jetzt heimlich nach, weil unter Umständen eine unbedachte Äußerung genügte, meinen Plan zunichte zu machen.
Ich sagte schon, daß die drei Beni Khalid noch so dalagen, wie wir sie verlassen hatten. Dem Scheik spritzte noch das Blut aus den geöffneten, dünnen Adern, doch hatte ihn der Verlust desselben noch nicht geschwächt. Als ich zu ihm trat, richtete er seine dunkeln, finster blickenden Augen fest auf mich, sah mich forschend an und sagte:
»Ich habe mit dem Scheik Hadschi Halef Omar vom Stamme der Schammar ein Obereinkommen getroffen, von welchem er behauptete, daß es erst dann Gültigkeit habe, wenn es von seinem Effendi bestätigt worden sei. Der bist du?«
»Ja«, antwortete ich.
»Also Effendi wirst du genannt! Das genügt mir nicht. Wie heißt du, und wer bist du?«
Da fiel natürlich Halef, ehe ich ein Wort sagen konnte, rasch ein:
»Dieser in allen Erdteilen des In— und Auslandes hochberühmte Mann heißt Hadschi Akil Schatir el Megarrib Ben Hadschi Alim Schadschi er Rani Ihn Hadschi Dajim Maschhur el Azani Ben Hadschi Taki Abu Fadl el Mukarram; er stammt aus dem Wadi Draha im fernsten Moghreb und hat, wie alle Leute, weiche dort geboren sind, nicht nur die Bücher aller Wissenschaften in seinem Kopfe, sondern ist auch ein Krieger von solcher Tapferkeit, Klugheit und Stärke, daß ihn kein Feind jemals zu besiegen vermochte!«
Trawil Ben Schahid bedachte die lange Schlange meines Namens und Ruhmes mit keinem Worte, sondern fragte mich kurz:
»Bist du einverstanden?«
»Ja«, erklärte ich noch kürzer.
»Die Soldaten bleiben meine Gefangenen?«
»Ja.«
»Und hier meine beiden Begleiter die eurigen?«
»Darauf werde ich dir nachher antworten. Wann soll der vereinbarte Kampf stattfinden?«
»Wann es euch beliebt, doch möglichst bald.«
»Und wo?«
»An einem Orte, an welchem ihr euch sicher fühlt, denn ihr werdet euch natürlich fürchten, euch uns zuzugesellen, weil die Schar meiner Krieger der Zahl der eurigen so vielmal überlegen ist.«
Ich bewegte die Hand geringschätzend durch die Luft und erkundigte mich weiter:
»Habt ihr Holz, um Feuer zu machen?«
»Getrockneten Kamelmist und Holz genug! Da du einverstanden bist, so gib mir die Hände frei, denn ich habe versprochen, auf mein Hamail zu schwören, daß wir unser Übereinkommen ehrlich halten werden und jeder Hinterlist entsagen. Das werde ich jetzt tun, und Allah weiß, daß ich gewohnt bin, schon ein einfaches Versprechen als Schwur gelten zu lassen.«
»Wer soll deine Krieger benachrichtigen?«
»Es reitet einer von euch mit einem von meinen Begleitern hin zu ihnen; beide kommen zurück und bringen den Perser mit. Dann gebt ihr mich frei.«
Ich sah ihm ebenso fest in die Augen wie er vorhin mir, zog meine kleine Verbandtasche hervor und ließ mich zu ihm nieder; um zunächst die Blutung zu stillen. Als dies geschehen war, löste ich die Knoten seiner Fesseln. Er sprang sofort auf und fragte erstaunt:
»Du bindest mich los?«
»Wie du siehst!«
»Das soll ja erst dann geschehen, wenn der Perser hier ankommt und ihr euch also überzeugt habt, daß er von uns freigegeben worden ist!«
Ich antwortete nicht sofort, sondern band auch seine Leute los und sagte erst dann, als dies geschehen war:
»Sie sind auch frei. Das ist meine Antwort auf deine vorhin ausgesprochene Frage. Du meintest ferner, daß wir uns wahrscheinlich vor euch fürchten werden. Hadschi Halef Omar und seine Haddedihn, die fürchten sich vor keiner Feindesschar, auch wenn sie zehnmal größer wäre, als die eurige ist; das eben will ich dir beweisen.«
»Tajjib, tajjib – Bravo, bravo!« rief da Halef begeistert aus, und die Haddedihn stimmten ein.
Ich aber fuhr fort:
»Den Schwur auf dein Hamail erlasse ich dir. Ich sehe zwar diesen aus Mekka stammenden Kuran an der Schnur an deinem Halse hängen; aber du hast gesagt, dein Versprechen gelte gleich einem Schwure, und ich glaube und vertraue dir. Wer sein Versprechen nicht hält, der achtet auch nicht die Heiligkeit des Schwures. Ihr kehrt jetzt zu euren Leuten zurück, und wir reiten mit.«
»Sogleich?« fragte er, indem sein Gesicht ein einziges, großes Staunen war.
»Ja.«
»Ihr alle? Mit diesem Weibe? Ohne weitere Sicherheit?«
»Jawohl!«
»So glaubst du meinem Worte, wirklich nur meinem Worte?«
»Du siehst und hörst es ja!«
Da hellte sich sein finstres Gesicht auf, und der Ausdruck des Erstaunens ging in den der Freude über.
»Effendi«, rief er aus, »so etwas ist mir noch nicht vorgekommen! Entweder bist du ein höchst leichtsinniger oder ein sehr braver Mann!«
»Leichtsinnig bin ich nicht, sondern ich pflege jedem Menschen die Ehre zu geben, die ihm gebührt. Du bist ein rauher, ja ein harter, vielleicht gar ein grausamer und blutgieriger Krieger, aber das Wort, welches du gegeben hast, das wirst du niemals brechen! Habe ich recht?«
Da streckte er mir die Hand entgegen:
»Da, faß an! Ihr seid jetzt unsere Feinde, und wir sind die eurigen; der Kampf wird zwischen uns entscheiden; aber wenn ihr wirklich mit uns reitet, so könnt ihr nirgends sichrer sein, als bei uns! Ich habe, als ich euch für Solaib-Araber hielt, von den Haddedihn verächtlich gesprochen; jetzt weiß ich, daß sie keine Knaben, sondern furchtlose Männer sind, denen ich meine Achtung nicht versagen kann. Kommt also mit uns, wenn ihr wollt! Lieber aber ist es mir, wenn ihr mich voranreiten laßt, damit ich Zeit finde, meine Leute zu unterrichten, wie sie sich zu euch zu verhalten haben.«
»Gut, reitet fort, alte drei! Wir werden euch nicht folgen, sondern den Weg nach dem Brunnen einschlagen, welcher doch wohl euer eigentlicher Aufenthalt ist.«
»Kennt ihr den Weg? – Es wird gleich dunkel sein!«
»Wir finden ihn; wir brauchen keinen Führer.«
Sie bestiegen ihre Kamele und ritten fort. Als wir sie nicht mehr sahen, kam Hanneh, weiche schon längst ihre Sänfte verlassen hatte, zu mir her und sagte:
»Effendi, lieber Effendi, weißt du, daß du einen großen Sieg errungen hast?
»Ja«.
Das war wieder einmal die Liebe, welche du nicht nur in Worten predigst, sondern auch durch dein Verhalten lehrst. Dürftest du diesem Scheik doch sagen, daß du Christ bist! Dann würde er wissen, wem er diese seltene Behandlung und das Vertrauen, welches du ihm zeigtest, zu verdanken hat. Der Zweikampf wird ganz gewiß für uns entscheiden; aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, würde dieser Scheik der Beni Khalid nicht taub gegen unsere Wünsche sein.«
»Aber wenn er sich nur verstellt hätte?« warf Halef ein. »Ich glaube es nicht, sondern gebe diesen Fall nur zu bedenken. Dann hätte dein Vertrauen uns wahrscheinlich in eine schlimme Lage gebracht!«
»Auch dann nicht, Vater«, antwortete ihm sein Sohn. »Unser Effendi weiß, was er tut. Wir können uns auf ihn verlassen.«
In so bestimmter Weise in unser Gespräch einzugreifen, das hatte Kara bisher stets unterlassen; aber daß ich ihn heut mitgenommen hatte und er dadurch Mitwisser eines Geheimnisses geworden war, das gab ihm den Mut, seiner Meinung auch einmal in solcher Art zu erkennen zu geben. Sein Vater sah ihn ganz verwundert an, nickte ihm aber dann befriedigt zu und sagte:
»Ja, wenn so große und bedeutende Leute sich des Effendi annehmen, dann muß freilich ich mit meinen Bedenken weichen. Hast du etwa noch etwas auf deinem mutigen Herzen?«
»Ja.«
»Was?«
Da flog ein energischer, leuchtender Blick vom Sohne zum Vater herüber, und die Antwort erklang:
»Ich will einer von den dreien sein, welche mit den Beni Khalid kämpfen!«
»Wa— – wa— – was? Du— – u— – u— – u— —u?!«
Halef fuhr einen ganzen, großen Schritt zurück und sah den Jüngling aus weit geöffneten Augen an.
»Ja, ich will; ich will!« wiederholte dieser in sehr bestimmtem Tone, indem sein ganzes Gesicht erglühte.
Ich ahnte, daß Halef ihn am liebsten vor Freude über diesen mutigen Entschluß an sein Herz gedrückt hätte; aber Kara war nicht nur sein sondern auch Hannehs Sohn; darum hielt er noch an sich, richtete einen unsichern Blick auf sie und fragte:
»Hanneh, du beste Mutter aller tapfern Söhne, hast du gehört, was Kara, unser Liebling, soeben für einen Wunsch ausgesprochen hat?«
»Ich habe es gehört«, nickte sie lächelnd.
»Was sagst du dazu?«
»Ich lasse dich zuerst sprechen.«
»Nein! Zwar weiß ich, daß ich der Gebieter meines Stammes und auch der Gebieter meines Zeltes, meines Weibes und meines Sohnes bin, aber hier hat nicht der Vater, der Krieger, zu bestimmen, sondern nur das Herz der Mutter zu entscheiden.«
»Und diese Mutter kennt den Vater und weiß, womit sie ihn erfreuen und glücklich machen kann. Es glüht in dir doch das heiße Verlangen, daß ich meinem und deinem Kinde nicht hinderlich sein möge, zu zeigen, daß er in der Führung der Waffen der Schüler seines Vaters gewesen ist.«
»Ja, das, das wünsche ich allerdings von ganzem Herzen!« gab Halef zu.
»So mag er kämpfen; ich gestatte es!«
Da stieß der Hadschi einen Jubelruf aus und öffnete die Arme, um sie in seinem Entzücken um Hanneh zu schlingen; da fiel ihm aber noch rechtzeitig ein, daß ihm dies so öffentlich nicht gestattet sei, und so suchte er sich denn ein anderes Objekt für diesen zärtlichen Ausdruck seines Entzückens: Er umarmte erst Kara ein, zwei, drei Mal und warf dann auch die Arme um mich, wobei er, vor Freude dem Weinen nahe, rief:
»Hast du es gehört, Sihdi? Hast du es gehört, daß Hanneh, die Blume meines Herzens, ihre Einwilligung zur Tat des Ruhmes gegeben hat? Alle Völker, welche zwischen dem Euphrat und dem Tigris wohnen, werden mich den glücklichsten Vater nennen, denn die Tapferkeit meines Sohnes wird der meinigen vollständig gleichen, und so wird man unser Lob verkünden in allen Zeiten und allen Häusern, in denen man von unsern Taten spricht. Das habe ich auch dir mit zu verdanken, weil du die Güte gehabt hast, zurückzutreten und nicht mit am Kampfe teilzunehmen!«
»Das habe ich nun freilich nicht versprochen. Ich habe nur gesagt, daß ich es mir überlegen wolle.«
»Zum Überlegen ist es nun zu spät, da Kara eingetreten ist.«
»Ich kann ja doch der Dritte sein!«
Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, so schob sich Omar Ben Sadek schnell herbei und sprach:
»Das wirst du nicht, Sihdi; ich bitte dich! Es wäre ja eine Schande für den ganzen Stamm, wenn keiner der gewöhnlichen Krieger sich beteiligen dürfte. Ich bin kein Held und kein berühmter Mann; aber ich war dein und Halefs treuer Gefährte durch die Sahara, durch Ägypten, Arabien und das ganze Kurdistan. Ich habe mit euch gehungert, gedürstet und gekämpft, und niemand kann sagen, ich hätte jemals meine Pflicht versäumt. Soll es jetzt heißen, daß mein Arm schwach geworden und meine Waffe eingerostet sei? Soll mein Platz in dem Winkel sein, in welchen man das alte, unbrauchbare, verrostete Eisen wirft? Das kannst du mir, deinem treuen Omar, doch unmöglich zuleide tun! Ich will dich nicht mit langen Bitten quälen. Hier stehen fünfzig Krieger. Sollen sie alle zusehen, daß ihr drei ihnen alles nehmt und ihnen gar nichts gönnt? Soll nicht wenigstens einer von ihnen zeigen dürfen, daß auch ein einfacher Krieger für die Ehre seines Stammes kämpfen kann? Ich bin fertig mit meinen Worten. Nun entscheide du!«
Da gab ich ihm meine Hand und sagte:
»Du hast vollständig recht, Omar. Es handelt sich um Haddedihn und Beni Khalid, also um die Ehre unsers Stammes; da darf ich mich euch nicht in den Weg stellen. Es sei dir also dein Wunsch erfüllt. Wir wissen, daß du die Haddedihn in einer Weise vertreten wirst, die uns erlaubt, stolz auf dich zu sein. Du wirst zu deinen frühern Siegen heute einen neuen fügen.«
Damit war diese Angelegenheit erledigt. Hanneh bestieg ihren Tachtirwan wieder, und dann ritten wir dem Brunnen zu, von welchem uns, als wir uns ihm näherten, die letzten Gebetsklänge des Moghreb entgegentönten. Die Beni Khalid waren also schon da.
Es war dunkel geworden, und nach dem Schlusse des Gebetes beschäftigten sich die Beduinen damit, ein Feuer anzuzünden. Darum wurde unser Kommen nicht sofort bemerkt. Wir hatten den Platz an der nordöstlichen, ganz unbeobachteten Ecke erreicht und hielten dort an. Wir wollten den Blinden zunächst den Mekkanern nicht sehen lassen; darum mußte er hier absteigen und Hanneh mit ihm, in deren Obhut wir ihn gaben. Es konnte nicht auffallen, daß sie sich hier absonderte, indem diese entlegene Stelle sozusagen ihren Harem bildete, wodurch zugleich die Mekkaner gezwungen waren, ihn zu meiden. Als wir beide gut und bequem untergebracht hatten, ritten wir weiter, der Brunnenecke zu, an weicher jetzt das Feuer aufloderte.
Der Scheik sah uns und kam uns höflich entgegen. Zwar begrüßte er uns nicht mit einem Marhaba (Willkommen), denn wir waren ja seine Feinde; er machte überhaupt keine Worte, aber diese stille Art und Weise drückte ebenso viel Achtung aus, als er uns hätte durch die Rede erweisen können. Um so lauter aber war einer, der vom Feuer, wo er saß, aufsprang und gar nicht wartete, bis ich abgestiegen war, sondern mir beide Hände entgegenstreckte und dabei in frohem Tone rief:
»Endlich, endlich sehe ich dich, Effendi! Ich wußte, daß du unbedingt kommen und mir helfen würdest; aber die Zeit wurde mir doch recht lang, zumal mit ihr mein Blut hinfloß!«
Es war der Perser.
»Du hattest also deine Hoffnung auf uns gesetzt?« fragte ich.
»Ja, nur auf dich, denn eine andere gab es nicht. Ich erfuhr vorhin, daß der Scheik dir mitgeteilt hat, was man mit mir beschlossen hatte, und habe also nicht nötig, es dir zu erzählen. Nur eins muß ich dir sagen, damit du weißt, woran du bist: Die Mekkaner sprachen davon, daß ihr kommen würdet; ich hütete mich aber, zu verraten, daß ich euch getroffen und mit euch gesprochen hatte. Du hast mir das Leben gerettet. Von meinem Danke wirst du nicht jetzt, sondern später hören!«
»Du hast mir nichts, gar nichts zu verdanken. Es war Allahs Schickung, daß dein Weg mit dem unseren zusammenstieß, und wenn dir dadurch das Leben erhalten wurde, so wende dich nicht an mich, sondern an ihn! Wo sind deine Asaker (Soldaten)?«
»Gefangen, an einem Orte, den ich nicht kenne.«
»Du aber bist frei?«
»Ja. Als der Scheik vor kurzem von seinem Ritte zurückkehrte, wurden mir die Fesseln abgenommen und die geöffneten Adern verbunden. Ich hätte mich unbedingt während der Nacht verblutet.«
»Hat dich der Blutverlust bis jetzt angegriffen?«
»Doch! Ich bin ziemlich schwach, werde aber sehr bald nichts mehr davon merken. Komm mit mir an das Feuer, und sag mir, wie sich alles zugetragen hat, und was geschehen wird! Ich hörte, daß es einen dreifachen Zweikampf geben soll. Ist das wahr?«
Scheik Tawil Ben Schahid hatte sich wieder bei dem Feuer niedergesetzt, wir nahmen, als ob sich das ganz von selbst verstehe, neben ihm Platz, Halef und Kara auch. Unsere Haddedihn lagerten sich in geringer Entfernung von uns. Die Beni Khalid bildeten zerstreut rundum liegend Gruppen. Sie unterhielten sich sehr eifrig, doch nicht so laut, daß wir etwas verstehen könnten. Die Mekkaner endlich saßen abgesondert an der Brunnenmauer beisammen, ganz nahe bei uns. Sie hörten jedes Wort, weiches wir sprachen. Hierauf gar keine Rücksicht nehmend, beantwortete ich die Frage des Persers:
»Ja, es ist wahr. Wir haben die drei Betreffenden schon bestimmt.«
»Wer sind sie?« erkundigte er sich weiter.
»Scheik Hadschi Halef Omar, Kara, sein Sohn hier, und Omar Ben Sadek, einer unserer Krieger.«
»Wie und mit welchen Waffen soll der Kampf stattfinden?«
»Das ist wohl erst noch zu bestimmen.«
»Auf Tod und Leben?«
»Ja.«
»Allah! So bin ich schuld, daß diese drei ihr Leben für mich wagen müssen, und kann doch nichts dafür! Denke dir, diese diebischen Hunde haben ihren Raub unterwegs in der Wüste versteckt! Selbst wenn ihr siegt und meine Asaker wieder frei werden, haben wir den weiten Ritt umsonst gemacht und bekommen die gestohlenen Gegenstände nicht wieder!«
»Darüber hast du zu schweigen!« gebot ihm der Scheik der Beni Khalid. »Die, welche du beschuldigst, hören deine beleidigenden Worte; das darf ich nicht dulden, denn sie sind meine Freunde und Gäste. Wenn du in dieser Weise weitersprichst, nehme ich mein Wort zurück und lasse dir die Adern wieder öffnen.
Vielleicht war es zu kühn von mir, aber ich durfte um unsertwillen ihn nicht in dem Glauben lassen, daß er hier der alleinige Gebieter sei, und erwiderte ihm darum in zwar ruhigem aber doch sehr bestimmten Tone:
»Gestatte mir, o Scheik, daß ich da anderer Meinung bin! Habe ich auf eines der Rechte, weiche ich besitze, hier zu verzichten?«
»Nein«, antwortete er.
»Gut! Wenn die Mekkaner deine Freunde sind, so ist er der meinige. Er wurde gegen dich ausgetauscht und ist also ein ebenso freier Mann wie du. Ein freier Mann aber darf auch frei sprechen, und wenn er damit jemanden beleidigt, so mag dieser jemand sich dagegen wehren; einem andern aber geben wir die Erlaubnis nicht dazu!«
»Ob ihr es mir erlaubt oder nicht, das ist mir gleich«, entgegnete er stolz. »Hier an diesem Brunnen bin ich der Herr, und wenn meine Gäste beleidigt werden, so bin auch ich beleidigt und werde das bestrafen. Ich wiederhole, daß ich diesen Schiiten wieder fesseln lasse, wenn er nochmals ähnliche Worte sagt!«