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Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 22

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Ich mußte dieses Sinnieren aufgeben, weil mich jetzt die Wirklichkeit mit ihren Anforderungen mehr als zur Genüge in Anspruch nahm.

Die Beni Khalid kamen nicht gegangen, sondern geritten; sie brachten ihre Kamele und die ganze Bagage mit. Daraus war zu schließen, daß sie sich des Sieges bewußt waren und dann gleich den Platz des Brunnens besetzen wollten. Einstweilen ließen sie ihre Tiere draußen jenseits des Felsens lagern und kamen dann herbei, um sich so aufzustellen, wie der Bote es ihnen sagte. Wenigstens sah ich, daß er sie nach der Westseite des von uns gezogenen Kreises führte und sprechend und rufend dort hin und her ging. Es schien uns also gelingen zu sollen, die Sonne hinter uns zu haben. Ihr Scheik war in stolzer Zurückhaltung einstweilen noch bei den Kamelen geblieben. Unsere Haddedihn ordneten sich auch bereits hüben auf unserer Seite. Sie hatten eine Decke ausgebreitet, auf welcher Hanneh saß, um dem Kampfe zuzuschauen. So befand sich also am Brunnen jetzt niemand, denn auch die Mekkaner waren fort. Halef hatte ihnen während meiner Abwesenheit gesagt, daß sie tun könnten, was ihnen beliebe, und so sah ich sie jetzt nach der Rückkehr des Münedschi mit ihm hinüber zu den Beni Khalid ziehen. Sie hatten ihre Tiere mit. Der Schatz, um den es sich handelte, befand sich selbstverständlich in unserer Verwahrung.

Ich holte vor allen Dingen meinen fünfundzwanzigschüssigen Stutzen. Als Halef mich mit diesem Gewehre kommen sah, dem wir schon manche Rettung aus verwickelter Lage verdankten, sagte er:

»Recht so, Sihdi! Der Häuptling ist zwar sehr eifersüchtig auf seinen Ruf, daß er sein Wort nie breche, aber man kann diesen Beni Khalid doch nicht trauen. Wenn sie nicht Sieger werden, kann die Aufregung sie leicht zu Gewalttätigkeiten führen, weiche er nicht zu verhindern vermag. Da ist dein Stutzen das beste Mittel, sie in Schach zu halten. Dein Platz ist hier neben Hanneh. Khutub Agha wird an ihrer andern Seite sitzen.«

Bei uns hier hüben herrschte Ruhe, bei den Beni Khalid aber eine ungemeine Beweglichkeit und Aufregung; es dauerte lange, ehe sie sich gelegt hatte. Endlich hatten sie sich in einem großen Kreisbogen niedergesetzt, in dem es, der fliegenden Kugeln und Speere wegen, eine Lücke gab, damit kein Nichtkämpfer verletzt werden könne. Nur drei saßen nicht. Sie gingen mit stolzen Schritten und herausfordernden Gesten hin und her. Das waren unsere Gegner; der Wassermann befand sich bei ihnen.

Nun kam endlich auch Tawil Ben Schahid. Er betrat den Kreis und ging langsam und würdevoll nach der Mitte desselben. Seine drei Helden folgten ihm. Er erwartete, daß wir zu ihm kommen würden, und wir taten es. In seinem von den gestrigen Hieben geschwollenen und gefärbten Gesichte war nichts als Haß zu lesen, aber hinter äußerlicher Ruhe versteckt.

»Es ist verboten, beleidigend zu sprechen«, sagte er. »Darum werden wir so wenig wie möglich reden und euch lieber unsere Taten zeigen!«

Erschien uns imponieren zu wollen und eine Antwort zu erwarten. Als wir nichts sagten, fragte er:

»Ihr kennt die Bedingungen?«

»Ja«, antwortete Halef kurz.

»Es wird nicht geschont. Tot wollen wir euch sehen oder doch wenigstens so schwer verwundet, daß ihr euch nicht vom Boden erheben könnt und nachträglich elend zu Grunde gehen müßtet, wenn wir euch nicht sogleich vollends töteten!«

»Du sprichst nur davon, was ihr tun werdet. Ich sage nur, daß wir euch schonen werden. Wir trachten nicht nach Mord und Blut.«

»Das kannst du wohl sagen, weit ihr gar nicht dazu kommen werdet, Schonung an uns zu üben! Wir wollen losen. Wo sind eure Kämpfer?«

»Hier wir drei.«

»Dieser Knabe auch?«

»Ja.«

»Ihr seid verloren! Allah hat euch schon bei der Wahl den Verstand so verfinstert, daß eure drei schwächsten Personen ausgesucht worden sind! Die Lose habe ich hier; es sind drei Hölzchen; das längste ist die Flinte, das kürzeste das Ringen und das dritte der Dscherid. Zieht.«

Er hielt ihm die Hand hin, aus welcher die Enden der Lose hervorragten. Als sie gezogen hatten, sah mich Halef fröhlich lächelnd an, doch ohne ein Wort zu sagen. Unsere Wünsche waren erfüllt, denn auf ihn fiel der Speer, auf Kara das Gewehr und auf Omar der Ringkampf.

Der Scheik hatte das Lächeln doch bemerkt. Er sagte:

»Laß deine Fröhlichkeit; du solltest lieber weinen, denn ihr habt die Lose des unvermeidlichen Todes gezogen. Ich werde den Kampf selbst überwachen. Erst wird geschossen, dann der Dscherid geworfen und zuletzt gerungen. Wir beginnen gleich, denn wir haben keine Lust, zu warten, in einer Viertelstunde seid ihr alle drei über die Brücke des Todes gegangen! Dann aber erwarte ich, daß ich den Kanz el A‘da bekomme! Was versprochen und gar noch mit einem Schwur bekräftigt worden ist, das muß gehalten werden. Versprecht es mir nochmals!«

»Wir halten unser Wort«, erklärte Halef. »Und du?«

»Ich auch. Der Sieg ist uns zwar gewiß, aber für den Fall, daß er uns nicht wird, habe ich versprochen, diese Gegend mit meinen Kriegern sofort zu verlassen und für den heutigen Tag Frieden zu halten. Das würde ich tun, denn Tawil Ben Schahid, der berühmte Scheik der Beni Khalid, hat noch nie sein Wort gebrochen, und so wäre ihm auch der heutige Schwur heilig. Jetzt werde ich sechzig Schritte abmessen.«

»Und die Kugeln vorzeigen!« erinnerte Halef.

»Das tue ich nicht. Ich gebe euch mein Wort, daß nur mit Kugeln geschossen wird, und das muß euch genügen. Wir wollen nicht verwunden, sondern töten; da kann es uns gar nicht einfallen, Schrot zu nehmen.«

Das war uns auch recht, denn wie hätten wir ihm beweisen wollen, daß Karas Patronen keinen Schrot enthielten?

Die Entfernung wurde abgeschritten, und die beiden Schützen stellten sich auf. Wir hatten auf unserer Linie hinter Kara auch einen freien Raum gelassen, um von den ihr Ziel verfehlenden Kugeln nicht getroffen zu werden. Der betreffende Ben Khalid schwang sein Gewehr und warf, wie das bei den Beduinen so gebräuchlich ist, seinem Gegner eine Menge Ausrufe zu, weiche sich auf seine angebliche unübertreffliche Fertigkeit im Schießen bezogen. Beleidigend aber wurde er nicht. Man schien also entschlossen zu sein, die gestellten Bedingungen auch in dieser Beziehung einzuhalten. Kara sagte nichts.

Nun setzte ich mich mit dem Perser zu Hanneh. Sie schaute unbesorgt und munter drein und sagte:

»Sihdi, es gibt in mir, vielleicht auch in jedem andern Mutterherzen, eine Stimme, welche mich zu warnen pflegt, wenn meinem Sohn Kara etwas Unerwünschtes begegnen soll. Ich habe dann eine ungewisse Angst in mir, welche mir die Ruhe raubt, bis das Ereignis vorüber ist. Da ich diese Stimme jetzt nicht vernehme, so bin ich überzeugt, daß Kara sich außer aller Gefahr befindet. Darum bin ich heiter und lasse Allah walten!«

Jetzt gab Tawil Ben Schahid das Zeichen, daß das Schießen begonnen werden könne. Wann und in weicher Reihenfolge dies zu geschehen habe, darüber war nichts gesagt worden. Es konnte sich jeder der beiden Duellanten verhalten, wie ihm gutdünkte.

Der Ben Khalid hielt seinen Körper in einer herausfordernden Stellung, als ob er erwarte, daß zunächst auf ihn geschossen werde. Dies geschah aber nicht. Da wurde ihm die Zeit zu lang, er legte sein Gewehr an und zielte. Ich richtete nun meine Augen auf Kara, ob ein Zucken seines Körpers uns sagen werde, daß er getroffen worden sei. Der Schuß krachte. Kara stand still und machte erst nach kurzer Zeit, sich zu uns umdrehend, eine Handbewegung der Geringschätzung für die Gegner und der Beruhigung für uns. Die Kugel war vorübergegangen. Halef, weicher mit Omar Ben Sadek neben uns stand, sagte, indem er in väterlichem Stolze glücklich lächelte:

»Seht ihr ihn stehen? Wie eine Mauer! Er hat nicht mit einem, Finger gezuckt, als der Schuß fiel! Wenn das der beste Schütze ist, den die Beni Khalid haben, so dürfen sie sich vor uns nicht sehen lassen.«

»Ob unser Sohn ihm wohl den Schuß zurückgeben wird? fragte Hanneh gespannt.

»Ich glaube es nicht, denn er hat das Gewehr an den Fuß genommen und rührt sich nicht. Allah, Allah! Ich danke dir! Wie getrost und stolz er dasteht! Es ist eine Wonne, ihn zu sehen! Du siehst hier, Effendi, die Erfolge deiner und meiner Lehren. Wie freue ich mich Ober ihn! Er zeigt, daß er einem Stamm angehört, dessen Kriegern eine pfeifende Kugel ist wie nichts. Er macht uns Ehre, wirklich Ehre! Schaut doch dagegen den andern an!«

Ich konnte die Gefühle meines Halef und seiner Hanneh gar wohl begreifen; war es doch jetzt das erste Mal, daß ihr Liebling sich im offenen Zweikampfe zu bewähren hatte! Wenn man das lebhafte Temperament des Beduinen in Rechnung zieht, so war die kalte Ruhe, welche der Jüngling zeigte, sehr anzuerkennen. Ein anderer hätte lebhaft gejubelt und seine Freude über die Vergeblichkeit des Schusses in lärmender Weise geäußert.

Diese Ruhe und Stille herrschte überhaupt auf unserer ganzen Seite. Nicht so bei den Beni Khalid, welche in ein zorniges Geschrei der Enttäuschung ausgebrochen waren. Viele von ihnen waren aufgesprungen und zeigten durch ihre lebhaften Gestikulationen, wie erregt sie waren. Das mußte doch dem Schützen die für ihn so notwendige Kaltblütigkeit und Fassung rauben. Der Scheik rief ihm lautschallende Vorwürfe zu, die er mit ärgerlichen Entgegnungen beantwortete, indem er wieder lud.

Als er das getan hatte und also wieder schußfertig war, trat drüben wieder Stille ein. Er forderte Kara auf, ihm nun auch eine Kugel zuzusenden; dieser antwortete nicht und blieb so unbeweglich stehen, als ob er auf seiner Stelle festgewachsen sei. So verging eine längere Zeit. Da rief der Scheik dem Vertreter der Ehre seines Stammes zu:

»Dieser Knabe der Haddedihn getraut sich gar nicht, zu schießen; er hat es gar nicht gelernt! Wir haben keine Zeit! Schieß du, schieß wieder! Aber mach es besser als vorhin, sonst wirst du heimgeschickt zu den kleinen Knaben, die noch nichts gelernt haben!«

Er sagte sich nicht, daß er durch solche Drohungen den Mann aufregen müsse. Dieser antwortete mit einem unwilligen Ausrufe und riß sein Gewehr wieder empor. Erzielte dieses Mal länger als vorher, dann knallte der Schuß – – – Kara machte ganz dieselbe Bewegung der Hand; er war wieder nicht getroffen worden. Nun erhob sich drüben ein größeres Geschrei als vorher. Da drehte sich der unglückliche Schütze nach seinen Leuten um und rief ihnen so laut zu, daß wir es hören konnten:

»Haltet die Mäuler! Wer soll da ruhig zielen und schießen können. wenn euer Gebrüll die Arme zittern macht! Ich schwöre bei Allah, daß die dritte Kugel nicht vorübergehen wird! Jetzt gilt‘s, und darum muß und wird sie treffen!«

Er lud sehr sorgfältig und legte das Gewehr dann sogleich wieder an, ohne zu warten, ob Kara nun vielleicht schießen werde. Er zielte diesmal viel, viel länger als vorher, so lange, daß die Anlage unruhig werden mußte.

»Er trifft wieder nicht!« sagte Hanneh.

»Der Mensch ist kein Schütze!« nickte Halef vergnügt. Er müßte wieder absetzen, um den Arm ausruhen zu lassen! Doch nein, da da!«

Der Schuß war gefallen, und auch diese dritte Kugel hatte ihr Ziel verfehlt.

»Hamdulillah!« rief Halef aus. »Hanneh, du lieblichster Abglanz meiner Seele, siehst du ihn stehen, unsern Herzenssohn? Ungetroffen, unverletzt und ruhig, als ob er nur Luft vor sich gehabt habe, nicht aber den besten Schützen des Stammes der Beni Khalid und nicht ein auf sich gerichtetes Gewehr, aus dessen Lauf der Tod ihn treffen sollte! Ich bin stolz auf ihn, sehr stolz! Du doch auch?«

»Ja; er ist dein Ebenbild!« antwortete sie.

»lch danke dir! In Beziehung auf die Tapferkeit ist überhaupt jeder Krieger der Haddedihn mein Ebenbild, und Kara ist ein Haddedihn; da braucht man sich gar nicht zu wundern!«

Auf der uns gegenüberliegenden Seite gab es andere Worte als hier bei uns; da herrschte ein Tumult, der gar kein Ende nehmen wollte. Kara hatte uns auch jetzt die schon zweimal erwähnte, verächtliche Handbewegung zugeworfen; nun schob er den einen Fuß von dem andern ab und stützte sich auf sein Gewehr, um zu warten, bis bei den Beni Khalid wieder Ruhe eingetreten sei.

»Effendi«, fragte mich Halef, »siehst du ihm nicht auch ganz deutlich an, daß gleich seine erste Kugel grad da sitzen wird, wo er will?«

»Er wird keinen Fehlschuß tun«, antwortete ich.

»Er hat sich das zu Herzen genommen, was du in Beziehung auf den Speerkampf sagtest, nämlich, daß du warten würdest, bis der Gegner keine Lanze mehr habe. So hat auch er seine Kugeln aufgehoben, und ich bin bereit, zu wetten, daß er nur die erste braucht. Wettest du mit?«

»Nein.«

»Aber so tue es doch!«

»Nein. Du weißt ja, daß ich niemals wette.«

»Allerdings; aber jetzt solltest du doch gegen mich setzen!«

»Wie kann ich das, da ich doch ganz derselben Ansicht bin wie du?«

»Ja, richtig! Also wetten wir nicht! Paßt auf, ihr Leute! Er hat uns gesagt, daß er nun zeigen will, was er, den man einen Knaben nannte, gelernt hat.«

Kara hatte sich umgedreht und uns zugenickt. Drüben war es endlich wieder still geworden. Der Beni Khalid stand auf seinem Platze, und es war ihm anzumerken, daß er sich da doch nicht ganz behaglich fühle. Doch machte er mit dem Arme eine auffordernde Geste durch die Luft und rief:

»So schieß doch nur! Getraust du dich denn gar nicht, ein Gewehr in die Höhe zu nehmen? Dir zittern wohl alle Glieder vor Angst, den Knall des Pulvers zu hören? Fürchte dich nicht, mein Knabe! Deine Kugel gilt ja nicht dir, sondern mir, und die Luft da um mich her hat Platz genug für sie!«

Da sagte Kara sein erstes Wort, und zwar in so gelassener Weise, daß wir uns alle darüber freuen mußten:

»Diese Luft hat keinen Raum für sie, denn die Stelle, wo meine erste Kugel sitzen wird, liegt nicht in der Luft, sondern in deinem Körper. Ihr trachtet nach unserm Leben, wir aber nicht nach dem eurigen. Ich werde dir also das deinige schenken!«

»Ich brauche nicht geschenkt zu nehmen, was mir überhaupt gehört und nicht von dir genommen werden kann. Prahle also nicht, sondern schieß!«

»Ich werde dir beweisen, daß ich es dir nehmen könnte, wenn ich wollte. Ich sage dir vorher, daß ich dich in das Knie schießen werde. Ebenso gut aber würde ich dich in den Kopf oder in das Herz treffen!«

»Schieß, schieß, sage ich! Ich warte mit Ungeduld darauf, um dich dann auszulachen!«

Das war natürlich nur Redensart, denn daß er Angst hatte, getroffen zu werden, zeigte er dadurch, daß er jetzt eine Stellung einnahm, welche zur Folge hatte, daß er seinem Gegner so wenig wie möglich Körperfläche zum Zielen bot. Er kehrte ihm nämlich nicht den Vorderkörper, sondern die Seite zu.

Als ich das sah, mußte ich an meinen dann so vielbesprochenen Schuß denken, mit welchem ich Tangua, dem Häuptling der Kiowa Indianer, beide Knie zerschmetterte und infolgedessen Mitglied des Apatschenstammes wurde. Tangua hatte damals dieselbe Stellung gewählt, um nicht getroffen zu werden, und sie trotz meiner Warnung beibehalten, die Strafe war für diese Unredlichkeit gewesen, daß ihm meine Kugel nicht bloß durch eines, sondern durch beide Knie gegangen war. Genau denselben Schuß konnte Kara jetzt auch tun, und ich traute ihm allerdings zu, denselben Erfolg zu haben.

»Warum stellst du dich anders, als ich gestanden habe?« fragte er.

»Ich tue, was ich will!«

»Du fürchtest dich!«

»Laß dich nicht auslachen, unerfahrener Junge! Ich werde sogar selbst zählen! Also: Eins zwei !«

Da nahm Kara sein Gewehr nicht langsam und bedächtig auf, um nach Beduinen oder überhaupt gewöhnlicher Weise zu schießen, sondern er bediente sich der schnellen Tempi der amerikanischen Westmänner, die er nach meiner Anleitung eingeübt hatte. Das Schießen auf diese Art scheint schwerer zu sein, ist es aber nicht; es erfordert alterdings eine nur durch lange Ausdauer zu erreichende Fertigkeit, bietet dafür aber eine um so größere Treffsicherheit. Er warf, als der Ben Khalid »Eins!« sagte, das Gewehr empor, hatte es bei »Zwei!« im Anschlage, und bei »Drei!« krachte, ganz genau nach dem höhnischen Kommando, der Schuß, so daß das Wort gar nicht zu hören war. Fast in dem selben Augenblicke warf der Ben Khalid beide Arme hoch in die Luft, taumelte einmal hin und einmal her und stürzte dann zur Erde, von weicher er sich nicht mehr erheben konnte. Kara hatte ihn wirklich durch beide Knie getroffen; es war ein Meisterschuß gewesen! Für einige Augenblicke war alles still; darum hörte man die lauten, stolzen Worte des Siegers:

»Der unerfahrene Junge hat sein Wort gehalten. Es fließt das Blut, folglich ist dieser Kampf zu Ende. Der Besiegte gehört nun mir; aber ich schenke ihm die zweite und die dritte Kugel und mit ihnen das Leben. Kara Ben Halef ist ein Krieger, aber kein Mörder!«

Hierauf drehte er sich um und kam mit ernstem und doch freudestrahlendem Gesicht auf uns zugegangen. Drüben waren alle Beni Khalid aufgesprungen; sie rannten zu dem Verwundeten. Diese Hunderte von Stimmen vollführten einen wahren Höllenlärm, um den wir uns aber nicht kümmerten. Halef drückte seinen Sohn an das Herz und küßte ihn wohl zehnmal auf die Wangen. Als er sich vor der Mutter niederbeugte, legte diese ihm die Hand wie segnend auf das junge Haupt und sagte in überquellender Zärtlichkeit:

»Ich wußte, daß du siegen und auch nicht verwundet würdest. Mein Sohn, du hast alle, alle unsere Hoffnungen so schön erfüllt. Deine Eltern und der ganze Stamm der Haddedihn sind stolz auf dich! Allah behüte und beschirme deine Wege!«

Ich drückte ihm nur still die Hand und nickte ihm anerkennend zu. Da sah er mir so ernst in die Augen und sagte:

»Sihdi, weißt du, was ich dachte, als ich dort stand und auf seine erste Kugel wartete?«

»Nun?« fragte ich.

»Ich hatte keine Sorge um mich, nicht die geringste; aber ich wußte, daß nicht ich es war, der dort stand, sondern der ganze Stamm meiner lieben, lieben Haddedihn . Und als ich dreimal nicht getroffen worden war und ihn in meine Hand gegeben wußte, da hatte ich die feste Überzeugung, daß von meinen drei Kugeln zwei überflüssig seien, weil gleich die erste ihre Schuldigkeit tun werde. Mein Schuß hat diesen Beni Khalid die Frage entgegengekracht: Wenn bei den Haddedihn schon die Knaben so sicher treffen, wie erst müssen da wohl die Männer schießen!«

»Du bist von dieser Stunde kein Knabe mehr, mein braver Kara Ben Halef. Ich will es jetzt sein, der auf den unerfahrenen Jungen die richtige Antwort gibt: Du hast von jetzt an das Recht, an allen unsern Beratungen teilzunehmen. Ich gebe es dir als dein Lehrer und als der treuste Freund des Stammes, der stets bereit ist, sein Leben für euch einzusetzen!«

Er trat in freudigem Schrecke einen Schritt zurück und fragte fast stammelnd:

»Ist das wahr, Effendi, wirklich wahr?«

»Ja. Und ich hoffe, daß die Dschemmah, die Versammlung der Ältesten, es bestätigen wird!«

Da ergriff er meine beiden Hände, drückte sie an sein Herz und küßte sie dann. Sein Vater nahm sie ihm und sagte dann, die Augen voll schneller Tränen, zu mir:

»Natürlich wird die Dschemmah jedes deiner Worte bestätigen, Sihdi! Du bist nicht nur unser Freund, sondern du gehörst unserm Stamm und er gehört dir! Du bist der Herr und Besitzer aller unserer Herzen. Ich bin der Scheik, und doch bist auch du unser Scheik, wenn auch in anderer Weise. Für den Rang, den du bei uns einnimmst, ist das rechte Wort noch nicht erfunden worden, aber du darfst auch ohne dieses Wort sicher sein, daß die Ehrenstelle, die es bezeichnen würde, dir für die ganze Zeit des Lebens Anspruch auf unsern Gehorsam und auf unsere Liebe gibt. Du hast diese Stunde zu einer Stunde der Freude, des größten Stolzes für mich gemacht. Ich werde von ihr noch sprechen und erzählen, wenn mir die Zunge des Alters zu andern Erzählungen zu schwer geworden ist!«

Hanneh dankte mir auch, und zwar in echter Frauenweise:

»Ich bitte dich, Effendi, sag‘ deiner Emmeh, der Bewohnerin deines Zeltes, von mir, daß sie dich stets recht herzlich, recht wahr und innig lieben soll! Du bist ein unerschöpflicher Spender der Liebe; ihr Quell, der in dir liegt, kann zwar nie versiegen, aber trotz seiner Fülle soll er doch auch nehmen dürfen und empfangen, was er gibt. Sage ihr also das, und füg‘ hinzu, daß Hanneh auch dich liebt!«

»Ja, vergiß das nicht, und teile ihr mit, daß ich das gern erlaube!« bekräftigte der kleine Hadschi. »Nun wird der Kampf mit den Speeren gleich beginnen. Ich sage euch: Ich hätte meinen Mann auch schon so gestellt, aber das Bewußtsein, der Nachfolger meines siegreichen Sohnes zu sein, dem von unserm Effendi die höchste Kriegerehre zuteil geworden ist, wird mir Unüberwindlichkeit verleihen. Ich fühle, daß ich nicht in den Kampf gehe, sondern nur zum Spiele, und ich werde es gewinnen, wie Kara es gewonnen hat!«

Diese freudige Zuversichtlichkeit war von nicht geringem Werte. Sie machte auch auf den Persern einen wohltätigen Eindruck; das ersah ich aus den Worten, mit denen er sich an mich wendete:

»Du kannst gar nicht glauben, wie besorgt ich war! Es geht ja um das Eigentum der heiligen Stätte, welches schon in meinen Händen lag und wieder auf die Spitze des Wagnisses gelegt worden ist. Jetzt aber bin ich fast wieder ganz ruhig geworden. wir haben zwar erst nur einen Sieg errungen und müssen wenigstens zwei haben, doch wenn ich Halef so sehe und so sprechen höre, ist es mir, als hätte er seinen Gegner schon in den Sand gestreckt. Wie denkst du darüber?«

»Ich wünsche dir bloß, so ruhig zu sein, wie ich es bin. Halef ist ein ausgezeichneter Dscheridwerfer. Er hat mir so oft Gelegenheit gegeben, ihn zu bewundern, daß mich sein Gegner, zumal wir ihn gesehen haben, gar nicht bange machen kann.«

»Aber denke an die Muskeln seines Armes!«

»Die hat der Hadschi auch, und sie sind es ja nicht allein, worauf es ankommt. Horch! Es soll losgehen!«

Es war dem Scheik Tawil Ben Schahid gelungen, die Ruhe wiederherzustellen; er hatte den Schwerverwundeten hinter die Linie schaffen lassen und schritt nun die Entfernung ab, welche zwischen den Speerwerfern zu liegen hatte. Der »Vater der Selbstverständlichkeit« stand auch schon bereit.

Einen Wurfspeer hat jeder Haddedihn, auch wenn er mit dem Gewehre bewaffnet ist, stets bei sich, und zwar meist zu Jagdzwecken. Gazellen zum Beispiel werden meist nur mit dem Dscherid und nur höchst selten durch die Kugel erlegt. Die Spitze dieser Speere besteht in einem scharf und lang zugespitzten Eisen, der Schaft aus Palmenholz; Halef hatte sich die drei ihm handlichsten und dem jetzigen Zwecke entsprechendsten ausgesucht. Den Haik trug er gar nicht; nun warf er auch die Jacke ab, und als hierauf die nackten Arme zu sehen waren und ich den Perser durch einen Wink auf sie aufmerksam machte, sagte er mit leise:

»Das ist allerdings beruhigend für mich. Solche Muskeln hätte ich diesem kleinen Manne freilich nicht zugetraut!«

»Und ich wiederhole, daß es auf sie nicht allein ankommt. Sieh, wie er über seinen Gegner lächelt!«

Dieser sprang nämlich, Probewürfe machend, hin und her. Halef schenkte ihm nur kurze Aufmerksamkeit und fällte dann sein Urteil über ihn.

»Er weiß nichts von der Dschewirma, Effendi! Und indem er tut, als habe er nur die Absicht, mich bange zu machen, indem er mir eine Geschicklichkeit zeigt, will er seinen Arm für die Entscheidung vorbereiten. Das habe ich nicht nötig. Ich werde deinen Rat befolgen und ebenso wie Kara warten, bis er keinen Speer mehr hat.«

»Und dann die deinigen rasch nacheinander?«

»Ja.«

»So paß auf seine Füße auf! Aus ihrer Stellung und der Neigung seines Körpers kannst du schließen, wohin er ausweichen will; dorthin wirfst du die beiden andern!«

Jetzt erscholl die Stimme des Scheikes, und Halef schritt langsam seinem Platze zu. Ich warf unwillkürlich einen Blick auf Hanneh. Sie lächelte, und als sie bemerkte, daß ich sie ansah, nickte sie mir zu und sagte:

»Es ist mein Hadschi Halef!«

Sie ahnte wahrscheinlich gar nicht, welches Lob sie in solcher Kürze ausgesprochen hatte und weiche Summe von Vertrauen in diesem einfachen Ausspruche lag!

Tawil Ben Schahid empfing unsern Scheik mit den Worten:

»Der Schejtan hat gewollt, daß der erste Gang zu euern Gunsten ausgefallen ist; er hat unserm besten Schützen die Ruhe des Armes und die Festigkeit des Blickes genommen; aber bildet euch ja nicht ein, daß ihr gewinnen werdet! Ich sehe die drei Lanzen schon in deinem Leibe!«

»Was hast denn du hier herumzureden?« fragte ihn Halef. »Du hast dich vom Kampfe ausgeschlossen, obwohl du als Scheik die erste Person desselben sein solltest. Was wirfst du also mit Worten um dich herum? Du gehörst gar nicht hierher!«

Da stieß der Zurechtgewiesene einen zornigen Fluch aus, zog sich aber zurück, ohne noch etwas zu sagen.

Nun standen sich die beiden Hauptpersonen in einer Entfernung von fünfundzwanzig Schritten gegenüber. Der Ben Khalid hatte zwei seiner Speere vor sich in den Sand gesteckt; den dritten hielt er in der Hand, fuhr mit ihm demonstrierend durch die Luft und rief:

»Schau her! Hier steht der berühmteste Mann des Speeres, vor dessen Kraft und Geschicklichkeit du dich verkriechen mußt!«

»Natürlich!« antwortete Halef lachend.

»Du wirst jetzt erfahren, was es zu bedeuten hat, wenn jemand das Wagnis unternimmt, sich mit mir messen zu wollen!«

»Natürlich!«

»Mein Dscherid wird dir mitten durch den Leib fahren!«

»Natürlich!«

Erst jetzt, beim drittenmal, erkannte der Prahler die ironische Bedeutung dieses Wortes. Er wurde darüber zornig und schrie den Hadschi an.

»Du willst mich höhnen? Meine Antwort darauf wird deinen augenblicklichen Tod bedeuten!«

»Natürlich!« lachte Halef nun zum viertenmal.

»Das, das soll dein letztes, dein allerletztes Lachen sein! Paß auf, er kommt – er kommt!«

Während er das sagte, holte er aus und ließ den Speer bei dem letzten Worte fliegen. Die Waffe ging sehr nahe an Halef vorbei und fuhr hinter ihm mit ihrer Spitze in den Sand. Dieser Mann, war ein sehr beachtenswerter Gegner!

Es hatte genau so ausgesehen, als ob der Dscherid den Hadschi treffen müsse. Der Wurf war gut gezielt, und so ließ keiner der Beni Khalid ein Wort des Tadels hören, vielmehr erklangen die aufmunternden Rufe: »Das war gut, recht gut! Schnell noch einmal – – – noch einmal, ehe er selbst wirft!

Der Mann folgte dieser Aufforderung. Er zog den zweiten Dscherid aus dem Sande und wog ihn vor dem Wurfe weit länger als den ersten in der Hand. Er sauste zwei Hände hoch über Halefs Kopf hinweg in den Sand.

Das war nicht schlechter als das erste Mal; aber nun wurde doch gezürnt, denn die Siegessicherheit war von drei Dritteln auf eines, und zwar auf das letzte gefallen!

Es wurden dem Ben Khalid eine solche Menge von Ratschlägen zugerufen und so kräftige, moralische Rippenstöße versetzt, daß er sich zornig umdrehte und seinen Leuten zurief:

»Ich brauch euer Besserwissen nicht! Wenn ihr mehr könnt als ich, warum habt ihr euch nicht gemeldet. Kommt her, und macht es anders! Ich lasse mich von .

Er wurde in seiner Rede durch einen scharfen Pfiff Halefs unterbrochen, dem er sich jetzt wieder zuwendete.

»Was fällt dir ein, dich umzudrehen!« tadelte ihn der Hadschi. »Wenn ich das benutzt und geworfen hätte, wärst du jetzt eine Leiche!«

»Warum hast du es denn nicht getan?!« hohnlachte der andere.

»Weil der Scheik der Haddedihn keinen Feind heimlich angreift. Diese meine Ehrlichkeit hat dich gerettet!«

»Bilde dir das nicht ein! Wer weiß, wohin dein Speer geflogen wäre! So nahe wie ich dir kommst du mir nicht!«

»Natürlich!«

»Laß deinen Spott! Bis jetzt habe ich nur probiert, nun aber werde ich dich gewiß durchbohren, wie ich den Dscherid in der Hand hatte!«

»Natürlich!«

Es war klar, daß Halef durch die immerwährende Wiederholung dieses lächerlich gewordenen Wortes seinen Feind in Aufregung setzen und dadurch veranlassen wollte, auch noch den dritten Wurf zu tun. Diese Absicht erreichte ihren Zweck, denn der Ben Khalid schrie jetzt wütend:

»Ja, natürlich, natürlich und zum drittenmal natürlich, ganz natürlich! Ich werde dir beweisen, daß es so ist!«

Er tat, um mehr Wucht geben zu können, einige Schritte zurück, holte aus und schleuderte, wieder vorwärtsspringend, den Speer mit solcher Kraft, daß wir sein summendes Zischen hörten. Dann stand er bewegungslos, um mit weit vorgelegtem Oberkörper und stieren Augen den Flug der Waffe zu verfolgen, denn sie mußte, mußte und mußte treffen, weil sie die letzte war!

Halef hatte zwei Speere in der linken und den dritten in der rechten Hand. Er sah, daß der Speer richtig gezielt war und ganz genau auf ihn zugeflogen kam; es schien, als könne er sich nur durch einen Seitensprung retten. Aber der Hadschi war zu ehrliebend, als daß er hätte von sich sagen lassen mögen, daß er auch nur einen Finger breit von seinem Platze gewichen sei. Die rechte Faust bereit haltend, sah er der feindlichen Lanze scharf entgegen; die beabsichtigte, lebensgefährliche Parade gelang: Wir hörten die Speere zusammenschlagen – – – der feindliche flog, seitwärts abgelenkt, vorüber!

Da erschollen nicht etwa hundert Schreie, sondern es war nur ein einziger Schrei, der aus mehreren hundert Kehlen kam. Der Wurf war ausgezeichnet gewesen, er hatte treffen sollen und hätte auch absolut treffen müssen, unbedingt getroffen, wenn diese gewagte und so außerordentliche Parade nicht gewesen wäre! Dazu kam, daß dies die letzte Waffe des zweiten Ganges war. Man kann sich also die Enttäuschung, die Empörung der Beni Khalid über dieses Mißlingen denken! So viele Männer die zählten, so viele Stimmen schallten durcheinander, bis diejenige des Scheikes, sie alle übertönend, Ruhe gebot.

»Seid still!« rief er. .Der Gang ist ja noch nicht vorüber! Wenn der Haddedihn auch nichts trifft, so ist noch gar nichts verloren! Er mag nun auch zeigen, was er kann, oder vielmehr, was er gar nicht kann!«

Dieser Scheik sagte sich nicht, daß eine so meisterhafte Art der Abwehr auch in Beziehung auf den Angriff auf ein ungewöhnliches Können schließen ließ! Es trat wieder Ruhe ein, und der frühere Besitzer von drei Speeren ließ seine vor Wut heiser klingende Stimme erschallen, um dem Aadschi allerhand zu sagen, was alles aber nur nicht höflich war, doch auch nicht direkt beleidigend. Es war so, wie der Scheik gesagt hatte: der jetzige Augenblick lag auf dem Mittelpunkte der Waage. Wenn Halef dasselbe Unglück hatte und der dritte Gang von den Feinden gewonnen wurde, so gab es keine Entscheidung, und es mußte wahrscheinlich beschlossen werden, noch einmal von vorn anzufangen. Darum war, wenigstens bei den Beni Khalid, die Spannung jetzt auf das höchste gestiegen.

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30 ağustos 2016
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