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Kitabı oku: «Der Schatz im Silbersee», sayfa 34

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Sie kamen vielleicht in einer Entfernung von fünfzig Schritten an den Häuptlingen vorüber und wendeten sich nach dem nächsten Feuer, welches glücklicherweise dasjenige war, an welchem die Gefangenen lagen. Droll sagte sich natürlich, daß dieselben nicht an einer dunkeln Stelle zu suchen seien. Sicher, wenn auch langsam, aber doch stetig kamen sie näher, was freilich nicht ohne alle Gefahr bewerkstelligt werden konnte. Es kam einigemale vor, daß ein Roter ganz nahe an ihnen vorüberhuschte. Einmal mußte Frank sich blitzschnell zur Seite werfen, um nicht von dem Fuße eines vorbei eilenden Indianers berührt zu werden. Später aber hörte dieses Hin- und Herlaufen auf. Diejenigen, welche den Totengesang übernommen hatten, hockten um die Leiche, und die andern hatten sich ausgestreckt, um eine Stunde zu schlafen.

So gelangten die beiden bis hinter die Wachen, welche den Platz der Gefangenen umstanden. Droll lag hinter einem Baume und Frank hinter dem nächsten. Der Mann, welcher das Feuer zu unterhalten hatte, war einmal fortgegangen, um bei der Leiche in das Klagelied einzustimmen, und einige der zwölf Wächter hatten dasselbe gethan. Die Flamme war zusammengesunken und gab ein sehr ungenügendes Licht. Die Gestalten der Gefangenen waren kaum zu erkennen. Droll kroch einige Schritte nach rechts, dann eine kleine Strecke weit nach links, ohne aber einen Wächter zu erblicken. Als er dann zu Frank zurückkam, flüsterte er diesem zu: »Der Oogenblick scheint mer günstig zu sein. Siehste Old Shatterhand?«

»Ja. Er is ja hier gleich der erschte.«

»Kriech zu ihm hin und bleib so steif bei ihm liegen, als ob du ooch gefesselt wärscht!«

»Und du?«

»Ich mach mich zu Old Firehand und Winnetou, die da drüben liegen.«

»Das is gefährlich!«

»Ooch nich mehr als hier. Was wird Old Shatterhand für Freede habe, wenn er seinen Stutzen wieder hat! Mach schnell!«

Der Hobble-Frank hatte keine große Strecke, höchstens acht Schritte zurückzulegen. Eben fiel die Flamme so weit nieder, daß es schien, als ob das Feuer vollständig verlöschen wolle; es wurde so dunkel, daß man die Gestalten der Gefangenen nicht mehr zu unterscheiden vermochte. Einer der Wächter ging hin, um neues Holz aufzulegen; aber ehe dasselbe vom Feuer ergriffen wurde, hatten Droll und Frank die Dunkelheit benutzt; beide befanden sich an Ort und Stelle.

Frank hatte sich neben Old Shatterhand gelegt. Er streckte die Beine aus, als ob er gefesselt sei, schob seinem Nachbar den Henrystutzen hin und zog dann die Arme an, damit die Wächter denken sollten, sie seien ihm an den Leib gebunden.

»Frank, du?« fragte Old Shatterhand leise, aber nicht etwa im Tone des Staunens. »Wo ist Droll?«

»Drüben liegt er, bei Firehand und Winnetou.«

»Gott sei Dank, daß ihr die Fährte gefunden habt und noch vor Tage kommen konntet!

»Wußten Sie denn, daß wir kommen würden?«

»Natürlich! Als die Kerle das Feuer anbrannten, sah ich, daß ihr nicht unter den Gefangenen waret.«

»Wir konnten doch noch in der Spalte schtecken und ergriffen werden!«

»Pshaw! Die Roten suchten ja dort nach meinem Gewehre. Ich hatte Angst, ob sie euch drin finden würden; aber sie kamen ohne euch heraus, und mein Stutzen war verschwunden; das sagte mir alles. Ich habe so fest geglaubt, ihr werdet uns nicht verlassen, daß ich dem »großen Wolfe« mit dem Tode gedroht habe.«

»Das is kühn!«

»Lieber Frank, nur dem Kühnen gehört die Welt!«

»Ja, dem Kühnen und dem Hobble-Frank. Habe ich meine Sache nich tribunal gemacht? Sind wir unsern kameradlichen Verpflichtungen und Obliegenheeten nich ganz pizzicato nachgekommen?«

»Ausgezeichnet habt ihr euch verhalten, ausgezeichnet!«

»Ja, ohne uns wären Sie futsch gewesen!«

»Das nun gerade nicht. Du weißt, daß ich mein Spiel erst dann verloren gebe, wenn es wirklich zu Ende ist. Hier aber gibt es nicht nur Karten, sondern sogar noch Trümpfe genug. Wäret ihr nicht gekommen, so hätten wir uns auf andre Weise helfen müssen. Da, schau her!«

Frank blickte zu ihm hin und sah, daß der Jäger ihm die freie Rechte zeigte.

»Diese Hand habe ich schon losgemacht,« fuhr derselbe fort; »die andre würde in einer Viertelstunde auch frei gewesen sein. Ich habe in meiner kleinen, verborgenen Tasche ein Federmesser, welches von Mann zu Mann gegangen wäre, so daß wir alle in kurzer Zeit unsre Riemen zerschnitten hätten. Dann schnell aufgesprungen und zu den Waffen gerannt, welche drüben bei den Häuptlingen liegen – – —«

»Das wissen Sie auch?«

»Ich wäre ein schlechter Westmann, wenn mir das hätte entgehen können. Ohne Waffen gibt es keine Rettung für uns; also habe ich gleich von Anfang an scharf aufgepaßt, wohin sie gethan wurden. Jetzt vor allen Dingen muß ich wissen, wie ihr hierher gekommen seid. Ihr seid den Roten gefolgt?«

»Nee, das nich; wir sind ja schon viel eher fort als sie.«

»Um sie zu beobachten und ihnen nachzugehen?«

»Ooch nich. Wir sind ganz inflexibel ausgerissen, immer den Canon hinab, bis wir in een Seitenthal kamen, in welches wir uns kompromittieren konnten. Wir hatten die Absicht, dann schpäter beim hellen Tageslicht die Fährte der Roten offzusuchen, um zu sehen, was wir für Sie thun könnten.«

»Ach! So ist es also eigentlich nicht euer Verdienst, daß ihr diesen Wald gefunden habt?«

»Nee, den Wald haben wir eegentlich nich verdient; aber da der Zufall ihn uns eemal entgegengeworfen hat, werden Sie es uns wohl nich übelnehmen, daß wir nachher so frei gewesen sind, Ihnen die schuldige Neujahrsvisite abzuschtatten.«

»Du wirst ironisch.«

»Das weniger; ich möchte hiermit nur kontrahiert haben, daß es keene Leichtigkeet war, uns durch den Wald und diese Roten zu Ihnen hindurch zu assimilieren.«

»Das weiß ich wohl zu würdigen, alter Frank. Ihr habt euer Leben für uns gewagt, und wir werden euch das nie vergessen. Darauf kannst du dich verlassen. Aber, zieh dein Gewehr an dich! Es kann leicht gesehen werden. Und gieb dein Messer her, damit ich meinen Nachbar frei mache; der wird es dann weiterreichen.«

»Und nachher, wenn die Fesseln fort sind, was thun wir dann? Erscht zu den Waffen, nachher zu den Pferden rennen, und dann fort?«

»Nein; wir bleiben.«

»Alle Teufel! Is das Ihr subhastierter Ernst? Da bleiben! Wird das von Ihnen Rettung genannt?«

»Ja.«

»Ich danke! Off diese Weise haben diese Kerle een remorquiertes Geschäft gemacht, denn wenn früh die liebe Sonne erscheint, beschimmert sie zwee Gefangene mehr als in der Mitternacht.«

»Wir werden nicht gefangen sein. Nach den Waffen und dann zu den Pferden laufen, das müßte so schnell geschehen, daß ein heilloser Wirrwarr entstehen würde. Keiner fände in dieser kurzen Zeit sein Gewehr und Messer, sein übriges Eigentum heraus. Die Roten wären über uns, ehe wir an die Pferde kommen könnten. Und wer weiß, ob dieselben noch gesattelt sind. Nein, wir müssen uns sofort hinter unsre Schilder verstecken.«

»Schilder? Ich bin keen Ritter Kunibold von Eulenschnabel; ich habe keenen Harnisch und ooch keen Schild. Und wenn Sie dieses Wort hektoetrisch gebrauchen, so bitte ich um ergebene Offklärung, was ich unter dem Schilde zu verschtehen habe.«

»Die Häuptlinge.«

»Ach, siehste, wie de bist! Das is freilich een großartiger Gedanke!«

»Nicht großartig, sondern sehr naheliegend. Wir setzen uns in den Besitz der Häuptlinge und sind dann sicher, daß uns nichts geschehen wird. Jetzt still. Das Feuer brennt wieder niedrig, und so werden die Wächter es wohl nicht sehen, wenn wir die Arme bewegen.«

Er durchschnitt seine Fesseln und that dasselbe dann bei seinem Nachbar. Dieser gab das Messer weiter. Dasjenige Drolls zirkulierte bereits. Dann ging Old Shatterhands Befehl leise von Mund zu Mund, daß alle zu den Häuptlingen zu eilen hätten, sobald von ihm das Feuer ausgelöscht worden sei.

»Das Feuer ausgelöscht?« brummte Frank. »Wie wollen Sie das fertig bringen?«

»Paß auf, so wirst du es sehen! Ausgelöscht muß es werden, sonst treffen uns die Kugeln der Wächter.«

Jetzt lagen alle bereit. Old Shatterhand wartete, bis der Mann am Feuer, welcher jetzt wieder dort saß, im Begriff stand, wieder Holz aufzulegen, wodurch die Flamme für kurze Zeit gedämpft wurde. Da sprang er auf, schnellte sich zu ihm hin, schlug ihm die Faust auf den Kopf und warf ihn in das Feuer. Durch ein drei- oder viermaliges Hin- und Herwälzen des Körpers wurde dasselbe ausgelöscht. Das geschah so schnell, daß es finster war, ehe die Wächter den Vorgang recht begriffen. Sie stießen ihre Warnungsrufe zu spät aus, denn schon drangen die Gefangenen durch den Wald dem See entgegen. Old Shatterhand war allen voran; hinter ihm kamen Winnetou und Firehand.

Die Häuptlinge saßen noch immer beratend an ihrem Feuer. Es war eine hochwillkommene Aufgabe für sie, die denkbar fürchterlichsten Qualen, an denen die Weißen und der Apache sterben sollten, in Vorschlag zu bringen und zu besprechen. Da hörten sie zwar den Ruf der Wächter, aber zugleich sahen sie die Gestalten der Befreiten auf sich zukommen – einige Sekunden später waren sie zu Boden geworfen, entwaffnet und gebunden.

Die Weißen griffen nach ihren in der Nähe liegenden Gewehren, ungefragt, ob jeder sein eigenes erwische. Als die Wächter nun unter den letzten Bäumen erschienen, sahen sie ihre Anführer am Boden liegen, und daneben knieten einige Weiße mit gezückten Messern, augenblicklich bereit, die Häuptlinge zu erstechen. Hinter dieser Gruppe standen die andern mit angelegten Gewehren. Die Roten fuhren erschrocken zurück, um ein Wutgeheul auszustoßen, welches die übrigen schnell herbeirief.

Old Shatterhand durfte es nicht zum Angriff kommen lassen. Mit lauter Stimme verkündigte er den Tod der Häuptlinge, sobald man versuche, dieselben zu befreien. Er forderte, daß die Roten sich zurückziehen sollten, worauf er dann mit ihren Anführern in friedlicher Weise verhandeln werde.

Es war ein entscheidender Augenblick, ein Augenblick, an welchem Tod und Leben hing, und zwar nicht von wenigen, sondern von vielen. Die Indianer standen unter dem Schutze der Bäume; die Weißen waren vom Feuer hell beschienen, aber es war gar nicht zu zweifeln, daß beim ersten Schusse die drohenden Messer sich in die Herzen der Häuptlinge senken würden.

»Bleibt dort!« rief der »große Wolf« seinen Leuten zu. »Ich werde mit den Bleichgesichtern sprechen.«

»Mit dir haben wir nichts zu verhandeln,« antwortete ihm Old Shatterhand. »Die andern mögen reden.«

»Warum nicht ich?«

»Weil dein Mund voller Lügen ist.«

»Ich werde die Wahrheit reden.«

»Das versprachest du schon immer, ohne es zu halten. Du hast mir vorhin befohlen, nur dann zu sprechen, wenn ich gefragt werde. Jetzt bin nicht ich mehr dein Gefangener, sondern du bist der meinige, und ich gebe dir ganz denselben Befehl. Wenn du redest, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, bekommst du ohne Gnade das Messer in das Herz gestoßen. – Wie heißest du?«

Diese Frage wurde an den ältesten der Anführer gerichtet. Er antwortete: »Kunpui ist mein Name. Gebt mich frei, so werde ich mit euch sprechen!«

»Frei wirst du sein, aber erst dann, wenn wir gesprochen haben und ihr mit dem, was wir verlangen, einverstanden seid.«

»Was fordert ihr? Die Freiheit?«

»Nein, denn die haben wir bereits und werden sie uns nicht wieder nehmen lassen. Rufe zunächst fünf deiner vornehmsten Krieger herbei!«

»Was sollen sie?«

»Das wirst du nachher hören. Rufe sie schnell, sonst verlieren die Messer, welche über euch gezückt sind, die Geduld!«

»Ich muß mir überlegen, welche ich wähle.«

Das sagte er nur, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, ob es wirklich notwendig sei, den Befehl Old Shatterhands zu befolgen. Das war diesem nicht unlieb, denn während der Pause, welche dadurch entstand, fanden die Weißen Gelegenheit, sich das ihnen geraubte Eigentum anzueignen. Freilich sahen sie sich nicht vollständig befriedigt, denn es gab keinen unter ihnen, dem nicht irgend ein Gegenstand noch fehlte. Endlich nannte Feuerherz fünf Namen, und die Träger der selben mußten herbeikommen, ihre Waffen aber zurücklassen. Sie setzten sich nieder, um zu warten, was nun kommen werde. Sie glaubten, zu vernehmen, was von ihnen verlangt werde, zunächst aber hörten sie etwas andres. Old Shatterhand hatte nämlich, als die Häuptlinge niedergestreckt und gebunden wurden, seinen Stutzen einstweilen fallen lassen; jetzt hob er ihn wieder auf. Das Auge des »großen Wolfes« fiel auf das Gewehr und voller Entsetzen schrie er auf: »Die Zauberflinte, die Zauberflinte, sie ist wieder da, die Geister haben sie ihm durch die Luft gebracht. Rührt sie nicht an, rührt auch ihn nicht an, sonst kostet‘s euch das Leben!«

»Die Zauberflinte, die Zauberflinte!« hörte man die Stimmen der erschrockenen Yampa-Utahs drüben unter den Bäumen.

Shatterhand gebot dem »Wolfe« Schweigen und wendete sich an Feuerherz: »Was wir fordern, ist folgendes: Es fehlen uns noch viele Sachen, welche ihr uns abgenommen habt; die gebt ihr uns zurück. Beim Anbruch des Tages reiten wir fort und nehmen die Häuptlinge samt diesen fünf Männern als Geiseln mit. Sobald wir dann überzeugt sein können, daß uns von euch keine Gefahr mehr droht, geben wir diese Leute frei und erlauben ihnen, nach hier zurückzukehren.«

»Uff! Das ist zu viel verlangt,« antwortete Feuerherz. »Das können wir nicht zugeben. Kein tapferer roter Krieger wird geneigt sein, als Geisel mit den weißen Männern zu gehen.«

»Warum? Was ist schlimmer, ein Geisel zu sein, welcher wieder freigelassen wird, oder ein Gefangener, der so unvorsichtig gewesen ist, sich ergreifen zu lassen? Doch das letztere. Wir sind bei euch gefangen gewesen, und doch hat dies weder unsern Ruhm noch unsre Ehre geschädigt; es haben vielmehr beide gewonnen, indem wir euch bewiesen haben, daß wir selbst dann nicht verzagen, wenn wir von so einer Übermacht ergriffen und in Banden gelegt worden sind. Es ist keine Schande für euch, einen Tag lang mit uns zu reiten, um dann unbeschädigt zurückkehren zu dürfen.«

»Es ist eine Schande, eine große Schande. Ihr befandet euch in unsern Händen, die Marterpfähle sollten mit Tagesanbruch errichtet werden, und nun sind wir die Gefesselten, und ihr schreibt uns Gesetze vor!«

»Wird dies besser dadurch, daß ihr euch weigert, auf mein Verlangen einzugehen? Wird die Schande dadurch eine geringere, daß ihr es zu einem Kampfe kommen laßt, in welchem ihr, die ihr hier sitzet, ganz sicher und außerdem noch viele andre von euch getötet werden? Die Häuptlinge und diese fünf hervorragenden Krieger sterben von unsern ersten Schüssen, und unsre Flinten werden dann schnell weiterfressen. Denkt an meine Zauberbüchse!«

Diese letztere Mahnung schien ganz besonders zu wirken, denn Feuerherz fragte: »Wohin sollen wir euch begleiten? Nach welcher Gegend werdet ihr reiten?«

»Ich könnte dir aus Vorsicht eine Lüge sagen,« antwortete Old Shatterhand, »aber ich verschmähe das. Wir gehen in die Book-Mountains, hinauf nach dem Silbersee. Wenn wir sehen, daß ihr ehrlich seid, werden wir euch nur einen Tag bei uns behalten. Ich gebe euch jetzt eine Viertelstunde Zeit zum Überlegen. Fügt ihr euch in unsern Willen, so wird euch nichts geschehen; weigert ihr euch aber, so werden unsre Gewehre zu sprechen beginnen, sobald die angegebene Zeit verflossen ist. Ich habe gesprochen!« Er sagte die drei letzten Worte mit einem Nachdrucke, welcher keinen Zweifel darüber zuließ, daß er sich durch keinerlei Vorstellung von seinem Verlangen abbringen lassen werde. Feuerherz senkte den Kopf. Es war geradezu unerhört, daß diese wenigen Weißen, denen vor einigen Minuten der grausamste Tod gedroht hatte, sich jetzt in der Lage befanden, solche Forderungen zu stellen. Da wurde seine Aufmerksamkeit nach den Bäumen gelenkt, denn dort ließ sich eine halblaute Stimme hören: »Mai ive!« Diese beiden Worte bedeuten »schau hierher!« Sie waren nicht gerufen, sondern ziemlich leise gesprochen worden; sie konnten jedem andern als dem Häuptlinge gelten, ihren Ursprung nur dem Zufalle verdanken und für die Weißen ohne alle Bedeutung sein; dennoch richteten Shatterhand, Firehand und Winnetou ihre Augen sofort nach der betreffenden Stelle. Was sie da sahen, mußte sie sehr interessieren. Dort standen zwei Rote, welche eine Decke an deren oberen zwei Zipfeln wie einen vertikalen Vorhang zwischen sich hielten; diesen Vorhang bewegten sie in schnellen, aber gewissen Zwischenräumen auf und nieder. Hinter ihnen sah man den Schein eines der Feuer leuchten. Diese beiden Indianer sprachen mit Feuerherz.

Die Indianer haben nämlich eine Zeichensprache, welche bei den verschiedenen Stämmen eine verschiedene ist. Des Nachts bedienen sie sich dazu glühender Pfeile, mit denen sie in die Luft geschossene Grasbüschel entzünden. Am Tage brennen sie ein Feuer an und halten, um den Rauch zu sammeln, Felle oder Decken darüber. So oft diese Felle und Decken weggenommen oder gelüpft werden, steigt eine Rauchwolke empor, welche das Zeichen bildet. Es ist das eine Art Telegraphie, ganz der unsern ähnlich, denn die Intervalle zwischen den einzelnen Rauchwolken haben eine ganz so bestimmte Bedeutung wie unsre Striche und Punkte. Man darf aber nicht denken, daß ein Stamm stets bei denselben Zeichen bleibt; dieselben werden vielmehr sehr oft verändert, damit den Fremden und Feinden die Entzifferung dieser Zeichensprache so schwer wie möglich werde.

Waren die beiden Roten der Ansicht gewesen, daß man ihr Beginnen nicht beachten werde, so hatten sie sich geirrt. Sobald sie die Decke zu bewegen begannen, trat Winnetou einige Schritte zur Seite, so daß er genau hinter Feuerherz, für welchen diese Zeichen bestimmt waren, zu stehen kam. Die zwei Indianer standen in gerader Linie zwischen diesem und dem Feuer; indem sie die Decke abwechselnd hoben und senkten, ließen sie das Feuer vor den Augen des Häuptlings erscheinen und wieder verschwinden, und zwar in längeren oder kürzeren Zwischenräumen, welche natürlich ihre ganz bestimmte Bedeutung hatten.

Old Firehand und Shatterhand wußten sofort, um was es sich handelte, thaten aber so, als ob sie nichts bemerkten; sie überließen die Enträtselung der Zeichen Winnetou, welcher als geborener Roter darin noch gewandter war als sie.

Das Telegraphieren währte wohl fünf Minuten lang, während welcher Zeit Feuerherz kein Auge von der Stelle, an welcher die beiden standen, verwendete. Dann traten sie auseinander; sie waren mit ihrer Mitteilung zu Ende und dachten wohl nicht, daß sie von ihren Gegnern belauscht worden seien. Feuerherz bemerkte erst jetzt, daß Winnetou hinter ihm stand. Das fiel ihm auf, und er drehte sich besorgt und schnell um, zu sehen, wohin der Apache blickte. Dieser aber war klug genug, sich schnell abzuwenden und so zu thun, als ob die im Mondenscheine schillernde Fläche des Sees seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehme. Feuerherz fühlte sich beruhigt. Winnetou aber trat langsam zu Old Shatterhand und Old Firehand. Diese entfernten sich mit ihm noch einige Schritte weiter, und dann fragte der letztere in leisem Tone: »Die Roten haben zu dem Häuptlinge gesprochen. Hat mein Bruder ihre Worte gesehen und verstanden?«

»Gesehen wohl, aber nicht jedes einzelne verstanden,« antwortete der Gefragte. »Dennoch ist der Sinn mir klar, denn was ich nicht verstand, das konnte ich mir leicht durch Nachdenken ergänzen.«

»Nun, was haben sie gesagt?«

»Die beiden Roten sind zwei junge Häuptlinge der Sampitsche-Utahs, deren Krieger sich auch mit hier befinden. Sie forderten Feuerherz auf, getrost mit uns zu reiten.«

»So meinen sie es ehrlich? Das sollte mich sehr wundern.«

»Sie sind nicht aufrichtig. Wenn wir nach dem Silbersee wollen, so geht unser Weg von hier aus zunächst über den Grand River und in das Teywipah hinein. Dort lagern viele Krieger der Tasch-, Capote- und Wihminutsche-Utahs, um sich zum Zuge gegen die Navajoes zu versammeln und die hier befindlichen Utahs zu erwarten. Auf diese müssen wir stoßen, und sie werden, wie man meint, uns niederschlagen und die Geiseln befreien. Es sollen gleich jetzt einige Boten an sie gesendet werden, um sie zu benachrichtigen. Und damit wir auf keinen Fall entkommen können, werden die hiesigen Utahs, sobald wir aufgebrochen sind, dieses Waldlager verlassen und uns folgen, damit wir zwischen die beiden Utahheere geraten und unmöglich gerettet werden können.«

»Alle Teufel! Dieser Plan ist nicht übel. Was sagt mein roter Bruder dazu?«

»Ich stimme bei, daß er sehr gut ausgedacht ist; aber er hat einen großen Fehler.«

»Welchen?«

»Den, daß ich ihn belauscht habe. Wir kennen ihn und wissen nun, was wir zu thun haben.«

»Aber in das Hirschthal müssen wir, wenn wir nicht einen Umweg von wenigstens vier Tagen machen wollen.«

»Wir werden keinen Umweg machen, sondern nach diesem Thale reiten, aber trotzdem den Utahs nicht in die Hände fallen.«

»Ist das möglich?«

»Ja. Frage meinen Bruder Old Shatterhand. Ich bin mit ihm im Thal der Hirsche gewesen. Wir waren allein und wurden von einem großen Haufen von wandernden Elk-Utahs gejagt. Wir sind ihnen entkommen, weil wir einen Felsenweg fanden, welchen vielleicht vor und dann auch nach uns kein Mensch betreten hat. Er ist nicht ungefährlich; aber wenn es gilt, zwischen ihm und dem Tode zu wählen, so kann die Wahl doch wohl nicht zweifelhaft sein.«

»Gut, reiten wir diesen Weg. Und was thun wir mit den Geiseln?«

»Die geben wir nicht eher frei, als bis wir das gefährliche Thal der Hirsche hinter uns haben.«

»Aber den »großen Wolf«, wollen wir auch den freigeben?« fragte Old Shatterhand.

»Willst du ihn töten?« erkundigte sich Winnetou.

»Er hat es verdient. Ich habe ihm unten im Canon, wo ich ihn begnadigte, gesagt, daß es ihn das Leben kosten werde, wenn er wieder Verrat übe. Er hat trotzdem abermals sein Wort gebrochen, und ich bin der Ansicht, daß wir dies nicht unbestraft hingehen lassen dürfen. Es handelt sich nicht um uns allein. Wenn er nicht bestraft wird, kommt er zu der Ansicht, daß man den Weißen überhaupt nicht Wort zu halten brauche, und das Beispiel eines solchen Häuptlings ist maßgebend für alle andern Roten.

»Mein Bruder hat recht. Ich töte nicht gern einen Menschen; aber der »große Wolf« hat Euch mehrfach betrogen und also den Tod wiederholt verdient. Lassen wir ihn leben, so gilt das für Schwäche. Bestrafen wir ihn aber, so erfahren seine Krieger, daß man uns das Wort nicht ungestraft brechen darf, und werden künftig nicht mehr wagen, so treulos zu handeln. Aber jetzt brauchen wir noch nichts davon zu erwähnen.«

Nun war die Viertelstunde vergangen, und Old Shatterhand fragte Feuerherz: »Die Zeit ist um. Was hat der Häuptling der Utahs beschlossen?«

»Bevor ich das sagen kann,« antwortete der Gefragte, »muß ich erst genau wissen, wohin ihr die Geiseln schleppen wollt.«

»Schleppen werden wir sie nicht; sie reiten mit uns. Zwar werden sie gefesselt sein, aber Schmerzen werden wir ihnen nicht bereiten. Wir gehen nach dem Teywipah.«

»Und dann?«

»Hinauf nach dem Silbersee.«

»Und so weit sollen die Geiseln mit euch reiten. Die Hunde der Navajoes können bereits da oben angekommen sein; sie würden unsre Krieger töten.«

»So weit wollen wir sie nicht mitnehmen; sie sollen uns bis in das Thal der Hirsche begleiten. Ist uns bis dorthin nichts geschehen, so nehmen wir an, daß ihr euer Wort gehalten habt, und lassen sie frei.«

»Ist das wahr?«

»Ja.«

»Werdet ihr es mit uns durch die Pfeife des Friedens berauchen?«

»Nur mit dir allein; das genügt, denn du redest und rauchst im Namen der andern.«

»So nimm dein Calumet, und brenne es an.«

»Nimm lieber das deinige.«

»Warum? Ist nicht deine Pfeife ebensogut wie die meinige? Oder bringt die deinige nur Wolken der Unwahrheit zu stande?«

»Umgekehrt ist es richtig. Mein Calumet spricht stets die Wahrheit; aber der Pfeife der roten Männer ist nicht zu trauen.«

Das war eine schwere Beleidigung; darum rief Feuerherz, indem seine Augen vor Zorn funkelten: »Wäre ich nicht gebunden, so würde ich dich töten. Wie darfst du es wagen, unser Calumet zu strafen!«

»Weil ich ein Recht dazu habe. Die Pfeife des »großen Wolfes« hat uns wiederholt belogen, und du hast dieselbe Schuld auf dich geladen, indem du ihm Krieger gabst, uns zu ergreifen. Nein, es wird nur aus deinem Calumet geraucht. Willst du das nicht, so nehmen wir an, daß du es nicht ehrlich meinst. Entscheide schnell! Wir haben keine Lust, mehr Worte zu verlieren.«

»So bindet mich los, damit ich die Pfeife bedienen kann!«

»Das ist nicht nötig. Du bist Geisel und mußt gefesselt bleiben, bis wir dich im Thal der Hirsche freigeben. Ich selbst werde dein Calumet bedienen und es dir an die Lippen halten.«

Feuerherz zog es vor, nicht mehr zu antworten. Er mußte auch diese Beleidigung auf sich nehmen, da es sich um sein Leben handelte. Old Shatterhand nahm ihm die Pfeife vom Halse, stopfte sie und steckte sie in Brand. Dann stieß er den Rauch gegen oben, unten und die vier Himmelsrichtungen und erklärte dann in kurzen Worten, daß er das zwischen ihm und Feuerherz gegebene Versprechen halten werde, wenn die Utahs auf alle Feindseligkeit verzichteten. Feuerherz wurde auf die Füße gestellt und in die vier Windrichtungen gedreht. Dabei mußte er dieselben sechs Züge aus der Pfeife thun und für sich und die Seinen das Gegenversprechen leisten. Die Zeremonie war damit beendet.

Nun mußten die Utahs die noch fehlenden, den Weißen zurückbehaltenen Gegenstände abliefern. Sie thaten es, denn sie sagten sich, daß sie sehr bald wieder in den Besitz derselben kommen würden. Dann wurden die Pferde der Weißen und der Geiseln gebracht. Das war gerade, als der Tag zu grauen begann. Die Weißen hielten es für geraten, ihren Abzug möglichst zu beschleunigen. Sie mußten sich dabei der äußersten Vorsicht bedienen und durften sich nicht die mindeste Blöße geben, durch welche den Roten irgend ein Vorteil geworden wäre.

Die fünf ausgewählten Krieger und die Häuptlinge wurden auf ihre Pferde gebunden; dann nahmen je zwei Weiße einen von ihnen in die Mitte und hielten die Revolver bereit, sofort zu schießen, falls die Indianer sich gegen die Abführung der Geiseln wehren sollten. Der Zug setzte sich in Bewegung nach dem Seitencanon, aus welchem der Hobble-Frank und die Tante Droll sich in das Lager geschlichen hatten. Die Roten verhielten sich ruhig; nur die finstern Blicke, mit denen sie den Bleichgesichtern folgten, bewiesen, von welchen Gefühlen sie beherrscht waren.

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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