Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 10
»Wie kannst du dein eigenes Weib und diese Leute für etwas züchtigen, was sie gar nicht gethan haben!«
»Nicht?« antwortete er. »Wie kannst du das behaupten? Eins von ihnen ist‘s gewesen!«
»Wenn du den Schuldigen treffen willst, so prügele dich nur selbst.«
»Wie? Mich selbst! Bist du bei Sinnen?«
»Ich bin bei Sinnen; du aber bist es nicht. Du selbst hast dich bestohlen, aber nicht mit deinen eigenen Händen, sondern durch fremde!«
»Du redest, was man nicht verstehen kann. Ich werde mich doch nicht selbst bestehlen!«
»Und doch hast du es gethan, indem du den Dieb, wie ich vermute, geradezu veranlaßt hast, das Geld zu nehmen. Hattest du es versteckt?«
»Ja.«
»Kannte deine Frau den Ort?«
»Nein.«
»War er diesen Leuten hier bekannt?«
»Auch nicht.«
»Du bist ein höchst unvorsichtiger Mensch, den der Raki plauderhaft macht!«
»Ich habe nicht geplaudert!«
»So? Hast du nicht uns beiden, die wir dir vollständig fremde Menschen sind, erzählt, daß du über zehntausend Piaster im Hause habest?«
»Aber wo das Geld lag, das habe ich euch nicht verraten!«
»Uns nicht, aber sehr wahrscheinlich einem andern. Kennst du den Fremden, der auf deinem Pferde fortgeritten ist?«
»Ich hatte ihn, bevor er kam, noch nie gesehen; aber jetzt weiß ich, daß er ein reicher Mann aus Serdascht ist, der einige Wochen hier bleibt, um Galläpfel für seine Kunden in fernen Ländern einzukaufen.«
»Wirklich? Ein Bewohner von Serdascht kommt von dort herüber, um Galläpfel zu erstehen? Deine Leichtgläubigkeit und Unkenntnis ist grenzenlos. Dazu frage ich dich, ob jetzt die Zeit zu solchen Einkäufen ist?«
Er fühlte, daß ich recht hatte und schwieg.
»Ist er mit dem Pferde zurückgekehrt?« erkundigte ich mich weiter.
»Nein.« »Und mit dem Gelde natürlich auch nicht!«
Da riß ihn der Schreck stramm empor und er rief:
»Der – der – – der – – —! Hältst du ihn für den Dieb?«
»Ja.«
»Warum?«
»Er stellte sich betrunken, war es aber nicht. Weißt du noch, was du im Rausche alles mit ihm gesprochen hast?«
»Nicht alles.«
»Hast du ihm von dem Gelde gesagt?«
»Ja, denn er war ein sehr erfahrener Mann und sagte mir, wie er das seinige zu verstecken pflegt.«
»Und da hast du es ihm nachgemacht?«
»Ja.«
»So hat er also gewußt, wo es verborgen war?«
»Ganz genau nicht, denn es waren mehrere Orte, die er mir riet.«
»So hat er an diesen Orten gesucht, bis er den richtigen fand und sich auf dein Pferd gesetzt, um schnell fort- und niemals wiederzukommen.«
»Aber, Effendi, er hat ja sein Gewehr noch hier!«
»Ia Heiwana – o du Einfalt! Das mußte er ja liegen lassen, denn hätte er es mit aus der Stube genommen, so würde dadurch seine Absicht, durchzubrennen, verraten worden sein. Und wenn jemand zehntausend Piaster und dazu ein Pferd stiehlt, kommt dabei der Wert dieses alten Schießeisens gar nicht in Betracht.«
Die Betrunkenheit des Wirtes war, wie bereits gesagt, von ihm gewichen; aber er schien auch in nüchternem Zustande nicht mit hervorragenden Geisteskräften experimentieren zu können, denn die Wahrheit meiner Ansichten wollte ihm selbst jetzt noch nicht einleuchten. Er sah mich eine ganze Weile wortlos an und wendete sich dann ab, um das bißchen Denkvermögen, welches ihm noch geblieben war, weiter anzustrengen. Hierauf schien ihm eine plötzliche Eingebung gekommen zu sein, denn er drehte sich wieder zu mir um und sagte:
»Effendi, da fällt mir etwas ein, etwas sehr Wichtiges sogar! Ueber dem Loche, welches der Dieb machen mußte, um zu dem Gelde zu kommen, lag ein Messer. Was sagst du dazu?«
»Du hast es natürlich an dich genommen?«
»Nein; ich habe es liegen lassen.«
»Mensch, dir scheint ja alles zu fehlen, was zum Nachdenken gehört. Mit diesem Messer ist das Loch gegraben worden, und derjenige, dem es gehört, muß, wenn es ihm nicht darum zu thun war, dadurch den Verdacht von sich abzulenken, unbedingt der Dieb sein. Laß uns schnell hingehen, um es anzusehen!«
»Nein, nein! Es braucht kein Mensch zu wissen, wo ich mein Versteck habe. Ich hole es allein.«
Er rannte fort, ohne sich zu sagen, daß nun, da das Geld gestohlen worden war, der Ort, an welchem es gelegen hatte, nicht mehr verheimlicht zu werden brauchte. Als er wieder kam, gingen wir in die Stube, weil es da heller als im dunkeln Hofe war. Kaum hatte er einen Blick auf das Messer geworfen, so rief er aus:
»Effendi, du hast recht gehabt, sehr recht, denn dieses Messer gehört ihm; ich weiß das ganz genau; ich habe es, als er damit aß, wiederholt genau betrachtet und es mir sogar von ihm zeigen lassen, weil der Griff von uralter persischer Arbeit ist. Sere men – bei meinem Haupte, er ist der Dieb! O Allah, O Prophet aller Propheten! Ich bin zu Grunde gerichtet! Wäre jemand von meinen Leuten der Dieb, so müßte er mir das Geld wieder geben; nun aber dieser Halunke es gestohlen hat, werde ich es niemals wiederbekommen, und es ist doch nicht mein. Ich habe es abzuliefern; ich muß es ersetzen und werde dadurch ein armer Mann! Was soll ich thun? Was rätst du mir?«
»Hm! Man hat doch gesehen, nach welcher Richtung er geritten ist. Wenn es Tag wäre, könnte man seine Spuren sehen und ihn verfolgen; ich würde ihn auf meinem Pferde einholen, obgleich er bis jetzt einen ganz bedeutenden Vorsprung gewonnen hat.«
»Thue das, Effendi, thue das!«
»Ich würde es wohl thun, wenn es nicht wegen der jetzigen Dunkelheit unmöglich wäre. Wir müssen also warten, bis es am Morgen wieder hell wird; bis dahin haben wir auch Zeit, die Sache weiter zu besprechen und zu überlegen.«
»Ueberlegen? Welch ein Gedanke von dir! Bis dahin ist der Kerl ja noch viel weiter entflohen als jetzt! Nein, nein! Ich habe keine Zeit; ich lasse ihm keine Zeit! Ich muß mein Geld wiederhaben, mein Geld, mein Geld! Ich weiß, was ich zu machen habe; es ist das allerbeste, was ich thun kann: Ich eile sofort zum Nezanum17 und mache Anzeige. Der ist ein kluger und erfahrener Mann, viel pfiffiger, klüger und erfahrener als wir beide, nämlich du und ich, zusammen sind und wird sofort wissen, wie ich sicher wieder zu meinem Eigentum komme. Paß auf, ich werde es in der kürzesten Zeit wieder haben!«
Er rannte fort. Halef ließ ein lustiges Lachen hören und sagte zu mir:
»Sihdi, da hast du gehört, wie dieser Wirt über sich und auch über deine Geistesgaben denkt. Solltest du jemals auf den Gedanken kommen, dich als Nezanum von Khoi zu melden, so weißt du, was für einen dummen Kerl der jetzige zum Nachfolger bekäme. Danke Allah für diese Aufrichtigkeit und wandle mit fügsamer Bescheidenheit deinem zukünftigen Amte entgegen!«
Ich bemitleidete natürlich den Wirt und hätte gern etwas für ihn gethan, obgleich sein Vertrauen zu mir kein allzu übermäßiges genannt werden konnte; unter den gegebenen Verhältnissen aber konnten wir nichts thun, als uns in unsere Abteilung zurückzuziehen und seine Rückkehr abzuwarten. Es verging fast eine Stunde, da hörten wir draußen Pferde schnauben. Halef ging hinaus und berichtete mir dann:
»Sihdi, man denkt gar nicht daran, die Vorzüge unseres Geistes mit zu Hilfe zu nehmen. Soeben ist der »pfiffige« Nezanum mit dem Wirte und einigen andern Männern fortgeritten und zwar nach Westen zu, weil man den Dieb nach dieser Richtung hat reiten sehen. Ich wünsche ihnen eine glückliche Reise. Du hast mir wiederholt gesagt, daß die Erde die Gestalt einer Kugel habe. Wenn du gern erfahren willst, ob der Kerl von ihnen erwischt wird, so bin ich gern bereit, mit dir hierzubleiben und zu warten, bis sie aus Osten wiederkommen.«
In diesen ironischen Worten war das ganze Urteil des kleinen Hadschi Halef enthalten, welcher, was Mutterwitz und Scharfsinn betraf, es jedenfalls mit sämtlichen Unterthanen des Nezanum aufnehmen konnte. Da wir glaubten, heute nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, machten wir unsere Lagerstätten bereit und gaben unsern Pferden das Zeichen, sich auch niederzulegen, was sie in langgewohntem Gehorsam auch gleich thaten. Aber wir sollten doch noch nicht zur Ruhe kommen, denn wir hatten die Augen noch nicht geschlossen, so stellte sich ein neuer Gast ein, welcher draußen im Hofe nach dem Wirte rief und, weil er nicht sofort Antwort erhielt, herein in die Stube kam. Er trat mit lauten Vorwürfen, daß man seiner nicht achte, wie es seinem Range zukomme, ein, unterbrach aber den Fluß seiner Strafrede, als er beim Schein des noch brennenden Feuers niemand in der vordern Abteilung bemerkte. Da kam er zu uns herein und fragte, als er auch hier nichts sah, weil es bei uns dunkler war:
»Ist jemand hier in diesem Loche?«
»Ja,« antwortete Halef.
»So macht euch doch auf, ihr Taugenichtse! Ich habe weder Lust noch Zeit, zu warten, bis es euch gefällt, mich zu bedienen!«
Ich kannte meinen Halef zu genau, um nicht zu wissen, was nun folgen würde. Er besaß ein höchst reges Ehrgefühl und ließ sich niemals ungestraft grob behandeln. Er schwieg zunächst.
»Nun, wird es bald?« fuhr der Fremde fort. »Wenn ihr nicht augenblicklich kommt, treibe ich euch mit der Peitsche in die Höhe!«
Halef schwieg noch immer und auch mir fiel es nicht ein, ein Wort zu sagen. Da kam der Fremde einige Schritte näher, und ich hörte, daß er mit der Peitsche um sich schlug. Aus einem Geräusche neben mir entnahm ich, daß Halef aufsprang. Er war so klein, daß er mir kaum bis an die Schultern reichte; aber er besaß mehr Körperkraft, als man ihm zutraute und war dabei von einem Mute und einer Tapferkeit, daß ich ihn oft verwegen hatte nennen müssen. Gegen Feinde im Kampfe wußte er sich seiner guten Waffen vortrefflich zu bedienen; für Beleidiger aber gebrauchte er lieber seine Peitsche aus Nilpferdhaut, die er sich von unserm Ritte durch Aegypten mitgebracht hatte und seitdem fast stets im Gürtel trug. Kurz und gut, kaum hatte ich das Geräusch der Peitsche des Fremden gehört und gleich darauf bemerkt, daß Halef aufsprang, so fielen klatschende Hiebe, von wem, wußte ich nicht gleich, und zwar so schnell hintereinander, daß ich sie nicht zählen konnte, und die Stimme des Fremden ertönte in zeterndem Tone:
»Allah‘l Allah! Wer wagt es da, auf mich zu schlagen! Wer ist es, der – – – el wail lak, meded, aman, meded Allah, ej wah, o jazyk – wehe dir, oh, zu Hilfe, wehe dir, wehe!«
Nun wußte ich allerdings, wer der Schlagende und wer der Empfangende war. Der kleine, wackere Hadschi prügelte den Fremden durch, was ich leider nicht sehen konnte. Und zwar fielen die Hiebe so hageldicht, daß der Getroffene gar keine Zeit fand, sie mit seiner Peitsche zu parieren. Komisch war dabei, daß Halef seine Arbeit in tiefstem Schweigen verrichtete, während der Fremde überlaut schrie. Seine Interjektionen gehörten der arabischen und türkischen Sprache an, was mich annehmen ließ, daß er kein Kurde sei. Als er zu der Erkenntnis gekommen war, daß er der ihm so schweigend gebrachten, aber um so fühlbareren Aufnahme nicht gewachsen sei, versuchte er, aus unserer Abteilung zu entwischen, was ihm auch gelang, da er von Halef nicht daran verhindert wurde. Eben als er unsere Scheidewand hinter sich hatte, kam die Wirtin, von seinem Geschrei herbeigerufen, mit einigen Gesindepersonen zur Thür herein. Als er sie sah, rief er ihr entgegen:
»Wer bist du? Bist du etwa das Weib des Sahib el Locanda18?«
»Ja,« antwortete sie.
»Wo ist dein Mann? Rufe ihn mir!«
»Er ist nicht daheim.«
»So schicke sofort zum Nezanum dieses Ortes! Ich muß augenblicklich mit ihm sprechen.«
»Auch er ist nicht daheim.«
»Ich muß ihn aber haben! Ich bin geschlagen worden und verlange, daß die Verbrecher, welche dies thaten, sofort und auf das allerstrengste bestraft werden.«
»Wer hat dich geschlagen?«
»Die Hunde, welche dort hinter der Flechtwand stecken. Du bist die Herrin. Rufe sie hervor; sie müssen dir gehorchen!«
Da antwortete die Wirtin verlegen:
»Sie werden mir nicht gehorchen, sie gehören nicht in dieses Haus. Sie sind Fremde, welche einige Tage bei uns wohnen.«
»Fremde? Um so schlimmer! Von einem Fremden kann ich mir die Schläge noch viel weniger gefallen lassen als von einem Hiesigen. Wer sind sie denn?«
»Der eine ist ein Emir und Effendi aus dem Abendlande und der andere ein Hadschi mit einem so langen Namen, daß man ihn unmöglich im Gedächtnis behalten kann.«
»Mag er noch tausendmal länger sein, als er ist, die Schufte müssen bestraft werden. Jeder gewöhnliche Mann weiß, das Schläge nur mit Blut abzuwaschen sind; ich aber bin kein gewöhnlicher Mensch, sondern ein Liebling Allahs, ein Nachkomme des Propheten und Forscher auf dem Wege, der zum Himmel führt. Rufe sie also heraus, damit ich Rechenschaft von ihnen fordere!«
»Ich kann sie wohl rufen, ob sie aber kommen werden, das weiß ich nicht.«
Sie näherte sich der Scheidewand, brauchte aber ihre Absicht nicht auszuführen, denn Halef, der Furchtlose, kam ihr zuvor. Die Peitsche noch immer in der Hand, ging er hinaus, schritt grad auf den Fremden zu, stellte sich nahe vor ihn hin, sah ihm in das Gesicht und sagte:
»Hier bin ich, der Hadschi mit dem langen Namen. Wenn du Rechenschaft fordern willst, so bin ich bereit, sie dir zu geben, aber nur in meiner Weise, die wahrscheinlich nicht die deinige ist. Du hast sie aber schon kennen gelernt!«
Der »Liebling Allahs« war ein junger Mann von vielleicht dreißig Jahren mit einem langen Vollbarte und schönen, asketisch strengen Gesichtszügen, wie ich jetzt durch ein Loch der Flechtwand sah, weil er im Schein des Feuers stand; seine kleinen, etwas schiefblickenden Augen waren aber geeignet, diese Schönheit nicht zu erhöhen, sondern herabzumindern. Von hoher, stolzer Gestalt, ragte er um mehr als Kopfeslänge über den kleinen Hadschi hinaus. Die Farbe seines Turbans zeigte allerdings, daß er sich zu den Nachkommen des Propheten zählte. In seinem Gürtel steckten Messer und Pistolen, doch weil er Halefs Hiebe so ohne jede Gegenwehr hingenommen hatte, glaubte ich, daß dieses kriegerische Aussehen nicht ganz mit seinen innern Eigenschaften harmoniere. Er sah, als Halef ausgesprochen hatte, mit finstern Augen auf ihn nieder und antwortete:
»Ich sehe eine Peitsche in deiner Hand. Bist du es etwa, der es gewagt hat, mich zu schlagen?«
»Ja, geschlagen habe ich dich, aber gewagt war nichts, gar nichts dabei.«
»Schweig, Hund! Willst du mich abermals beleidigen?«
Da hob der Kleine die Peitsche drohend empor und sprach.
»Sagst du noch ein einziges Mal das Wort Hund zu mir, oder ein anderes, welches mir nicht gefällt, so ziehe ich dir diese Riemen des Nilpferdes über das Gesicht, daß du dich zehn Jahre lang vor keinem Menschen sehen lassen kannst! Wer bist du denn, daß du dich unterfängst, in dieser Weise mit mir zu sprechen? Wie heißest du, und wie lautet der Name deines Vaters, deiner beiden Großväter und der vier Väter dieser Vatersväter?«
»Das sollst du gleich hören. Wisse, ich bin Ssali Ben Aqil, der berühmte Wanderprediger des wahren Glaubens, der uns eine Auferstehung und Wiederkehr des Propheten verheißt.«
»Berühmt nennst du dich?« lächelte Halef. »Ich bin in den Ländern vieler Menschen gewesen vom Aufgang bis zum Niedergang der Sonne, aber den Namen Ssali Ben Aqil19, so fromm und klug er klingt, habe ich noch nie gehört. Ich aber bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah!«
Als der Wanderprediger diesen Namen hörte, fuhr er einen Schritt zurück, machte eine Gebärde größter Ueberraschung und rief aus:
»Hadschi Halef Omar! Gehörst du jetzt zum Stamm der Haddedihn?«
»Ja.«
»So bist du der kleine Kerl, der mit jenem Ungläubigen, jenem Christen geritten ist, welcher im »Thale der Stufen« die vereinten feindlichen Stämme besiegte, die den Stamm der Haddedihn verderben wollten?«
»Ja.«
»Weißt du, wo dieser Christ sich jetzt befindet?«
»Ja.«
»Wo?«
»Dort hinter der Scheidewand.«
Da trat Ssali Ben Aqil noch einen Schritt weiter zurück, warf vor Erstaunen die Arme empor – fast hätte ich behaupten mögen, daß dieses Erstaunen ein freudiges sei – und fragte:
»Wie wird er genannt?«
»Er ist der berühmte und unbesiegbare Emir Hadschi Kara Ben Nemsi Effendi.«
»Ssahi, ßahi – richtig, richtig; genau so habe ich diesen Namen gehört!«
Ich sah, daß er weitersprechen wollte, aber er verschluckte das, was ihm auf den Lippen lag, drehte sich um und ging einige Male nachdenklich in der Stube hin und her. Es war jedenfalls ein wichtiger Gedanke, ein Entschluß, der ihn bewegte und mit dem er auch bald fertig war, denn er wendete sich Halef wieder zu und sagte in ganz anderer Weise, als er bis jetzt gesprochen hatte:
Wörtlich: »Der Fromme, Sohn des Scharfsinnes«.
»Höre, Hadschi Halef Omar, auf meine Worte! Du hast mich geschlagen; das ist eine Beleidigung, welche nur durch den Tod gesühnt werden kann; aber ich will sie dir verzeihen, weil ich vorher geschlagen habe, freilich ohne dich zu treffen. Ich habe von deinen und des christlichen Emirs Thaten so viel gehört, und ich bewundere sie so sehr, daß es mir eine Wonne des Paradieses sein würde, wenn ich den Emir jetzt sehen und mit ihm sprechen könnte. Ich bitte dich, zu ihm zu gehen und ihm das zu sagen. Willst du mir diesen Wunsch meines Herzens erfüllen?«
Seine Augen ruhten bei dieser Frage stechend und gespannt auf dem Gesichte des Kleinen, Dieser Prediger des Islam gefiel mir nicht; er war ein Mann, vor dem man sich zu hüten hatte, und hinter seiner plötzlichen Freundlichkeit lauerte jedenfalls eine Absicht, welche diesem Verhalten ganz entgegengesetzt war; aber mein wackerer Halef war alles, nur kein Menschenkenner; sein gutes Herz verzieh sehr leicht, und wenn man gar von seinen »berühmten und großen« Thaten sprach, so hatte man ihn ohne Widerstand gewonnen. Er war dabei freilich keineswegs ein solcher Aufschneider wie der alte Selim, der »Schleuderer der Knochen« und »größte Held des Weltenalls«; aber er hatte zahlreiche Abenteuer erlebt und mit mir glücklich bestanden, und bei der Bildungsstufe, auf welcher er stand, und der Art und Weise des Orientalen überhaupt war es gar kein Wunder, daß er mehr von sich hielt, als von andern Menschen, und leicht in den Fehler verfiel, Leuten, die ihm schmeichelten, sein Vertrauen zu schenken. So antwortete er auch jetzt, ohne sich sein Verhalten zu überlegen:
»Ja, ich werde ihn dir erfüllen und den Effendi holen.«
»Wird er aber auch kommen, wenn du ihn darum ersuchst?«
»Ganz gewiß! Er wird mich niemals dadurch kränken, daß er ein Versprechen nicht erfüllt, welches ich gegeben habe.«
Ich sah ein, daß mir schon um Halefs willen nichts anderes übrig blieb, als mich dem Fremden zu zeigen.
Dazu kam das Interesse, welches man an jedem Menschen nimmt, der einem ungewöhnlich oder gar rätselhaft erscheint. Der Prediger war uns feindlich gesinnt; das stand bei mir fest; er verfolgte eine Absicht, welche, wenn sie in Erfüllung ging, uns nichts Gutes bringen konnte; das stand ebenso fest; aber diese Absicht zu durchschauen, das reizte mich, und da es auch stets immer besser ist, einem Uebel oder gar einer Gefahr entgegenzugehen, feig zu warten, bis man davon gepackt wird, so stand ich auf und trat hinaus, ohne Halef Zeit zu lassen, mich darum zu bitten.
Als Ssali Ben Aqil mich erblickte, trat er einige Schritte auf mich zu, kreuzte die Hände über der Brust, verbeugte sich tief und sagte:
»Allah grüße und segne dich, Emir! Noch in der Stunde meines Todes werde ich den Augenblick, an welchem ich dir heut begegne, zu den schönsten meines Lebens rechnen!«
Er blieb nach diesen Worten in gebückter Haltung stehen, um meine Antwort zu erwarten. Er wußte, daß ich ein Christ war; er durfte als Moslem mir nicht in dieser Weise den Segen Allahs wünschen; er that es dennoch, obgleich er nicht nur Moslem, sondern sogar Chatib20 des Islam war; das mußte mich doppelt bedenklich machen. Ich ließ ihm natürlich nichts merken und antwortete in freundlichem Tone:
»Erhebe dein Haupt! Unter Männern ziemt es sich, daß sie einander in die Augen schauen.«
»Aber du bist berühmter als ich!« entgegnete er, indem er sich langsam und mit demutvollem Augenaufschlage emporrichtete.
»Was verstehst du unter berühmt? Nur Einer ist berühmt, Gott, denn sein Name erschallt durch alle Lande, und sein Lob ertönt auf allen Sonnen und Sternen, jetzt und in Ewigkeit. Wenn ein Mensch ein weniges mehr gethan hat als ein anderer, so darf er sich dessen doch nicht rühmen, denn es war ihm von Gott befohlen, und er erhielt von ihm die Kraft dazu.«
»Aus deinen Worten klingt mir die Stimme der Weisheit und Demut entgegen, doch bin ich mir gar wohl bewußt, wie hoch du über mir stehst. Wirst du mir verzeihen, daß mein plötzliches Kommen dich in der wohlverdienten Ruhe störte?«
»Die Störung geschah in etwas ungewöhnlicher Weise, über welche ich aber nicht richten will, weil du dich mit meinem guten Hadschi Halef Omar darüber verständigt hast. Als deine Peitsche fragte, hat die seinige geantwortet, und so ist die Störung vorübergegangen, ohne daß du dich beklagen darfst, keine Antwort erhalten zu haben.«
Sein Auge schoß einen schnellen, scharfen Blitz auf mich, doch mit der freundlichsten Miene erwiderte er:
»Ich hörte, daß du mehrere Tage hierzubleiben gedenkst; du brauchst also morgen früh nicht zeitig aufzubrechen, und du kannst also den Schlaf um die Stunde verlängern, die ich ihm jetzt im Anfange raube. Laß mich dein freundliches Herz erkennen, und sei mein Gast, wenn ich jetzt hier zum Abend speise!«
»Wir haben schon gegessen,« wehrte ich ab.
Er antwortete, indem er einen vielsagenden Blick über die schmutzige Umgebung gleiten ließ:
»Emir, ich verstehe dich, doch enthalten meine Satteltaschen genug Gaben der Reinlichkeit, daß ihr, du und dein Hadschi Halef Omar, getrost daran teilnehmen könnt. Erlaube, daß ich sie hole und mit diesem Weibe des Wirtes mein Verbleiben hier bespreche!«
Er ging hinaus und winkte der Frau und dem Gesinde, ihm zu folgen. Als ich mich nun mit Halef allein befand, fragte er:
»Sihdi, hättest du es für möglich gehalten, daß so ein grober, rücksichtsloser Ben el Maswahka21 sich so schnell in einen freundlichen und ergebenen Sibt el Adab22 verwandeln könne?«
»Ja, denn er hat jedenfalls seine guten Gründe dazu. Du aber, lieber Halef, bist ein Sohn und Enkel der Unvorsichtigkeit gewesen, als du ihm versprachest, mich hierher zu holen.«
»Ich? Warum?«
»Weil dieser Mann aus irgend einem Grunde, den ich bald zu erfahren hoffe, ein Feind von uns ist und in der kurzen Zeit, während welcher er vorhin hier auf- und niederschritt, über einen Plan nachgedacht hat, der uns nur Böses bringen kann.«
»Er hat dir aber doch den Segen Allahs gewünscht!«
»Er, ein Lehrer des Islam, mir, einem Christen! Bedenke das, Halef!«
»Kull‘ Schejatin – alle Teufel! Das habe ich vor Freude über seine Umwandlung ganz übersehen. Aber was kann er Böses gegen uns wollen? Wir kennen ihn nicht und haben ihn nie beleidigt!«
»Aber er kennt uns und mancher Mensch hat mehr unbekannte als bekannte Feinde. Bedenke, daß wir uns dadurch, daß wir den Haddedihn damals zum Siege verhalfen, ihre sämtlichen Gegner zu Feinden gemacht haben und daß wir auf unsern spätern Streifzügen oft gezwungen waren, uns der Angriffe von Personen zu erwehren, deren Angehörige uns nach den Gesetzen der Rache hassen müssen, wann und wo sie uns nur treffen. Es ist ja nicht unmöglich, daß dieser Ssali Ben Aqil der Sippe eines solchen Menschen angehört.«
»Das ist wahr, wie immer alles, was du sagst, Sihdi. Wollen uns wieder niederlegen und ganz so thun, als ob dieser Liebling Allahs, wie er sich nannte, gar nicht gekommen wäre!«
»Nein; das dürfen wir auf keinen Fall. Selbst wenn er nicht durch frühere Vorkommnisse zur Feindschaft gegen uns gezwungen wäre, würden die Hiebe, die du ihm erteiltest, ihn zur Rache zwingen. Käme dazu noch die große Beleidigung, daß wir seine Einladung zurückweisen, so könnten wir mit doppelter Sicherheit darauf rechnen, seine unversöhnliche Gegnerschaft herausgefordert zu haben.
Und das ist bei einem so fanatischen Anhänger des Islam zehnmal gefährlicher als bei jedem andern Menschen.«
»So mag wenigstens unser Verhalten ein so stolzes und zurückhaltendes sein, daß er froh ist, wenn wir uns recht bald wieder entfernen!«
»Auch das nicht, denn er würde dadurch zu der gleichen Zurückhaltung genötigt sein, und ich könnte also nicht das aus ihm heraushorchen, was ich doch von ihm erfahren will. Er muß überzeugt sein, daß wir ihm glauben und vertrauen; darum werden wir zu ihm freundlich und für seine Einladung dankbar sein. Es ist am besten, du schweigst so viel wie möglich und lässest nur mich mit ihm sprechen.«
Das war von meinem stets redfertigen Halef zwar sehr viel verlangt, aber ich sagte es in einem so bestimmten Tone, daß er darauf verzichtete, etwas dagegen einzuwenden. Diese Instruktion war grad noch zur rechten Zeit gegeben, denn eben, als ich die letzten Worte gesprochen hatte, kam Ssali Ben Aqil wieder herein, gefolgt von einem Chadim23, welcher die wohlgefüllten Satteltaschen trug.
»Hier, Emir, bringe ich ein Ascha24,« sagte er, »von dem du ohne Scheu genießen kannst, denn auch ich bin ein Freund der Reinlichkeit, weil ich die großen Städte besucht habe, wo man nicht gewohnt ist, den Gast durch Schmutz zum Hunger zu verdammen.«
Er nahm dem Knechte, der sich darauf entfernte, die Taschen ab und legte den Inhalt derselben, eingewickeltes Fleisch, Fladenbrod und Früchte, auf den Tisch. Das sah so sauber und einladend aus, daß Halef sich setzte und sein Messer zog. Ich folgte diesem Beispiele, und während wir zu essen begannen, erkundigte ich mich bei Ssali, indem ich an seine letzte Bemerkung anknüpfte:
»In den großen Städten bist du gewesen? Willst du mir die Namen derer nennen, die du gesehen hast?«
»Ich habe das ganze Reich des Padischah und auch das Land des Schah von Persien gesehen, denn ich ziehe von Ort zu Ort, um zu verkünden, daß die Zeit nahe ist, in welcher der Rechtgeleitete25, erscheinen wird.«
»Woher weißt du das?«
»Eine innere Stimme, welche während des Tages und während aller Nächte zu mir spricht, sagt es mir. Doch, du als Christ kannst das ja nicht verstehen. Laß uns lieber von den Städten sprechen, in denen ich längere Zeit geblieben bin, um den Kuran, die Auslegungen desselben und alle Regeln der Anbetung zu studieren!«
»Welche sind dies?«
»Erst ging ich nach Persien als dem Lande, dessen Schulen meiner Heimat am nächsten lagen. Ich studierte in Teheran und Isfahan, bin aber der Hunde von Schiiten wegen, welche Allah verfluchen möge, schon nach einem Jahre wieder fortgegangen. Ich wanderte nach Stambul, wo ich sehr fromme und sehr kluge Lehrer fand, aber doch nicht, was ich suchte. Hierauf schloß ich mich der großen Hadsch26 nach den heiligen Städten Mekka und Medina an. In Mekka erwarb ich mir dieses Hamail27, welches ich am Halse hängend trage, wie es jeder Hadschi, der es besitzt, zu tragen hat, und in Medinah blieb ich dann längere Zeit als Schüler eines berühmten Muderris28, der die hervorragenden Auslegungen fast auswendig kannte.«
Da war Halef so unvorsichtig, zu bemerken:
»Grad so ein Hamail wie du hat auch mein – – —«
Er wollte sagen, daß ich auch ein Hamail besaß. Das konnte ich nur in Mekka erworben haben, welches kein Christ besuchen darf. Darum fiel ich ihm schnell in die Rede, indem ich Ssali fragte:
»Würdest du mir erlauben, dein Hamail einmal zu betrachten?«
Er löste das Band und gab mir das Buch mit den Worten hin: »Eigentlich darf dieser heilige Kuran von der Hand keines Ungläubigen berührt werden; wenn ich ihn dir dennoch gebe, magst du daraus ersehen, wie hoch du in der Achtung meines Herzens stehst.«
Der Kuran ist mir grad so genau bekannt, wie unsere Bibel. Wenn ich um dieses Exemplar bat, so that ich dies also nicht des Inhaltes wegen, sondern aus einem andern Grunde. Ich wollte nämlich wissen, ob Ssali wirklich ein Scherif29 war. Als ich die betreffende Bemerkung nicht eingetragen und untersiegelt fand, fragte ich:
»Weißt du, daß die Tabellen, in denen der Name jedes Scherifs verzeichnet steht, alljährlich mit der großen Hadsch nach Mekka gesendet werden?«
»Ja.«
»Und daß der Name jedes Scherifs, der dort ein Hamail erwirbt, in dasselbe eingetragen werden muß?«
»Natürlich weiß ich das; ich bin ja ein Scherif!«
»Warum. steht dann dein Name nicht hier in diesem Kuran?«
Jetzt merkte er erst, wo ich hinausgewollt hatte, und antwortete verlegen und schnell darüber hinweggehend:
»Weil ich vergessen habe, ihn einschreiben und mit dem Siegel des Großscherifs versehen zu lassen. Als ich von dem Muderris in Medina nichts mehr lernen konnte, zog ich nach Kahira30. Die Universität der Azharmoschee dort ist die berühmteste in allen Landen; es gab dort über achttausend Talaba31, unter denen ich mehrere fand, die nach der Wahrheit strebten und mich zu einem Muderris führten, welcher der einzige war, der von dem bald zu erwartenden Mahdi lehrte. Ich wurde sein Schüler, und ihm habe ich es zu verdanken, daß ich jetzt der Welt die Kunde von dem kommenden »Rechtgeleiteten« bringen kann.«
Er sprach jetzt in einem so stolzen und überlegenen Tone, daß ich es mit nicht versagen konnte, diesen Ton ein wenig herabzustimmen; darum warf ich die Erkundigung ein:
»Ich erkenne, was für ein hochbedeutender Mann du bist. Darf ich erfahren, welche Gegend oder welcher Ort den großen Vorzug besitzt, deine Geburt gesehen zu haben und deine Heimat zu sein?«
Diese Frage schien ihm ungelegen zu kommen, und es bedurfte einer, wenn auch nur kurzen Ueberlegung, ehe er antwortete:
»Ich bin in el Damijeh in Aegypten geboren.«
»Sonderbar! Ich habe dich für einen Kurden gehalten.«
»Warum?«
»Zunächst wegen einiger Kehllaute in deiner Aussprache, die nur aus einer kurdischen Kehle zu hören sind, und sodann hast du vorhin selbst gesagt, daß Kurdistan deine Heimat sei.«
»Ich? Wann?« fragte er mehr besorgt und betroffen als erstaunt.
»Du teiltest uns mit, daß Persien das Land sei, welches deiner Heimat am nächsten liege; am nächsten zu Persien aber liegt Kurdistan.«
»O, Emir, solche Bemerkungen darf man nicht so genau nehmen, als ob sie im Kuran ständen. Ich stamme wirklich aus el Damijeh. Ja, durch Kurdistan bin ich auch schon einige Male geritten; aber ich bin in diesem Lande nicht halb so bekannt wie du.«
»Nimmst du dies wirklich an? Warum?«
»Weil mir deine Erlebnisse erzählt worden sind.«
»Welche?«
»Alle. Ich denke dabei jetzt nur an eure Kämpfe mit den Bebbeh-Kurden.«