Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 11
»Diese Kerls sind die größten Schurken, die es giebt!«
Ich bediente mich mit Absicht dieses kräftigen Ausdruckes, indem ich ihn dabei scharf aber verstohlen beobachtete. Ich sah die Röte des Zorns in seine Wangen steigen, doch beherrschte er sich und fragte scheinbar ruhig:
»Hast du auch ihren Scheik gekannt?«
»Meinst du Gasahl Gaboya?«
»Ja.«
»Ich habe ihn nur zu gut kennen gelernt; er war der allergrößte unter diesen Schuften.«
Da sah ich, daß er alle seine Macht über sich zusammennehmen mußte, um seinen Zorn zu bemeistern; dennoch klang seine Stimme rauh und fast heiser, als er weiterfragte:
»Warst du es nicht, der ihn niedergeschossen hat?«
»Ich nicht; aber er wagte es, sich im Kampfe an mich zu machen, und wurde von einem meiner Gefährten niedergeschossen.«
Daß Hadschi Halef dieser Gefährte war, verschwieg ich, denn ich hatte nun erfahren, was ich wissen wollte. Dieser Ssali Ben Aqil war allerdings ein muhammedanischer Theologe; in dieser Beziehung hatte er uns nicht belogen; aber ebenso gewiß war er der Abstammung nach ein Bebbehkurde, höchst wahrscheinlich sogar ein Verwandter des gefallenen Gasahl Gaboya. Ich hatte mich also vor ihm sehr in acht zu nehmen, denn nirgends wird die Blutrache so streng gehandhabt wie grad bei einigen Kurdenstämmen. Als ob er meine Gedanken erraten hätte, machte Ssali auf meine Antwort die Bemerkung:
»Der Scheik der Bebbeh ist also doch im Kampfe mit dir gefallen, ob von deiner Kugel oder nicht, das ist gleichgültig; du bist der Blutrache verfallen, und ich wundere mich außerordentlich darüber, daß du dich wieder in diese Gegend wagst.«
»O, ich war seitdem schon öfters hier!«
»Wirklich? Da ich dich unmöglich für einen leichtsinnigen Menschen halten kann, mußt du einen Mut besitzen, der ganz unvergleichlich ist. Bitte Allah, daß er dich nicht in die schrecklichen Hände der Thar32 fallen lasse! Wenn dich ein Verwandter von Gasahl Gaboya sähe, wärst du verloren.«
»Ja, einer von beiden würde verloren sein, entweder er oder ich.«
»Du, du, nicht er, Emir! Du verkennst die Sache, weil du ein Fremder bist, nicht nur ein Fremder, sondern sogar ein Christ. Von euch Christen weiß man es ja, daß ihr euch in jeder Beziehung überhebt und für besser haltet als Andersgläubige, daß ihr denkt, an euch sei alles schöner, frömmer, heiliger und unverletzlicher als an andern Menschen. Du wirst das nicht zugeben wollen, obgleich du es durch dein Verhalten beweisest. Ein Moslem kennt die Schrecklichkeit der Blutrache ganz genau; wenn er das gethan hätte, was du hier verübt hast, so würde er es niemals wagen, hier in dieser Gegend wieder zu erscheinen. Du als Christ kennst den Kuran nicht und auch nicht die Gesetze und Regeln, nach denen die hiesigen Völkerschaften leben. Du glaubst, deine Haut sei als diejenige eines Christen ebenso unverletzlich, wie die Haut eines Drachen, durch den keine Waffe dringt; ja du meinst sogar im Stolze deines Christentums, daß kein Kurde es wagen darf, sich an dir zu vergreifen und dir ein Leid zu thun, denn ihr pocht auf eure Kanasil33, die euch behüten, schützen, tragen und leiten müssen, wie eine Mutter ihr kränkstes, schwächstes Kind bewacht. Aber dein Stolz wird dir bald vor die Füße fallen, wenn du, vor der Blutrache stehend, zu der entsetzlichen Erkenntnis kommst, daß du ihr rettungslos verfallen bist. Nicht einen von beiden wird es treffen, wie du soeben sagtest, sondern dich, nur dich allein. Du kannst dir nicht helfen, und dein Gott kann dir nicht helfen; die Erde unter deinen Füßen wird wanken; der Boden, darauf du stehst, wird weichen, und du wirst hinunterfahren in den ewigen Jammer der Dschehenna34, in welcher alle Christen und andern Ungläubigen zu endloser Qual und nie aufhörenden Martern versammelt werden. Wir aber, wir Gläubigen, werden über euch thronen als Richter über Himmel und Hölle, über Leben und Tod, unberührt von eurem Heulen und Wehklagen darüber, daß ihr so eingebildet und unverständig gewesen seid, die göttliche Gesandtschaft Muhammeds und die bis zum Himmel emporgewachsenen Vorzüge des Islam vor eurem lügenhaften Christentum zu leugnen!«
Er hatte erst in gewöhnlichem Tone und dann in immer wachsender Begeisterung gesprochen; seine Augen leuchteten, und der Fanatismus glänzte, ja, triefte ihm förmlich vom Gesichte. Ich mußte mir im stillen eingestehen, daß er alles besaß, was zu einem Wanderprediger des Muhammedanismus gehörte: Ueberzeugung, Rednergabe, Phantasie, Ueberhebung, Mangel an Bildung und Urteil und, last, not least, eine vollständige Unwissenheit über die Lehren und Verhältnisse Andersgläubiger. Als er gesprochen hatte und ich ihm nicht sofort antwortete, fügte er hinzu:
»Du schweigst; du bist von der Wahrheit meiner Worte niedergeschmettert. Ja, der heilige Islam ist eine Sonne, gegen welche die armen, elenden Schemat ed Duhun35 der andern Glaubenslehren verschwinden müssen wie Irrlichter, welche nur vom Gestank der Sümpfe leben. Man nennt dich einen berühmten Emir und hochgelehrten Effendi aus dem Abendlande, und du erhebst den Kopf allüberall, weil du dem Bilad el Alman36 entstammst, aber deine ganze Berühmtheit und Gelehrsamkeit ist vor meiner überwältigenden Rede in stumme Wortlosigkeit versunken, und die bewaffneten Heerscharen deines Volkes würden, wenn sie hierher nach Kurdistan kämen, um mit uns zu kämpfen, in den Staub niederfallen und um Gnade bitten müssen.«
Es war gar nicht meine Absicht gewesen, mit ihm über Glaubenssachen anzubinden, denn ich hatte das Gefühl, daß er mir die Gelegenheit aufzwingen würde, mit ihm noch in anderer Beziehung anzubinden; da er aber meinem Schweigen eine solche Erklärung gab, mußte ich gegen seine Ansichten nun das Wort ergreifen:
»Ssali Ben Aqil, du scheinst ganz von Sinnen und megnuhn37 zu sein! Denn anders kann ich es mir nicht erklären,daß du meinem Schweigen eine solche Deutung giebst. Ist dir vielleicht das Sprüchwort: »Se dere‘i, karvan dibehuhre38 « bekannt?«
»Ja,« antwortete er ahnungslos, warum ich grad diese Redensart anzog.
»Und auch das andere-. »Ei ku tif beke ber ba‘i, tif dike ru‘i chu«39?«
»Auch das.«
»Schau, wie gut du das Kurdische verstehst, obgleich du vorgiebst, in el Damijeh geboren zu sein! Du glaubst, deine Rede habe mich niedergeschmettert; aber die Karawane ist trotz dieses Bellens ruhig weitergezogen. Du hast gegen mich gespeit, aber nicht mich, sondern nur dich selbst getroffen.«
»Emir, wie kannst du solche Worte zu mir sagen.« fuhr er auf; »zu mir, der alle Lehren und Gesetze des Islam kennt!«
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung und entgegnete:
»Du willst doch wohl sagen, daß du nur die Lehren des Kuran, weiter gar nichts, gar nichts kennst, und auch diese nicht richtig verstanden hast! Ich sage dir aus meiner »Niedergeschmettertheit« heraus: Wenn einer von uns beiden zuviel Einbildung, grundlosen Stolz und Ueberhebung besitzt, so bin nicht ich dieser eine, sondern du bist es. Mit deiner Kenntnis des Kuran ist es schlecht, sehr schlecht bestellt, wie du gleich erfahren wirst, und auch die Gesetze und Regeln, nach denen die hiesigen Völker leben, kenne ich besser als du. Du behauptest, daß wir Christen uns auf unsere Konsuls verlassen und von ihnen wie unmündige Kinder beschützt werden müssen. Wenn man dir wirklich von uns erzählt hat, so sage mir doch nur einen einzigen Fall, welcher beweist, daß ich mich an die Hilfe eines Konsuls gewendet oder gar auf sie gepocht habe! Sage mir auch nur einen einzigen Fall, daß ich mich wie ein krankes, schwaches Kind betragen habe! Ich darf ganz im Gegenteile behaupten und kann es auch beweisen, daß gar mancher, mancher Moslem heut noch lebt und sich wohl befindet, der ohne meine Hilfe, also ohne die Hilfe des Christen, verloren gewesen und zu Grunde gegangen wäre. Grad die Kurden vom Stamme der Bebbeh wissen ganz genau, ob ich so ein Schwächling bin, wie du die Christen beschreibst. Gehe hin zu ihnen, und frage sie, so wirst du erfahren, welche Furcht und Angst ihr ganzer Stamm vor mir gehabt hat! Es giebt unter ihnen – – —«
»Schweig!« fuhr er mich da zornig an. »Die Bebbeh sind Helden, die keine Furcht kennen. Am allerwenigsten aber haben sie vor dir – – —«
»Halte den Mund!« unterbrach auch ich ihn in befehlendem Tone. »Bist du etwa ein Bebbeh, daß du dich ihrer so annimmst? Soll ich denken, daß du nicht in Aegypten, sondern hier geboren bist? Grund genug hast du mir schon dazu gegeben! Ich warne dich! Gieb mir ja keine Gelegenheit, dich und deine Absichten zu durchschauen, denn das könnte übel für dich ausfallen! Du hast gewagt, mir zu sagen, daß weder Gott noch ich selbst mir helfen könne; aber Gott hat durch mich schon manchem Muhammedaner geholfen, dem sonst nicht zu helfen gewesen wäre, und bis jetzt habe ich dir noch keine Veranlassung gegeben, anzunehmen, daß ich nicht wisse, wie man sich gegen muhammedanische An- und Uebergriffe zu verteidigen hat. Wie kommst du ferner dazu, zu behaupten, daß wir Christen der Hölle verfallen seien? Welcher Dummkopf hat dir das weißgemacht? Etwa einer deiner Professoren? Dann ist der Islam zu bedauern, daß er nicht bessere Lehrer aufzuweisen hat! Wenn ihr es nicht wißt, nun so wissen wir Christen es um so besser und kennen den Kuran um so genauer, daß Muhammed wiederholt erklärt hat, der Himmel stehe auch den Christen offen. Blicke in das Hamail, welches du wohl am Halse, nicht aber im Kopfe zu haben scheinst, so wirst du die Stellen finden, die ich meine! Und endlich hast du behauptet, daß ihr Muhammedaner im jenseitigen Leben hoch über uns thronen werdet als Richter über Himmel und Hölle, über Leben und Tod. Wer dir diesen Gedanken beigebracht hat, in dessen Kopfe ist niemals eine Spur von Hirn zu finden gewesen. Wenn du nicht hier säßest und ich deine Worte nicht mit eigenen Ohren gehört hätte, würde ich es für unmöglich halten, daß ein denkender Mensch solchen Unsinn aussprechen könne und solcher Ueberhebung fähig sei. Wer sich eine Behauptung, wie diese ist, zu schulden kommen läßt, dem muß der Kuran ein vollständig unbekanntes Buch sein, und ebenso wenig darf er sagen, daß er jemals eine Auslegung desselben in den Händen gehabt habe! Du, du willst also einst auch mit Richter sein über Tod und Leben, über Himmel und Hölle? Armer Teufel! Noch weißt du selbst nicht, ob du glücklich über Es Ssireth, die Brücke des Todes, gelangen wirst. Und sagt nicht Muhammed und sagen nicht die Kalifen und alle Ausleger des Kuran, daß nur Isa Ben Marryam40 allein es ist, der am jüngsten Tage vom Himmel kommen und von der Moschee der Omajjaden in Damaskus aus alle Lebendigen und Toten richten wird? Also Christus, den wir als Gottes Sohn verehren! Christus, der Sohn Mariens, der unser Mittler und Fürsprecher ist im Leben und im Sterben! Also nicht euer Muhammed, sondern unser Christus wird richten, denn nur Gott allein kann richten, und Christus ist ja Gott, während Muhammed zwar euer Prophet, aber doch ein Mensch gewesen ist. Wo bleibst da du, Ssali Ben Aqil, der du von dir behauptest, daß auch du mit richten werdest über Himmel und Hölle, über Tod und Leben! Wenn du dereinst vor Isa Ben Marryam erscheinst, was wird er dich fragen, und was kannst du ihm antworten? Er wird dein Richter, dein gerechter aber strenger Richter sein. Wirst du ihm, dem göttlichen Gründer des Christentums, etwa auch sagen, daß die Christen, seine Gläubigen, in die Hölle zu ewigem Jammer und endloser Qual verdammt werden müssen, weil sie nicht Muhammed, sondern ihn verehrt haben?«
Er hatte während meiner Rede einige Male vergeblich angesetzt, mich zu unterbrechen; jetzt aber war er stumm geworden und saß vor mir, ohne ein Wort zu sprechen. Drum fuhr ich fort:
»Nun, du schweigst? Ich habe dir alle deine Behauptungen widerlegt. Wenn du gegen meine Worte etwas sagen kannst, so sprich!«
Da er auch jetzt im Schweigen verharrte, ergriff der kleine Halef das Wort:
»Sihdi, es geht ihm, wie es mir ergangen ist und wie es jedem ergeht, der sich unterfängt, mit dir gegen deinen Glauben zu reden. Weißt du noch, lieber Effendi, welche Mühe ich mir in der ersten Zeit unserer Bekanntschaft und sogar auch später gab, dich vom Christentume abzubringen und zum Islam zu bekehren?«
»Ja,« antwortete ich lächelnd. »Ich weiß es gar wohl!«
»Schau, deine Lippen verziehen sich zur Lustigkeit, und die Spitzen deines Bartes nehmen die Haltung des mitleidigen Wohlwollens an! Du bedauerst mich, und ich gebe zu, daß du dazu berechtigt bist. Wer dich von deinem Glauben abbringen will, der gleicht dem Himahr41, welcher dem Nisr42 weißmachen will, daß es im dunkeln, schmutzigen Stalle herrlicher zu leben sei als droben in den hellen, freien, reinen Lüften, wo das Gold des Sonnenscheines sich mit dem Purpur der Morgen- und der Abendröte vermählt.«
»Mensch!« fuhr ihn da der Wanderprediger an, »soll das etwa heißen, daß du mich mit einem Esel vergleichst?«
»Ah, habe ich von dir gesprochen?« fragte Halef in ruhigem Tone. »Ich glaubte, nur diejenigen gemeint zu haben, die da meinen, meinen Sihdi, der alle Bücher und Schriften von jedem Glauben auswendig kennt, mit den paar armseligen Brocken, die sie im Kopfe haben, belehren zu können. Wenn du dich zu diesen Leuten zählst, so ist das deine eigene Schuld, und ich habe nichts dagegen!«
»Sag, ob du ein Moslem bist!«
»Ich bin einer.«
»Und doch redest du ihm, dem Christen das Wort!«
»Allah‘l Allah! Ich würde sogar mehr als ein Wort für ihn reden; ja, ich würde sogar meine Flinte und mein Messer für ihn sprechen lassen! Er ist der Adler, von dem ich gelernt habe, mit ihm hoch über den Wolken zu fliegen. Dort gefällt es mir; wenn es den andern Geschöpfen unten lieber ist, so fällt es mir nicht ein, mich mit ihnen darüber zu streiten; aber ich dulde auch nicht, daß sie mir meine reine Luft nicht gönnen!«
Er sagte das in einem Tone, der fast wie eine Drohung klang, und der kleine, furchtlose Kerl war ganz der Mann dazu, seinen Worten den gehörigen Nachdruck zu geben. Das wußte Ssali, der ja von ihm ebenso wie von mir gehört hatte, und darum hielt er es für geraten, seine Gegnerschaft wenigstens jetzt nicht weiter zu treiben. Auch kam es ihm, wie ich später bemerkte, sehr darauf an, uns keine Veranlassung zu geben, eine unvorteilhafte Meinung über ihn zu fassen, und so überwand er sich, in versöhnlicher Weise zu bemerken:
»Es ist mir gar nicht eingefallen, deinen Effendi anzugreifen; er mag der Christ bleiben, der er ist, während ich mich wie vorher zu Muhammed bekenne, den Allah über alle Himmel erheben wird.«
»Du hast aber nicht bloß von der Religion gesprochen, sondern ihm und mir mit der Blutrache gedroht!«
»Gedroht? Das habe ich nicht. Ich verehre ihn und bewundere eure Thaten, darum habe ich mir erlaubt, eine Warnung auszusprechen, die aus einem wohlmeinenden Herzen kam.«
»So denke in Zukunft daran, daß es unmöglich ist, sich über ein wohlmeinendes Herz zu freuen, wenn dieses Herz sich einer unhöflichen und zorneseiligen Zunge bedient! Du hast uns eingeladen, mit dir zu essen; wir sind also deine Gäste, und mit Gästen streitet man nicht.«
»Du hast recht. Ich hatte nicht die Absicht, euch zu kränken oder gar zu beleidigen; aber wenn ich trotzdem ein Wort gesprochen habe, welches euch nicht gefallen hat, so verzeiht es mir! Ich bin von der Reise ermüdet, und ein müder Mann denkt oft nicht an das, was er spricht.«
Das klang so mild und versöhnlich, daß es wohl auf gar manchen den beabsichtigten Eindruck hervorgebracht hätte, den es aber auf mich ganz und gar verfehlte. Wer sich so beherrschen konnte, aus der religiösen Begeisterung in eine demütigende Bitte um Verzeihung zu fallen, der war ein Mensch, vor dem man sich zu hüten hatte. Ich zeigte mich also äußerlich freundlich, war aber dabei innerlich reservierter als vorher und nahm nach einiger Zeit seine vorgeschützte Ermüdung als Vorwand, das Zusammensein mit ihm abzubrechen. Wir zogen uns in unsere Abteilung zurück, und er ging hinaus, um nach seinem Pferde im Stalle zu sehen und sich dann auch zur Ruhe zu begeben.
Als er wieder hereingekommen war, nahm er ein Stück brennenden Holzes von dem noch immer nicht ausgegangenen Feuer und trat damit hinter die Flechtwand, wo wir uns indessen schon niedergelegt hatten. Er leuchtete uns an und sagte, sich entschuldigend:
»Verzeiht, daß ich euch störe! Ich habe euch nur Belletak sa‘ide43 gewünscht, ohne euch, wie man es bei Gästen thut, Allah zu empfehlen! Fi amahn Allah – in Gottes Schutz! Er gebe euch einen langen, ruhigen Schlaf!«
»Ma ßah Allah kahn wamah lam jaßah lam jekun – was Gott will«, geschieht; was er nicht will, das geschieht nicht,« antwortete ich ihm.
Er nickte uns hierauf freundlich zu und verließ uns, ohne den Sinn meiner Antwort herausgehört zu haben. Ich sah durch die Zwischenräume des Flechtwerkes, daß er sich mit Hilfe seines Sattels und seiner Decke in der Nähe des Herdes ein Lager bereitete und sich auf demselben ausstreckte.
Warum war er noch einmal zu uns gekommen? Wirklich aus Höflichkeit? Gewiß nicht! Wollte er etwa nur sehen, wo und wie wir lagern? Sehr wahrscheinlich! Wenn dies der Fall war, so hatte er eine Absicht, die uns in Gefahr brachte. Darum gab ich ihm die Antwort, deren Bedeutung er nicht erriet. Sollte ich Halef sagen, was ich vermutete? Nein. Das liebe, gute Kerlchen bedurfte mehr als ich des Schlafes, und so beschloß ich, ihn nicht zu beunruhigen und lieber selbst die ganze Nacht wach zu bleiben. Er war weniger bedroht als ich, denn er lag an der Mauer, während mein Platz derjenige war, den ein heranschleichender Feind zuerst erreichen mußte. Es dauerte nicht lange, so verriet mir sein leiser, regelmäßiger Atem, daß er eingeschlafen war; da schob ich mich von meiner Stelle fort, um einem etwa geplanten Ueberfall durch meinen Angriff zuvorzukommen.
Da, wo ich nun lag, gab es in der Wand ein größeres Loch, durch welches ich meine Beobachtungen leichter machen konnte. Zu beiden Seiten des Herdes war trockenes Schilf zum Anzünden und dürres Holz zur Unterhaltung des Feuers aufgeschichtet. Das letztere brannte, da nun nichts mehr nachgelegt wurde, bald nieder. Ehe es ganz ausging, sah ich, daß Ssali seine Arme aus der Decke, die ihn umhüllte, hervorzog und, den Kopf ein wenig hebend, mit scharfen Augen nach uns herblickte. Dieser Umstand befestigte mich in dem Verdachte, den ich hegte. Hierauf wurde es ganz finster, und ich konnte mich nur noch auf meine Ohren, nicht mehr auf die Augen verlassen.
In Lagen wie diejenige, in der wir uns befanden, vergeht die Zeit mit quälender Langsamkeit. Die Minuten wurden mir zu Stunden; aber ich ließ nicht nach in meiner Aufmerksamkeit, welche endlich, endlich ganz nach Erwarten belohnt wurde, denn ich hörte das, wenn auch nur ganz leise zu vernehmende Geräusch, welches hervorgebracht wird, wenn ein Gewand, ein Kleidungsstück auf dem Boden hinstreift. Wäre mein Gehör nicht während meines Aufenthaltes im wilden Westen so außerordentlich geschärft worden, so hätte ich jetzt sicherlich nichts wahrgenommen.
Wie gut, daß ich mißtrauisch gewesen war und Verdacht gefaßt hatte! Der Bebbeh-Kurde – denn daß er das war, stand nun bei mir fest – fühlte sich als Vertreter der Blutrache und kam jetzt, um sie auszuführen. Welch ein Ruhm und welch eine Ehre für ihn, wenn er seinem Stamme dann die Meldung bringen konnte, daß er Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar getötet habe! Eine solche Blutthat stand nach der Ansicht dieser Leute mit seinem geistlichen Berufe nicht im geringsten Widerspruche.
Er glitt durch die Wandöffnung zu uns herein und wendete sich dann nach rechts, wo ich erst gelegen hatte und wo Halef noch lag, während ich mich jetzt links davon befand. Ich konnte ihn nicht sehen, täuschte mich aber trotzdem nicht, denn das leise, leise Streichen des Gewandes war keine Hallucination, und wenn ich ja noch gezweifelt hätte, so gab es jetzt ein zwar sehr kurzes, aber noch deutlicheres Geräusch, welches mir bewies, daß ich mich in keinem Irrtume befand: es war das Knacken eines Gelenkes, welches bei einem gut geschulten Anschleicher, der er aber nicht war, unmöglich vorkommen kann. Dies ist wieder einmal ein Beweis, wie außerordentlich schwer ein tadelloses Anschleichen ist, denn an dem leisen Knacken auch nur eines Fingergelenkes kann das Leben hängen!
Als er die Wendung nach rechts gemacht hatte, folgte ich ihm, auf die beiden Kniee und die linke Hand gestützt, denn die rechte mußte ich vorsichtig tastend ausstrecken, um mich mit ihm in Verbindung zu setzen. Ich berührte dabei die Sohle seines Schuhes, den er unverzeihlicherweise nicht ausgezogen hatte. Mich noch mehr zur Seite aber weiter vor schiebend, fühlte ich dann einen Zipfel seines Haiks; also nicht einmal diesen hatte er abgelegt. Diesen Zipfel zwar festhaltend, dabei aber immer nachgebend, fühlte ich jede seiner Bewegungen, bis er sich ganz nahe der Stelle befand, wo er mich liegen glaubte. Bisher war er auf allen vieren gekrochen; jetzt richtete er sich knieend auf; meine Zeit war gekommen. Ich erhob mich ebenso wie er, streckte mich aus und griff mit beiden Händen zu. Ich erwischte ihn mit der Rechten beim Oberarm und mit der Linken im Genick. Der Schreck über diese unerwartete, plötzliche Berührung entriß ihm einen lauten Schrei; ich zog ihn vollends an mich heran und nahm ihn mit beiden Händen um den Hals, und zwar so fest, daß ihm nicht der geringste Widerstand möglich war. Die Arme sanken ihm schlaff herab, und wenn ich ihn nicht in den Händen gehabt hätte, wäre er niedergefallen.
Halef war von dem Schrei erwacht; der kleine, geistesgegenwärtige Mann sprang sofort auf, zog seine Pistole aus dem Gürtel, wie ich an dem Knacken des Hahnes hörte, und rief:
»Was giebt‘s? Wer schreit da? Sihdi, wo bist du?«
»Hier,« antwortete ich. »Beunruhige dich nicht! Hast du noch Kibritat44 einstecken?«
»Ja, hier in der Tasche.«
»So eile hinaus zum Herde, und mache schnell Feuer!«
»Warum? Wo ist Ssali Ben Aqil?«
»Hier. Ich habe ihn fest; er wollte uns ermorden.«
»Allah, wallah! Hast du ihn wirklich sicher, ganz sicher?«
»Ja. Sorge dich nicht! Aber Licht müssen wir haben.«
»Gleich, gleich! Ich eile; es soll im Augenblicke hell werden! Ermorden! Uns! Dieser Schurke! Wir schicken ihn dafür in die Hölle; vorher aber bekommt er von mir hundert Peitschenhiebe dahin, grad dahin, wo sie ihm am wenigsten gefallen!«
Während er diese Worte des Zornes ausstieß, eilte er hinaus zum Herde. Ssali bewegte sich unter mir und griff nach meinen Händen; ich schlug ihm also die Faust an den Kopf, daß er die Besinnung verlor. Da flammte draußen das brennende Schilf auf und warf seinen Schein durch die vielen Ritzen des Flechtwerkes. Grad vor mir sah ich das Messer des Kurden liegen; er hatte uns also erstechen wollen. Ich hob es auf, schob es in meinen Gürtel und schleifte dann den Bewußtlosen hinaus an den Herd, wo inzwischen auch das Holz zum Brennen gekommen war. Während wir dort dem Ertappten die Füße zusammen- und die Hände auf den Rücken banden, erkundigte sich Halef:
»Aber, Sihdi, wie war es möglich, daß dieser Mensch uns, die wir doch seine Gäste waren, nach dem Leben trachten konnte?«
»Ich vermute, daß er ein Kurde ist und zum Stamme der Bebbeh gehört!«
»Maschallah, Wunder Gottes! Ein Bebbeh! Also Blutrache! Und doch hat er uns, bevor er sich schlafen legte, dem Schutze Allahs befohlen!«
»Um uns zu täuschen. Er wünschte uns aber auch einen langen Schlaf und hat damit höchstwahrscheinlich den Todesschlaf gemeint.«
»Jil‘an dakno – verflucht sei sein Bart! Als ich mich niederlegte, hatte ich keine Lust, außerhalb dieser Erde aufzuwachen! Du hast dir und mir das Leben gerettet; wir sind dir also beide zum größten Dank verpflichtet. Wie aber ist es gekommen, daß es dir möglich war, die Mordthat zu verhüten?«
»Ich bin wach geblieben, denn ich ahnte, was der Kerl für eine Absicht hatte.«
»Und hast mir nichts davon mitgeteilt, Sihdi!«
»Weil dir der Schlaf so nötig war, lieber Halef.«
»O, Effendi, was bist du doch für ein Mann! Du kannst streng und stolz sein wie der Herrscher aller Herrscher in Istambul45, und doch im nächsten Augenblicke auch wieder voller Milde, Güte und Freundlichkeit wie das Herz eines liebenden Weibes! Hoffentlich aber hört deine Freundlichkeit auf, wenn es sich um die Bestrafung dieses Mörders handelt!«
»Du befindest dich im Irrtum, wenn du ihn für einen Mörder hältst, denn es ist ihm ja nicht gelungen, uns das Leben zu nehmen.«
»Ja, ja; ich weiß, ich weiß! Da kommt wieder bei dir zum Vorscheine, was du den guten Christen nennst. Wer dir bloß nach dem Leben trachtet, der ist ein ganz braver Mensch. Wer aber bei dir als Mörder gelten soll, der muß dich erst zehnmal totgeschlagen und dann noch zwanzigmal totgeschossen haben, und selbst dann möchte ich wetten, daß du ihn noch unbestraft entkommen lässest, weil dein Ingil46 dir befiehlt, selbst deinen Feinden Liebe zu erweisen! Schau, da schlägt er die Augen auf! Nun wollte ich, ich dürfte die Peitsche nehmen und ihm hundert Piaster aufzählen, aber nicht silberne sondern lederne, die aus der Haut des Nilpferdes geschnitten worden sind. Doch, wie ich dich kenne, werde ich darauf wohl verzichten müssen. Es ist kein Blut geflossen und nach deiner Ansicht also gar nichts Böses geschehen. Allah, Allah! Was seid ihr Christen doch für sonderbare, unbegreifliche Menschen!«
Während der gute Halef in dieser Weise über mich und das Christentum klagte, war er im Innern selbst ein guter Christ, und die Seufzer, mit denen er meine Milde bejammerte, noch ehe ich sie hatte zeigen können, waren eigentlich nichts als ihm selbst unbewußte Aufforderungen an mich, Gnade walten zu lassen.
Ssali kam zu sich. Er sah uns erst, als er sich gefesselt fühlte, erstaunt an; dann, als ihm einfiel, was er beabsichtigt hatte und was geschehen war, stieß er einen Ruf des Schreckes aus, ohne ihm aber ein Wort folgen zu lassen. So lag er stumm, mit zusamengekniffenen Lippen vor uns; desto beredter aber waren seine Blicke, welche er voll Haß und Grimm auf uns richtete. Da fragte ich ihn:
»Willst du auch jetzt noch behaupten, daß du in Damijeh geboren seist?«
Er antwortete nicht sogleich; dann aber zischte er wütend zwischen den Zähnen hervor:
»Die List gebot mir, die Unwahrheit zu sagen; aber denke ja nicht, daß ich nun aus Angst vor dir weiterlüge! Allah schien dich in meine Hand gegeben zu haben; ich habe mich in ihm geirrt.«
»Dies ist wohl nicht das erste Mal, daß du dich in Gottes Fügung irrst. Du bist ein Kurde?«
»Ja.«
»Vom Stamme der Bebbeh?«
»Ja.«
»Der Scheik Gasahl Gaboya war ein Verwandter von dir?«
»Er war der Bruder meiner Mutter.«
»Ich begreife! Du erfuhrst hier, wer wir sind, und die Blutrache zwang dich, das Leben von uns zu fordern.«
»Ja, sie zwang mich, so wie sie jetzt dich zwingt, mir das Leben zu nehmen.«
»Ich bin ein Christ und kenne die Blutrache nicht!«
»Vielleicht die Blutrache nicht, aber doch die Rache!«
»Auch diese nicht. Gott ist der Vergelter.«
Da veränderte sich der Ausdruck seines Gesichtes; er sah mich ganz erstaunt an und fragte:
»Dürfen die Christen einander ungestraft nach dem Leben trachten?«
»Nein. Ein Mensch, welcher dem andern nach dem Leben trachtet, ist überhaupt kein Christ, wenn er sich auch als einen solchen bezeichnet. Unser Kitab el Mukad‘-das47 befiehlt uns: »Du sollst nicht töten!« und ein wirklicher, wahrer Christ hält sich streng nach diesem Befehle. Wer aber Menschenblut vergießt, wird durch die Obrigkeit bestraft, welche von Gott dazu eingesetzt worden ist.«
Ein Hoffnungsstrahl blitzte über sein Gesicht, als er schnell fragte:
»So werdet ihr mich der Obrigkeit ausliefern?«
»Nein.«
Seine Züge wurden sofort wieder finster, und enttäuscht klangen seine Worte:
»Also werdet ihr doch selbst richten! Du hast mein Messer aufgehoben; ich sehe es in deinem Gürtel. Nimm es und stoß zu!«
Ich schüttelte den Kopf und entgegnete:
»Du hast mich nicht verstanden. Die Rache ist mir verboten; dafür aber gebietet mir der christliche Glaube, meinen Feind zu lieben, wie mich selbst. Ich töte dich nicht und liefere dich auch nicht der Obrigkeit aus.«
Da glitt ein Ausdruck über seine Züge, der sich nicht beschreiben läßt. Erstaunen, Hoffnung, Zweifel, Verwunderung, Befürchtung, das alles sprach sich darin aus, bis der Haß wieder die Oberhand bekam und der Gefangene zornig herausstieß:
»Du spottest meiner! Ja, man sagt, daß es euch befohlen sei, sogar euern Feinden Gutes zu erweisen; aber welchem Menschen wäre es möglich, dies zu thun! Es ist eine Lüge, daß euer heiliges Buch dies von euch fordert, und euer Christus wäre ein Ssanam el heiwana48, wenn er von euch etwas verlangte, was kein Mensch zu erfüllen vermag!«
»Du sprichst als Moslem, der nicht die Liebe kennt; wir Christen aber kennen und üben sie. Du hast mein Leben gewollt, es aber nicht bekommen; dafür schenke ich dir das deinige.«
Indem ich dies sagte, nahm ich sein Messer, zerschnitt damit die Fesseln, hielt es ihm dann hin und fügte hinzu:
»Diese Klinge durfte mich nicht treffen; also gebe ich sie dir zurück. Nimm sie hin!«
Da sprang er empor. Seine Augen öffneten sich weit; sein Mund – ich möchte beinahe sagen, er sperrte ihn auf, und seine beiden Hände zuckten vorwärts, ohne aber das Messer zu ergreifen.
»Allah ja‘lam el geb – Gott kennt das Verborgene; ich aber weiß nicht, was ich denken soll!« rief er aus. »Ist das immer noch Spott, oder ist es Ernst?«
»Es ist Ernst.«
»Schwöre mir das bei Allah zu!«
Christus verbietet uns zu schwören. Ein Christ spricht nur die Wahrheit; da bedarf es keines Schwures.«
»So schenkt ihr mir das Leben?«
»Ja.«
»Wirklich das Leben?«
»Wirklich!«
»Aber wenn ich nun in meiner Rache fortfahre?«
»So wird Gott uns behüten, wie er uns vorhin behütet hat. Du sagtest dort am Tische, weder Gott noch ich selbst werde mir helfen können; jetzt siehst du, daß er mir geholfen hat; auf ihn verlaß ich mich auch fernerhin. Du bist frei und kannst mit deiner Rache machen, was du willst!«
Da riß er das Messer aus meiner Hand, trat einige Schritte zurück, sah bald mich, bald Halef mit ungewissen Blicken an und sagte dann, halb spöttisch, halb gerührt:
»Ich danke dir, Effendi, ich danke dir! Wenn das, was du jetzt gesprochen und gethan hast, wirklich aus deinem Herzen kam, so bist du entweder plötzlich verrückt geworden, oder das Christentum ist doch besser, viel besser, als ich gedacht habe. Da ich aber ein vorsichtiger Mann bin und weder dir noch deinem Glauben traue, werde ich mich jetzt schnell entfernen und nicht so lange warten, bis dir der verlorengegangene Verstand zurückgekehrt ist. Sollte er aber nicht zurückkehren, so vermehre Allah euer Wohlsein um soviel, wie ihr an Verstand verloren habt!«