Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 12
Er raffte seine Decke zusammen und eilte zur Thür hinaus. Einige Minuten später ritt er davon, ohne, wie wir später hörten, der Wirtin etwas bezahlt zu haben. Als der Hufschlag seines Pferdes in der Stille der Nacht verklungen war, machte Halef ein teils ärgerliches und teils lustiges Gesicht und sagte:
»Da ist er hin, ganz so, wie ich gedacht habe, ohne Strafe und ohne Hiebe! Und dabei glaubt er nicht einmal, daß es dein Ernst gewesen ist! O Sihdi, Sihdi, was muß ich alles an dir erleben! Du erfreust deine Feinde mit Barmherzigkeit und betrübst deine Freunde mit Wehmut über das Leder der Peitsche, die sie nicht schwingen dürfen! Ich hätte fürs Leben gern einmal bis hundert gezählt; nun aber ist mir durch deine Güte der Ort verloren gegangen, auf den ich zählen wollte. Wenn du in dieser Weise fortfährst, deine Feinde zu belohnen, wird jeder kluge Mann es vorziehen, dein Gegner anstatt dein Freund zu sein!«
»Räsonniere immerhin! Ich weiß doch, lieber Halef, daß ich ganz nach deinem Herzen gehandelt habe. Früher warst auch du ein Anhänger der Thar und konntest nicht genug Blut zu sehen bekommen; jetzt aber thut es dir wehe, einen Wurm zu treten.«
»O, Effendi, da hast du recht, sehr recht, denn je größer der Wurm ist, desto weher thut es mir, und wenn er gar in Menschengestalt erscheint, so ist der Islam mit allen Khalifen und Auslegungen vergessen, und ich denke nur an dich, aus dem ich doch einst einen Moslem machen wollte. Wenn das so fortgeht, wirst du mich noch dahin bringen, von einem eurer Priester die heilige Ma‘mudija49 zu erbitten. Komm, laß uns zum zweitenmal schlafen gehen! Man wird uns nicht wieder stören wie beim erstenmal, denn dieser Ssali Ben Aqil kehrt nicht zurück; er hat erfahren, daß es leichter ist, uns freundlich zum Essen einzuladen, als die Gesetze der Blutrache an uns auszuführen. Wenn er einst dem Engel des Todes so leicht entkommt, wie er unserer Vergeltung entgangen ist, wird er den siebenten Himmel Muhammeds erreichen.«
Wir warfen noch einige Griffe Holz in das Feuer und legten uns dann wieder nieder, ohne daß ein Mensch im Hause erfahren hatte, wie nahe wir dem Tode gewesen waren. Es ist kaum glaublich, mit welchem Gleichmute man, wie wir, aus einem Erlebnisse in das andere reitend, Ereignisse hinnimmt, welche an andern Orten und bei andern Menschen das größte Aufsehen erregen und die ganze Bevölkerung in Alarm setzen würden. Aber grad dieser Gleichmut ist es, auf den dabei so viel ankommt und mit dessen Hilfe es gelingt, Gefahren zu überwinden, denen man ohne ihn erliegen würde.
Als Halef annahm, daß wir nun nicht wieder gestört würden, hatte er sich geirrt, denn wir mochten noch nicht zwei Stunden geschlafen haben, als uns ein Lärm erweckte, welcher sich draußen erhoben hatte. Es war ein vielstimmiges Schreien und Brüllen, aus welchem wir zuweilen den Ruf »ia harik, ia harik!50 « heraushörten. Es brannte also irgendwo im Orte, und so wenig uns das eigentlich anging, wir sprangen doch auf und rannten hinaus, um unsere Hilfe anzubieten, wenn sie nötig war.
Wir sahen, daß es sich um einen bedeutenden Brand handelte, und eilten der betreffenden Gegend zu. Denkt man sich eine Feuersbrunst des Nachts in einem kleinen abgelegenen Städtchen Deutschlands, und zwar zur Zeit, als es noch keine Feuerwehren gab, so hat man einen ganz, ganz kleinen Begriff von dem großen Wirrwarr, in den wir mit hineingerissen wurden, und von den Scenen, die wir vor und um uns sahen. Es brannte am entgegengesetzten Ende des Ortes; dorthin rannte und strömte alles, oder vielmehr: man wurde gerannt und geströmt. Wir steckten nach kurzer Zeit in einem dichten Knäuel von Menschen, aus dem es absolut kein Entkommen gab. Dieser Knäuel wogte bald nach rechts, bald nach links, bald vor- und oft auch wieder rückwärts. Jeder, der einen Mund hatte, schrie so laut, wie er nur schreien konnte; aber was da brannte, wo es brannte und bei wem es brannte, das schien niemand zu wissen; wir konnten es nicht erfahren. Wir waren »eingekeilt in fürchterlicher Enge«, hatten keinen Willen, konnten uns nicht selbständig bewegen und mußten uns die größte Mühe geben, nur beisammenzubleiben.
In diesem Gedränge dachte ich an unsere Pferde, die wir im Eifer, uns hilfsbereit zu zeigen, ohne Schutz und Aufsicht im Khan gelassen hatten. Wie nun, wenn ihnen etwas geschah! Man hatte meinen Rih gesehen und bewundert, und hier in dieser Gegend war fast jeder Mensch ein geborener Pferdedieb. Mir wurde angst; ich teilte Halef meine Besorgnisse mit, und wir gaben uns nun alle Mühe, uns Bahn zu brechen, um nach dem Khan zurückzukehren. Aber je mehr wir schoben, drängten und stießen, desto mehr wurden wir gedrückt und gequetscht, gestoßen und geschlagen. Wir fühlten bald, wie man sich auszudrücken pflegt, unsere Knochen nicht mehr, und schon gaben wir es auf, unsern Willen durchzusetzen, als uns plötzlich Hilfe wurde, und diese Hilfe kam durch die Tulumba.
Tulumba – was ist das? Natürlich das, was bei einer Feuersbrunst das unumgänglich Notwendigste ist, nämlich die Spritze. Eine Spritze! Gab es denn in jenem kleinen, abgelegenen Orte Kurdistans eine Spritze, wirklich eine Spritze? wird man mich ungläubig fragen. Ja, es gab eine, und was für eine! 0 Talumba! Ich habe dich in der Türkei gesehen; ich bin dir in Persien begegnet, und du hast mich in Kairo sogar einmal mit dem Esel, auf dem ich zufälligerweise saß, umgerissen, so daß der Esel auf mich und ich unter ihn zu liegen kam; aber die Gestalt, in welcher du mir hier in Khoi erschienen bist, hätte mich beinahe irre gemacht an dir und deiner wohlbekannten Körperkonstitution oder vielmehr —konstruktion. Tulumba, o Tulumba, mir graut seitdem vor dir! Befandest du dich inkognito dort? Hattest du dich verkleidet, um nicht erkannt zu werden? Oder war es nur Verstellung von dir? Mag dem sein, wie ihm wolle, das Kismet mag mich kurz und gut davor bewahren, daß du mir in dieser Gestalt und dieser Weise im Leben noch einmal begegnest! O Tulumba, schreckliche Tulumba!
Es soll Menschen geben, welche Zweck und Mittel, Hauptsache und Nebensache, Fördernis und Hindernis zu verwechseln pflegen. Wer das nicht für möglich hält, der mag nach Khoi gehen und sich die dortige Tulumba zeigen lassen; dann wird und muß er daran glauben! Um das zu begreifen, denke man sich einen – – – doch nein, man denke sich nichts, sondern man mache die Erfahrung in der Weise, wie ich sie gemacht habe und wobei einem zunächst das Denken sofort und gründlich vergeht. Also wir beide, Halef und ich, hatten vergeblich versucht, aus dem harten, dichten Menschenklos, in welchem wir zwei verschwindend kleine Grieben bildeten, herauszukommen; diese unsere Bemühungen hatten nur den gar nicht bezweckten Erfolg gehabt, daß wir immer weiter hinein und schließlich etwas auseinander gerieten. Halef war jetzt nun eine kleine Strecke hinter mir, so daß sich vielleicht fünf oder sechs Personen zwischen uns befanden. Ich drehte mich, immer fortgeschoben werdend, häufig nach ihm um und konnte mich nur mit Hilfe von Gebärden mit ihm verständigen, weil bei dem allgemeinen, ohrenbetäubenden Gebrüll Worte nicht zu verstehen waren.
Dieses Brüllen war so entsetzlich, daß ich überzeugt war, es könne unmöglich noch gesteigert werden. Ein Lärm in deutscher und ein Gebrüll in kurdischer Sprache, das giebt übrigens einen ganz bedeutenden Unterschied, gar nicht zu gedenken, daß viele Schreier sich auch der türkischen, arabischen und persischen Sprache bedienten. Plötzlich verwandelten sich diese fürchterlichen Tonwellen in die entsetzlichsten Tonwogen; das Brüllen wurde zum Toben, und zwar nicht allgemein, sondern grad hinter mir. Ich drehte mich um und bemerkte in der Menge eine eigenartige, von dem steten Vorwärtsdrängen abweichende Bewegung, die ich mir nicht erklären konnte. Man stelle sich an ein stehendes Wasser und sehe einen Fisch, der an der Oberfläche in gerader Richtung schwimmt! Das Wasser wird vorn an der Spitze seines Kopfes gehoben werden und nach hinten dann nach rechts und links auslaufende Strahlen werfen. Die Köpfe der Menschenmenge hinter mir als eine solche Wasserfläche gedacht, bemerkte ich ganz dieselbe nach beiden Seiten auslaufende Strahlenbewegung, konnte aber den Fisch nicht sehen, welcher auch ganz so, wie der erwähnte, das Wasser mit seiner Schnauze hob; das heißt mit anderen Worten, die Menschen vor sich in die Höhe warf; denn es wurden in langsam fortschreitender, grad auf mich zu gerichteter Bewegung alle von der Spitze dieser Bewegung getroffenen Personen über die Köpfe der Menge emporgeschleudert. Wer oder was war der Karpfen oder der Hecht, der auf der Fläche der dichtgedrängten Menschenköpfe diese sonderbaren Wellen warf? Ich wußte es nicht und konnte es nicht erfahren, denn ein jeder, den ich fragte, war mit sich selbst und seiner Rettung so sehr beschäftigt, daß er keine Zeit oder Lust hatte, mir Antwort zu geben.
Der unsichtbare Fisch kam, von einem gradezu sinnverwirrenden Toben menschlicher Stimmen begleitet, langsam aber sicher näher. Fast hatte er Halef erreicht, der ihn nicht bemerkte; da hob ich beide Arme empor, um eine warnende Bewegung zu machen, kam aber damit zu spät, denn grad in diesem Augenblicke wurde auch der kleine Hadschi emporgeschleudert. Er hatte sich unter einem breit- und tiefästigen Horbaume51 befunden und flog so hoch, daß er, die Hände unwillkürlich nach Hilfe ausstreckend, einen der Aeste ergriff und an demselben hängen blieb. Natürlich brüllte er nun auch, was er nur brüllen konnte; ich hörte es zwar nicht, aber ich sah es an seinem Munde, der jetzt nicht mehr ein Mund, sondern ein Maul zu nennen war und so weit aufgerissen wurde, daß sich alle zweiunddreißig Zähne präsentierten, denn Halef besaß ein Gebiß, um welches er beneidet werden konnte.
Indem ich ihn beobachtete, dachte ich nicht an mich; da fuhr mir plötzlich etwas zwischen die Beine. Ehe ich darnach fassen und mich überzeugen konnte, was es war, wurde ich auch emporgehoben und erhielt einen plötzlichen, kräftigen Schwung, sicherlich vier Ellen hoch, aus welcher Höhe ich verkehrt auf die Köpfe der Menschenmenge niederstürzte, wo ich, ohne den Erdboden wieder zu erreichen, von zwanzig, dreißig, vierzig Händen, die sich nach mir ausstreckten, ergriffen, gestoßen, gezogen, geschoben und gezerrt wurde, daß ich beinahe auch wie Halef den Mund weit aufgerissen hätte, um mit zu brüllen. So wurde ich eine kleine Weile, auf den Köpfen der Menschen liegend, hin und her gerissen, bis mir der Gedanke kam, mich auf ungewöhnliche Weise in Sicherheit zu bringen. Ich war in den Prairien Nordamerikas oft mit andern Jägern mitten in die Herden wilder Büffel hineingeritten und, während die Herde vorwärts stürmte, von dem Rücken des einen Bison auf den Rücken des andern gesprungen, was man thut, um sich das zum Fleischmachen passendste Tier auszusuchen. Daran dachte ich jetzt. Ich befreite mich von den Händen, die mich grad gepackt hielten, richtete mich halb auf und turnte mich mit allen vieren auf den Köpfen hin, wobei ich gar keine Rücksicht darauf nahm, wohin ich meine Hände und Füße setzte und zahlreiche Püffe und Stöße austeilte, aber deren auch soviel und mehr zurückbekam, als ich mir nur wünschen konnte. Wie dann später mein Gewand aussah, kann man sich wohl denken! Doch: mit der Nadel in der Hand, flickt man öfters sein Gewand!
Mein Rettungsweg war nach der Pappel gerichtet, in deren Zweigen Halef jetzt in olympischer Ruhe und Sicherheit thronte; es war gar nicht weit dorthin, aber die Stöße, welche ich austeilte und wiederbekam, erschwerten mir die Passage in der Weise, daß ich endlich mit wenigstens fünfzehn Minuten »Verspätigung« bei meinem Hadschi Halef Omar einfuhr. Einfuhr ist hier das ganz richtige Wort, denn ich flog gradezu in das Gezweig hinein und mußte mich fest anklammern, um nicht auf der andern Seite wieder hinauszufliegen.
Halef schrie mir etwas zu, was ich aber nicht verstand. Ich war von der gehabten Anstrengung fast erschöpft; ich schnappte förmlich nach Atem und fühlte das Schlagen des Pulses durch den ganzen Körper. Als ich nach einigen tiefen Atemzügen ruhiger geworden war und mir einen festen Sitz genommen hatte, fand ich Zeit, den Blick unter mich zu richten, und da sah ich denn endlich den sonderbaren, geheimnisvollen »Fisch«, der sich stet und kräftig in das Menschenmeer hineinarbeitete und Halef und mich mit seiner Schnauze so hoch emporgeworfen hatte. Dieser Fisch war die Tulumba, die Feuerspritze. Sie war jetzt an der Pappel vorüber; wir beobachteten, wie sie sich weiterarbeitete, und konnten ihre Konstruktion erkennen.
Ich war, als ich diese Konstruktion sah, zunächst ziemlich verblüfft, brach aber dann in ein herzliches Lachen aus, welches leider in dem allgemeinen Getöse vollständig verloren ging. Auch Halef lachte, wie ich seinem lustig verzogenen Gesichte ansah.
Wenn ein Feuer ausbricht, muß man es mit Wasser löschen; das ist jedenfalls ein guter Gedanke. Wenn ein Feuer ausbricht, so strömen die Menschen scharenweise zusammen; das ist ein Gedanke, welcher jedenfalls auch viel Wahrheit für sich hat. Ein abendländischer Spritzenfabrikant würde den ersten Gedanken für den Hauptgedanken.erklären. Der orientalische Meister aber, aus dessen Händen die Tulumba hervorgegangen war, hatte eine Logik gezeigt, die alle occidentale Logik weit übertraf. Er hatte den Zeigefinger an die Nase gelegt und sich gesagt: »Was nützt es, wenn man aus einer Tulumba Wasser in das Feuer spritzen kann und es wegen des Menschenandranges nicht möglich ist, sie an den Ort zu bringen, wo es brennt!« Er hielt also pfiffigerweise den Transport des Wasserspeiers für wichtiger als das Spritzen selbst und hatte infolgedessen bei der Konstruktion das Hauptgewicht darauf gelegt, die Hindernisse zu bewältigen, welche der Fortbewegung der Tulumba im Wege standen. Er als Erfinder hatte wahrscheinlich auch einmal von den »sechs einfachen Instrumenten«, Hebel, Rolle, Rad, schiefe Ebene, Keil und Schraube, gehört und dabei eine besondere Vorliebe grad für den Keil gefaßt. War es da ein Wunder, daß ihm die geplante Tulumba in keilförmiger Gestalt im Traum erschienen war und er diesen Wink des Traumgottes ausgeführt hatte? Ja, er war sogar noch klüger und umsichtiger als dieser Gott gewesen, denn er hatte die keilförmige Konstruktion mit einer hebelnden Bewegung versehen, durch welche es ermöglicht wurde, jeden der Tulumba nicht ausweichenden Menschen einfach in die Luft zu schleudern, worauf es dann in dem Belieben des Betreffenden stand, entweder in der Luft kleben zu bleiben oder sich mit den bekannten Fallgesetzen auf vertraulichen Fuß zu stellen.
Ich fühle mich außer stande, die Möglichkeit in Abrede zu stellen, daß sich unter meinen Lesern der Besitzer einer deutschen Spritzenfabrik befindet. Sollte es dieser Herr für zu seinem weiteren Fortkommen unbedingt notwendig halten, die Konstruktion der Tulumba von Khoi kennen zu lernen, so füge ich für ihn die Zeichnung dieser Feuerspritze bei, wobei ich zugleich den Zweck verfolge, meine geometrischen Talente bewundern zu lassen.
Zum Verständnisse dieser Zeichnung diene folgendes: a b ist eine Wagenachse, an welcher sich in a und b zwei sehr hohe Räder drehen; auf ihr ruht das aus starkem, festem Holz gefertigte Gestell c a d b, dessen Widerstandsfähigkeit durch den Balken c d erhöht wird. Das Ganze bildet also einen zweiräderigen Wagen mit je einem langen, schmalen Balkendreieck vorn und hinten, die sich die Wage halten. Es bedarf also gar keiner Anstrengung, das hintere Dreieck zu senken und dadurch das vordere zu heben, oder umgekehrt. Die Mannschaft der Tulumba befindet sich im Innenraume des hinteren Dreieckes, kann also mit den zu beseitigenden Inhabern des Ehrentitels »Publikum« nicht in direkte Karambolage kommen. Diese Feuerwehrmänner – es waren ihrer zwanzig – schieben das Gestell vorwärts, ohne alle Rücksicht in die Menschenmenge hinein. Sie heben dabei von Zeit zu Zeit die hinteren Balken hoch, wodurch sich der vordere Teil tief senkt und den im Wege stehenden an und zwischen die Beine gerät, denn die Spitze geht in einen schmalen, scharfen Balken aus. Ziehen sie nun hinten plötzlich nieder, so werden diejenigen, welche von der Spitze ergriffen worden sind, je nach der Gewalt des Ruckes mehr oder weniger hoch emporgeworfen, während die keilförmige Gestalt die andern auf die Seite drängt. Man kann sich das Geschrei, die Quetschungen und Püffe denken, die es giebt, wenn so ein Keil in die dichte Menschenmenge hineingerannt wird! Auf den Gedanken, eine solche Tulumba zu bauen, kann man freilich auch nur kommen, wenn man es mit einer kurdischen Bevölkerung zu thun und ein kurdisches Gehirn im Kopfe hat.
Es ist selbstverständlich, daß die Spritze nur höchst langsam vorwärts kommt, denn es muß sehr oft angehalten werden, und es kommt häufig vor, daß sich das widerspenstige Publikum zur Wehre setzt. Geschah es doch auch im gegenwärtigen Falle, daß die Talumba die Brandstätte gar nicht erreichte und das große Holzlager, welches die Brandstifter angesteckt hatten, vollständig eingeäschert wurde.
Aber der umsichtige Erfinder hatte wirklich auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß die Spritze an dem Orte ihrer Bestimmung ankam, und für diesen Fall bei Punkt e der Wagenachse einen starken Haken angebracht, an welchem ein Wasserfaß mit einigen Eimern hing. Wenn ich seit jener Zeit nach Beispielen suche, um die sozialen Verhältnisse des Orients zu illustrieren, so fällt mir immer zuerst die Tulumba von Khoi ein. Uebrigens ist dieser kurdische Ort Khoi ja nicht mit der persischen Stadt gleichen Namens zu verwechseln, welche in der Provinz Aserbeidschan an der Karawanenstraße von Erzerum nach Tobriz liegt und eine der schönsten persischen Städte mit gegen dreißigtausend Einwohnern ist.
Ich blieb mit Halef auf der Silberpappel sitzen, bis die Tulumba nicht mehr zu sehen war und mit ihr sich das Gedränge verzogen hatte. Dann stiegen wir herunter. Jetzt fühlte ich erst die Püffe und Stöße, die ich bekommen hatte. Auch Halef rieb verschiedene Teile des Körpers und sagte dabei in seiner eigenartigen, humoristischen Weise:
»Sihdi, wenn das Feuer dort so brennt, wie mir meine Glieder brennen, so ist es nicht zu löschen, zumal im Fasse der Tulumba kein Wasser war.«
»Kein Wasser? Weißt du das?«
»Ja, denn einem von den Männern, welche die Spritze schoben, war der Tschibuk ausgegangen und er steckte ihn in das Faß, um ihn dort aufzubewahren, was er doch wohl unterlassen hätte, wenn Wasser drin gewesen wäre.«
Ich mußte laut auflachen. Ein Feuerwehrmann mit dem Tschibuk, und das Wasserfaß als Aufbewahrungsort für Tabakspfeifen, das war doch mehr als komisch! Halef lachte mit und fuhr fort:
»Der Mann, der diese Tulumba erfunden hat, muß den Gedanken dazu vom obersten der Schejatin52 erhalten haben.
Möge er dafür in der Hölle braten, wo es hoffentlich keine Feuerspritzen giebt, die Marterflammen auszulöschen. Mein Leib fühlt sich an wie eine alte Kameldecke, aus welcher der Schmutz von hundert Jahren herausgeklopft worden ist. Ein Glück ist‘s, daß das Kismet so vernünftig war, mir diese Hor et thalis53 hierherzusetzen, die dir auch Schutz gegeben hat! Als du auf den Köpfen dieser Männer von Khoi herumzappeltest, stach mich der Schmerz des Mitleids durch die Seele. Deine Haltung und deine Bewegungen waren so majestätisch wie diejenigen des Padischah von Persien, wenn er Audienz erteilt, und wenn mich nicht der Gedanke an unsere Pferde – – oh, Effendi, unsere Pferde, unsere Pferde! Was würden wir thun, wenn man sie gestohlen hätte!«
»Komm schnell nach dem Khan, Halef! Der Weg dorthin ist nun freigeworden, und ich fühle eine Unruhe in mir, die sich nicht weggebieten läßt. Wir müssen zu den Pferden!«
Indem ich diese Worte sprach, lief ich auch schon mit eiligen Schritten davon, und der kleine Hadschi folgte mir, indem er wegen seiner Beine, die bedeutend kürzer waren als die meinigen, sich beinahe springend fortbewegte. Wir dachten nicht mehr an das Feuer, sondern nur noch an die Pferde, die wir in hilfsbereiter Menschenfreundlichkeit auf so unverantwortliche Weise ohne Aufsicht gelassen hatten. Es gab eine Stimme in mir, welche so deutlich und bestimmt, als ob ein Mensch zu mir spräche, behauptete, daß in Beziehung auf die Tiere etwas geschehen oder irgend etwas nicht in Ordnung sei. Leider sollte diese Stimme recht behalten, denn als wir den Khan erreichten, in dessen Hof sich kein Mensch befand, weil außer der Wirtin alle nach der Brandstätte gelaufen waren, und dort in die Stube traten, fanden wir dieselbe vollständig dunkel, denn es brannte kein Licht, und das Feuer auf dem Herde war ausgegangen. Ich wartete gar nicht ab, bis ich die hintere Abteilung erreichte, sondern rief gleich beim Eintreten mein Pferd beim Namen. Es war gewohnt, mir stets und gleich durch ein freundlich klingendes Schnauben zu antworten; diese Antwort aber blieb jetzt aus, und so eilte ich erschrocken hinter, indem ich dem Hadschi zurief:
»Sie sind fort, Halef, sie sind fort, denn wären sie noch da, so würde Rih sich hören lassen!«
Halef blieb stehen; er, der sonst so wackere Mann, der keine Furcht und kein Zagen kannte, konnte vor Schreck nicht weiter. Ich hörte es ihm an, daß es ihm Mühe machte, die Worte hervorzustoßen:
»Fort, fort sind sie? Allah mu‘awin – Gott sei unser Helfer! Wenn man uns die Pferde gestohlen hat, so liegen wir hier wie Fische auf dem Trockenen. Mir ist der Schreck in alle meine Glieder gefahren; ich hoffe, daß wenigstens die deinigen davon verschont bleiben!«
Als ich die hintere Abteilung erreichte und die Hände nach den Pferden ausstreckte, griff ich in die Luft; meine Ahnung hatte mich also nicht betrogen. Und eine fast noch schlimmere Befürchtung durchzuckte mich, als mir jetzt unsere Waffen einfielen. Wenn meine Gewehre auch fort waren, so ergab das doppelten Verlust. Ich hatte sie, ehe wir vorhin fortrannten, zu Halefs Flinte in die hintere Ecke gelegt und unsere Decken darauf geworfen. Jetzt war ich mit einigen raschen Schritten dort und bückte mich nieder. Gott sei Dank! Die Decken lagen noch da, und ich fühlte unter ihnen die Gewehre! Zugleich hörte ich Halef rufen:
»Sind sie fort, sind sie wirklich fort, die Pferde, Effendi?«
»Leider, ja!«
»So möge der Scheitan die Diebe braten und bis auf die Knochen verbrennen lassen, daß seine brennende Großmutter keinen Bissen von ihnen genießen mag! Ich muß mich selbst überzeugen, ob es wahr ist. Ich komme hinter; ich komme zu dir! Und wenn dann die – – – Allah! Da bin ich über eine Person gestolpert, welche am Boden liegt und – —o Allah, Allah! Komm he rzu mir, Sihdi, komm schnell her! Da liegt ein Mädchen oder ein Weib, eine Frau, die rund um den ganzen Körper gebunden ist und nicht reden kann, weil sie einen Knebel im Munde hat. Das können nur die Diebe gewesen sein, denn ein ehrlicher Mensch kennt die Regeln der Höflichkeit, nach denen man die Frauen zu behandeln hat und die es jedermann verbieten, einer Sejide54 einen Gegenstand in den Mund zu stecken, nach dem sie keinen Appetit verspürt!«
Der kleine Kerl behielt selbst in der gegenwärtigen Lage die possierliche Ausdrucksweise bei, die eine Folge seiner stetigen guten Laune war. Ich folgte natürlich seiner Aufforderung, ging aber zuerst nach dem Tische, wo ich den Stumpf des Talglichtes, welches vorhin dort gebrannt hatte, noch vermutete. Er war noch da und ich erhellte mit seiner und eines Zündholzes Hilfe die Stube. Da sah ich die Wirtin am Boden liegen; sie war mit Baststricken umwickelt, daß sie sich nicht rühren konnte, und hatte soviel von ihrer Schürze, wie nur möglich war, in den Mund gestopft bekommen. Als wir sie von den Fesseln und dem Knebel befreit hatten, holte sie einige Male tief, tief Atem und bat dann in flehendem Tone:
»Thu mir nichts, Emir! Laß es nicht mich entgelten, denn ich bin unschuldig, vollständig unschuldig daran!«
»Das glaube ich dir,« antwortete ich. »Es fällt mir gar nicht ein, dir Uebles zuzufügen. Setz‘ dich hierher an den Tisch, und erzähle uns ausführlich, was sich während unserer Abwesenheit hier zugetragen hat!«
Ich führte sie, die an allen Gliedern zitterte, zur Bank und zog sie auf dieselbe nieder. Es dauerte trotz meines begütigenden Zuredens eine geraume Zeit, ehe sie in gesammelter Weise erzählen konnte:
»Als alle Menschen zum Feuer rannten, wollte ich auch mit fort; aber es fiel mir ein, daß ich das Haus nicht allein lassen dürfe und also hier bleiben müsse. Aber ich fürchtete mich draußen und ging darum herein in diese Stube. Kaum befand ich mich hier, so kamen viele fremde Kerls herein, welche wie Räuber bewaffnet waren und über mich herfielen. Ich wurde gebunden und dann nach euch gefragt, ob Emir Kara Ben Nemsi Effendi und Hadschi Halef Omar wirklich eure Namen seien. Wenn ich mein Leben retten wollte, so mußte ich die Wahrheit sagen, denn der Anführer stand mit dem gezückten Messer vor mir und drohte, mich zu erstechen, wenn ich mich weigere, ihm die richtige Antwort zu geben. Kannst du mir darüber zürnen, daß ich mein Leben behalten wollte, Emir?«
»Nein, du bist vollständig unschuldig. Sag, kanntest du nicht wenigstens einen dieser Diebe?«
»Nein; sie waren mir alle unbekannt; aber ich weiß dennoch, wer sie gewesen sind, denn ehe sie sich entfernten, sagte mir der Anführer, um euch zu ärgern und zu verhöhnen, wer sie seien.«
»Ah! Das ist mir von der größten Wichtigkeit! Wahrscheinlich aber hat er gelogen, um uns irre zu führen. Welche Namen hat er genannt?«
»Er hat nicht gelogen, sondern er ist wirklich der, für den er sich ausgab, denn ich sah die tiefe Schmarre auf seiner rechten Wange, und ich weiß, daß Schir Samurek eine solche Schmarre besitzt, die er im Kampfe mit den Bebbehkurden erhalten hat.«
»Ah, Schir Samurek! Meinst du etwa den Scheik der Kurden vom Kelhur-Stamme?«
»Ja, der war es, Effendi. Alle Kelhurs sind Räuber, und er ist der oberste und schlimmste aller Räuber. Sie hatten es auf eure Pferde abgesehen. Dein Hengst biß und schlug um sich wie ein Teufel, als er hinausgeführt werden sollte; aber sie hatten Stricke mitgebracht, die sie ihm um die Beine warfen und so gelang es ihnen, ihn hinauszuziehen. Mit dem Pferde des Hadschi Halef Omar hatten sie keine solche Not. Sie waren voller Bewunderung und Entzücken über den Rappen, und der Scheik freute sich so sehr über das Gelingen des Raubes, daß er mir, ehe ich den Knebel in den Mund erhielt, erzählte, wie er auf den Gedanken gekommen ist und ihn ausgeführt hat, sich dein Pferd zu holen. Er hat mir sogar befohlen, es dir zu erzählen. Er meinte, du solltest erfahren, wie sehr du betrogen worden bist, und würdest dann einsehen, daß alle Christenhunde Dummköpfe seien.«
»Schön! Zu dieser Einsicht wird mich niemand bringen; höchst wahrscheinlich aber wird im Gegenteile er sehr bald erkennen, daß diese Verhöhnung der größte Fehler war, den er begehen konnte. Zunächst freilich wird er und sein Stamm sehr stolz darauf sein, das weltberühmte Pferd jetzt zu besitzen, doch bin ich überzeugt, daß diese Freude keine lange Dauer hat. Wie hat er denn erfahren, daß ich mich hier in eurem Khan befinde?«
»Du wirst erstaunen, wenn du das erfährst, Emir! Weißt du, wer der Mensch gewesen ist, der unser Geld gestohlen hat, obgleich wir ihm alle Ehren der Gastlichkeit erwiesen haben?«
»Nein.«
»Es giebt unter den Bebbeh-Kurden einen, den alle seine Feinde fürchten und alle seine Freunde hassen, denn sie sind nicht wirklich seine Freunde, sondern nennen sich nur so. Er ist listig wie Abu Hossein55, gewaltthätig wie Assad56 und blutdürstig wie ein Parsa57 mit dem schwarzen Felle. Es genügt ihm nicht, bei seinem Stamme zu bleiben und an den Kämpfen desselben teilzunehmen, sondern wenn die Bebbeh mit den andern Aschair58 in Frieden leben, zieht er allein hinaus, um auf eigene Faust zu rauben und zu stehlen. Er heißt Aqil und ist der Oheim der beiden Scheiks Ahmed Azad und Nizar Hared, welche Söhne des früheren Scheikes Gasahl Gaboya sind.«
»Kull ru‘ud – alle Donner!« entfuhr es mir, der ich mich nur höchst selten einmal zu einem solchen Kraftworte hinreißen lasse. »Von diesem Menschen habe ich noch nie etwas gehört. Und Aqil heißt er? Weißt du das gewiß?«
»Ja, Effendi; ich irre mich nicht, denn man spricht grad hier in unserer Gegend sehr viel von seinen Thaten.«
»Und der Gast, mit dem wir hier gegessen haben, nannte sich Ssali Ben Aqil! Er leugnete zwar, ein Kurde zu sein, doch glaubte ich ihm nicht. Sollte er der Sohn dieses Aqil sein, von dem du redest?«
»Er ist es, Emir.«
»Das hast du gewußt und ihn doch herein in das Haus gelassen?!«
»Ich habe es nicht gewußt, sondern es erst von Schir Samurek erfahren, der mir befahl, es dir zu sagen, »damit dein Leib vor Aerger platze«; das waren nämlich ganz genau die Worte, die er sagte.«
»Gut! Jetzt möchte ich wissen, ob die Anwesenheit dieses Ssali Ben Aqil mit dem Hiersein seines Vaters im Zusammenhang steht.«
»Nein, der Sohn hat nicht geahnt, daß sein Vater kurz vor ihm hier bei uns gewesen ist. Auch das hat mir der Scheik der Kelhur-Kurden erzählt. Und nun kommt das wichtigste, was ich dir zu sagen habe, weil ich es dir sagen soll. Die Kelhur und die Bebbeh stehen nämlich in Blutrache miteinander, welche daher stammt, daß Aqil vor zwei Jahren einen Kelhur getötet hat. Das fordert das Blut Aqils oder eines Verwandten von ihm, denn durch eine Zahlung kann es nicht friedlich ausgeglichen werden, weil die Kelhur einen Preis gefordert haben, der nicht zu erschwingen ist. Aber heut hat Aqil doch geglaubt, diesen hohen Preis zahlen zu können und deshalb die Kelhur aufgesucht, von denen er wußte, daß sie in der Nähe unserer Stadt lagerten.«
»Welch ein Gedanke von diesem Kerl! Ich ahne, was du sagen willst. Er hat sich durch meinen Rapphengst von der Blutrache loskaufen wollen?«
»Ja. Er war, ohne daß wir es ahnten, hier bei uns. Da kamt ihr; er hörte, wer ihr seid, und sah auch eure Pferde. Schon vorher hatte er beschlossen, unser Geld zu stehlen; er that es und ritt dann auf unserm Pferde zu den Kelhur, um ihnen deinen Hengst als Blutpreis anzubieten.«
»Das war allerdings mehr als mutig, das war verwegen, ja tollkühn von ihm! Wahrscheinlich hat er heut nacht das Pferd stehlen oder später auf irgend eine Weise in seinen Besitz bringen und ihnen dann zuführen wollen; aber er konnte sich doch denken, daß sie ihn zunächst festhalten und dann zwingen würden, ihnen zu sagen, wo es zu haben ist!«