Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 13
»Ja, Emir; so wie du es sagst, genau so ist‘s geschehen. Sie haben ihn ergriffen und so lange geprügelt, bis er gesagt hat, daß ihr hier bei uns seid. Nun bekommt er den Lohn für seine Thaten: er muß den Blutpreis mit dem Leben zahlen; sie aber haben ihm nicht nur das gestohlene Geld abgenommen, sondern sind auch hierher geritten, um sich dein Pferd selbst zu holen. Unterwegs ist ihnen auch sein Sohn in die Hände gefallen, der nun ebenso verloren ist wie sein Vater. Oh, Effendi, Allah hat es nicht gut mit dir und uns gemeint, denn unser Geld ist weg und dein Rappe ist weg. Was die Kelhur in ihren Händen haben, das geben sie nie wieder heraus!«
»Das mag eine Eigentümlichkeit von ihnen sein, von der sie nicht freiwillig abgehen werden; aber ich habe auch gewisse Eigentümlichkeiten, die ich mir nicht nehmen lasse. Dazu gehört zum Beispiel die Gewohnheit, daß ich, wenn ich bestohlen worden bin, nicht eher ruhe, als bis ich das Gestohlene zurückbekommen habe.«
»Meinst du etwa, daß du von den Kelhur-Kurden dein Pferd zurückverlangen willst?«
»Ja.«
»So willst du sie aufsuchen?«
»Ja.«
»Aber du weißt doch nicht, wohin sie von hier aus geritten sind!«
»Ich werde sie trotzdem finden.«
»So müßtest du allwissend sein!«
»Nur Allah ist allwissend; aber er hat uns in seiner Allweisheit den Verstand gegeben, mit dessen Hilfe man das, was man nicht weiß, ergründen und erfahren kann.«
»Willst du dein Leben von dir werfen, Effendi? Weißt du, was es heißt, die Kelhur zu verfolgen, um den Raub von ihnen zurückzufordern? Ihr begebt euch dadurch in den sichern Tod!«
»Du irrst. Der Tod ist nur den Kelhur sicher, wenn sie sich weigern, uns die Pferde zurückzugeben.«
Da bog die Frau den Oberkörper zurück und sah mich mit prüfenden Blicken an wie einen Wahnsinnigen, vor dem man sich in acht zu nehmen hat. Und als es ihr nicht gelang, etwas Verrücktes an mir zu entdecken, schüttelte sie den Kopf und sagte: »Effendi, ich habe gehört, daß ihr Christen Leute seid, welche nicht nur anders glauben und anders fühlen und denken, sondern auch alles anders machen als wir. Darum ist es vielleicht möglich, daß du etwas erreichst, wo ein gläubiger Moslem nichts erreichen würde. Du und Halef, ihr beide habt viel gethan, was man eigentlich nicht glauben möchte. Denkt ihr wirklich, daß es euch gelingen könne, eure Pferde wieder zu bekommen?«
»Ja, das denken wir.«
»Allah! Wenn die Kelhur gezwungen werden können, euch euer Eigentum zurückzuerstatten, könnte man sie doch auch dazu anhalten, uns unser Geld wiederzugeben?«
»Allerdings.«
»Aber kein Einwohner von Khoi würde es wagen, zu ihnen zu gehen, um ihnen dieses Ansinnen zu machen. Emir, weißt du wohl, wie höflich und gastfreundlich wir dich empfangen und behandelt haben?«
Es war eine sehr wohlbegründete und erlaubte Schlauheit, welche ihr diese Frage diktierte, und ich ging bereitwillig auf dieselbe ein, indem ich lächelnd antwortete:
»Ja, ich weiß sehr wohl, welche Aufmerksamkeit wir euch zu verdanken haben.«
»So sag, ob euch eure Lehre vielleicht die Dankbarkeit verbietet!«
»Die Dankbarkeit ist eine der hervorragendsten Tugenden jedes Christen.«
»Oh, Effendi, dann bitte ich dich, ein recht guter Christ zu sein und deiner Lehre zu gehorchen, indem du uns wieder zu unserem Gelde verhilfst!«
»Gesetzt, daß ich bereit bin, dir diesen Wunsch zu erfüllen, wie denkst du es dir, daß ich es ermöglichen kann?«
»Das brauche ich dir doch wohl nicht erst zu sagen. Du willst doch den Kelhurkurden nach, um ihnen eure Pferde wieder abzuverlangen; es würde eure Mühe nicht vermehren und die Gefahr nicht vergrößern, wenn ihr da auch gleich unser Geld mitbrächtet!«
Halef lachte, als er diese Worte hörte; ich aber antwortete sehr ernsthaft.
»Da hast du freilich recht, und ich bin auch sehr gern bereit, dir diesen Dienst zu erweisen, werde dies aber nicht thun können, wenn du mir nicht vorher einen Gefallen erweisest.«
»So sag schnell, was du verlangst! Wenn ich kann, werde ich es sehr gern thun.«
Ich hatte einen ganz besondern Grund, in dieser Weise mit ihr zu sprechen. Wir mußten unsere Pferde unbedingt wieder haben und die Diebe also verfolgen. Den Weg, den diese eingeschlagen hatten, mußten uns ihre Spuren verraten, welche aber erst nach Tagesanbruch zu sehen waren. Bis dahin hatten die Kurden jedenfalls einen Vorsprung, den wir nur mit Hilfe guter Pferde einholen konnten, und doch waren so wertvolle Tiere hier jedenfalls weder zu kaufen noch zu borgen, wenn es überhaupt welche gab. Ich Mußte, um mich nach ihnen richten zu können, diese Verhältnisse von der Wirtin erfahren und mich zugleich ihrer Hilfe versichern, falls es galt, etwas zu unternehmen, was sie eigentlich nicht gutheißen durfte. Darum antwortete ich:
»Wir müssen den Kelhur nachreiten und sie einholen; dazu brauchen wir Pferde. Denkst du, daß wir hier welche kaufen können?«
»Es giebt keinen Händler hier, und ich kenne auch keinen Pferdebesitzer, welcher den Gedanken hat, ein Pferd zu verkaufen.«
»Auch nicht zu verleihen?«
»Nein.«
»Das ist schlimm, denn wenn wir keine Pferde bekommen, können wir den Kelhur nicht folgen und dir auch nicht zu deinem Gelde verhelfen.«
»Oh, Effendi, wir haben noch zwei Pferde im Stalle; die werde ich euch leihen.«
»Sind sie gute Renner?«
»Nein. Sie sind schon fast zwanzig Jahre alt. Das beste hat dieser Aqil gestohlen und auf dem zweitbesten ist dann mein Mann fort.«
»So alte Tiere sind uns nichts nütze, denn die Räuber haben einen großen Vorsprung, den wir mit ihnen nicht einholen können. Du wirst also auf das schöne Geld verzichten müssen.«
»Allah kerihm – Gott ist gnädig; aber grad uns scheint er nicht seiner Gnade teilhaftig machen zu wollen,« klagte sie.
»Giebt es denn gar keinen Menschen hier, der zwei gute, schnelle Pferde hat?«
»Oh, es giebt wohl einen; aber der verkauft sie nicht und verborgt sie noch viel weniger.«
»Auch dann nicht, wenn er erfährt, daß er deinem Manne damit zu seinem Gelde verhilft?«
»Dann erst recht nicht, denn er ist ein Feind von uns.«
»So! Wer ist denn dieser Mann?«
»Unser Nachbar, der von Kerkuk hierher gezogen ist. Er ist erst ein kleiner Baijah59 gewesen und dann Tabbach el adwija60 geworden, als welcher er sich viel, sehr viel Geld verdient hat. Man sagt, daß er nicht ehrlich gewesen sei und deshalb Kerkuk habe verlassen müssen. Hier in Khoi ist er der reichste Mann und tritt wie ein Pascha von drei Roßschweifen auf. Er besitzt zwei teure Kamele und fünf noch teurere Pferde, von denen er erst kürzlich zwei gekauft hat, die noch nicht an den Stall gewöhnt sind.«
»Noch nicht an den Stall? So befinden sie sich wohl im Freien?«
»Ja.«
»Wo?«
»In dem Garten, welcher draußen vor dem Orte liegt.«
»Das ist aber doch eine sehr große Unvorsichtigkeit, zwei so gute Pferde da draußen so ohne alle Aufsicht stehen zu lassen!«
»Ohne Aufsicht sind sie nicht, denn in dem Garten steht ein Kiosk, in dem er selber schläft und von zwei Dienern bewacht wird.«
»Liegt dieser Garten nach derjenigen Seite der Stadt, wo die Feuersbrunst entstanden ist?«
»Nein, sondern nach Norden. Warum fragst du, Effendi?«
»Das kann ich dir nur sagen, wenn ich weiß, daß du verschwiegen bist. Vielleicht kannst du dadurch dein Geld wiederbekommen.«
»Emir, wenn das der Fall ist, wird kein Wort über meine Lippen kommen! Du bist klüger, viel klüger als mein Herr und Gebieter, welcher nach einer ganz falschen Richtung geritten ist; darum ist den Kelhur das Geld in die Hände gefallen. Ich habe dir noch gar nicht gesagt, wie die Feuersbrunst entstanden ist. Die Kelhur haben sie angezündet, weil sie dachten, ihr würdet hinlaufen und eure Pferde hier ohne Wache lassen; dann könnten sie sie leichter stehlen. Dies ist auch geschehen. Aber ihr werdet sie euch wiederholen und dabei auch unser Geld mitbringen. Nun sag mir aber auch, was ich verschweigen soll!«
»Ich will es dir sagen. Ich muß die Kelhur einholen; dazu brauche ich schnelle Pferde. Da ich sie aber weder verkauft noch verborgt bekomme, muß ich sie mir ohne Erlaubnis des Besitzers leihen. Verstehst du mich?«
Die Kurdin war nicht auf den Kopf gefallen. Sie blinzelte mir verständnisinnig zu, nickte dabei mit dem Kopfe und fragte:
»Wirst du sie ihm wiederbringen?«
»Natürlich! Wir sind keine Diebe.«
»Willst du dir etwa die beiden schönen, neuen Pferde des Apothekers borgen?«
»Ja.«
»Da kann ich nichts dagegen haben, zumal er nicht ein Freund von uns ist und ich dir sagen muß, daß es die schnellsten Pferde von ganz Khoi sind.«
»Hm, ja! Wenn ich nur genau wüßte, wo der Garten liegt!«
Sie senkte nachdenklich den Kopf und sagte nach einer Weile:
»Du wirst einsehen, Effendi, daß ich dir in einer solchen Sache nicht behilflich sein kann; aber wenn du es erlaubst, werde ich dir einen guten Rat geben.«
»Gieb ihn mir; ich bitte dich darum!«
»Brauchst du auch zwei Sättel?«
»Nein. Wir hatten die unserigen den Pferden abgenommen und sie dann als Kopfkissen gebraucht; sie liegen noch da hinten, denn die Kelhur haben sie, ich weiß nicht warum, nicht mitgestohlen.«
»So laßt von jetzt an einige Minuten vergehen; dann nehmt ihr die Sättel und verlaßt den Khan. Wenn ihr links an drei Häusern vorüber seid, werdet ihr eine Frau sehen, der ihr folgen müßt, ohne euch ihr aber ganz zu nähern. Draußen vor der Stadt wird sie euch ein Zeichen geben, indem sie den Stock, den sie in der Hand hat, an eine Pforte lehnt und sich dann entfernt. Ihr folgt ihr nicht weiter, denn diese Pforte gehört zum Garten, in welchem sich die Pferde des Apothekers befinden. Wollt ihr diesen Rat befolgen?«
»Ja.«
»So sei Allah mit euch! Er gebe, daß ihr das Geld wiederbringt; denn wenn es mein Herr und Gebieter nicht zurück erhält, muß er es ersetzen und wird so arm wie ein Bettler sein!«
Sie stand auf und ging hinaus. Halef sah mich an; lachte kurz und leise auf und fragte:
»Sihdi, willst du diese Pferde wirklich borgen?«
»Natürlich! Oder können wir anders?«
»Nein. Auch ist es ein Streich, der mir außerordentlich gefällt. Ich mache mit Vergnügen mit. Aber was denkst du von dieser Wirtin?«
»Sie ist eine sehr kluge Frau.«
»Klüger, viel klüger als ihr Mann! Wer wird das Weib sein, dem wir folgen sollen?«
»Sie selbst.«
»Das denke ich auch. Der Kopf des Mannes gleicht oftmals einem leeren Beutel; im Kopfe der Frau aber ist stets noch ein Piaster zu finden, und wenn der letzte herausgenommen worden ist, steckt immer noch ein allerletzter drin! Es ist nicht mehr lange bis zur Morgenröte. Wir müssen die Pferde haben, ehe es Tag geworden ist. Laß uns aufbrechen, Effendi!«
Wir nahmen unsere Gewehre, die Decken und jeder einen Sattel. Das Feuer beschäftigte immer noch alle Bewohner der Stadt. Wir kamen unbemerkt hinaus und bis an das bezeichnete Haus. Dort stand eine tief verhüllte Frau, welche einen Stock oder Pfahl in der Hand hatte. Es war natürlich die Wirtin, welche uns Hilfe leistete, ohne es später geständig sein zu wollen. Als sie uns kommen sah, ging sie weiter, und wir folgten ihr. Die Feuersbrunst war jetzt noch so groß, daß sie uns leuchtete.
Es ging auf bald schmalen und bald breiteren Wegen zwischen den Häusern und Hütten hin, bis wir den Ort hinter uns hatten. Da erreichten wir einen aus Dornen bestehenden langen Zaun, in dessen Mitte die etwa zwanzig Schritte vor uns hergehende Frau stehen blieb, um den Pfahl anzulehnen; dann huschte sie seitwärts fort. Als wir die Stelle erreichten, sahen wir eine Pforte, welche nicht verschlossen, sondern angelehnt war. Höchst wahrscheinlich hatte das Feuer den Apotheker auch so schnell angezogen, daß ihm der Gedanke an das Zuschließen nicht gekommen war. Wir gingen zunächst einige hundert Schritte weiter, bis wir im freien Felde einen Steinhaufen fanden, wo wir die Sättel und Gewehre niederlegten. Dann zur Pforte zurückgekehrt, schoben wir sie auf, hinter uns wieder zu und traten in den Garten.
Der Schein des Feuers wirkte hier nicht mehr so wie vorher; dennoch sahen wir die Bäume, den Kiosk und nicht weit von dem letzteren eine Art von Verplankung, nach der wir uns schlichen. Wir erreichten sie ungestört; die Diener schienen sich ebenso wie ihr Herr entfernt zu haben. Die beiden Pferde standen hinter den Planken, an Pfählen angebunden. Wahrscheinlich wußte der Apotheker nicht, daß gesunde Pferde sich des Nachts zu legen pflegen. Der Eingang zur Verplankung war bald gefunden. Wir gingen hinein und banden die Pferde los. Es waren zwei Grauschimmel, die sich zwar erst etwas sträubten, sich aber unsern Liebkosungen so zugänglich zeigten, daß sie uns dann willig folgten. Wir brachten sie glücklich hinaus und bis zu dem Steinhaufen, wo wir ihnen die Sättel auflegten.
Jetzt waren sie unser, und kein Mensch wäre imstande gewesen, sie uns wieder wegzunehmen. Wir hatten sie grad zur rechten Zeit bekommen, denn im Osten zeigte sich der fahle Schein des neuen Tages.
»Allah sei Dank; wir haben Pferde!« sagte Halef. »Und ich glaube, die Frau hat recht gehabt! Diese Grauschimmel scheinen von keinen schlechten Ahnen zu stammen. Aber nun fragt es sich, nach welcher Richtung wir uns zu wenden haben. Wie denkst du darüber, Sihdi?«
»Ich denke daran, daß die Kelhurkurden das Feuer angelegt haben, um uns und die Bewohner von Khoi nach der Brandstätte zu locken. Werden sie dazu einen Ort gewählt haben, an dem sie dann mit unsern Pferden vorüber mußten?«
»Gewißlich nicht; sie werden vielmehr dafür gesorgt haben, daß ihr Weg nach der entgegengesetzten Richtung liegt.«
»Nun, in dieser entgegengesetzten Richtung befinden wir uns jetzt. Reiten wir zehn Minuten langsam in derselben fort, so wird zwar der Schein der Feuersbrunst verschwunden, dafür der Morgen so hell geworden sein, daß wir nach den Spuren der Diebe suchen können. Sind diese gefunden, so verlieren wir sie sicherlich nicht wieder. Komm!«
Ich stieg auf, und Halef folgte meinem Beispiele. Dabei bemerkten wir, daß die Pferde Temperament besaßen und wohl seit langem keinen Reiter getragen hatten; sie mußten aber gehorchen. Noch waren die zehn Minuten nicht vergangen, so sahen wir seitwärts ein Pferd liegen. Wir ritten hin, und ich stieg ab, den Kadaver zu untersuchen. Man hatte es in den Kopf geschossen und zwar nicht früher als in dieser Nacht, denn das Blut, in dem es lag, war noch nicht ganz geronnen.
Warum war es erschossen worden? Ich setzte meine Untersuchung fort und entdeckte sehr bald, daß es nicht weitergekonnt hatte, weil ihm ein Bein zerschlagen worden war.
»Halef, wir haben die Fährte schon!« rief ich, erfreut über diesen schnellen Erfolg. »Sieh die Fußspuren hier an der Erde! Fußspuren von Menschen und Fußstapfen von Pferden!«
»Aber ob es die Kurden gewesen sind?!«
»Ganz gewiß! Diesen Fund haben wir meinem Rih zu verdanken.«
»Wieso, Effendi?«
»Der Rappe verweigert, wie du weißt, fremden Leuten den Gehorsam; er ist nicht leicht fortzubringen gewesen, und gar aufsitzen, das hat niemand wagen dürfen. Sie hatten aber Eile, und da mögen sie ihn gedrängt, vielleicht gar mißhandelt haben; da hat er nach seiner Weise um sich geschlagen und diesem Pferde das Bein zerschmettert. Sie konnten es nicht mitnehmen, sondern mußten es erschießen und hier liegen lassen.«
»Ja, Sihdi, so mag es gewesen sein. Die Spur ist gefunden, und ich hoffe zu Allah, daß wir unsern herrlichen Rih bald wieder haben werden. Denkst du, daß ihr Vorsprung ein sehr großer ist?«
»Der Zeit nach läßt er sich genau bestimmen, nämlich vom Anfange des Brandes bis jetzt; die Entfernung aber können wir nicht so genau wissen. Sie haben sich gewiß beeilt; aber wir müssen auch die Widersetzlichkeit des Rappen mit in Betracht ziehen. Dieses kluge Tier weiß ganz genau, daß es uns entführt worden ist, und wird sich auf alle Weise wehren; schlägt man es, dann um so schlimmer, denn dann geht es erst recht nicht von der Stelle. Wenn es noch ein wenig heller geworden ist, werde ich die Fährte genauer bestimmen können, der wir nun folgen wollen.«
Ich stieg wieder in den Sattel, und wir ritten weiter, den Spuren nach, die so deutlich waren, daß wir sie gar nicht verfehlen konnten, obgleich der Tag erst zu grauen begonnen hatte und von einer eigentlichen Helle noch keine Rede war.
Unser Weg führte uns nach Norden. Die Kurden hatten alle Wege sorgfältig vermieden und überhaupt, wie wir aus verschiedenen Anzeichen erkannten, eine für sie ganz ungewöhnliche Vorsicht entwickelt. Als Halef sich darüber verwunderte, erklärte ich ihm:
»Sie wissen, mit wem sie es zu thun haben. Der Scheik hat in seinem Uebermute der Wirtin alles mitgeteilt und, wie er wohl auch wissen wird, durch seinen Hohn unsere Thatkraft herausgefordert. Er muß sich sagen, daß wir alles mögliche thun werden, wieder zu unsern Pferden zu gelangen, und ihm also folgen werden. Da muß er sich nun nach allem, was er von uns gehört hat, sagen, daß er Leute hinter sich hat, welche eine solche Verfolgung in ganz anderer Weise betreiben als die gewöhnlichen Bewohner dieser Gegend. Daher die Vorsicht, deren er sich in jeder Beziehung zu befleißigen scheint. Aber, so groß sie auch ist, mit unserer Erfahrung kann er sich doch nicht messen. Wir sind ihm, wenn wir von der Zahl der Personen absehen, auf alle Fälle überlegen.«
»Da hast du recht, lieber Sihdi,« nickte der Hadschi zustimmend. »Du hast es jenseits des großen Meeres im Bilad Amirika61 gelernt, wie man eine Fährte zu lesen und ihr zu folgen hat, und bist in dieser großen Kunst nun hier mein Lehrmeister gewesen. Wir werden zwar, weil wir nur zwei Personen sind, etwas wagen müssen, aber unsere Pferde ganz gewiß wieder bekommen. Denn ein Ausbund von Klugheit ist dieser Scheik der Kelhur nicht; das hat er ja heute nacht bewiesen.«
»Wodurch?«
»Dadurch, daß er unsere Gewehre und die Sättel nicht beachtet hat. Denke nur, wie kostbar dein Reschma ist! So ein Sattel- und Riemenzeug kann kein Kelhurkurde haben. Diese Kerls müssen ja geradezu mit Blindheit geschlagen gewesen sein, daß sie sich diesen Schatz und Schmuck entgehen ließen!«
»Es ist aber sehr leicht zu erklären, wie das geschehen konnte. Erstens haben sie es sehr eilig gehabt, denn wir konnten wieder kommen, ehe sie fort waren, und da es nur auf meinen Rih abgesehen war, fühlten sie sich befriedigt und nahmen sich nicht die Zeit, weiter zu forschen, als sie ihn hatten. Und zweitens ist es hinter der Schirmwand in unserer Abteilung dunkel gewesen, so daß sie in der Eile die Gegenstände, welche noch da lagen, gar nicht gesehen oder beachtet haben. Höchst wahrscheinlich hat ihnen Aqil, als sie ihn zum Geständnisse zwangen, von dem Reschma nichts gesagt.«
»So wollte ich, er sagte es ihnen jetzt. Wie würden sie sich darüber ärgern, daß sie sich eine so reiche Beute haben entgehen lassen! Mögen sie dafür in der Hölle auf Sätteln reiten müssen, welche aus glühendem Eisen bestehen und mit den tausendspitzigen Häuten teuflischer Kanafid62 überzogen sind!«
Die Fährte führte uns über grasiges Terrain, welches die Spuren deutlich erkennen ließ. Der Tau hing noch an den Halmen und flimmerte gleich Perlen und Diamanten im Strahle der aufgehenden Sonne. Die niedergetretenen Gräser hatten sich noch nicht wieder aufgerichtet. Aus diesem Umstande, der Windrichtung, der Bodenart und andern Verhältnissen, welche mit in Betracht zu ziehen waren, schloß ich, daß sich die Kurden ungefähr um einen Zweistundenritt vor uns befanden. Verglich ich damit den Zeitraum von jetzt an bis zurück, als sie wahrscheinlich Khoi verlassen hatten, so kam ich zu dem Resultate, daß ihre Schnelligkeit keine ungewöhnliche war, obgleich sie sich jedenfalls sehr beeilten. Daran war nur Rih, mein Rappe schuld.
Nach dieser Berechnung konnten wir sie in drei Stunden ohne eine übermäßige Anstrengung unserer Pferde einholen, und so setzten wir sie, die wir bisher noch gar nicht angetrieben hatten, nun in schnelleren Gang. Halef nahm an, daß wir gleich in Aktion würden treten können, sobald wir die Kurden erreicht haben würden; dem setzte ich aber entgegen:
»Wie viel Reiter glaubst du wohl, daß wir vor uns haben?«
»Ich verstehe das nicht so genau zu beurteilen wie du, Sihdi, zumal ihre Spuren zeigen, daß sie nicht Ordnung gehalten haben, sondern immer wirr untereinander hineingeritten sind; aber es müssen ihrer so ungefähr dreißig sein.«
»Ich schätze sie wenigstens auf vierzig Mann.«
»Das thut doch nichts, zehn Mann mehr oder weniger, das ist uns ganz gleichgültig; wir nehmen ihnen doch auf alle Fälle die Pferde ab!«
»Stelle dir das nicht so leicht vor! In diesem Augenblicke können sie schon ein Hundert oder mehrere Hundert zählen.«
»Wieso, Sihdi? Ein Kurde ist doch keine Namusa63, die sich unterwegs in der Luft vermehrt!«
»Erstens vermehren sich selbst die Mücken nicht in der Luft, und zweitens mußt du damit rechnen, daß die Kelhur, welche uns bestohlen haben, sehr wahrscheinlich nur eine Abteilung eines größeren Lagers gebildet haben.«
»Wie kommst du auf diesen Gedanken?«
»Indem ich die Umstände in Betracht ziehe. Nämlich Aqil hat die Kelhur aufgesucht, um mit ihnen zu verhandeln; er hat also gewußt, wo sie sich befunden haben. Vierzig Reiter aber sind eine sehr bewegliche Truppe, die bald hier und bald da auftaucht und von der man nicht wissen kann, wo sie zu finden ist. Wenn also Aqil so genau gewußt hat, wo die Kurden anzutreffen waren, so hat es sich nicht um eine so mobile Reiterschar, sondern um ein viel weniger bewegliches Lager gehandelt. Ich denke, daß du das einsehen wirst.«
»Natürlich sehe ich es ein, Effendi. Aber wenn das so ist, so wird die Sache ganz anders, als ich es mir gedacht habe. Ich glaubte, wir könnten gleich, sobald wir sie eingeholt haben, unter sie hineinfahren wie zwei Kanonenkugeln in einen Ameisenhaufen, so daß die Erde nach allen möglichen Seiten und Richtungen auffliegt.«
»Das würden wir selbst dann nicht thun, wenn es sich nur um diese vierzig Reiter handelte. Was nützt uns die Wiedererlangung unserer Pferde, wenn wir dabei erschossen werden!«
»Oh, nicht jede Kugel trifft, Effendi!«
»Das ist richtig; aber wenn vierzig Kugeln auf uns abgeschossen werden, so ist es doch sehr wahrscheinlich, daß wenigstens zwei von ihnen treffen. Ich weiß, daß du ein tapferer Krieger bist, der sich selbst vor hundert und noch mehr Feinden nicht fürchtet; aber die Tapferkeit darf nicht in Verwegenheit ausarten. Dem wahren wirklichen Mute steht stets die Vorsicht, die Bedachtsamkeit zur Seite.«
»Richtig, Sihdi, sehr richtig! Ich weiß, was du meinst. Du willst wieder einmal listig sein. Oh, du bist ein Held, ein großer Held; das weiß ich ja, denn ich habe es tausendmal erfahren und gesehen; ich bin mit dabei gewesen, daß du ganz allein und mitten in der dunkelsten Nacht dem Löwen bis an die Mähne gegangen bist; ich bin dabei gewesen, daß du mitten in ein Lager von über tausend feindlichen und über uns ergrimmten Beduinen hineinrittest und sie halb durch den Donner deines Gewehres und halb durch den Schall deiner Stimme besiegtest. Ich habe dich im großen Haufen der Gegner kämpfend stehen sehen wie einen Felsen in der Brandung, wie einen Riesen unter Zwergen, wie einen Elefanten unter krabbelnden Ameisen und hüpfenden Flöhen. Ja, das habe ich gesehen, denn ich bin dabei gewesen und nicht von deiner Seite gewichen. Das Herz ist mir dabei groß und weit geworden, und der Stolz hat mir die Brust geschwellt, denn wenn wir dann als Sieger heimkehrten, so wurden wir empfangen von dem Jubel der Unserigen, von dem Preise der Kamandschat64 und dem Frohlocken der Anfar65; die kleine Nakkara66 sang unser Lob, und die große Tarabukka67 schlug den Takt dazu; die Krieger beneideten uns; die Frauen und Mädchen tanzten den Reigen des Entzückens um uns her, und Hanneh, mein Weib, das beste und schönste Weib der Erde, die duftigste und lieblichste Blume unter allen Blumen der Wiesen, Felder und Gärten, schlug dann im stillen Zelte die Arme um mich, weinte Thränen der Freude und nannte mich ihren Liebling, den einzigen Gedanken ihres Herzens, den Besitzer ihrer Seele und den Sonnenschein ihres Glückes!«
Der gute Halef liebte Hanneh, sein Weib, mit einer seltenen Innigkeit; jetzt, da er an sie dachte, ließ er eine Pause der Rührung folgen. Er sprach sehr gern von unsern Erlebnissen, und wenn er es that, so geschah es in jener orientalischen Weise, welche die Ausschmückung, wenn nicht die Uebertreibung liebt. Er sprach dann gewöhnlich von mir, meinte aber natürlich sich selbst auch mit und war dafür besorgt, daß von dem Lobe, welches er mir erwies, ein wohlgemessener Anteil auf ihn fallen mußte. Ich gönnte ihm das gern, denn er war trotz der Kleinheit seiner Gestalt von einer Furchtlosigkeit, der ich oft einen Dämpfer auflegen mußte, und hatte Gefahren bestanden, die ihm die Bewunderung sogar der an ein bewegtes Leben gewöhnten Beduinen sicherten.
Er fuhr nach einer kleinen Weile fort:
»Ja, so ist es gewesen; so habe ich dich als Held gesehen, den kein Mensch besiegen kann. Aber noch schöner fast und viel lustiger war es, wenn du die Waffen stecken ließest und dich der List bedientest. Was ist die Klugheit von tausend Kurden oder Perser gegen uns, wenn wir einmal den Entschluß gefaßt haben, sie mit den Pistolen des Geistes, den Flinten der List und den Messern der Verschlagenheit zu besiegen! Es mögen die gescheitesten Männer des Sultanreiches kommen, wir überlisten sie doch alle und machen ihnen eine Nase, die von hier bis hinüber nach Mekka und dann wieder zurück bis nach Teheran und Isfahan reicht.«
»So schlimm ist es doch wohl nicht, lieber Halef,« warf ich ein.
»Schlimm nicht, Effendi, aber großartig! Denke nur zurück, was wir durch Schlauheit schon alles erreicht haben! Was kein Mensch für möglich hielt und was wir mit hundert Kanonen nicht erreicht hätten, das haben wir nur durch listige Streiche fertig gebracht. Wenn wir dem Tode so nahe standen, daß ich seinen kalten Hauch schon bis auf die Knochen fühlte und keine Verwegenheit uns retten konnte, dann dachtest du dir einen Kniff aus, der uns aus den Wassern der Hoffnungslosigkeit nach dem Ufer der Erlösung brachte. Wie oft wurden unsere Feinde grad dann auf das ärgste getäuscht, wenn sie bei Allah und dem Propheten darauf geschworen hätten, uns vollständig hintergangen und betrogen zu haben! Wie oft wurden uns verderbliche Schlingen mit einer Geschicklichkeit gelegt, die selbst dich und mich in Erstaunen versetzte; aber wir waren dann doch noch feiner und lachten hinterher über die, die sich über uns ärgern mußten. Wie viele Male haben wir den Vögeln geglichen, deren Beine in der Schlinge stecken und nach denen sich schon die tödliche Hand ausstreckt, um ihnen den Hals umzudrehen; aber deine List hat den Knoten stets noch zur rechten Zeit zu lösen vermocht, und wenn die Hand zuschnappte, sind wir mit dem Nagha el Masgara68 davongeflogen.«
Gezwitscher des Gespöttes, das war gut! Ich mußte lachen. Da sah er mich fast zornig von der Seite an und fragte in scharfem Tone:
»Was giebt es da zu lachen, Effendi? Hältst du das Halsumdrehen für eine so lustige Sache?«
»Das Halsumdrehen nicht, aber das Zwitschern.«
»Spotte nicht! Ich weiß gar wohl, daß Allah weder dir noch mir anstatt des Mundes einen Sperlings- oder Finkenschnabel verliehen hat, und wenn ich mich im Gespräche mit dir der höhern, bilderreichen Kunst der Rede bediene, so thue ich das aus Achtung vor deiner Gelehrsamkeit, die es nicht verdient, von dir verlacht zu werden. Du bist ein großer Held und oft noch größer in der List, hast aber dabei sehr häufig den Fehler, Vorzüge nicht anzuerkennen, die mich, deinen Freund und Diener, über die leeren Köpfe anderer Sterblicher erheben und dir den Beweis geben sollten, daß es Allah außerordentlich gut mit dir gemeint hat, als er es so fügte, daß du mich kennen lerntest!«
Der kleine Hadschi fühlte sich sehr leicht beleidigt, selbst auch von mir. In solchen Fällen pflegte ich zu schweigen, denn sein Zorn verrauchte ebenso schnell, wie er gekommen war, und sein gutes Herz und seine Anhänglichkeit machten es ihm unmöglich, mir etwas nachzutragen. So auch hier. Als eine Weile verging, ohne daß ich sprach, überflog er mein Gesicht mit einem prüfenden Blicke und fragte in besorgtem Tone:
»Was ist mit dir, Sihdi? Du redest nicht, und wir befanden uns doch so schön im Flusse des Gespräches. Habe ich dir weh gethan?«
»Nein. Ich dachte nur über die Vorzüge nach, die dich so hoch über mich erheben.«
»Ueber dich? Das habe ich nicht gemeint; davon habe ich nicht gesprochen, denn alle die Vorzüge, welche ich besitze, hast erst du doch in mir ausgebildet. Drum preise und danke ich Allah täglich in allen fünf Gebeten dafür, daß er mich damals mit dir zusammenführte, als wir uns mitten in der Wüste kennen lernten. Willst du nun wieder gut mit mir sein?«
»Ich bin gar nicht bös auf dich gewesen!«
»Diese deine Worte erquicken mein Herz und erfreuen meine Seele bis dahin, wo sie am tiefsten in meinem Innern liegt. Es kommt sehr selten aber doch zuweilen vor, daß du unzufrieden mit mir bist. Dann fahren mir zehntausend Debabis69 durch mein Gemüt, und es ist mir, als ob im Mittelpunkte der Liebe, die ich zu dir fühle, hunderttausend Kibritat frengija70 brennen. Ich habe dann nicht eher Ruhe, als bis dein Mund wieder lächelt und dein Auge wieder freundlich geworden ist.«
Das mit den Stecknadeln und Zündhölzern war wieder gut! Ich hütete mich aber sehr, mein Lachen von vorhin zu wiederholen.
»Wir sind übrigens,« fuhr er fort, »ganz von dem abgekommen, was wir vorhin sprachen. Du meintest, daß wir nicht Gewalt sondern List gegen diese Kurden anwenden wollen. Hast du dir den Streich, den wir ihnen spielen werden, vielleicht schon ausgedacht?«
»Nein.«
»Aber ein guter Feldherr muß stets schon vorher wissen, welch einen Plan er auszuführen hat!«
»Ich bin kein Feldherr; aber wenn ich einer wäre, würde ich nicht eher einen Plan entwerfen, als bis ich den Feind und alle Verhältnisse, die ihn und seine Absichten betreffen, kennen gelernt hätte. Wenn du ein Pferd kaufen willst, kannst du da, ehe du es gesehen hast, im voraus sagen, wie du es behandeln wirst?«
»Nein.«
»Ebensowenig können wir jetzt schon bestimmen, in welcher Weise wir gegen die Kelhur vorgehen werden. Laß uns übrigens das Gespräch abbrechen, denn ich finde, daß die Fährte nun unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt!«