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Kitabı oku: «Im Reiche des silbernen Löwen IV», sayfa 38

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Sie bildete ein großes, von der Natur mit Bergeszügen abgeschlossenes Viereck, dessen Seiten folgendermaßen besetzt waren: Auf der Westseite, also grad unter uns, die Duardschamikun, die Gewappneten von Schohrd und die verbündeten Taki; auf der Nordseite alle unsere männlichen Festgäste, welche zur rechten Zeit gekommen waren, mit eingreifen zu können; im Osten die nördlichen Dschamikun und die Kalhuran, und im Süden die südlichen Dschamikun mit den Dinarun. Die Einschließung war also außerordentlich exakt und genauso ausgeführt worden, wie der Ustad sie entworfen hatte. Die Schatten befanden sich in der Mitte; keiner fehlte. Sie kamen nicht auf den Gedanken, sich zu einer Phalanx zu vereinigen, um einen Durchbruch zu versuchen, denn dazu waren sie zu feig, sondern sie ritten in getrennten Trupps oder Rudels ganz ratlos hin und her und ließen sich immer enger zusammenschnüren.

Unweit der Stelle, an welcher der Hasenpaß in die südwestliche Ecke der Falle mündete, hatten sich unsere sämtlichen Führer zu einer Beratung zusammengefunden, zu welcher sich soeben auch der Scheik der Kalhuran von dem entferntesten Punkte unserer Aufstellung einstellte. Wir ritten hinab. Es war aber ein sehr steiler Weg, und wir schonten unsere Pferde. Darum kamen wir erst unten an, als diese kurze Besprechung soeben zu Ende war. Der Scheik der Kalhuran, der die Gegend genau kannte, hatte einen Vorschlag gemacht, welcher einstimmig angenommen worden war. Es handelte sich um die beste

Art und Weise, in welcher die Schatten schnell zu entwaffnen und dann leicht zu bewachen seien. Ich fügte da nachträglich den Befehl des Ustad hinzu, ja Niemand entkommen zu lassen. Nun gab es drüben an der nördlichen Seite eine große, weite Felsenkluft, deren Wände so steil und so hoch waren, daß kein Mensch an ihr emporsteigen konnte. Sie war nur durch einen schmalen Riß zugänglich, welcher hier heraus auf unsere Ebene mündete. Die Schatten mußten nach diesem Risse getrieben und dort entwaffnet werden. Waren sie dann in der Kluft, so gab es für keinen Einzigen ein Entrinnen.

Die Anführer kehrten infolge dieses Beschlusses an ihre Plätze zurück, um der Aufstellung die erforderliche neue Gestalt zu geben, was sehr schnell geschehen konnte, weil mehr als genug Platz zu den erforderlichen Bewegungen vorhanden war. Unser bisheriges Viereck verwandelte sich in ein Dreieck, dessen offene Spitze nach der Kluft führte. Als dies geschehen war, wurde der Feind auf diese Spitze zugedrängt. Wir sahen, daß er zögerte, diesem Stoße zu folgen. Es schien, daß er endlich nun einmal den Mut fasse, wenigstens so zu tun, als ob er die Absicht habe, sich zur Wehr stellen zu wollen. Da machte der energische Scheik von Schohrd kurzen Prozeß. Er gebot seinen Gewappneten, blank zu ziehen, setzte sich mit entblößtem Schwerte an ihre Spitze, ritt mit ihnen bis ganz an die Schatten heran und begann zu sprechen. Wir konnten nicht hören, was er sagte, aber es hatte den beabsichtigten Erfolg: Die Hinteren drängten unwiderstehlich nach vorn, und die Vorderen rückten weiter. Da auf der Flucht die vorn Befindlichen niemals die Mutigen sind, so sahen sie sehr vernünftiger Weise ein, wie überlegen wir ihnen waren und daß

Widerstand nichts als nur Dummheit sei. Sie stiegen ab, lieferten ihre Waffen und Pferde aus und verschwanden dann in der Kluft.

Das Beispiel wirkt, und was der Eine kann, das kann der Andere auch! Während wir von den andern Seiten immerfort nachdrängten, gab es auf der Ostseite mehr als vollauf zu tun, die erbeuteten Waffen und Rosse aus der Linie zu bringen. Aber der einzige Zugang zu dem Massengefängnisse war so schmal, daß die Unterbringung der Schatten viel langsamer vor sich ging, als wir es wünschten. Uebrigens nahmen sie ihr Schicksal nicht sehr tragisch auf. Schatten denken ja heut so und morgen so! Als es ihnen mit der Zeit im Sattel zu unbequem wurde, stiegen sie ab und machten es sich auf der Erde gemütlicher. Und wenn dann unsere Leute kamen, um die Pferde wegzunehmen, so bekamen sie die Gewehre, Pistolen und Messer ganz ohne Widerrede obendrein. So kam es, daß wir die Beute schon alle beisammen hatten, als noch fast die Hälfte der Schatten im Freien saßen und darauf warteten, untergebracht zu werden.

Was diese Beute betraf, so hatte der Ustad im Namen sämtlicher Dschamikun auf sie verzichtet. Sie sollte nur unsern Verbündeten zufallen, und diese ernannten sogleich an Ort und Stelle eine Kommission, welche die einzelnen Stücke zu taxieren und gerecht zu verteilen hatte. Das geschah denn auch, und grad als der letzte Schatten in der Ritze der Kluft verschwunden war, hatte auch das letzte ihrer Pferde seinen neuen Herrn bekommen und die letzte ihrer Waffen ihre neue Stelle gefunden. Da war es nun aber auch beinahe Abend.

Die Bewachung der Gefangenen wurde den Kalhuran anvertraut, von deren Scheik man sicher sein konnte, daß er dieser seiner Pflicht genügen werde. Was hier nun noch zu geschehen hatte, konnte mir gleichgültig sein. Darum beschloß ich, heimzureiten, und Dschafar Mirza gesellte sich zu demselben Zweck zu uns. Da sahen wir weit draußen im Osten einen Kamelreiter kommen. Sein Tier war kein gewöhnliches. Es entwickelte eine Schnelligkeit, welche Dschafar zu dem Ausrufe veranlaßte:

»Das kann nur ein Eilbote sein! Vielleicht wieder vom Schah-in-Schah!«

Er hatte ganz richtig vermutet. Wir ritten so, daß der Mann auf uns treffen mußte, und erfuhren da, daß er vom Beherrscher komme und je einen Brief an Dschafar Mirza und an den Ustad der Dschamikun habe. Der Erstere bekam seinen Brief und las ihn sofort. Es war ein langer, schmaler, starkbesiegelter Zettel dabei. Dschafar lächelte, sagte aber jetzt noch nichts. Wir ritten weiter, mit dem Kuriere Schritt haltend. Aber meinem Syrr schien der Geruch des Kamels unangenehm zu sein. Er schüttelte den Kopf wie gegen einen lästigen Mückenschwarm und drängte seitwärts ab. Das half nicht genug. Da bäumte er sich unwillig auf und setzte sich dann in einen Galopp, der mich weit, weit eher als die Andern vor das Zelt Ahriman Mirzas brachte. Der Ustad war noch da. Er sagte, daß er soeben erst mit dem Lesen fertig geworden sei und mir erst morgen mitteilen werde, was er hier so ganz unerwartet gefunden habe. Ich erzählte ihm, in welcher Weise die Schatten entwaffnet und untergebracht worden waren, und dann kam der Kurier, welcher das Schreiben abgab.

Es war inzwischen so dunkel geworden, daß wir im Zelte Licht anbrannten, damit der Ustad es lesen könne. Es enthielt zwei Bogen, beide mit dem Siegel und der eigenhändigen Unterschrift des Beherrschers. Den einen gab er mir mit dem Bemerken, davon Gebrauch zu machen, sobald es mir beliebe. Es war – – – die volle, bedingungslose Begnadigung des Aschyk. Den andern steckte er ein, ohne jetzt schon über seinen Inhalt zu sprechen. Es war ihm zunächst um den Transport der Truhe zu tun, die er unmöglich hierlassen könne. Es sei nicht nur Wahnsinn, sondern geradezu Verrücktheit, derartige Papiere nicht besser aufzubewahren als der Prinz. Da erbot sich der Kurier, die Truhe mit auf sein Kamel zu nehmen. Er mußte ja mit nach dem Duar, um dort zu warten, bis der Bericht des Ustad und die Antwort Dschafars fertig waren. Sie wurde ihm hinaufgegeben und oben festgebunden, und dann ritten wir heim.

Heim! Ja, es ist Heimatsgefühl, welches mir dieses Wort aus der Feder fließen läßt. Wer sich bei guten Menschen nicht daheim fühlt, für den gibt es überhaupt keine Heimat, weder hier noch dort. Er hat sie sich erst zu – – – ersühnen! Und wer da nicht weiß, daß es auch geistige und seelische Stätten gibt, welche köstlicher und heiliger sind als jedes irdische Vaterhaus, der ist ärmer als selbst der Bettler, dem die kleinste Herberge einen Platz zum Ruhen gewährt. Zu so einer heiligen Stätte war mir das Haus des Ustad geworden, und der Duar hier im Tal zu einem Wohnsitz von lieben Verwandten. Darum war der Tag ihrer Befreiung von Schatten und Schemen nicht bloß für sie, sondern auch für mich ein Freudentag, und ich horchte froh auf, als jetzt ganz da vorn eine krachende Salve von allen Kanonen ertönte und mit ihrem Donner die Feuer der Höhen erweckte.

Wir ritten langsameren Schrittes, um den sich entwickelnden Anblick hastlos zu genießen. Da stiegen zuerst drüben am Beit-y-Chodeh die Flammen auf, als ob dort ein Jesaias stehe, der sein »Mach dich auf, und werde Licht!« in Feuergluten erschallen lasse. Und das ganze Tal gehorchte; die Berge »machten sich auf«, und auf allen Höhen »wurde Licht«. Und hoch über diesen Bergen zündete auch das Firmament jetzt seine Leuchten an und ließ »das Licht von oben« niedersteigen. Die Alabasterkrone erschien, uns im Sternenscheine gezeigt, als ob sie der Erde vom Himmel entgegengestreckt werde, weit hinaus in das Dunkel der Bergestiefe ragend. Da machte sich auch dieses Dunkel auf, gehorsam zu sein. Es begannen Fackeln zu leuchten, von fröhlichen Kindern im Duar herumgetragen. Hierauf strebten auf der stehengebliebenen, vordern Cyklopenmauer, zu beiden Seiten des heut entstandenen Kirchenplatzes, zwei gewaltige Flambeaus in die Höhe, von mächtigen Holzstößen erzeugt, welche Schakara hier hatte aufhäufen lassen, um den Bereich der Vernichtung zu illuminieren. Das gab eine solche Fülle von Licht und tagesähnlicher Helle, daß die Finsternis enteilte und, sich in ängstlich zitternde Schatten auflösend, an der Bergwand emporkletterte. Und mitten aus diesem häßlichen, zappelnden Schreck trat in erhabener Schönheit und imponierender Ruhe die makellose, herrliche Gestalt des Gebetes hervor, einer Offenbarung gleich, einer Manifestation der frohlockenden Menschheitsseele. Der Eindruck dieser Erscheinung war so unmittelbar packend und so unwiderstehlich, daß der Ustad sein Pferd anhielt, auch dem meinigen in den Halfter griff und, aber nur leise, sagte:

»Halt – – warte! Laß die Andern fort; sie stören!«

Sie ritten weiter. Wir aber stiegen ab und standen lange, lange, in die Gedanken versunken, oder richtiger, die Gedanken förmlich atmend, mit denen uns die Seele des aus dem Fluche erlösten Gegners überflutete.

»Mein liebes, kleines, längst gewünschtes Kirchlein!« unterbrach der Ustad endlich und tief aufatmend unser Schweigen. »Nun kann und darf ich dich wohl endlich bauen! Ich habe nichts, gar nichts hinwegzuräumen vom Platze, den ich mir dachte; ein Anderer tat es für mich. Die Wasser der Bassins sind in den See gewichen und werden dort verbleiben. Die versunkenen Quader geben mir den allerbesten Grund. Die riesigen Würfel und Rundstücke zu den Pfosten und Säulen der Halle sind zwar aus dem Neuen herzustellen, doch ist hier überall das reichste Material dazu vorhanden. Aufs leere Postament wird dieses Bild gehoben, und wenn dann meine Dschamikun begreifen, daß Beten eine Kunst, und zwar die allerhöchste ist auf Erden, obgleich Natur sie schon den Kindern lehrt, so ist die Einsicht und Erkenntnis da, selbst mit dem kleinsten Kirchlein gern fürlieb zu nehmen. Schon sehe ich den Ort der Andacht ragen, der zeigen soll, wie groß, wie groß der Herr, wie aber winzig, winzig klein das arme Menschlein ist. Schon höre ich dort am Berg die Glocken hell erklingen, die übers ganze Tal – – horch!«

Er hielt inne, denn hinter uns waren die Freudensalven zu hören, mit denen die heimkehrenden Krieger den im Widerscheine der Flammen strahlenden See und den schimmernden Duar begrüßten: Darum schwangen wir uns wieder auf und eilten, den letzteren zu erreichen. Wir hielten dort gar nicht an, sondern ritten direkt hinauf zum Hause. Noch vor dem Tore holten wir Dschafar und Kara mit dem Kurier und dem Aschyk ein, die sich unten etwas verweilt hatten. Im Hofe angekommen, wurden wir von der noch immer hier postierten Besatzung mit Jubel begrüßt und erfuhren, daß die Katastrophe auf dieser Seite des Berges nicht den geringsten Schaden angerichtet habe. Der Kurier wurde diesen Leuten als Gast übergeben. Der Ustad ließ die Truhe nach seiner Wohnung tragen und folgte auf dem Fuße hinterher, so wichtig war sie ihm. Dschafar ging nach der seinigen, um sich umzukleiden, denn wir hörten, daß ein festlicher Schmaus für uns und die sämtlichen Anführer vorbereitet werde. Kara eilte zu Vater und Mutter. Er wollte zwar vorher die Pferde besorgen, doch nahm ich das auf mich; der Aschyk half mir dabei.

Als wir sie durch den Hof und nach der Weide führten und dabei an der offenen Küche vorüberkamen, sah ich, daß da drin die in der Kochkunst wohlerfahrene Frau des Chodj-y-Dschuna als heutige Gebieterin waltete. Sie hatte das große Werk übernommen, den Hunger aller unserer Diplomaten und Feldherren zu befriedigen. Schakara‘s Aufgabe aber war gewesen, »die prunkende Tafel zu decken«. Da ich sie nicht sah, so vermutete ich sie in der Halle, wo gegessen werden sollte.

Ich überließ die andern Pferde dem Aschyk, versorgte nur Syrr und ging dann hinauf zu mir, nicht durch das Haus, sondern von außen. Noch hatte ich die Plattform nicht erreicht, so sah ich Schakara, welche oben an den Stufen stand, mich zu begrüßen. Wie kam es doch, daß wir einander nur die Hände reichten und nichts dazu sagten? Sie zog mich zur Balustrade und zeigte hinab, auf das Gebet. Wir sahen es von hier aus in noch vollerer Gestalt als von unten, auch den Sockel. Warum erschien es mir jetzt noch schöner, erhabener und eindrucksvoller als vorher? Ich faltete die Hände. Da fragte Schakara:

»Effendi, kennst du die Sage von Chodeh, dem Eingemauerten?«

Schon wollte ich antworten: »Du hast sie mir ja selbst erzählt!« Aber ihr Gesicht stand im alabasternen Schimmer des Gebetes, und da sah ich, daß sie schalkhaft lächelte. Darum blieb ich still. Nach Kurzem fragte sie abermals:

»Effendi, kennst du die Sage von dem verzauberten Gebete?«

Natürlich antwortete ich auch dieses Mal nicht. Da fuhr sie fort:

»Bevor du kamst, stand ich hier und dachte darüber nach, ob diese beiden Sagen wohl ganz dasselbe meinen. Ich glaube, ja. Und wenn das richtig ist, so habe ich den Berg gefunden, den ich suchte.«