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Kitabı oku: «Im Reiche des silbernen Löwen IV», sayfa 36

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»Der Chandschar ist verloren, und so sei es denn dieser Satan auch! Ihr habt ihn gewannen. Wohlan, da nehmt ihn hin! Aber nur als Aas für den Schinder!«

Er zog die Doppelpistole aus dem Gürtel, spannte die Hähne, hielt die Läufe an die zwischen den Nickwirbeln liegende Stelle und gab die beiden Schüsse rasch hinter einander ab. Er hätte jetzt schnell abspringen müssen, war aber in seinem Rachedurste für die Vorsicht blind. Der Iblis zuckte unter den Kugeln. Das übriggebliebene Auge schloß sich; der Kopf sank niederwärts, und die Kniee schienen brechen zu wollen. Da aber sammelte sich seine sterbende, dämonische Kraft. Er warf den Kopf empor, ging mit allen Vieren in die Luft, faßte wieder Boden, warf sich aus freier Hand grad auf den Rücken, sprang wieder auf und packte den nun an der Erde liegenden Peiniger mit den Zähnen, und zwar am Kopfe, dessen oberer Teil in dem weit, weit geöffneten Rachen ganz verschwand. Dabei überkam ihn ein Zittern, welches über seinen ganzen Körper lief. Den Kopf des Prinzen festhaltend, brach er zusammen – – – er war tot!

Man eilte hin. Die schreckliche Gruppe war vor den hilfeleistenden Menschen für einige Zeit nicht zu sehen. Dann teilte es sich. Man hatte Ahriman aus den Zähnen der verendeten Bestie befreit. War es Besinnung oder etwas Anderes, daß er sich aus seiner Ohnmacht halb aufrichtete, um zu sprechen? Er hob die geballte Faust empor, schüttelte sie und rief:

»Mein Kopf, mein Kopf! Immer nur mein Kopf, mein Kopf! Das war der Chodem wieder, der Chodem, der mich aufgegeben hat! Ich soll verrückt werden, verrückt, verrückt! Ich habe gekämpft mit ihm – – – von der »Mauer der Vergeltung« an bis hierher! Vergeblich!

Er empörte den Teufel gegen mich – – – er warf mich unter ihn nieder – – – er faßte mein Gehirn mit des Satans Zähnen – – – der Biß ging durch und durch – – – durch den Geist und durch die Seele – – – es ist aus; es ist aus; es ist aus!« Mit einer letzten, großen Anstrengung aufspringend, schrie er, indem seine Stimme überschnappte: »Freut Euch, Ihr Dschamikun, denn hört, was ich Euch sage – – – der Fürst der Schatten ist von jetzt an nur ein Aas – – – ein verwesendes Aas für den Schinder – – – genau wie der Satan hier – – – schleppt uns fort; schleppt uns fort – – – alle Drei, alle Drei – – – nicht nur die Aase, sondern auch den Verrückten!«

Er ließ den erhobenen Arm sinken, schüttelte sich wie vor innerem Grauen und fiel dann, wieder ohnmächtig, auf den scheckigen Kadaver des Teufels nieder. Auch uns graute; wir wendeten uns ab. Schakara‘s Augen aber strahlten in glänzender Freude. Sie reichte mir den gewonnenen Chandschar des Mirza und sagte:

»Nimm sie hin, die Waffe der Feinde, die sich von nun an nur gegen sie selbst zu richten hat! Sie ist in unsere Hand geraten, doch wollen wir den Frieden. Stecke sie in die Scheide! Nimmt man diesen Frieden aber nicht an, so fährt sie wieder heraus. Dann aber gibt es kein spielendes Rennen wie heut, nur um dem Volke den Satan figürlich zu zeigen, sondern wir machen das Spiel zum tödlichen Ernst! Wen unser Rennen nicht warnt, weil er den Geist nicht besitzt, zu begreifen, was es bedeutet, der treibe die Feindschaft weiter, sich selbst zur schließlichen Schande!«

Man räumte den Teufel aus dem Wege und schaffte auch Ahriman fort. Als ich nach den Sitzen der Khanum Gul und des Scheik ul Islam hinüberschaute, waren Beide verschwunden. Die gewonnenen Pferde wurden in Sicherheit gebracht, doch verständigte der Ustad den Scheik der Dinarun und den Takikurden Ibn el Idrak davon, daß sie heut Abend die ihrigen und ebenso auch ihre Kamele heimlich zurückbekommen würden. Die Gegner wurden von jetzt an unsichtbar, einer nach dem andern. Es versteht sich von selbst, daß wir uns unseres Sieges freuten, am meisten aber wohl mein kleiner Hadschi Halef. Er strahlte geradezu vor Glück. Sein Kara ein mehrfacher Sieger! Und gar auch Hanneh, die »lieblichste Blume der Frauen«, ein großes Rennen gewonnen! Das ging ihm über Alles, was er bisher erlebt hatte, sogar auch über das Ehrengewand vom Beherrscher des persischen Reiches!

Großen Jubel gab es, als die Kärna ertönte und dann der Ausrufer verkündete, daß jetzt das gestern verregnete, lustige Rennen beginnen werde. Während dieses vorbereitet wurde, trat die Dschemma mit den Preisrichtern zu einer schnellen Beratung zusammen, um noch mehrere bedeutende, aber friedliche Rennen zu veranstalten, zu denen sich nur Freunde melden durften. Kara bat mich hierzu um den Assil und bekam ihn natürlich sehr gern. Ich aber ritt den Syrr nach Hause, nicht ohne befriedigt über die Worte zu sein, welche Dschafar mir mitgab. Er hatte nicht gewußt, daß Syrr mir gern gehorchte, und war daher auf das Heftigste erschrocken, als ich den Glanzrappen gegen den Teufel stellte. Umso größer aber war nun sein Entzücken über den Sieg, und er nahm sich vor, dem Beherrscher sehr ausführlich Bericht zu erstatten.

Es war rührend, wie wohl sich Syrr fühlte und wie deutlich er seine Freude äußerte, als er aus der Menschenmenge herauskam. Auch ich bin am liebsten allein, und so beschloß ich, bei ihm zu bleiben und mir die nun noch folgenden Ereignisse des Tages von oben anzuschauen. Auf der Pferdeweide angekommen, sattelte ich ab, gab ihm Wasser und Gerste, holte ein Gericht Aepfel für ihn und setzte mich neben ihn dahin, wo ich eine gute Aussicht über das Tal hatte. Später gesellte sich Schakara zu mir. Um es kurz zu machen, sei gesagt, daß der Ustad mit der Sahm einen Preis gewann und Kara mit Assil und Ghalib auch je einen. Das war mehr als genug.

In und bei den zwei herrschaftlichen Zelten drüben in den Ruinen war es während des ganzen Nachmittages sehr still. Der Scheik ul Islam ließ sich nicht sehen und die Khanum Gul auch nicht. Hier und da ritt ein Bote zwischen ihnen und Ahriman Mirza hin und her. Das Gefolge schien nach auswärts gegangen zu sein, jedenfalls um bei der Vorbereitung zu der morgenden Umzingelung mit tätig zu sein.

Gegen Abend kam der Ustad und fragte mich, ob ich ihn zu einer genauen Wiederholung unsers Sonntagsrittes begleiten wolle. Es gelte aber heut nicht, die Posten zu revidieren, sondern die erwähnte, berühmte Umzingelung wieder zu umzingeln. Ich war natürlich sofort und gern bereit. Syrr wurde von Neuem gesattelt, und dann ging es, der Ustad auf der Stute, abermals den Berg zum Alabasterzelte hinan.

Als wir da oben ankamen, blieben wir betroffen, ja beinahe erschrocken halten. Die Wucht und Masse des gestrigen, langen Regens war hier von unheilvoller Wirkung gewesen. Sie hatte das ganze Erdreich von der zurückliegenden Bergkuppe herabgeschwemmt und, mit schweren Steinen vermischt, in eine Art von Moräne verwandelt, welcher das abschüssige Terrain keinen Stillstand erlaubte. Man sah an der glatten Bahn dieses Rutsches ganz deutlich, welchen Weg er bereits zurückgelegt hatte. Es war zwar noch ziemlich weit von ihm bis zu dem schon wiederholt erwähnten, gefährlich lockern Steingeröll; aber wenn er es erreichte, so mußte sein Druck sofort die Katastrophe herbeiführen, welche der Ustad am Sonntage nicht nur erwähnt, sondern sogar befürchtet hatte.

Jetzt freilich war hier nichts zu unternehmen, denn der Abend nahte schon; aber für morgen früh nahm sich der Ustad vor, dem Weiterschreiten der Moräne schnellsten Einhalt zu tun. Wir mußten von hier oben fort, um noch vor Nachts hinüber auf die Nordebene zu kommen. Das gelang uns auch.

Genau an derselben Stelle, wo wir den Boten von Marah Durimehs Hilfstruppen gefunden hatten, erwarteten uns diese, angeführt von dem unternehmenden Scheik von Schohrd, der sich herzlich freute, mich wiederzusehen. Seine Truppen waren mehr als genügend, die Ultra-Taki von hinten zu packen. Er erhielt die nötigen Weisungen für alle möglichen Fälle und dazu das Versprechen, daß wir ihm den uns freundlich gesinnten Taki Ibn el Idrak schicken würden. Dann ritten wir weiter.

Im Norden standen die dortigen Dschamikun nicht mehr zerstreut, sondern schon festgeschart. Sie hatten Fühlung mit dem Scheik von Schohrd und mit den Kalhuran im Osten. Als wir diese erreichten, fanden wir sie in zwei Treffen geteilt, um die von den Kundschaftern bereits erspähten Massaban und Schatten hindurchzulassen und sich dann hinter ihnen wie zwei Torflügel zu schließen.

Im Süden freuten wir uns über die dortlagernden Dinarun, die sich so schnell aus Feinden in Freunde verwandelt hatten. Ihr Scheik war soeben bei ihnen angekommen, hatte ihnen Alles erzählt und war soeben dabei, ihnen auch zu sagen, daß er die verwetteten Pferde und Kamele bereits zurückerhalten habe, und zwar unter Aufsicht des Pedehr, dem dies von dem Ustad übertragen worden war. Als wir ihnen mitteilten, daß es besten Falles gar keinen Kampf geben werde, versicherten sie uns, daß dies ganz gegen ihre Absicht sei, da sie wünschten, uns ihre Freundschaft durch die Tat beweisen zu können.

Wir brachten sie in Fühlung mit den südlichen Dschamikun, die sich im Rücken der Taki und mit dem Scheik von Schohrd zu verbinden hatten. So war unser Ring also geschlossen, mit Ausnahme der Durchzugsstelle für die Massaban und Schatten. Wenn sie so töricht waren, diese Tür zu benutzen, so gerieten sie in eine Falle, aus welcher es kein Entrinnen gab!

Es war mitten in der Nacht, als wir heimkehrten, und doch wartete Schakara auf uns. Sie sagte, sie habe vor Sorge nicht schlafen können, um uns eine Beobachtung mitzuteilen, die vielleicht sehr wichtig sei. Sie war, ehe sie sich zur Ruhe legen wollte, noch einmal zu den Pferden gegangen und hatte sie in einer ganz auffälligen Unruhe gefunden. Besonders waren die Tiere nicht dazu zu bewegen gewesen, sich zu legen. Das deutete auf irgend eine Gefahr, die unter ihnen in der Erde lag. Schakara dachte nach, und indem sie so still dastand und sann, hörte sie, scheinbar unter ihren Füßen, ein dröhnendes Geräusch, dem ein fortrollendes Donnern und Beben folgte. Das machte sie besorgt, und darum beschloß sie, nicht schlafen zu gehen, bevor sie es uns mitgeteilt habe.

»Wir müssen hinunter« – – – »in das Bassin!« sagte der Ustad und sagte auch ich, beide wie aus einem Munde. Wir holten Fackeln und begaben uns, begleitet von Schakara, die nicht ohne uns bleiben wollte, nach dem Landeplatze, stiegen in das Boot und ruderten nach dem Kanale. Es gab keinen Menschen, der uns sah. Weil der Ustad auch schon hier gewesen war, wußte er Bescheid. Wir bemerkten sofort, daß das Wasser in Folge des langen, bedeutenden Regengusses viel höher stand als früher. Die Ranken waren hier oben dichter; sie ließen uns nur schwer hindurch. Dann brannten wir sogleich zwei Fackeln an und stakten und ruderten uns durch den Kanal in das vordere Becken.

Heut konnten wir die Decken über uns erkennen, wohl wegen des Wasserhochstandes. Diese Flut mußte drücken und heben. Gleich an der ersten Säule sahen wir, daß an ihrer Basis ein großes Stück ausgewuchtet worden war; oben aber prasselte es. Dennoch wagten wir uns weiter. Es bröckelte überall, und zwar in beängstigender Art und Weise. Stein auf Stein fiel klingend oder gluchzend in die Flut. Es war wirklich verwegen, nicht umzukehren! Wir kamen dahin, wo die Säule mit dem Gerippe gestanden hatte. Sie war verschwunden. Nur der untere Stein stand noch, mit dem Skelett darauf. Von hinterher kam ein Aechzen, Knarren und Prasseln. Schakara war bisher still gewesen, überwältigt von der unheimlichen Schrecknis dieser Unterwelt; jetzt aber schrie sie auf und bat uns, Gott ja nicht länger zu versuchen, sondern sofort umzukehren und zu flüchten. Wir taten es, ohne erst noch nachzusehen, ob vielleicht nicht nur diese eine, sondern noch mehrere Säulen zusammengestürzt seien. Die Folge sollte zeigen, daß dies sehr wahrscheinlich der Fall gewesen war.

So standen wir also zwischen zwei drohenden Gefahren: Oben am Alabasterzelte rückte die Moräne vor, und unter uns brach das Innere der Erde zusammen. Glücklicher Weise lag sowohl der Duar als auch unser Haus mit dem Garten und dem Weideplatze zwar nahe, aber doch außerhalb des Bereiches der beiden Katastrophen, von denen nur die Ruinen betroffen werden konnten! Wir waren weder Geologen noch Architekten von Fach, aber es stand dennoch für uns außer allem Zweifel, daß kein Leben bedroht sei außer demjenigen, welches sich von jetzt an noch in das alte Gemäuer wagte.

Darum ließ der Ustad gleich in der Morgenfrühe den Zutritt zu den Ruinen allgemein und bei hoher Strafe verbieten. Auch schickte er Boten nach den beiden Zelten hinüber, um die Bewohner derselben zu warnen. Man ließ ihm aber antworten, daß man die feindseligen Gründe dieser albernen Warnung kenne und über sie nur lache! Hierauf stieg eine Menge Arbeiter zum Alabasterzelte hinauf, um den Absturz der Erd- und Steinmassen zu verhindern. Da sandte uns der Scheik ul Islam ein Stück Papier, auf welchem folgende Zeilen standen:

»Gebt Euch keine Mühe, weder von oben noch von unten! Wir glauben keinen Lügen! Wir halten die Ruinen fest bis morgen; dann werden Alle gehen, die nicht hierher gehören! Hierauf mein Wort als Scheik ul Islam!«

Was unsere Festgäste betrifft, so hatten alle, denen nicht zu trauen war, sich wohlweislich entfernt. Von den andern aber fiel es keinem ein, den Ustad zu verlassen. Sie verhielten sich so, als ob sie vollständig ahnungslos seien, waren aber alle sehr wohl unterrichtet und warteten mit Ungeduld auf den nächsten Morgen, der die scheidung zu bringen hatte. Im Verlaufe des Nachmittages kamen Boten zu verschiedenen Zeiten, und als es dunkel geworden war, brachte der letzte von ihnen die Nachricht, daß die Massaban und Schatten in die Falle gegangen seien.

Was die Taki betrifft, so hatte sich Ibn el Idrak schon früh bei dem Ustad eingestellt, um sich mit ihm für Weiteres zu besprechen. So sehr dieser Stamm an seinen alten Vorurteilen hing und so von Allah bevorzugt sich die Angehörigen desselben betrachteten, dieser vermeintlichen Ueberlegenheit ein blutiges Opfer zu bringen, zumal so friedfertigen Nachbarn gegenüber, das erschien ihnen doch als zuviel verlangt. Nur die kleine, halsstarrige Corona, welche sich in den Strahlen des Scheik ul Islam sonnte, hielt fest zu ihm, sonst aber Niemand weiter. Und diese Verblendeten waren es auch, die in den geheimen Gang eindringen sollten, um uns zu überrumpeln. Der Ustad beschloß, sie trotz alledem zu schonen, aber sie in diesem Gange derart festzustopfen, daß sie sich nicht zu rühren vermochten. Ibn el Idrak war hiermit außerordentlich gern einverstanden und ritt dann fort, um den Scheik von Schohrd aufzusuchen. Infolge dessen gingen bei Anbruch des Abends zwei Abteilungen Dschamikun heimlich ab, die eine um von außen her bis zur Hälfte des Ganges vorzudringen, ihn zu verstopfen und sich hinter dieser Barrikade aufzustellen. Der hierzu bestimmte Punkt war natürlich so gewählt, daß ihn keine der beiden zu erwartenden Katastrophen berühren konnte. Die andere Abteilung sollte die Feinde alle eindringen lassen und dann den Ausgang besetzen, um ihnen die Rückkehr unmöglich zu machen. Wenn dies gelang, konnten die Eingeschlossenen keine andere als nur noch eine höchst lächerliche Rolle spielen, und es sei gleich hier sagt, daß es so gut gelang, wie es gar nicht besser gelingen konnte.

Hiermit waren diese Feinde also kaltgestellt, und es handelte sich nur noch um die Massaban und Schatten, vor denen es uns ebenso wenig bange wie vor Jenen war, denn wir hatten sie ja fest und konnten sie erdrücken, sobald es uns beliebte.

Man hatte während des ganzen Tages wieder Reisig und Holz auf sämtliche Häupter und Vorsprünge der Berge geschafft. Wie das Fest mit einer Höhenbeleuchtung begonnen hatte, so sollte es auch mit einer solchen enden. So wurde gesagt. Die Eingeweihten aber wußten, daß das Aufflammen dieser Feuer für die Umschließung der Feinde das Zeichen sei, daß die Entscheidung einzutreten beginne. Nur eine einzige Stelle war von dieser Bedeutung ausgenommen, nämlich die Kuppe des Alabasterzeltes. Man hatte dort den ganzen Tag sich mit der größten Anstrengung bemüht, der Moräne Stillstand zu gebieten, doch ohne den gewünschten Erfolg. Sie war trotz aller künstlichen Hemmnisse weiter und weiter vorgerückt, um die vorlagernden Geröllmassen zu ergreifen. Das verheerende Schicksal von oben war also mit Gewißheit zu erwarten, doch sah man sich außer Stande, die Zeit genau zu berechnen. Darum standen nun Wächter oben, welche die dortigen Holzhaufen anzubrennen hatten, sobald der gefährliche Augenblick im Nahen sei. Das war es, was die Feuerzeichen von diesem Punkte aus zu sagen hatten.

In Erwartung aller dieser Dinge versicherten wir uns unserer Pferde, welche in das Gewölbe gebracht wurden. Auf der ganzen Breite der Pferdeweide standen Posten, um uns von den Ruinen abzuschließen. Im Hofe etablierte der Ustad eine Art Hauptquartier, zu welchem alle geltenden Personen gehörten, doch aber nicht Ibn el Idrak und die Scheike der Dinarun und Kalhuran, welche sich bei ihren Stämmen befanden und genau wußten, wie sie zu handeln hatten. Je weiter der Abend vorrückte, umso stiller wurde es unten im Tale. Alle Dschamikun verließen den See und stiegen bergauf in die Höhe. Die Schatten sollten kommen dürfen, ohne den geringsten Widerstand zu finden. Aber der Duar selbst blieb umso schärfer besetzt, an jeder Flanke sechs Kamelkanonen, um den Zugang von beiden Seiten des Sees her zu bestreichen. Schon diese Geschütze allein genügten, den Schatten ihre Ohnmacht gegen uns zu beweisen. Die übrigen acht waren zu beiden Seiten des Sees auf dominierende Punkte verteilt, von denen aus wir mit ihnen die ganze Rennbahn beherrschten. Für den Bedarfsfall hatte der Ustad eine Menge von Fackeln verteilen und anfertigen lassen, und draußen am Ende des Sees lagen Späher versteckt, um das Zelt Ahrimans zu beobachten und uns das Erscheinen der Massaban zu melden. Er wollte ja mit diesen die Ruinen besetzen, und so waren sie viel früher als die Schatten zu erwarten.

Als wir die Zeit dazu gekommen glaubten, gingen wir hinunter in den Duar und erfuhren dort, daß der Pedehr so gewissenhaft gewesen war, die Bewohner der Zelte noch einmal zu warnen, und zwar in eigener Person, von ihnen aber ebenso höhnisch abgewiesen worden war wie die vorherigen Boten. Damit hatten wir den Pflichten der Menschlichkeit genügt. Auf dreimaliges Vermahnen nur Spott; mochte für sie nun kommen, was da wollte!

Am Himmel waren die Sterne verschwunden, nicht etwa infolge von Regenwolken, sondern es schien, als habe er sich in einen dichten, undurchdringlichen Schleier gehüllt, um nicht sehen zu müssen, was sich hier unten ereignen werde. Es nahte eine zwar nicht vollständig dunkle, aber fahl obskure Mitternacht, so recht geeignet für Schemen, Phantome und Chimären. Auf dem See bildeten sich Nebel. Sie lagen erst in unbestimmten Umrissen auf dem Wasser. Dann lösten sie sich von ihm, um sich in einzelnen Fetzen aufzurichten und zu individualisieren. Hierauf verdichteten sie sich zu allerlei gespenstischen Gestalten und trachteten dem Lande zu, um, feucht und kalt, wie Geister von Ertrunkenen, sich auf uns zuzuschleichen.

Da tauchte aus ihnen einer der Späher auf und teilte uns mit, daß die Massaban bei Ahriman Mirza angekommen seien. Und bald darauf stellte sich ein zweiter mit der Nachricht ein, der Mirza habe sich an ihre Spitze gestellt und komme mit ihnen anmarschiert, doch leise, ohne Pferde, wie es seine Absicht ja erfordere. Der Ustad wiederholte seine für diesen Fall schon vorher gegebene Weisung, sich so weit zurückzuziehen, daß man nicht bemerkt werden könne, und den Heranschleichenden den Weg nach den Ruinen vollständig freizugeben.

Es dauerte nicht lange, so kamen sie, von den Nebeln gedeckt, die aber auch uns ihnen verbargen. Sie glaubten den Duar im friedlichen Schlafe und zogen vorüber, ohne daß Etwas geschah, was ihnen diesen Glauben benahm. Wir kehrten also in unsere vorherige Stellung zurück. Einige Zeit später erklang in den Ruinen über uns ein lauter, aber kurzer, abgerissener Schrei. Hierauf war es, als ob jemand mit unterdrückter Stimme irgend Etwas kommandiere. Dann war es wieder still.

So ungefähr eine Stunde nach Mitternacht erfuhren wir, daß die Vorhut der Schatten von den Pässen her nahe und draußen in der Ebene halte, um die ganze Horde herankommen zu lassen; die Unteranführer des Mirza seien ihnen entgegengeritten, um sie dann nach dem See zu führen. Und nach einer längeren Pause meldete man uns von der andern Seite des Berges, daß die Ultra-Taki in das Garn gegangen seien und nun in dem Gange stäken, ohne rück- oder vorwärts zu können; Ibn el Idrak aber habe die ganze Vollzahl der verständigen Taki zu dem Entschlusse gebracht, sich dem Scheik von Schohrd anzuschließen und gegen Morgen bei uns einzutreffen.

Dieser Bote hatte sich eben entfernt, so kam Jemand, an den wir jetzt am allerwenigsten gedacht hätten, nämlich der – – – Aschyk. Er war oben im Hause gewesen, um uns zu sprechen, und hatte erfahren, wo wir uns befanden. Was er uns mitteilte, war noch interessanter als sein völlig unerwartetes Erscheinen.

»Ich bin öfters bei Euch gewesen, als Ihr denkt,« sagte er, »und von Allem sehr gut unterrichtet. Der Scheik ul Islam hat mich bis heut als seinen Spion betrachtet, der sich in Euer Vertrauen geschlichen habe, um Euch an ihn zu verraten. Darum erntet er aber nun selbst das Unkraut, welches er für Euch säete! Ich war oben auf dem Berge und habe mich überzeugt, daß die Lawine nicht mehr zu halten ist. Ich hielt es für meine Menschenpflicht, es ihm zu sagen, damit er sich entfernen möge. Da lachte er mich aus. Ja, er wurde sogar mißtrauisch, von mir dieselbe Warnung zu hören, wie von Euch, doch durfte ich bei ihm bleiben. Er wanderte unruhig zwischen seinem Zelte und dem Allerheiligsten hin und her, um nachzusehen, ob seine Taki durch den Gang angekommen seien. Sie stellten sich aber nicht ein. Auch seine Bedienung habe ich gewarnt. Sie steht auf dem Sprunge, sich zu retten.«

»Und sein Gefolge?« fragte ich. »Der Heilige, der Selige, der Imam und die Generale!«

»Die sind bei den Taki geblieben und bleiben auch dort, bis der Kampf vorüber ist.«

»Das ist ja höchst bezeichnend!« sagte der Pedehr, der bei uns stand. »Früchte auflesen, aber ja nicht mit schütteln! Wie leicht könnte eine treffen, vielleicht gar eine faule! Sprich weiter! Hast du die Khanum Gul gesehen?«

»Nicht nur gesehen, sondern sogar mit ihr gesprochen. Diese beiden Personen verkehren notgedrungen sehr höflich miteinander, hassen sich aber grimmig. Sie glaubt ebenso wie der Prinz, daß ich der Schatten des Scheik ul Islam sei, und schmeichelt mir, um Gefährliches über ihn zu erfahren. Das zwingt sie, auch ihrerseits mitteilsam gegen mich zu sein, und so werde ich von beiden Seiten unterrichtet, ohne diesen Unterricht selbst bezahlen zu müssen. Mit heut ist aber hierin eine Aenderung eingetreten. Die Khanum Gul hat mir nämlich den Antrag gestellt, in ihren Dienst zu treten. Sie sagte, es gehe mit dem Scheik ul Islam zu Ende, und sie werde mir die beste Garantie für meine Zukunft geben, falls ich geneigt sei, Alles zu sagen, was ich über ihn wisse. Das war gegen Mitternacht, denn sie hatte mich für diese Zeit zu sich bestellt, weil sie da Ahriman bei sich erwarte. Er kam, aber nicht allein, sondern mit den Massaban. Als er hörte, worüber wir verhandelt hatten, forderte er mich auf, sofort mit ihm zu gehen, um bewiesen zu sehen, daß es besser für mich sei, zu ihm und zur Khanum Gul, als zu dem Scheik ul Islam zu stehen, der sich grad eben in seinem Zelt befand. Er ließ dieses von den Massaban umzingeln und trat mit den Anführern hinein. Ich durfte mit. Da ich die Unterredung dieser beiden Männer im Allerheiligsten mit belauscht hatte, ahnte ich, was es nun für eine Szene geben werde, und wie ich dachte, so geschah es auch: Der Fürst der Schatten nahm den Scheik ul Islam beim Genick, nicht nur bildlich, sondern auch wörtlich, und schüttelte ihn so lange ab, bis auch der letzte Rest von Hochmut herausgeschlottert war. Dann warf er ihn hin und befahl, ihn auf das Strengste hier zu bewachen, bis der Kampf vorüber sei, und ihn dann zur weiteren Bestimmung vorzuführen. Natürlich trat er während alles Dessen, was ich erzähle, nur als Ahriman Mirza, nicht aber als der Fürst der Schatten auf und gab kluger Weise zu ahnen, daß dieser Letztere sich bei den heranziehenden Sillan befinde. Er ließ hierauf das Allerheiligste besetzen, um die Taki nicht in die Ruinen zu lassen, und kehrte dann nach dem Zelte zurück. Ich hatte vor demselben zu bleiben, bei der Dienerschaft, der ich dann half, Decken und Kissen nach der Vorderkante des Stockwerks zu schaffen, wohin der Mirza und die Gul sich beim ersten Grauen des Morgens setzen wollen, um von diesem allerbesten Platze aus dem Abschlachten der Dschamikun zuzusehen. Das gab mir Gelegenheit, mich zu entfernen. Ich eilte nach Eurem Hause hinüber und wurde da zu Euch hierhergeschickt.«

»Und was tust du nun?« fragte der Ustad.

»Das weiß ich nicht. Gib mir einen Platz, damit ich für euch kämpfe!«

»Wir haben Krieger genug. Bist du ein guter Reiter?«

»Ja.«

»So eile nach dem Hause zurück, und sag Kara Ben Halef, daß schnell gesattelt werden soll. Der Barkh für ihn, der Ghalib für dich und der Assil für mich. Dem Syrr mag Schakara den Sitz auflegen; er ist für den Effendi, doch nur mit Halfter. Dann kommt Ihr herab!«

»Wohin soll es gehen?« fragte ich, indem sich der über diesen Auftrag erfreute Aschyk entfernte.

»Hinauf nach dem Beit-y-Chodeh. Dieser Gedanke kam mir erst soeben. Es gibt kein edles Waffenspiel, keinen Kampf zwischen gleichwertigen Männern, sondern nur ein völlig gefahrloses Kesseltreiben auf niedriges Gezücht. Der Kessel ist gestellt, und Jedermann kennt seinen Posten und das, was man von ihm erwartet. Der Hauptmann mag an meine Stelle treten; er weiß Bescheid für alles Mögliche. Wir aber reiten dort hinauf, weil wir vom Beit den besten Ausblick haben. Sehen wir, daß man uns braucht, so können wir in zwei Minuten wieder unten sein. Nötigenfalls dienen Kara oder der Aschyk uns als Boten.«

Das hatte meinen Beifall, besonders deshalb, weil der zu erwartende Bergsturz, falls er nicht später kam, von dem Säulentempel aus viel besser als an jeder andern Stelle beobachtet werden konnte. Der Hauptmann bekam also seine Weisung, und wir gingen nach dem Bergwege, wo Kara mit dem Aschyk und unsern Pferden sehr bald eintraf.

Der Himmel hatte noch die stumpfe, bleierne Farbe, und auch die Nebel zogen noch dicht über den See und das Tal. Sie waren jetzt so kompakt, daß man nur wenige Schritte weit sehen konnte. Dann aber hörten sie plötzlich auf. Wir waren ihrer Grenze entstiegen und befanden uns in freier, durchsichtiger Morgenluft. Es war zwar noch nicht Tagesanbruch, aber im Osten dämmerte es schon leise, und die Linien unserer Bergesspitzen wurden – – – Bergspitzen? Ah! Auf der dort im Westen flammten hochlodernde Feuer. Waren sie erst jetzt angebrannt worden, oder hatten wir sie wegen des Nebels vom Tale aus nicht sehen können! Das waren die Warnungszeichen auf der Höhe des Alabasterzeltes. Die Lawine holte zum schrecklichen Sturze aus!

Am Beit-y-Chodeh angekommen, stiegen wir ab. Der Aschyk blieb bei den Pferden; wir andern Drei betraten das Innere und gingen nach vorn, wo wir uns niedersetzten. Da sagte der Ustad:

»Hier war es, hier an diesem Orte, wo der Feind uns herausforderte, so soll es nun auch hier sein, von wo aus wir sehen, was er vermag. Der frechste von ihnen damals, der Henker, ist schon dahin, beseitigt durch sich selbst, durch seine eigene Waffe. Du, auf dessen Person er die Blutrache warf, brauchtest gar nicht einzugreifen. So nun auch ich; ich lasse es dem Verhängnis über!«

Wir waren nicht etwa allein hier oben. Ich habe bereits gesagt, daß sich die ganze, große Menge der heut bewaffneten Festgäste auf die ringsum liegenden Höhen zurückgezogen hatte. Sie waren auch hier am Beit. Sie füllten den ganzen, freien Platz. Ihre Linie lief nach beiden Seiten in den Busch, in den Wald hinein. Und als es nun nach und nach heller zu werden begann und unser Blick über den See hinüberreichte, sahen wir sie auch drüben stehen, fast Kopf an Kopf, den ganzen See entlang – – – auch eine Lawine, welche bereit war, hernieder zu fahren, in den ethischen Abgrund, in das Heer der Sillan hinein. Diese Gefahr für die Feinde war zwar von hier oben, aber noch nicht von unten aus zu sehen. Denn die Nebel rückten enger und enger zusammen, und immer neue und neue kamen dazu. Sie machten für die Tiefe den Blick nach oben unmöglich. Es war, als ob sich die heranziehenden Schatten in dieses dunstige Geschwader verwandelt hätten, um ihren Angriff vom Lande auf das Wasser zu verlegen. Denn der erste Hauch des Morgens war gekommen, von Osten her, wo die Kalhuran mit den nördlichen Dschamikun nun standen, und schob die Nebel, zunächst langsam zwar, doch unwiderstehlich vor sich her, der Ruinenseite zu. Dort wirrten und wühlten sie sich an den alten Mauern empor, wickelten und wirbelten zu den Türmen hinauf und wagten sich sogar über diese hinüber, wo sie an der Kühle und Ruhe des Felsens erstarben.

So wurde es da draußen gegen Aufgang von ihnen frei und zugleich am Himmel immer heller und heller. Schon wurde die Ebene klar, die nach den Pässen führte. Da sahen wir sie reiten, die Schatten. Sie hatten sich am Zelte des Mirza geteilt, um an beiden Ufern gleichzeitig vorzudringen. Ihre Spitzen steckten schon tief in den Nebeln, aber ihre Zahl war so groß und ihre Kolonne so lang, daß nur ein sehr scharfes Auge den hinterherziehenden Troß zu erkennen vermochte. Wehe ihnen, wenn Ahriman den Befehl gegeben hatte, daß diese ganze Menge den See besetzen solle! Sie konnte sich ja nicht rühren! Sie war genau so eingestopft wie die Ultra-Taki im geheimen Gange, nur daß hier die Flucht nach rückwärts offen stand! Aber was für eine Flucht!

Während wir da hinausschauten, um sie heranziehen zu sehen, kam er hinter ihnen her – – – der Tag! Er folgte ihnen; er hing die Vorhut seines Lichtheeres an ihre Fersen und sandte uns, hoch über ihnen, den Odem seines Grußes zu. Dieser kraftvolle Atemstrom brach sich am Berge der Ruinen und wühlte dort die Nebel auseinander, um das Gemäuer, wenn auch nur vorübergehend, unsern Blicken preiszugeben. Da lagen die beiden Zelte. Das eine war von den Massaban umzingelt. Bei dem andern sahen wir Niemand. Aber vorn, auf der Mauerkante, saß Ahriman Mirza neben der Khanum Gul, und hinter ihnen standen die Diener. Die Stelle, welche sie sich gewählt hatten, lag so weit zurück, daß es ihnen selbst auch ohne die Nebel nicht möglich gewesen wäre, unsere Aufstellung unten im Duar zu bemerken. Sie befanden sich also noch immer in dem Glauben, daß die Dschamikun in tiefem Schlafe lägen.