Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 15
Bei diesen Worten hörte ich ihn kommen. Ich zog schnell den Kopf zurück, und Winnetou hielt die Hände griffbereit. Wir knieten beide an der Seite des Loches, der er, wenn er die Leiter heraufkam, den Rücken zukehren mußte. Wir hörten ihn steigen. Jetzt erschien sein Kopf, sein Hals; die Schultern kamen aus dem Loche hervor.
»Was ist‘s denn? Wo bist – —«
Weiter kam er mit seiner Frage nicht, denn Winnetou hatte ihm die Finger wie eiserne Klammern um den Hals gelegt. Zwei Faustschläge von mir gegen seinen Kopf, dann griff ich ihm rasch unter die Arme, um ihn zu halten, sonst wäre er hinuntergestürzt, denn seine Füße hatten den Halt verloren; sie waren von der Leitersprosse abgeglitten.
»Er ist ohnmächtig,« flüsterte Winnetou mir zu. »Laß ihn los, damit er an der Leiter hinunterrutscht!«
»Nein, denn das würde einen lauten Fall geben, und sein Sohn wohnt unter ihm. Ich halte ihn fest; steige du hinter ihm hinab und unterstütze ihn; da kommt er ohne Geräusch auf den Boden zu liegen.«
Das war eher gesagt, als gethan. Das Loch war nicht weit genug für zwei, und die Gestalt Meltons nahm die ganze Leiter ein, sodaß die Füße des Apatschen nur schwer die Sprossen treffen konnten. Doch endlich war er unten und nahm den leblosen Körper in Empfang. Ich stieg nach.
Als ich unten angekommen war, zog ich zunächst die Leiter zu uns herab, damit wir nicht gestört werden konnten; dann sah ich mich schnell um. Wir befanden uns zwischen vier kahlen Lehmwänden, die nichts einschlossen als nur die Leiter und den alten Holzstuhl, dessen zwei Hinterbeine ich vorhin gesehen hatte. Rechts und links führten Thüröffnungen weiter. Ich warf einen Blick nach rechts hinein, wo Melton vorhin gesessen hatte. Ebenso vier kahle Wände, ein alter Tisch, zwei Holzstühle und ein Lager, welches aus mehrfach übereinander gelegten Fellen und Decken bestand. Das sah sehr triste aus, war aber für einen Mann wie Thomas Melton mehr als genug. Ich zog mein Messer, schnitt eine Lagerdecke in lange Fetzen und kehrte dann zu Melton zurück, um ihm Hände und Füße zu binden. Ein Stück der Decke bekam er auf den Mund gebunden, daß er nicht laut werden konnte. Nun hatten wir Zeit, wenn auch nicht lange, uns umzusehen. Auf dem Tische stand eine primitive Thonlampe, welche mit schlechtem Oel gespeist wurde; diese mußte uns leuchten.
Es lagen sechs Räume nebeneinander, die nur ganz spärlich das hatten, was man Möbel nennen könnte. Man sah, daß alles mit dem Beile gefertigt war. In einer der Stuben, die aber nicht Stuben zu nennen waren, denn sie hatten keine Fenster und durch die Thüröffnungen konnte auch kein Licht dringen, fanden wir die Waffen des Alten. Wie ließen sie liegen. Zu unserer Beruhigung diente der Umstand, daß die Etage durch kein Innenloch mit der tieferen verbunden war. Von da unten, wo Jonathan Melton mit der Jüdin wohnen sollte, konnte also während unserer Abwesenheit niemand herauf und den Alten befreien. Wir kehrten zu diesem zurück und zogen ihn in die Stube, in welcher die Lampe gestanden hatte. Dort legten wir den Tisch um, mit der Platte nach unten und den Beinen nach oben; dann schoben wir den Körper des Gefangenen zwischen die vier Beine hinein, und banden ihn an dieselben fest. Nun konnte er unmöglich von selbst loskommen. Darauf löschten wir die Lampe aus, legten die Leiter an, stiegen auf die Plattform zurück und zogen die Leiter empor, um mit Hilfe derselben auf die nächst tiefere Etage, derjenigen Jonathan Meltons, zu kommen.
Das Thürloch derselben war auch offen, und hier drang ein sehr heller Lichtschein nach oben. Nachdem wir die Leiter herabgelassen und an derselben niedergestiegen waren, schlichen wir uns nach dem Loche und horchten zunächst. Zwei Personen sprachen miteinander, eine männliche und eine weibliche; ich erkannte Jonathans und Judiths Stimmen. Auch hier führte eine Leiter hinab, weshalb draußen an der Terrasse keine lag. Das Loch war fast noch einmal so groß als die, welche wir bisher gesehen hatten; darum lag, als ich hinunterblickte, ein größerer Raum als beim alten Melton vor mir. Ich sah außer der Leiter freilich nichts als wieder Füße, und zwar vier; diesmal waren es keine Stuhlbeine, sondern zwei mit Männerstiefeln und zwei mit kleinen Pantoffeln bekleidete Füße. Jonathan und Judith schienen auf einer Bank nebeneinander zu sitzen. Eben hörte ich die letztere sagen:
»Du denkst also, daß die drei Menschen draußen vor unserm Eingange halten bleiben?«
»Ja,« antwortete er. »Um uns zu bewachen!«
»Und wir können sie nicht verjagen?«
»Nein. Es giebt leider nur diesen einen Weg nach außen. Und wenn hundert und noch mehr Mann hier beisammen wären, so könnten wir nichts machen, weil die Passage durch die Enge nur einzeln möglich ist. Die ersten würden von ihnen erschossen, und würden mit ihren Leibern für die andern den Weg verstopfen. Mein einziger Trost ist der, daß wir hier Proviant für Monate, und Wasser für eine ganze Ewigkeit besitzen. Bis dahin wird den drei Halunken wohl die Geduld ausgegangen sein!«
»Solange brauchen wir nicht zu warten. Komm, mein Lieber, ich will dir etwas zeigen!«
»Was?«
»Das wirst du sehen. Wir steigen nach unten.«
Nach unten steigen? Da mußten sie doch höchst wahrscheinlich zur Leiter heraufkommen. Wir entfernten uns also schleunigst von dem Loche und legten uns in der entferntesten Ecke der Terrasse nieder, um nicht gesehen zu werden. Wir warteten aber vergeblich; sie kamen nicht. Es schien, man konnte aus der ersten Etage von innen nach dem Erdgeschosse gelangen, Wir krochen also bis an die Kante der Plattform vor und blickten vorsichtig hinab, sahen aber nichts. Wir hätten gern gewußt, was die Jüdin ihrem Jonathan zu zeigen hatte; jedenfalls hing es mit der Frage des Entkommens zusammen. Erst nach längerer Zeit wagten wir uns zum zweitenmal an das Loch. Die beiden saßen wieder unten und spannen das Thema, welches sie vorhin abgerissen hatten, weiter. Gleich der Anfang ihres nunmehrigen Gespräches ließ vermuten, daß es einen für uns sehr wichtigen Inhalt haben werde, denn sie sprachen von der Möglichkeit der Flucht, des Entkommens aus dem Thalkessel. Ich beugte den Kopf tiefer hinab, um ihre Worte leichter verstehen zu können; da aber faßte Winnetou leider meinen Arm, zog mich zurück und flüsterte mir zu:
»Rasch fort; da oben kommt jemand; ich höre es!«
Wir befanden uns, wie bereits erwähnt, auf der zweiten Terrasse, von unten herauf gerechnet, also in so unbedeutender Höhe über der Sohle des Thales, daß wir, wenn wir aufrecht standen, von dem Scheine des Feuers, welches am Eingange brannte, getroffen wurden. Wir durften uns also nicht aufrichten und schoben uns kriechend von dem Loche weg, wo wir uns im Lampenlichte befunden hatten. Ich hatte kein Geräusch gehört, konnte mich aber auf die scharfen Sinne des Apatschen verlassen.
Als wir uns eine kleine Strecke von dem Loche entfernt hatten, hielten wir an, um zu lauschen. Es war nichts zu hören. Darum fragte ich Winnetou mit leiser Stimme:
»Was für ein Geräusch hat mein Bruder vernommen?«
»Neben uns Schritte und auch eine Stimme.«
»Aber es kommt niemand. Es wird nicht auf der nächsten, sondern auf einer noch höheren Plattform gewesen sein.«
»Nein; es war gleich über uns. Ich weiß ganz genau, daß – —«
Er hielt inne, denn gerade über uns hörten wir eine leise, und zwar männliche Stimme sagen:
»Komme doch weiter! Warum bleibst du hier stehen?«
»Weil ich etwas gesehen habe, was mir auffällt,« wurde ebenso leise geantwortet, doch hörten wir es.
»Was?«
»Zwei Köpfe waren da unten über dem Loche,«
»Das ist doch nicht auffällig!«
»Zwei Köpfe, welche lauschten? Das soll nicht auffällig sein?«
»Nein. Es werden die Dienerinnen dagesessen haben.«
»Nein. Es waren Männer.«
»Rote? Es sind Krieger von uns gewesen.«
»Nein. Es war ein Indianer, dessen Kopf nur mit seinem langen Haare bedeckt war, und ein Weißer, der einen Hut trug.«
»Also ein Krieger von uns, und vielleicht der Vater des jungen Bleichgesichtes.«
»Auch das nicht, denn der Vater besitzt einen andern Hut. Es waren Fremde!«
»Das ist unmöglich!«
»Ich würde das auch denken, wenn ich sie nicht, gerade als ich den Rand hier erreichte, ganz deutlich gesehen hätte.«
»Nun lege dich nieder! Wir wollen einmal hinabsehen.«
Wir hörten am Geräusche, daß sie sich niederlegten und über die Kante der Terrasse herabblickten. Wir befanden uns gerade unter ihnen. Ein Glück, daß wir nichts Helles an unsern Anzügen hatten! Dennoch mußten sie, wenn sie scharfe Augen besaßen, uns sehen. Darum vergingen für uns einige Minuten großer Spannung; dann hörten wir die Frage:
»Siehst du etwas?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Du wirst dich jedenfalls getäuscht haben. Wie sollen Fremde in unser Thal und gar herauf auf die Plattform kommen!«
»Das kann ich mir auch nicht erklären.«
»Der Eingang ist doch von unsern Kriegern besetzt.«
»Sie sind aber dennoch da!«
»Ich glaube es nicht. Steigen wir also weiter, und sehen wir einmal nach! Du wirst finden, daß kein Mensch vorhanden ist.«
»Ja, sehen wir nach!«
Wir hörten, daß sie aufstanden und nach der Stelle gingen, an welcher wir vorhin die Leiter angelegte hatten.
»Sie kommen herab!« flüsterte Winnetou. »Eilen wir nach der andern Seite!«
Wir huschten schleunigst nach dem linken Ende der Terrasse, während die beiden Roten an der rechten Seite derselben herabgestiegen kamen. Dort legten wir uns nieder und drückten uns eng an die Lehmmauer.
»Wir glaubten, daß nur Frauen und Kinder da oben in den Wohnungen seien, haben uns aber geirrt,« flüsterte Winnetou. »Hoffentlich sehen uns die beiden nicht!«
»Und wenn sie uns aber sehen, was thun wir da?« fragte ich.
»Wir fassen sie.«
»Sie dürfen aber nicht laut werden!«
»Nein. Wir nehmen sie mit der linken Hand bei der Gurgel und stoßen ihnen mit der rechten das Messer ins Herz.«
»Nein, töten wollen wir die armen Teufel nicht.«
»Dann ist es fraglich, ob es uns gelingen wird, sie so zu überwältigen, daß sie nicht schreien können.«
»O wir haben den Griff nach dem Halse schon so oft geübt!«
»Er kann auch einmal mißlingen.«
Er hatte ganz recht; aber das Mißlingen war auch beim Gebrauche der Messer möglich, und so war es jedenfalls besser, das Leben der beiden zu schonen.
Da sie aufrecht gingen und also vom Lichte des Feuers getroffen wurden, konnten wir sie sehen. Sie waren die Leiter herabgestiegen und kamen nun langsam und das Terrain vorsichtig prüfend von der rechten Seite der Plattform nach der linken gegangen. Aus der Sorgfalt, mit der sie dabei verfuhren, schlossen wir, daß sie ganz gewiß bis zu unserm Winkel kommen würden.
Und so geschah es auch; sie kamen näher und näher. Sie befanden sich noch zehn, acht, sechs, vier Schritte von uns. Ich hoffte, daß sie noch weiter herankommen würden; dann wären wir rasch aufgesprungen, um sie zu packen. Sie blieben aber stehen und starrten mit vorgebeugten Körpern zu uns her.
»Was liegt dort?« fragte der eine.
»Das ist ein Mensch,« antwortete der andere.
»Nein, es sind zwei. Wer seid ihr?«
Diese Frage richtete er in lautem Tone an uns. Wir antworteten nicht, weil wir dachten, daß sie dann näher herankommen würden.
»Was wollt ihr hier?«
Ich sah, daß er ein Messer zog, und der andere folgte dem Beispiele. Jetzt durften wir nicht zögern, obgleich die Partie nicht so gut für uns stand, wie wir erwartet und gewünscht hatten; ihre Messer konnten uns gefährlich werden. Wir sprangen also auf und warfen uns auf sie. Ich gab demjenigen, auf den ich meinen Angriff richtete, einen Schlag auf den Arm, daß er das Messer fallen ließ, und wollte ihn dann beim Halse nehmen; aber er trat schnell einen Tritt zurück und streckte die beiden Hände vor, um mich abzuhalten. Dadurch gingen einige Augenblicke verloren. Der Schein des Feuers fiel gerade auf mein Gesicht; er erkannte mich und rief, so laut er konnte:
»Zu Hilfe, zu Hilfe! Hier oben ist Old Shatterhand!«
Da schlug ich ihm die Faust auf den Kopf, daß er niederstürzte, bückte mich schnell nieder, legte ihm das Knie auf den Leib und die Hände uni den Hals. Er brachte kein Wort mehr heraus, aber hinter mir hörte ich den andern brüllen:
»Auch Winnetou ist hier! Kommt schnell herauf! Zu Hilfe, Hilfe, Hil – —!«
Der dritte Hilferuf erstickte in einem ersterbenden Stöhnen. Mein Yuma war überwältigt; er bewegte sich nicht, und als ich mich nun nach Winnetou umsah, lag dieser auf seinem Gegner und bearbeitete den Kopf desselben mit der Faust.
»Was thun wir mit ihnen?« fragte er mich. »Sie zu fesseln, haben wir keine Zeit.«
»Wir werfen sie über den Rand auf die erste Terrasse hinab. Schnell, schnell!«
In der nächsten Sekunde flogen die beiden Körper hinunter; da konnten sie uns nicht schaden. Wir aber eilten hin zu dem Loche. Ein Kopf war in demselben erschienen, der Kopf Jonathan Meltons, welcher auf der Leiter stand und aus dem Loche sah, um nach der Ursache der Hilferufe zu forschen. Er sah uns kommen und rief im Tone des größten Schreckes:
»Winnetou und Old Shatterhand! Alle tausend Teufel! Die sind – – «
Weiter hörten wir nichts, denn er verschwand, und als wir das Loch erreichten, war es zu spät, ihn zu fassen. Er war bereits unten angekommen, und man zog soeben die Leiter unten weg, sodaß wir nicht hinuntersteigen konnten. Die Ueberrumpelung des jungen Melton war uns also nicht gelungen. Das brauchte uns aber nicht zu ärgern, denn er konnte nicht zum Thale hinaus und war uns also sicher.
Die Hilferufe hatten das ganze Pueblo alarmiert. Ueber uns kamen die Weiber und Kinder aus den Löchern, und schrieen zu ihren Männern und Vätern hinab. Diese waren unten an ihrem Feuer aufgesprungen. Einige standen dort, ganz bewegungslos vor Staunen; andere kamen herbeigerannt, um die Terrassen zu ersteigen und uns anzugreifen. Da erhob Winnetou seine weithin schallende Stimme und rief:
»Ja, hier stehen Old Shatterhand und Winnetou. Die Krieger der Yumas mögen sich nicht heraufwagen, denn sowie ihre Köpfe auf der ersten Leiter erscheinen, schießen wir unsere Kugeln hindurch! Auch mögen sie nicht versuchen, durch die Felsenenge zu fliehen, denn auch draußen am Ausgange erwartet sie der sichere Tod. Und die Squaws da oben mögen mit ihren Kindern schnell wieder in ihre Löcher kriechen und sich dort still verhalten, sonst werden sie erschossen!«
Auf diese Worte trat tiefe Stille ein. Was über uns, in den höheren Etagen vorging, konnten wir nicht sehen, aber die dort eingetretene Ruhe ließ vermuten, daß die Weiber dem Befehle des Apatschen gehorcht hatten. Und auf die Männer war er von derselben Wirkung gewesen, denn es wagte keiner, die zur ersten Etage führende Leiter zu ersteigen. Denen, die das beabsichtigt hatten, rief Winnetou zu:
»Kehrt augenblicklich zum Feuer zurück! Wer nicht sogleich gehorcht, bekommt eine Kugel!«
Die Yumas kannten den Apatschen; sie hatten einen solchen Respekt vor ihm und seiner Silberbüchse, daß sie eiligst nach dem Feuer liefen. Als sie alle wieder dort standen, warf ich ihnen die Frage zu:
»Wer ist euer Anführer? Er mag einige Schritte vortreten, denn Old Shatterhand möchte mit ihm reden!«
Es dauerte eine kleine Weile, ehe ein Roter einige zögernde Schritte machte und uns zurief:
»Einen Häuptling giebt es hier nicht mehr; es gilt der eine soviel wie der andere, doch will ich hören, was Old Shatterhand uns zu sagen hat.«
»Höre und siehe erst etwas anderes! Blicke nach dem Holzaste, welcher dort rechts aus dem Feuer ragt; er wird sofort verschwinden.«
Ich legte den Bärentöter an und zielte; es war bei der flackernden, unsichern Beleuchtung ein schlechter Schuß, doch drückte ich getrost ab, und der Ast wurde von der Kugel getroffen und so zerschnitten, daß die aus dem Feuer ragende Spitze desselben gegen den Felsen flog.
»Uff, uff!« erklangen die Stimmen der erstaunten Roten.
»Habt ihr gesehen, wie sicher unsere Kugeln gehen?« rief ich ihnen dann zu. »Ebenso sicher werden wir auch eure Herzen und Köpfe treffen, wenn ihr nicht thut, was wir von euch verlangen!«
»Was fordert mein weißer Bruder von uns?« fragte der Yuma.
»Sehr wenig. Wir sind nicht als eure Feinde gekommen. Wir wollen euch weder töten oder verwunden, noch uns an dem vergreifen, was euer Eigentum ist. Wir wollen nichts von euch haben als die beiden Bleichgesichter, welche sich hier bei euch versteckt haben.«
»Warum wollt ihr sie fangen?«
»Weil sie mehrere große Verbrechen begangen haben, welche Strafen finden müssen.«
»Das können wir nicht zugeben, weil wir ihnen versprochen haben, sie euch nicht auszuliefern.«
»Ich verlange nicht, daß rote Krieger ein Versprechen, welches sie gegeben haben, brechen sollen. Was habt ihr ihnen noch versprochen?«
»Nichts.«
»So sage ich euch, daß ihr euer Wort halten sollt, denn ihr werdet sie nicht ausliefern, sondern wir holen sie uns selbst. Oder seid ihr die Verpflichtung eingegangen, sie zu verteidigen, falls es uns gelingen sollte, hier heimlich einzudringen?«
»Von diesem Falle ist nichts erwähnt worden, weil wir ihn gar nicht für möglich gehalten haben, und wenn du – uff, uff, uff!«
Er unterbrach seine Rede mit diesem Ausrufe des Schreckes, weil in diesem Augenblicke etwas geschah, worüber man allerdings leicht erschrecken konnte. Nämlich Emery hatte meinen Schuß gehört; ich hatte ihn durch denselben eigentlich nicht herbeirufen wollen, denn wir brauchten seine Hilfe nicht; er war aber doch in die Felsenenge eingedrungen, kam aus derselben heraus und mit einem kühnen Sprunge über das brennende Feuer geflogen, und zwar mitten unter die Roten hinein, welche ganz erstarrt über das so plötzliche Erscheinen des kühnen Englishman waren. Er sandte natürlich seinen Blick nach oben, sah uns stehen und rief zu uns herauf, indem er sein Gewehr schwang:
»Charley, was soll ich thun? Soll ich die Kerle ein wenig totschlagen?«
»Nein, das ist nicht nötig, denn wir werden uns in Güte einigen. Komm aber herauf zu uns!«
»Daß ich von ihnen hinterrücks erschossen werde, während ich die Leiter ersteige!«
»Es wird keiner schießen, denn wenn es einer nur wagen wollte, seine Flinte zu erheben, würde ihn sofort meine Kugel treffen. Also komm!«
Er kam der Aufforderung nach und wurde von den Roten nicht daran gehindert. Waren sie erst so erschrocken darüber gewesen, daß Winnetou und ich uns so plötzlich mitten im Pueblo befanden, so hatte das Erscheinen Emerys sie nun vollständig verblüfft. Sie dachten gar nicht daran, von ihren Gewehren Gebrauch zu machen, die übrigens so schlecht waren, daß wir sie jetzt, des Nachts, gar nicht zu fürchten brauchten. Als Emery unsere Terrasse erreicht hatte, sagte er:
»lch sehe, daß ihr glücklich herabgekommen seid. Wo stecken die Meltons? Wißt ihr das?«
»Ja. Doch warte, ich muß erst mit den Roten da unten fertig werden,« antwortete ich ihm. Und mich an diese wendend, fuhr ich weiter zu ihnen fort:
»Meine roten Brüder haben gesehen, daß wir uns nicht vor ihnen fürchten, daß sie sich vielmehr ganz in unserer Gewalt befinden. Ebenso wissen sie, daß wir nur die beiden Bleichgesichter fordern. Werden sie uns unbelästigt damit abziehen lassen?«
»Du verlangst also gar nichts von uns?« fragte der Sprecher.
»Nichts!«
»Verlangst du etwa die weiße Squaw, welche hier wohnt?«
»Nein.«
»Sie war die Squaw unsers Häuptlings, die wir beschützen müßten!«
»Wir mögen sie nicht haben und werden euch das große Glück, sie beschützen zu dürfen, nicht rauben.«
»Und was ihr gehört, das laßt ihr ihr auch?«
»Ja. Was ihr rechtmäßiges Eigentum ist, werden wir nicht anrühren.«
»So sind wir bereit, mit euch Frieden zu schließen. Wo soll die Pfeife des Friedens geraucht werden?«
»Hier oben bei uns.«
»So sollen wir alle hinaufkommen?«
»Nein. Es genügt, daß du allein kommst; du hast für deine Brüder gesprochen und wirst auch für sie handeln. Also komm, und bring dein Kalumet mit!«
Es konnte mir nicht einfallen, alle Yumas heraufzulassen; das wäre eine große Unvorsichtigkeit gewesen. Er kam allein und nahm die alte schmierige Pfeife vom Halse, an welchem er sie mittels eines Riemens hängen hatte. Tabak hatte er in einem Beutel, der in seinem Gürtel steckte. Wir setzten uns nieder und ließen die Pfeife in die Runde gehen. Obgleich wir dabei die sonst gebräuchlichen Ceremonien möglichst abkürzten, konnten wir dann, als die Pfeife leer geraucht war, doch überzeugt sein, daß die Yumas unser Uebereinkommen respektieren würden. Das bekräftigte auch der Sprecher, der am Schlusse aufstand und in beteuerndem Tone sagte:
»Es ist also Friede geschlossen zwischen uns und euch, und wir werden ihn halten. Ihr seid nur drei Krieger, und wir sind unser so viele; dennoch sind wir ganz in eure Hände gegeben, denn wir haben kein solches Zaubergewehr, wie Old Shatterhand besitzt. Werden meine Brüder wirklich ihr Wort halten und uns nichts thun und nichts nehmen?«
»Ja,« antwortete ich. »Wir haben noch nie unser Wort gebrochen.«
»So werde ich euch beweisen, daß auch wir es ehrlich meinen. Unsere Krieger sollen alle ihre Flinten und Messer heraufsenden und sie hier bei euch niederlegen. Dann seid ihr sicher, daß wir wirklich friedlich gesinnt sind.«
»Mein roter Bruder mag den Befehl dazu erteilen. Dann wünschen wir, daß ihr das Feuer bis zum Anbruche des Tages unterhaltet und daß keiner von euch sich davon entfernt. Willigst du ein?«
»Ja.«
»Und sodann wirst du uns sagen, wie wir den jungen Weißen, den wir haben wollen, am leichtesten in unsere Hand bekommen?«
»Nein, das werde ich nicht sagen, weil wir versprochen haben, ihn und seinen Vater nicht an euch auszuliefern; es würde aber soviel wie eine Auslieferung sein, wenn ich thun wollte, was du jetzt von mir verlangst.«
»Das gebe ich zu. Aber dafür wirst du mir etwas anderes sagen: Wo befinden sich unsere Pferde?«
»Sie weiden oder schlafen da drüben unter den Bäumen, wo es dunkel ist.«
»Man hat die Satteltaschen leer gemacht?«
»Ja.«
»Wer besitzt die Gegenstände, welche sich in denselben befanden?«
»Die beiden Weißen, welche ihr gefangen nehmen wollt.«
»Ihr habt mit unsern Pferden ein junges Bleichgesicht ergriffen. Ist es verwundet?«
»Nein.«
»Wo befindet es sich?«
»Das junge Bleichgesicht ist hier im Pueblo eingesperrt worden.«
»Wo?«
»Das weiß ich nicht.«
»Soll ich das glauben? Du mußt es doch wissen!«
»Nein. Man hat es uns nicht gesagt. Wir haben nur gesehen, daß er zwei Leitern ersteigen mußte.«
»Also bis auf diese Terrasse?«
»Ja und dann mußte er hier durch das Loch hinuntersteigen in die Wohnung der weißen Squaw.«
»Giebt es dort Räume, welche sich zum Einsperren eines Gefangenen eignen?«
»Nein, denn die Räume sind lauter Wohnungen. Vielleicht hat man ihn eine Leiter tiefer geschafft.«
»Das müßtet ihr doch gesehen haben!«
»Nein, denn von diesem Stockwerke aus führt auch von innen ein Loch in das Erdgeschoß hinab.«
»Wo ist dieses Loch?«
»Ganz am Ende der rechten Seite, in dem hinteren Raume, wo die weiße Squaw ihre Küche hat.«
»Wo pflegt sie zu schlafen?«
»In dem vorletzten Gemache auf derselben Seite. Jetzt hast du alles erfahren, was ich sagen darf. Nun will ich die Waffen bringen lassen.«
Er entfernte sich, um den betreffenden Befehl zu erteilen. Die freiwillige Auslieferung der Gewehre und Messer wäre im stande gewesen, alles Mißtrauen, wenn wir ja noch welches gehegt hätten, zu zerstreuen. Es verstand sich ganz von selbst, daß wir dem Loche, welches den Eingang zu der Wohnung Judiths bildete, unsere unausgesetzte Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Wir befanden uns ganz in der Nähe desselben, und es war doch immerhin die Möglichkeit vorhanden, daß Jonathan Melton zur Leiter heraufkommen und uns eine Kugel zusenden könne. Zu bemerken wäre noch, daß die beiden Indianer, welche wir auf die Plattform des Erdgeschosses hinabgeworfen hatten, schon längst eiligst von derselben hinabgestiegen waren und sich den ihrigen dort am Feuer beigesellt hatten. Sie waren ohne Schaden davongekommen.
Jetzt wurden die Waffen gebracht, die wir in unserer Nähe niederlegen ließen. Als sich die Träger entfernt hatten, befanden wir uns wieder allein und konnten nun darangehen, Vogel zu befreien und Jonathan Melton zu ergreifen.
Zunächst erzählte ich dem Englishman, daß wir mit Hilfe des Lassos glücklich von der Höhe auf das Pueblo gekommen waren und Melton, den Vater, schon in die Hände bekommen hatten.
»Das habt ihr gut gemacht!« sagte er. »Hoffentlich ist es nicht schwerer, nun auch seinen saubern Sohn festzunehmen.«
»Nicht schwerer? Ich meine, daß es ganz im Gegenteil gefährlich, und zwar sehr gefährlich ist, weil wir durch das Loch hinabsteigen müssen.«
»Allerdings. Was weiter?«
»Willst du uns etwa voransteigen?«
»Ja, sofort!«
Er schickte sich auch wirklich an, dies augenblicklich zu thun. Ich zog ihn aber schnell zurück und warnte:
»Halt doch! Kannst du dir nicht denken, daß Melton mit seinem Gewehre und seinen Revolvern unten steht, um uns gemütlich das Lebenslicht auszublasen?«
»Ah, Wetter, das ist wahr! Wir müssen eben hinunter, und da das Licht unten brennt, so ist das, was du Vorsicht nennst, ganz unmöglich.«
»Sie ist möglich. Du wirst schon sehen. Vorher aber müssen wir bestimmen, wer von uns hier oben zu bleiben hat.«
»Du meinst, es ist notwendig, daß einer hier bleibt?«
»Unbedingt. Es handelt sich um unsere Sicherheit. Was mich betrifft, so muß ich hinab. Und weil es da unten voraussichtlich Heimlichkeiten zu entdecken giebt, worin Winnetou Meister ist, so schlage ich vor, daß er mit mir geht.«
»Hm, ich muß mich fügen, obgleich ich auch große Lust besitze, mir das Innere des »Schlosses« einmal anzusehen.«
»Das kannst du später mit weit mehr Muße thun. Wir lassen dir unsere Gewehre hier.«
»Was? Die wollt ihr nicht mitnehmen?«
»Nein. Es wird da wahrscheinlich zu steigen und zu klettern geben, wobei sie uns nur hinderlich sein würden.«
»Aber wenn es zu einem Kampfe mit Jonathan kommen sollte!«
»So brauchen wir die Gewehre sicher nicht. Wir sind zwei gegen einen und haben die Messer und Revolver.
Also hier sind meine Gewehre, und nun will ich zunächst sehen, wie es da unten steht.«
Ich legte den Hut ab, steckte den Kopf in das Loch, hielt mich am Rande desselben fest und ließ mich leise und langsam, soweit die Arme reichten, tiefer sinken. Man hatte von innen die Leiter weggenommen. Winnetou und Emery hielten mich draußen fest, sodaß ich nicht hinabstürzen konnte. So kam ich mit dem Kopfe nach unten soweit, daß ich den Raum überblicken konnte. Ich sah die Bank, auf welcher Judith und Jonathan vorhin gesessen hatten, einen Tisch und zwei Stühle. Ueber dem Tische hing ein Spiegel. Dieses unter andern Verhältnissen höchst einfache Möblement war für das Pueblo fein zu nennen. Die beiden Thüröffnungen, welche nach rechts und links führten, waren durch bunten Kattun verhängt. Also hinter dem Vorhange rechts wohnte Judith und links Jonathan. Da sah ich, daß sich der erstere bewegte; es erschien eine Frauenhand mit einem Revolver; ich zog schnell den Kopf zurück, da knallte auch schon der Schuß. Natürlich war ich im nächsten Augenblicke außerhalb des Loches.
»Wetter, das war gefährlich! Wer hat geschossen?« fragte Emery.
»Judith!«
»Da konntest du jetzt das schönste Loch im Kopfe haben. Wo steht sie denn?«
»Hinter dem Vorhange in einem Nebengemache.«
»Und Jonathan?«
»Den habe ich nicht gesehen. Wahrscheinlich steht er auf der andern Seite auf der Lauer.«
»Das ist eine fatale Lage. Wir können nicht hinab.«
»O doch! Ich springe hinab.«
»Da schießt man von beiden Seiten auf dich!«
»Das muß ich freilich riskieren; wahrscheinlich aber bin ich rascher, als die beiden Belagerten. Die Lampe, welche unten brennt, steht auf dem Tische; wenn ich sie schnell ausblasen kann, bin ich ziemlich sicher, nicht getroffen zu werden. Holt dort die Leiter her! Wenn ich von unten rufe, steckt ihr sie in das Loch, und Winnetou kommt hinunter.«
»Aber bedenkst du auch, daß du außerdem den Hals brechen kannst, wenn du hinabspringst!«
»Da müßte es etwas tiefer sein. Also jetzt, es sei gewagt!«
Die Ausführung meines Vorsatzes, hinabzuspringen, war nur dadurch möglich, daß das Loch doppelt so weit war, als die andern Eingänge, die wir gesehen hatten. Ich stellte mich gerade darüber, das eine Bein hüben und das andere drüben. Um gleich bewaffnet zu sein, zog ich den Revolver. Indem ich die Füße hüben und drüben von der Kante des Loches abgleiten ließ, fiel ich in aufrechter Stellung hinunter und kam auf die Zehen zu stehen. Ein schneller Schritt zur Lampe, die ich ausblies, zwei ebenso rasche Schritte wieder zurück und nach der andern Seite – da knallte auch schon der Revolver; die Jüdin hatte auf mich geschossen und sie hätte mich sicher getroffen, wenn ich nur einen Moment länger dort am Tische bei der Lampe stehen geblieben wäre. Jetzt mußte ich zur List greifen. Ich warf mich nieder, und zwar so, daß man es hören mußte, und begann, zu stöhnen. Ich wollte dadurch Jonathan herbeilocken. Zunächst aber machte sich nur Judith bemerkbar!
»Himmel, ich habe ihn getroffen! Sind Sie verwundet?«
Ich antwortete mit einem weitern Stöhnen und Röcheln.
»Er stirbt, er stirbt! Ich habe ihn erschossen! Licht her, Licht!«
Das klang ja ganz so, als ob es gar nicht ihre Absicht gewesen sei, mich zu treffen. Ich glaubte, sie würde hereinkommen, um die ausgelöschte Lampe anzubrennen, hörte aber, daß sie sich nach innen entfernte. Da stand ich wieder auf und huschte in den zweiten Raum, in welchem sie gestanden hatte. Weiter hinten, mehrere Zimmer weiter, gab es einen Lichtschein, welcher durch die Vorhänge drang. Er kam näher und wurde heller und stärker. Der Kattun der nächsten Thür wurde auseinandergezogen, und da stand sie, die Jüdin, eine zweite Thonlampe in der Hand und mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrend; sie ließ den Revolver, welchen sie in der andern Hand trug, fallen.
»Guten Abend, Sennora!« grüßte ich. »Sie verzeihen doch, daß ich Sie in ihrer Häuslichkeit störe? Da Sie wahrscheinlich nicht hinaufgekommen wären und ich Sie doch sprechen mußte, war ich gezwungen, herunterzukommen.«
»Da – da – da stehen Sie ja!« rief sie aus.
»Allerdings! Oder meinen Sie, daß ich mich setzen darf?«
»Sie – Sie – Sie lagen doch da draußen. Ich hörte Sie fallen!«
»Das habe ich auch gehört!«
»Ich glaubte Sie im Sterben, und nun – nun – stehen Sie hier vor mir! Sind Sie denn nicht verwundet?«
»Nein.«
»Aber warum röchelten Sie da so entsetzlich?«
»Ich habe die Angewohnheit, nur zu meiner Unterhaltung zu röcheln.«