Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 18
»Ja, das ist wahr. Das konnten Sie weder leugnen noch verschweigen, weil Sie es mir schon gesagt haben, als Sie meine Fesseln zerschnitten und mich für den alten Melton hielten. Daß Sie diese Aussage notgedrungen wiederholt haben, dürfen Sie sich nicht als Verdienst anrechnen. Aber Ihre Angaben, wo die Mogollons wohnen und wo der weiße Felsen zu suchen ist, waren falsch.«
»Nein; sie sind richtig!«
»Pah! Sie täuschen mich nicht! Sie haben mir sagen müssen, wohin Melton geht, mir aber eine falsche Richtung, gerade die entgegengesetzte, angegeben, damit wir Zeit verlieren sollen und er welche gewinne, um uns zu entkommen. Auf und an der Sierra Blanca wohnen die Nijora-Apatschen, zu denen wir kommen würden, wenn wir den von Ihnen angegebenen Weg einschlügen, uns also vom Flujo blanco aus ostwärts wendeten. Wir müssen im Gegenteile westlich gehen, dann kommen wir an die Mogollonberge, von welchen die Indianer, zu denen Melton will, ihren Namen haben. Sie sehen, daß ich mich nicht täuschen lasse.«
»Wenn Sie recht haben, Sennor, dann bin ich selbst falsch unterrichtet!«
»Lügen Sie nicht weiter! Sie wollen uns irre führen, haben also meine Warnung nicht beachtet und werden nun gefesselt.«
»Das werden Sie nicht thun!« schrie sie auf. »Ich dulde es nicht!«
Da sagte Emery:
»Was machst du nur so viele Worte mit ihr! Dort hängen Riemen. Komm, binde sie!«
Er trat mit einem raschen Schritte hinter sie, ergriff ihre Arme und drückte ihr die Ellbogen auf dem Rücken zusammen. Sie war über diese schnelle Handlungsweise so verblüfft, daß es ihr gar nicht beikam, sich zu wehren. Ich schlang ihr einen Riemen um die Vorderarme und einen zweiten um die Fußgelenke; dann legten wir sie auf den Boden nieder. Nun war es ihr unmöglich, den alten Melton aufzusuchen und ihm irgend welchen Beistand zu leisten, und es brauchte sich von uns niemand zu ihr zu setzen, um sie zu bewachen. Ich stieg mit Emery hinauf zu Winnetou, welcher oben saß und mir auf mein Befragen sagte, daß der »weiße Felsen« nicht in der Sierre Blanca, sondern in den Mogollonbergen liege. Wir hatten der Jüdin also nicht unrecht gethan.
Auf der Plattform warteten wir, bis der Morgen anbrach. Die Yumas ließen ihre Feuer ausgehen, kamen aber nicht herauf zu uns, sondern blieben unten sitzen. Sie betrachteten uns als Herren des Pueblo. Nun wurde der alte Melton zu uns heraufgeholt. Es verstand sich ganz von selbst, daß er kein Wort davon erfahren durfte, daß uns sein Sohn entkommen war und wohin er sich gewendet hatte. Wir wollten ihm die Stiefel ausziehen; er brüllte vor Wut darüber und stieß mit den gefesselten Beinen so um sich, daß wir ihm die Möglichkeit, diese zu bewegen, nehmen mußten. Wir legten eine Leiter auf die Terrasse und banden ihn auf derselben fest; die Oberschenkel wurden bis zu den Knieen hüben und drüben festgeschnürt. Auch jetzt noch wälzte er sich mitsamt der Leiter schreiend hin und her, sodaß Winnetou und Emery auf ihn knien mußten, um ihn festzuhalten; erst dann brachte ich die Stiefel herab.
Sie waren mit dünnem Leder gefüttert, und ich fühlte gleich beim ersten Antasten, daß etwas zwischen den Schäften und dem Futter steckte. Die Naht, welche das letztere an dem Oberleder festhielt, war neu; das Geld war also wohl erst vor kurzem in den Stiefeln versteckt worden. Wahrscheinlich war die Jüdin beim Nähen behilflich gewesen, und so kam es, daß sie wußte, wo Melton seinen Raub verborgen hielt.
Ich trennte mit dem Messer das Futter los. Melton schrie nicht mehr; er hatte sich darein gefunden, aber seine Augen waren mit haßglühenden Blicken auf meine Hände gerichtet. Der eine Stiefel enthielt ein dünnes Papierpaket, wie ein Couvert geformt, der andere aber deren zwei. Ich öffnete die letzteren. Der Inhalt bestand je aus zehntausend Pfund Sterling (200 000 Mk.) in Noten der Bank von England. Dem dritten Umschlag entnahm ich fünfzehntausend Dollars (60 000 Mk.) in guten Bankpapieren.
»Master Melton, wollt Ihr uns wohl sagen, wie Ihr zu dem Gelde kommt!« forderte ich ihn auf.
»Hole Euch der Teufel!« brüllt er mich an. »Von mir erfahrt ihr nichts.«
»Denkt das nicht! Es giebt Mittel, Euch zum Sprechen zu bringen, und da wir unbedingt wissen müssen, welcher Herkunft die Summen sind, werden wir sie in Anwendung bringen, wenn Ihr uns die Auskunft verweigert.«
»Versucht es doch!«
»Das werden wir. Ich mache Euch aber vorher darauf aufmerksam, daß es für einen frühern tunesischen Offizier gar keine Ehre ist, Prügel zu bekommen.«
»Prügel? Ihr wollt mich prügeln?«
»Ja. Also wollt Ihr uns Auskunft erteilen?«
»Nein, und wenn ihr mich totschlagt, ihr Halunken!«
»Laßt Euch doch nicht auslachen! Eigentlich brauchen wir gar keine Auskunft. Wir sind klug genug, sie uns selbst zu geben; aber die Bestätigung wollen wir von Euch hören, und wenn Ihr sie uns verweigert, so werden wir Euch die Zunge lösen.«
»Nun, wenn ihr so klug seid, so sagt es doch einmal!«
»Ihr und Euer Bruder habt je fünfzigtausend Dollars als Anteil an der ergaunerten Erbschaft bekommen; sie sind Euch von Jonathan in englischem Gelde ausgezahlt worden.«
»Fünfzigtausend Dollars! Lumperei, wenn es sich um Millionen handelt! Meint Ihr, daß wir damit zufrieden gewesen wären?«
»Nein, das meine ich nicht. Ihr sollt jedenfalls noch mehr bekommen und habt, da Ihr fliehen und Euch dabei von Jonathan trennen mußtet, diese Summe einstweilen auf Abschlag erhalten.«
»Seht doch einmal, wie gescheit Ihr seid, Master Shatterhand! Wo kommen dann aber die übrigen fünfzehntausend Dollars her?«
»Die gehörten Euerm Bruder. Er hat stets Geld besessen, natürlich nur unrechtlich erworbenes. Ihr habt ihm die Fünfzehntausend mit dem andern Gelde abgenommen.«
»Da seid Ihr auf dem Holzwege. Das Geld ist mein; es hat nicht ihm gehört.«
»Kann mir gleichgültig sein. Wir werden Euch das Sprechen lehren. Hier steht der Erbe, den ihr betrogen habt; er mag Euch die Zunge lösen. Master Vogel, steigt doch einmal die Terrassen hinab, und holt Euch von den Büschen da drüben einige recht hübsche, biegsame Stöcke.«
Vogel ging; als er mit den Stöcken zurück kam, hatten wir Melton von der Leiter gebunden und schnürten ihn wieder so darauf, daß seine Rückseite nach oben kam.
»Nun, wollt Ihr sprechen?« fragte ich ihn.
»Schlagt zu!« knirschte er. »Aber ich sage Euch, daß es Euch das Leben kosten wird!«
»Pah! Macht Euch doch nicht durch solche alberne Drohungen lächerlich! Wer soll uns denn das Leben nehmen? Ihr befindet Euch doch in unsern Händen.«
»Aber mein Sohn nicht!«
»Täuscht Euch nicht!«
»Leugnet immerhin! Er ist fort. Wenn Ihr ihn bekommen hättet, wäre er sicher hier, und Ihr würdet Eure Fragen nicht an mich, sondern an ihn richten.«
»Möglich! Aber da wir sie nun einmal an Euch richten, werdet Ihr sie uns auch beantworten. Haut zu, Master Vogel!«
Der Violinvirtuos begann den soeben vom Busch geschnittenen Bogen aus Leibeskräften zu streichen, doch ohne Erfolg. Melton biß die Zähne zusammen und gab keinen Laut von sich. Da sagte Emery:
»Das ist nichts. Unser kleiner Master Vogel hat kein rechtes Mark in den Knochen. Gebt einmal einen Stock her! Ich möchte wetten, daß er bei mir zum Sprechen kommt.«
Melton stieß gleich beim ersten Hiebe des Englishman einen Schrei aus, denn das Fleisch war auseinander gesprungen; der zweite und dritte Schlag hatte denselben Erfolg, und als die nächsten Hiebe ins rohe Fleisch schnitten, konnte er die Schmerzen doch nicht ertragen und schrie:
»Haltet an! Ich will es sagen!«
»Nun, die zehntausend Dollars?« fragte ich.
»Sie sind von der Erbschaft,« gestand er ein.
»Die einen Zehntausend habt Ihr Euerm ermordeten Bruder abgenommen?«
»Nein.«
Sofort erhielt er von Emery zwei so kräftige Hiebe, daß er brüllte:
»Ja, ja, sie sind von ihm!«
»Und die fünfzehntausend Dollars?«
»Die gehörten mir; ich habe sie in Tunis erspart.«
»Lüge! Weiter, Emery!«
Der Engländer schlug wieder zu, und da zeterte Melton endlich:
»Halt ein, halt ein! Ja, sie sind von meinem Bruder. Nun wißt ihr alles. Haltet also ein!«
»Schön! Ihr habt nun erfahren, daß Ihr wohl zum Sprechen zu bringen seid, und es ist Eure Schuld, wenn Euch nachher nach unserm Aufbruche das Reiten einige kleine Unannehmlichkeiten bereitet.«
»Was? Ich soll mit Euch fort? Ihr habt doch nun das Geld und könnt zufrieden sein! Laßt mich hier!«
»Seid Ihr verrückt geworden, Master? Euch hier lassen!«
»Ihr habt ja, was Ihr wollt, und wißt auch, was Ihr wissen wolltet. Wozu kann Euch meine Person noch nützen!«
»Welche Frage! Ich habe Euch eines mehrfachen Mordes wegen durch den ganzen wilden Westen gejagt; ich habe Euch in Aegypten und Tunesien gesucht. Dort seid Ihr wieder zum Mörder geworden. Ihr wagtet Euch in die Vereinigten Staaten zurück, um eine Millionenerbschaft zu ergaunern, und ich folgte Euch über das Meer. Jetzt jagten wir Euch über die Prairien bis hierher, und nun wir Euch endlich, endlich ergriffen haben, mutet Ihr uns zu, Euch laufen zu lassen! Das ist doch mehr als nur verrückt!«
»Ihr wollt mich morden?«
»Nein; das werden wir dem Henker überlassen.«
»Alle Wetter! Ihr wollt mich etwa wieder ausliefern, wie damals in Fort Edward?«
»Allerdings. Und zwar werden wir hübsch dafür sorgen, daß Ihr nicht wieder entwischen könnt.«
»Nehmt Verstand an, Master! Was kann es Euch nützen, mich hängen zu sehen!«
»Nichts, gar nichts; das ist wahr. Aber trotzdem müßt Ihr hängen, denn nur Euer Tod kann mir die Ueberzeugung geben, daß Ihr unschädlich geworden seid.«
»Nun gut! Wenn Ihr mir nicht glaubt, so will ich mich mit sehr viel Geld loskaufen.«
»Ihr habt ja keines!«
»Wir haben doch die Erbschaft!«
»Unsinn! die bekommen wir auch ohne daß wir Euch laufen lassen! Ihr seid dem Strafgesetze, dem Scharfrichter verfallen, und wenn wir Euch laufen ließen, würden wir ein Verbrechen begehen. Nein, nein, wir nehmen Euch mit und liefern Euch dahin, wo Ihr hingehört!«
»So macht, was ihr wollt, ihr Hunde, und seid tausendmal verflucht!«
»Ja, wir werden thun, was uns beliebt, und Euer tausendfacher Fluch wird auf Euch selbst zurückfallen. Hier, Master Vogel, habt Ihr das viele Geld; es sind gegen dreimalhunderttausend Mark; sie gehören Euch.«
»Er mag dreimalhunderttausendmal daran ersticken!« schrie mich Melton an.
Vogel erbleichte. Er hielt die drei Umschläge in der Hand und sagte, diesmal in deutscher Sprache, zu mir:
»Himmel, welch ein Geld! Das Blut will mir nach dem Herzen gehen, es ist zu viel, viel zu viel!«
Er wollte mit uns teilen, ich sagte aber:
»Sie werden hoffentlich noch mehr bekommen. Stecken Sie das Geld zu sich, und verwahren sie es gut!«
»Sie nehmen also nichts?«
»Nein!«
»Gut, so nehme ich es einstweilen zu mir. Später aber sprechen wir weiter darüber.«
Melton wurde von der Leiter gebunden. Es machte ihm Schmerzen, zu stehen. Wir gaben ihm die Beine frei, und er mußte mit uns von den Terrassen steigen, denn wir mußten fort.
Fuenftes Kapitel: Am weissen Felsen
Es fiel uns natürlich nicht ein, von der Jüdin Abschied zu nehmen. Wir ließen uns von den Yumas das Pferd Meltons zeigen; es wurde gesattelt, und wir banden ihn darauf. Unsere Pferde bekamen wir wieder. Wir kauften einen Vorrat getrockneten Fleisches; dann ritten wir fort, nachdem ich den Indianern gesagt hatte, daß wir unsere Lassos holen würden und sie sich nicht an denselben vergreifen sollten. Sie ließen uns fortreiten, ohne uns irgend ein Hindernis in den Weg zu legen; doch sah man es ihnen an, daß sie sich darüber ärgerten, daß sie von uns gezwungen worden waren, Frieden zu halten. Wäre die Möglichkeit vorhanden gewesen, wieder mit ihnen zusammenzutreffen, so konnten wir sicher sein, daß sie sich nicht friedlich oder freundlich zu uns verhalten würden.
Eigentlich hätten wir nun den Cañon des Flujo blanco emporreiten müssen; wir mußten aber zu der Indianerfrau, um unser Versprechen zu erfüllen, und außerdem wollten wir doch auch unsere Lassos holen. Darum ritten wir den Fluß abwärts und schwenkten dann nach Ost, in welcher Richtung das Haus lag. Wir erreichten es nach zwei Stunden. Die Frau stand vor der Thür; sie hatte uns kommen sehen.
»Hatte meine rote Schwester heute in der Nacht Besuch?« fragte ich sie.
»Ja,« antwortete sie. »Das junge Bleichgesicht, welches ihr fangen wollt, war da, um mein Pferd zu holen.«
»Du hast es ihm gegeben?«
»Nein, er hat es sich selbst genommen. Ich wollte ihn daran hindern; da drohte er mir mit dem Tode.«
»Reiter er ungesattelt?«
»Nein, er hat mir auch das Lederzeug genommen.«
»Erhieltest du nicht einen Auftrag von ihm?«
»Ja. Ich soll der weißen Squaw sagen, daß er glücklich fortgekommen sei und daß sie ihm recht bald folgen soll. Dann ritt er fort nach Süden; ich habe ihm heimlich nachgeblickt und nachgehorcht.«
»Wir wissen, wohin er ist. Wir sind mit dir zufrieden und werden dir geben, was wir dir versprochen haben.«
Jeder von uns gab ihr etwas, und das war zusammen soviel, daß sie bei den Ihrigen, zu denen sie zurückkehren wollte, für wohlhabend gelten konnte. Dann ritten wir gegen Süden fort, um zu unsern Lassos zu kommen.
Als wir den Rand des Thalkessels erreichten, über welchen die Lassos in die Tiefe hinabhingen, standen die Yumas unten und sahen herauf. Sie hatten uns erwartet. Auf der obersten Plattform stand die Jüdin. Man hatte sie also nach unserm Fortgange frei gemacht. Die Rache, welche sie gegen uns empfand, hatte ihr einen schrecklichen Gedanken eingegeben. Sie hatte nämlich den Teil des Lassos, den sie erreichen konnte, abgeschnitten und hielt ihn uns unter triumphierenden Rufen entgegen, eine schreckliche Rache! Ich lachte. Emery legte die Flinte über den Rand des Abgrundes, und richtete den Lauf auf sie. Da rannte sie, vor Angst schreiend, davon und verschwand im Loche, welches den Zugang zum obersten Stockwerk bildete.
Wir zogen die Lassos empor, hatten aber nun nur noch zwei und einen halben, worüber wir freilich nicht in Verzweiflung gerieten. Darauf wurde der Weg fortgesetzt, oder vielmehr die Verfolgung Jonathan Meltons eigentlich erst begonnen.
Seit wir das Pueblo verlassen hatten, waren vier Stunden verflossen. Es war also anzunehmen, daß er einen Vorsprung von wenigstens acht Stunden vor uns hatte. Darum fragte ich den Apatschen:
»Wie weit ist es bis zu dem weißen Felsen?«
»Da wir gute Pferde haben, werden wir, wenn nichts dazwischen kommt, dreißig Stunden reiten müssen.«
»So rechne ich mehr als dreißig, denn das Pferd Meltons kann mit den unsrigen nicht fort. Täglich zwölf Stunden; also werden wir übermorgen ankommen. Meint Winnetou, daß der »starke Wind« uns freundlich empfangen wird?«
»Die Mogollons sind nicht gut auf die Apatschen zu sprechen; aber ich habe ihnen nie ein Leid gethan. Warum sollte er uns also feindlich empfangen?«
»Melton wird ihn gegen uns aufhetzen!«
»Ja, wenn er eher dort ankommt, als wir!«
»Das wird er. Er bietet sicher alles auf, um so schnell wie möglich hinzukommen.«
»Warum soll er sich so beeilen? Er wird überzeugt sein, daß Judith uns auf keinen Fall etwas gesagt hat.«
»Er kann aber auch eine Absicht haben, welche uns gefährlich zu werden vermag. Vielleicht nimmt er an, daß wir längere Zeit am Pueblo bleiben, und veranlaßt die Mogollons, mit ihm dorthin zu kommen, um uns anzugreifen.«
»Das ist allerdings möglich. In diesem Falle werden wir auf sie treffen und können sicher sein, daß sie uns als ihre Feinde betrachten werden.«
Die Unterhaltung wurde selbstverständlich so geführt, daß der alte Melton nichts von ihr hören konnte. Er würdigte uns keines Blickes. Es waren jedenfalls sehr düstere Gedanken, welche sein Gesicht so sehr verfinsterten. Von Zeit zu Zeit stieß er einen tiefen Seufzer aus oder ließ ein zorniges Stöhnen vernehmen. Der zerschlagene Teil seines Körpers, mit welchem er auf dem Pferde saß, mußte ihn außerordentlich schmerzen.
Jonathan Melton einzuholen, davon konnte keine Rede sein; das sahen wir bald ein. Vogels und Meltons Pferde waren keine Komantschenrosse, und der letztere gab sich außerdem alle Mühe, unsern Ritt zu verlangsamen. Er wäre geradezu ein Idiot gewesen, wenn er nicht erraten hätte, daß wir hinter seinem Sohne her waren; darum that er alles, was in seiner Lage möglich war, unsere Schnelligkeit zu beeinträchtigen.
Winnetou kannte die Gegend und war, wie so oft, ein höchst zuverlässiger Führer. Wir hatten die Fährte Jonathans vor uns. Er war noch nie hier gewesen und folgte also nur den Weisungen der Jüdin, traf aber die Richtung so genau, als ob er den Weg schon vielemal zurückgelegt hätte.
Der Weg führte immer bergan, bis wir gegen Abend die Hochebene erreichten, welche sich zwischen der Sierra Blanca und den Mogollonbergen ausdehnt. Da, wo wir uns befanden, war das Hochplateau unbewaldet. Es gab ein dünnes, niedriges Gras, welches an die Puna der peruanischen Alpen erinnerte. Ebenso erinnerte der Wind daran, der scharf und kalt aus Westen wehte und uns bald durchfröstelte. Man war einen so sehr frischen Luftzug gar nicht mehr gewöhnt.
Wäre ich mit Winnetou und Emery allein gewesen, so hätten wir gewiß nicht angehalten, sondern wären die ganze Nacht hindurchgeritten, um noch vor Melton das Ziel zu erreichen. Aber Vogel war kein ausdauernder Reiter, und der alte Melton drohte jeden Augenblick vom Pferde zu fallen. Halb mochte das Verstellung sein, halb war es aber auch die Folge der Schmerzen, welche er auszustehen hatte.
»Halten wir noch vor nachts an?« fragte Emery.
»Nicht gern,« antwortete Winnetou.
»Aber bis früh können wir unmöglich reiten. Da ist es doch besser, wir suchen uns jetzt einen zum Lagern geeigneten Ort, als wenn wir in der Dunkelheit da anhalten müssen, wo wir uns gerade befinden.«
»Mein Bruder hat recht. Ich kenne einen solchen Ort.«
»Er müßte uns aber auch Schutz vor dem Winde geben, der einem beinahe bis auf die Knochen geht!«
»Es ist eine Felswand, die den Wind von uns abhalten wird. In einer Viertelstunde sind wir dort.«
In der angegebenen Zeit sahen wir eine Erhöhung, einen kleinen Berg, aus der Hochebene aufsteigen, welcher sich nach Westen nur allmählich niedersenkte, im Osten aber sehr steil abfiel und da eine Art Coulisse bildete, in welche der kalte Wind nicht zu dringen vermochte. Da gab es auch mehrere Bäume und viel Gesträuch, also Holzmaterial zu einem Feuer, welches wir bei der Kälte recht wohl gebrauchen konnten.
Wir stiegen ab und banden den alten Melton los. Er war so steif, daß er nicht stehen und nicht gehen konnte. Wir mußten ihn nach der Einbuchtung der Bergwand, welche ich Coulisse genannt habe, tragen und ihn dort niederlegen. Vielleicht war auch das Verstellung. Jedenfalls galt es, ein wachsames Auge auf ihn zu haben.
Nachdem wir die Pferde angehobbelt hatten, suchten wir trockenes Holz zusammen und brannten ein Feuer an, dem wir uns so nahe wie möglich legten. Dann wurde gegessen. Melton bekam auch seine Portion Fleisch, die ich klein schnitt und ihm stückweise in den Mund steckte; ich wollte ihm die Hände selbst zum Essen nicht gern freigeben.
»Wachen wir?« erkundigte sich Emery.
»Vielleicht wird es nicht nötig sein,« antwortete Winnetou. »Es giebt keine Feinde hier.«
»Gut, so schlafen wir alle. Wir können es brauchen.«
»Und doch ist es wohl besser, wenn wir wachen,« entgegnete ich. »Erstens müssen wir auf Melton achthaben, und zweitens traue ich seinem Sohne nicht. Er ist zwar kein Prairiemann, aber auch kein Dummkopf. Alle andern Ideen und Vermutungen in Ehren, aber er kann doch auch denken, daß wir erfahren haben, wohin er ist; er hat ähnliches schon an uns erlebt. In diesem Falle weiß er, daß wir ihm folgen. Wie nun, wenn er auf den Gedanken kommt, auf uns zu warten?«
»Hm!« brummte Emery. »So erfahren ist er wohl nicht!«
»Nicht erfahren, sondern klug.«
»Und nicht nur klug, sondern auch kühn würde das sein!«
»Er ist nicht feig, und daß er kühn werden kann, wo es sich um so viel handelt, das läßt sich doch wohl denken. Wenn ihr schlafen wollt, gut; aber dann wache ich die ganze Nacht.«
»Unsinn! Wenn du so besorgt bist, so wechseln wir natürlich ab.«
Es wurde gelost. Die erste Wache traf Winnetou, die zweite Emery, dann kam ich und hinter mir Vogel, jeder anderthalbe Stunde lang. Das gab sechs Stunden; dann wollten wir aufbrechen. Jetzt war es ungefähr neun Uhr abends.
Nach den Ereignissen der letzten Zeit und dem öfteren Wachen während der Nächte schlief ich so fest, daß Emery, als meine Zeit gekommen war, mich zweimal stoßen mußte, ehe ich aufwachte. Er legte sich nieder, und ich warf neues Holz ins Feuer, um die Schläfer zu erwärmen. Es war still rings umher; zu beiden Seiten unserer Schutzwand aber strich der Wind zuweilen pfeifend vorüber. Um mich wach zu halten, stand ich hin und wieder auf und spazierte eine Weile hin und her. So verging meine Wache und ich hatte Vogel zu wecken. Er that mir leid. Er war die Anstrengungen nicht gewöhnt; der Schlaf that ihm so wohl, und so ließ ich ihn liegen, um seine Wache für ihn zu thun.
Jetzt ging das gesammelte Holz auf die Neige; darum entfernte ich mich, um neues Ast- und Zweigwerk zu suchen. Da wir die nähere Umgebung des Lagerplatzes schon abgesucht hatten, mußte ich weitergehen und wegen der Dunkelheit war ich auf den Tastsinn angewiesen. So suchte ich, mit den Fingern hierhin und dorthin greifend, zwischen den Sträuchern herum und entfernte mich immer weiter vom Feuer. Dabei war es natürlich nicht möglich, jedes Geräusch zu vermeiden; die Aeste und Zweige, die ich fand, knickten und knackten und – – was war denn das für ein Ton, den ich jetzt hörte? Das war kein Knacken eines Astes; das klang ganz anders; war – – hm! Hatte ein Windstoß gepfiffen, geheult? Oder war es das Wiehern eines Pferdes gewesen?
Ich lauschte. Das Geräusch oder vielmehr der Ton wiederholte sich nicht; aber ich war aufmerksam geworden; ich hatte Verdacht geschöpft. Wenn ich mich nicht irrte, war das Pfeifen oder Wiehern da von rechts hergekommen. Ich legte das Reisigholz weg, mich selbst auf den Bauch und kroch in der angedeuteten Richtung vorwärts.
Da ich zwischen Büschen hindurch mußte, war die Sache außerordentlich schwierig. Wenn es sich um Feinde handelte, die zwischen den Sträuchern steckten, so waren sie bei der herrschenden Dunkelheit nur dann aufzufinden, wenn ich das Terrain in einem breiten Zickzack durchkroch, sodaß ich an jedem Busche wenigstens einmal vorüberkommen mußte. Dann dauerte es aber sicher stundenlang, ehe ich nur zur Hälfte fertig wurde. Da ich aber nicht anders verfahren konnte, so kroch ich in der angegebenen Weise weiter, erst rechts hin, bis ich am Felsen war, und dann wieder nach links, bis an das Ende des Gesträuches. So kam ich zwar langsam, aber doch immer vorwärts, bis – Ah, da erklang derselbe Ton, und nun hörte ich deutlich, daß es das Wiehern eines Pferdes war. Ich wußte nun auch die Stelle, an welcher ungefähr sich das Tier befinden mußte. Das war nicht draußen im Freien, sondern auch nahe an dem steilen Bergabhange, wohin der Wind nicht treffen konnte. Der Besitzer des Pferdes hatte ebenso wie wir vor demselben Schutz gesucht.
Wer aber konnte der Mann sein? War er schon vor uns dagewesen, so hatte er uns kommen sehen müssen. Warum war er da, falls er nichts Böses im Schilde führte, nicht zu uns gekommen‘ oder, falls er uns zu fürchten hatte, nicht davongeritten? Warum war er geblieben? Oder er war später als wir gekommen. Da hatte er unser Feuer sehen müssen. Jedenfalls hatte er sich da an uns geschlichen, um zu sehen, wer wir waren. Daß er trotzdem in der Nähe geblieben war, ließ darauf schließen, daß – ja, worauf ließ das denn nun schließen? Es konnte sowohl auf friedliche, als auch auf feindliche Absichten deuten. Oder gar, wenn es sich nicht um einen einzelnen Menschen, sondern um mehrere handelte! Dann befanden wir uns freilich in Gefahr! Ich mußte unbedingt wissen, woran ich war, kroch wieder bis zur Bergwand hin und dann dieselbe entlang. Wenn mich der Schall nicht getäuscht hatte, konnte ich jetzt höchstens fünfzig Schritte von dem Pferde, welches gewiehert hatte, entfernt sein.
Ich schob mich auf den Händen und Knieen vorsichtig weiter, bis ich diese Entfernung ungefähr zurückgelegt hatte. Und richtig! Da, links von mir, stand ein Pferd, aber nicht eines allein; es waren zwei, drei, fünf und noch mehr. Sie waren angebunden. Die Reiter mußten in der Nähe sein. Ich kroch also weiter, zwischen der Felswand und den Pferden hin. Da sah ich zwischen zwei Sträuchern in dem hier hohen Grase gerade vor mir einen langen, dicken Gegenstand, ein rundes Bündel liegen. Was war das?
Es war ein Wagnis, dennoch kroch ich ganz hinan, bis ich es mit der Hand erreichen konnte. Ich berührte dieses Bündel mit den Fingerspitzen und tastete ganz leise an demselben hin. Es war ein Mensch, der sich in mehrere Decken gewickelt hatte. Wo aber befanden sich die andern? Denn da es so viele Pferde hier gab, mußten auch mehrere Reiter vorhanden sein.
Weil ich zwischen der Felswand und dem schlafenden Bündel nicht hindurch konnte, mußte ich einen Bogen machen und kam an eine kleine Lichtung, auf welcher die saßen, welche ich suchte. Ich hörte, daß sie sich halblaut unterhielten. Es war notwendig, etwas von dem, was sie sprachen, zu verstehen. Wenn mir das gelang, wußte ich, wen ich vor mir hatte. Ich wagte also, mich noch weiter zu nähern, und kam hinter einem Steinbrocken zu liegen, vor welchem zwei von ihnen saßen. Gleich daneben stand ein Busch. ich hatte also soviel Schutz, daß ich nicht befürchtete, bemerkt zu werden. Ich schob meinen Kopf zwischen Busch und Stein hinein und lauschte.
Ah, das war ja Yuma-Sprache! Sollten die Bewohner des Pueblo uns verfolgt haben? Welche Idee! Und doch lag das nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit. Da sagte einer:
»Wir hätten nicht warten Sollen, sondern gleich über sie herfallen müssen!«
Obgleich er nicht laut sprach, erkannte ich doch die Stimme des Indianers, in dessen Hause wir vorgestern abend überfallen worden waren. Meine Vermutung war also richtig. Ich hatte die Puebloindianer vor mir.
»Das wäre falsch gewesen,« antwortete sein Nachbar. »Unsere Kugeln konnten den gefangenen Melton treffen, gerade den, den wir befreien wollen.«
»Nein, den hätten wir nicht treffen können, denn es brannte das Feuer. Da sieht man doch, wohin man schießt.«
»Aber die Wache, bedenke die Wache! Wenn es nicht Old Shatterhand gewesen wäre! Ihn und Winnetou haben wir zu fürchten, den dritten weniger und das junge Bleichgesicht, welches bei uns gefangen war, gar nicht. Old Shatterhand hätte uns gewiß kommen hören!«
»Er hat dich doch auch nicht gehört, obgleich du so nahe am Feuer warst!«
»Da wachte er noch nicht; er wurde erst geweckt, gerade als ich kam. Er saß eine kleine Weile; dann stand er auf und kam auf mich zu. Ich mußte schnell fliehen, sonst hätte er mich gesehen. Glücklicherweise hat er mich nicht gehört. Aber wenn mehrere kämen, die würde er ganz gewiß hören. Wir müssen warten, bis der nächste wacht.«
Da fiel ein dritter ein:
»Wir thun, was die weiße Squaw gesagt hat: Wir warten mit dem Angriffe, bis der Tag graut. Da sehen wir, wohin wir schießen. Es sind nur vier Personen, denen wir unsere Kugeln zu geben haben; wenn wir sie sehen können, sind wir in einem Augenblicke mit ihnen fertig. Greifen wir aber jetzt an, so trügt die Dunkelheit und das Flackern des Feuers; wir treffen nicht sicher, und wenn wir sie nicht töten, sondern nur verwunden, so sind wir ihnen wohl gar umsonst nachgeritten.«
»Ihr fürchtet euch viel zu sehr vor ihnen!« meinte unser verräterischer Wirt.
»Es ist nicht Furcht, sondern Vorsicht. Denke an die Silberbüchse des Apatschen, und dann gar an Old Shatterhands Gewehre, die wir schon damals zu unserm Schaden kennen gelernt haben. Nein, wir greifen erst beim Morgengrauen an. Die weiße Squaw will die Feinde stürzen sehen; sie wünscht das so, und den Gefallen können wir ihr thun, denn sie ist die Squaw unsers Häuptlings gewesen.«
»Da hast du recht!« hörte ich da die Stimme der weißen Squaw. Sie hatte sich aus ihren Decken geschält, war aufgestanden und herangetreten. »Ich will dabei sein; ich will es sehen, wenn die Hunde, die Schurken von euern Kugeln getroffen werden. Deshalb habe ich im Pueblo alles liegen lassen und bin so schnell mit euch geritten, um sie einzuholen. Ihr werdet großen Lohn bekommen, wenn ihr mir gehorcht. Wenn wir den Vater meines Mannes befreit und seine Widersacher getötet haben, gehören euch ihre Skalpe, wohl die wertvollsten, die es giebt. Auch ihre Gewehre und alles, was sie bei sich tragen, sollt ihr haben, und dann reiten wir gleich weiter nach dem »weißen Felsen« zu meinem Manne, der euch soviel geben wird, wie ihr noch nie besessen habt. Seid ihr einverstanden?«
»Ja, ja, ja, ja,« ertönte es rundum im Kreise.
»Wie weit ist es bis zum Feuer, an dem die Schufte sitzen?«
»Vielleicht dreihundert Schritte,« antwortete der, welcher den Kundschafter gemacht hatte.
»Ich werde mich einmal hinschleichen; ich muß sie sehen.«
»Das ist gefährlich!«
»Für mich nicht. Ich weiß, wie man es zu machen hat, um nicht gesehen und gehört zu werden; ich habe es von meinem Manne, euerm Häuptling, gelernt.«
»Aber wenn Old Shatterhand noch wacht, wird er dich hören!«
»Nein; er hat dich auch nicht gehört.«
»So erlaube wenigstens, daß ich mit dir gehe!«
»Das ist nicht nötig; ich brauche dich nicht!«
»Und ich kann dich nicht allein gehen lassen; ich gehe unbedingt mit, denn es handelt sich nicht nur um deine, sondern auch um unsere Sicherheit.«
»So komm!«
Ich wußte nun mehr als notwendig war, und zog mich schleunigst zurück. Das war ja toll! Das Weib war uns mit den Roten nachgeeilt, um uns sterben zu sehen! Um solche Parforceritte zu machen, mußte sie als die Frau des verstorbenen Häuptlings viel zu Pferde gewesen sein. Welch ein Haß aber gehörte dazu, welch ein glühender, alle Rücksichten umstoßender Haß! Freilich, wenn wir vier hier erschossen wurden, so hatte ihr Jonathan auf einmal freie Hand! Es war ein Glück, daß unser Feuerungsmaterial auf die Neige gegangen war. Hätte es noch weiter gelangt, so wäre ich sitzen geblieben, ohne zu ahnen, wie nahe sich der Tod bei uns befand.
Ich schob mich seitwärts in die Büsche, erhob mich, um schneller laufen zu können, und drang vorwärts, um den beiden voranzukommen. Als ich annehmen konnte, daß mir dies gelungen sei, blieb ich stehen und wartete. Ich befand mich an einem Punkte, an welchem sie vorüberkommen mußten.