Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 20
»Wirklich? Ein Zufall!«
»Ja, Zufall, aber ein glücklicher. Der Master nannte sich Murphy, Fred Murphy, und ist Advokat in New-Orleans.«
»Der Advokat Fred Murphy? Ist es möglich!« rief ich aus. »Dann weiter, schnell weiter!«
»Nun ja, wir kamen weiter, aber nicht so rasch, wie ich es Euch erzählen soll. Will es Euch zu Gefallen aber kürzer machen.«
»Wißt Ihr, was er in Frisco wollte?«
»Damals noch nicht; jetzt aber weiß ich es. Habe zuweilen beim Nebenherreiten zugehört, wenn er mit der Lady sprach; da erfuhr ich es.«
»Mit welcher Lady? Wer war die Dame?«
»Das wollt Ihr wissen? Well, sollt es erfahren, doch jetzt noch nicht, denn die ist noch gar nicht daran. Jede Sache will ihre richtige Ordnung haben. Ehe ich von der Lady sprechen kann, muß ich erst nach Albuquerque kommen.«
»Albuquerque? Mann, Mensch, spannen Sie mich nicht auf die Folter! Erzählen Sie schnell!«
»Nicht so hitzig, Sir! Wir kommen ans Ende, auch wenn wir uns nicht so atemlos übereilen. Also in Albuquerque mußten wir über einen Tag lang warten; es war am Wagen eine Reparatur vorzunehmen. Wir saßen und aßen da in einem Salon, ich glaube Plener hieß der Wirt, und andere saßen auch dabei. Die sprachen von Konzerten, welche kürzlich gegeben worden waren. Es waren ein Virtuos auf der Violine und eine Sängerin gewesen. Beide hatten sich spanische Namen beigelegt, aber man wußte, daß es ein Geschwisterpaar aus Deutschland sei; die Wirtin, bei der die Schwester wohnte, hatte es ausgeplaudert.«
»Haben die Leute im Salon die wirklichen Namen der Geschwister genannt?«
»Natürlich! Das war es ja, was meinen Advokaten in die Höhe springen ließ. Der Bruder war ein Mr. Vogel, und die Schwester eine Mrs. Werner.«
»Ah! Dachte es mir! Weiter!«
»Mein Advokat die Namen hören, nach der Wohnung der Sängerin fragen und wie auf der Flucht aus dem Salon rennen, das war eins. Wäre er nicht ein Advokat gewesen, so hätte ich geglaubt, er sei toll geworden; aber Advokaten werden bekanntlich nicht verrückt. Oder habt Ihr vielleicht einen gesehen, welcher ausnahmsweise übergeschnappt ist, Sir?«
»Nein – ja – ja – nein! Weiter, macht nur weiter!«
»Weiter? Es ist weiter gar nichts zu sagen, als daß am nächsten Morgen Mrs. Werner sich auch in den Wagen setzte und mitfuhr. Wir fuhren den gewöhnlichen Weg, den San Jose hinauf, über die Sierra Madre, nach New Wingate und dann am Rio Puerco herunter, wo wir über den Colorado setzten, um dann die Cerbatstraße einzuhalten. Da aber wollte die Lady auf einmal nicht mit. Sie sprach von ihrem Bruder, der in dieser Gegend sei, von Old Shatterhand, von Winnetou und von einem gewissen Sir Emery, der ein Englishman zu sein scheint – —«
»Er ist es. Ihr seht ihn hier neben mir.«
»Well! Große Ehre, außerordentlich feine Ehre, Sir!«
Er nahm wieder seinen unsichtbaren Hut ab, verbeugte sich gegen Emery und fuhr fort:
»Ich vernahm aus dem Gespräch der beiden, daß ein großartiger Diebstahl vorgekommen war. Die Sängerin und ihr Bruder waren die Geschädigten, und die Spitzbuben waren drei sogenannte Meltons, wenn ich mich nicht irre. Old Shatterhand, Winnetou und Emery waren ausgezogen, die Halunken zu fangen. Sie steckten in einem Schlosse, welches irgendwo an einem Nebenflüßchen des kleinen Colorado liegen sollte.«
»Am Flujo blanco.«
»Well! Mag richtig sein; ich kenne es nicht. Die Lady hatte auch mitgewollt, die Kerls zu fangen, hatte aber nicht gedurft. Nun befand sie sich in der Gegend und bestand darauf, daß ihr Bruder aufgesucht werden müsse. Ich hatte keine Stimme bei der Entscheidung darüber; es war mir überhaupt ganz gleich, ob der Weg nach Canada oder hinunter nach Mexiko ging; ich sagte also kein Wort dazu. Der Advokat mochte, trotzdem er Advokat war, wissen, daß man einer Lady den Willen thun müsse, und so wichen wir von dem bisherigen Wege ab und lenkten nach den Mogollonbergen ein.«
»Warum gerade dorthin?«
»Weil der kleine Colorado nirgends so viele Nebenflüßchen hat, als gerade da. Es war mir gar nicht bange, das sogenannte Schloß zu finden.«
»Aber, Master Dunker, mit einer Dame in diese Gegend einzudringen! Per Wagen, mit dem man da nirgends fortkommen kann! Das konntet Ihr ja gar nicht verantworten!«
»Habe mir auch gar nicht eingebildet, es zu können, Sir! Die Lady wollte, und wir mußten; es war nicht gegen sie aufzukommen. Ich glaube, wenn der Advokat aus New-Orleans gefragt würde, was er lieber studiert, das Gesetzbuch oder die hübschen Augen der Sängerin, so würde er gestehen, daß er die letzteren vorzieht. Mich aber kann die Verantwortung unmöglich treffen. Sobald wir von der Straße abgewichen waren, wurde das Fortkommen unendlich schwer. Bald ging es in eine Tiefe, daß man glaubte, der Wagen müsse sich überkugeln, bald wieder so bergan, daß die armen Pferde ihn kaum schleppen konnten; oder wir mußten über einen Wasserlauf, in dem wir stundenlang stecken blieben. In einem solchen Loche saßen wir gestern um die Mittagszeit fest, als wir überfallen wurden. Hundert Rote gegen mich allein! Denn der Fahrer wurde gleich vom Bocke geschossen, und der Advokat war nicht zu rechnen. Ehe ich mein Gewehr heben konnte, war ich von zwanzig, dreißig Fäusten gepackt. Ich schlug um mich; das konnte mich aber nicht retten. Man zerriß mir die Kleider; man drückte mich zur Erde; ich wurde gebunden und fortgeschleift nach der reizenden Gegend, die man Klekie-Tse, den weißen Felsen, nennt.«
»Ah! Dahin wollen wir!«
»Das sollt Ihr auch!«
»Wir sollen! Wer hat das gesagt?«
»Die Lady, die mitsamt dem Advokaten auch dort ist. Auch den Wagen hat man hingeschafft. Seid Ihr einmal beim weißen Felsen gewesen?«
»Noch nicht.«
»So denkt Euch einen kleinen Berg! Wenn Ihr darauf steht und von ihm niederblickt, so seht Ihr ein rundes Schloß mit weißen Mauern, Fenstern, Portalen, Säulen, Pfeilern, Treppen, Erkern und Türmen. Ihr denkt, ein berühmter Architekt müsse es gebaut haben, und doch ist es nur ein natürlicher Felsen, ein weißer Kalkstein, aus welchem der Regen das alles nach und nach herausgearbeitet hat. Längs des natürlichen Schlosses läuft das Flüßchen hin, welches auf der einen Seite den Felsen berührt; das andere Ufer ist dicht mit Buschwerk bewachsen. Dann folgt, nach dem Berge zu, von welchem ich sprach, ein ebener Grasplan, auf welchem die Mogollons jetzt ihre Zelte stehen haben.«
»Sind es Kriegszelte?«
»Nein; sie wohnen mit ihren Squaws und Kindern da. Also in diese schöne Gegend wurden wir geschafft. Wir waren gefesselt und lagen erst beisammen. Der Advokat wollte bald vor Grimm zerplatzen, bald schluchzte er aus lauter Angst; er ist ein Hasenfuß. Die Lady war still und gefaßt. Sie meinte, wenn Ihr wüßtet, daß sie gefangen sei, würdet Ihr kommen und sie befreien.«
»Das werden wir auch. Erzählt weiter!«
»Am Abende wurden wir getrennt. Ich kam in ein Zelt, wo ich von einem Roten bewacht wurde; dasselbe war mit dem Advokaten der Fall. Die Lady bekam auch ein Zelt für sich; aber ihr nahm man die Fesseln ab. Jetzt darf sie sogar das Zelt verlassen. Sie scheint es mit ihren Augen dem Häuptling angethan zu haben. Heute, gegen Mittag, geschah etwas, was Euch interessieren wird. Man hatte mich aus dem Zelte geholt und mit dem Advokaten zusammengebracht, wohl um eine Art von Verhör anzustellen. Wir saßen nebeneinander, und um uns standen die vornehmsten Krieger der Mogollons. Da wurde ein Reiter gebracht, welcher mit dem Häuptling sprechen wollte. Es war ein Weißer. Als der Advokat ihn erblickte, schrie er wie besessen auf.«
»Nannte er ihn beim Namen?«
»Ja. Erst rief er ihn Small, Small Hunter; dann nannte er ihn Jonathan Melton.«
»Welche Wirkung hatte das auf den Reiter?«
»Dieser erschrak zunächst; dann aber schien er sich zu freuen. Er hielt dem Häuptling eine lange Rede, von welcher wir aber nichts hören konnten. Der Mann schien sehr weit herzukommen und die ganze Nacht geritten zu sein, denn er mußte sich vor Müdigkeit setzen, und sein Pferd war über und über mit Schweiß und Staub bedeckt.«
»Wie wurde er von dem Häuptlinge behandelt?«
»Erst finster; dann aber, als er mit seiner Rede fertig war, wurde der »starke Wind« freundlicher und rauchte mit ihm die Friedenspfeife.«
»O wehe!«
»Ja, o wehe! Denn ich weiß, daß dieser Mensch einer von den drei Meltons, und zwar der Hauptspitzbube ist. Der Advokat sagte es mir.«
»Hatte dieser Melton eine Tasche mit?«
»Ja, von schwarzem Leder. Sie hing an einem Riemen über die Achsel. Er bekam ein Zelt angewiesen.«
»Wißt Ihr, wo es liegt?«
»Ja, es steht neben dem, in welches ich später wieder gesteckt werden sollte. Er ging hinein und kam dann bald wieder heraus und zu uns hin.«
»Hatte er da die Tasche noch umhängen?«
»Nein.«
»Er hatte sie also in dem Zelte gelassen. Das ist mir wichtig! Weiter!«
»Er kam zu uns, verhöhnte den Advokaten und sagte zu ihm, daß er am Marterpfahle sterben werde, wenn die Mogollons von ihrem Kriegszuge zurückgekehrt seien.«
»So ist also von einem Kriegszuge gesprochen worden?«
»Nicht daß ich wüßte. Das einzige Wort darüber habe ich eben von Melton gehört; doch schien es mir allerdings, als ob etwas Ungewöhnliches im Werke sei.«
»Die Roten wollen die Nijoras überfallen, um Pferde zu stehlen.«
»Und diese ahnen wohl nichts davon?«
»Sie wissen es und rüsten sich.«
»Well, so stehen unsere Aktien gut. Wir reiten zu den Nijoras und holen sie herbei, um die Lady und den Advokaten zu befreien.«
»Das wollen wir uns doch erst überlegen.«
»Warum?«
»Erst muß ich das Lager kennen lernen.«
»Wollt Ihr etwa hin? Da lauft Ihr dem Bären in den Rachen!«
»Fällt mir nicht ein! Erzählt nun noch, wie Ihr entkommen seid!«
»Ich habe Euch schon gesagt, Sir, daß ich heraus zu dem Advokaten geschafft wurde, und daß dann Melton kam. Der nahm den Häuptling eine ganze Zeit so in Anspruch, daß er sich nicht mit uns beschäftigen konnte. Wir waren ziemlich unbeobachtet. Die Füße waren uns nicht gebunden, sondern nur die Hände. Ich hatte schon seit gestern an den Riemen gezerrt und gearbeitet. In meinem Zelte stand ein alter Topf mit Wasser, aus dem ich trinken konnte. Da hatte ich mir die Riemen naß gemacht; sie wurden weich und geschmeidig und gaben nach. Ich konnte endlich mit den Händen heraus und wartete nur auf den geeigneten Augenblick, der mir ein glückliches Fortkommen verhieß. Da sollte ich wieder in das Zelt geschafft werden. Ich mußte an demjenigen des Häuptlings vorbei. Da stand das Pferd, welches Ihr hier seht, ein Prachtroß, wie es selten eines giebt. Jetzt war der Augenblick da! Ich streifte den Riemen ab, sprang auf das Pferd und jagte davon.«
»Ah, welch ein Hallo mag das gegeben haben!«
»Zunächst gar nicht. Die Roten waren, wie es schien, über meine Verwegenheit ganz erstarrt, sodaß ich unangefochten fast durch das ganze Lager kam. Dann freilich ging der Spektakel los, und zwar riesengroß! Das war ein Rufen, Schreien und Heulen! Schüsse krachten, aber schon zu spät; keiner traf. Ich kam unverletzt aus dem Lager, sogar an den Wächtern vorüber. Ich war frei; ich hatte ein herrliches Pferd, aber leider keine Waffen. Ich jagte bis hierher, wo ich das Pferd trinken ließ; dann wollte ich weiter. Da kamt Ihr geritten. So, nun wißt Ihr alles.«
»Wieviel Zeit habt Ihr gebraucht, um hierher zu kommen?«
»Vielleicht drei Stunden.«
»Ihr denkt doch, daß Ihr verfolgt werdet?«
»Yes, Sir. Natürlich jagt man hinter mir her. Wenn ihnen auch an mir altem Kerl nicht viel liegen kann, so ist doch das Pferd, welches ich entführt habe, so kostbar, daß man sich alle Mühe geben wird, es wieder zu bekommen.«
»Die Verfolger reiten auf Eurer Spur. Sie werden also hierher kommen; da aber die Sonne schon verschwunden ist, wird es dunkel sein, wenn sie hier anlangen. Dann erkennen sie die Fährte nicht. Trotzdem wollen wir nicht länger hier verweilen. Wir brechen auf nach dem weißen Felsen.«
»Well, ich reite mit!«
»Das kann ich nicht verlangen. Seid froh, daß Ihr von dort entkommen seid! Zurückzukehren wäre Verwegenheit.«
»Jetzt nicht mehr, Sir. Wenn Old Shatterhand und Winnetou dabei sind, kann man alles wagen. Ich reite mit. Oder wollte Ihr vom langen Dunker erzählen, daß er sich vor einigen Indianern fürchte?«
»Was ich über Euch gehört habe, läßt nicht zu, Euch für einen furchtsamen Mann zu halten.«
»So? Spricht man ein wenig gut von mir? Das freut mich alten jungen; das thut meinem Herzen wohl. Ich reite also mit, und Ihr könnt wagen, was Ihr wollt, ich werde dabei sein, Sir. Aber auf dem Wege, den ich gekommen bin, können wir nicht hin, wir würden auf meine Verfolger treffen.«
»Das ist richtig. Winnetou kennt die Gegend; er wird uns führen.«
»Winnetou wird euch so führen,« sagte der Apatsche, »daß ihr in zwei Stunden den weißen Felsen vor euch liegen seht.«
Wir ließen die Pferde trinken, stiegen dann wieder auf und ritten davon, als eben der letzte Schimmer des Tages im Westen verschwand.
Der Himmel war heute wieder wolkenschwer. Es wurde ebenso dunkel, wie es gestern gewesen war, doch Winnetou führte uns ebenso sicher wie am hellen Tage. Es gab in Beziehung auf den Ortssinn wirklich keinen zweiten seinesgleichen! Wie er vorhergesagt hatte, so geschah es auch. Als zwei Stunden vergangen waren, hielt er an. Eine hohe, dunkle Masse lag dicht vor uns. Er sagte:
»Das ist der Berg, von welchem Dunker gesprochen hat.«
»Ist er das wirklich?« fragte der Genannte. »Ich hatte ihn in der Finsternis nicht wiedererkannt.«
»Er ist‘s. Wenn man oben steht, kann man den weißen Felsen unten liegen sehen.«
»So müssen wir hinauf. Reitet weiter!«
»Halt!« warnte ich. »Das Lager beginnt gleich jenseits dieser Höhe?«
»Ja.«
»So wird es von ihr beherrscht, und es sollte mich wundern, wenn kein Posten oben stünde. Winnetou mag erst allein hinaufsteigen und nachsehen.«
Der Apatsche sprang vom Pferde und verschwand im nächtliche Dunkel. Es dauerte eine volle halbe Stunde, ehe er zurückkam.
»Meine Brüder müssen sich in acht nehmen,« meldete er. »Es giebt einen Doppelposten oben.«
»So können wir nicht hinauf?«
»Doch, aber nicht mit den Pferden.«
»Dann müssen wir sie weiter zurückschaffen. Ein Schnauben oder gar Wiehern würde uns verraten.«
Wir ritten eine ziemliche Strecke zurück, und ließen die Pferde unter der Obhut Emerys da stehen. Wir andern drei gingen wieder zum Berge und stiegen vorsichtig hinauf. Der Doppelposten hatte ein Feuer brennen, bei dem wir die beiden Gestalten deutlich sehen konnten. Die Wächter oder vielmehr ihre Anführer verdienten geprügelt zu werden.
Wir standen auf der Seite der Bergkuppe und sahen in das Lager hinab. Den weißen Felsen konnten wir freilich nicht erkennen; in der finstern Nacht war er auch schwarz. Zahlreiche Lagerfeuer brannten unten; die Zelte waren nur in unsichern Konturen zu erkennen.
»Well, da sind wir jetzt,« sagte Dunker. »Was thun wir aber nun?«
»Man kann die Zelte nicht unterscheiden,« antwortete ich. »Ja, wenn es Mondschein gäbe, daß man sie einzeln liegen sähe; da wäre etwas zu machen!«
»Die Finsternis hat aber auch ihr Gutes!«
»Allerdings. Aber die Hauptsache ist, daß ich wissen möchte, in welchem Zelte sich Melton und in welchem andern sich die Lady befindet.«
»Ich weiß es ganz genau, kann es Euch aber leider nicht sagen, nicht zeigen. Wenn ich das könnte, was würdet Ihr dann thun?«
»Hinuntergehen in das Lager.«
»Wozu?«
»Um wenigstens mit der Lady zu reden, wenn es nicht möglich wäre, sie herauszuholen.«
»Das wäre einer von den Streichen, wie man sie freilich nur von Euch und Winnetou erzählen hört. Aber Ihr müßt wissen, daß das Lager von Posten umgeben ist. Wie wollt Ihr hineinkommen?«
»Auf dem natürlichsten Wege, den es giebt, durch den Fluß. Ich gehe nicht fort, ohne wenigstens einen Versuch, mit der Lady zu sprechen, gemacht zu haben. Was für Zelte giebt es da? Sommer- oder Winterzelte?«
»Sommerzelte.«
»Also Leinwand. Da giebt es also auch Pflöcke, welche man herausziehen kann. Bei den Winterzelten ist das anders. Stehen die beiden Zelte, welche ich suche, weit vom Wasser entfernt?«
»Sie stehen ganz nahe.«
»Gut, ich gehe. Kehrt ihr zu den Pferden zurück und erwartet mich dort. Hier habt ihr meine Gewehre, meinen Gürtel und die andern Sachen, welche die Nässe nicht vertragen.«
»Wird mein guter Bruder nicht vielleicht zu viel wagen?« fragte der Apatsche in besorgtem Tone. »Winnetou wird lieber mitgehen!«
»Nein; das nützt mir nichts. Ja, wenn du die Zelte kennen würdest!«
Da fragte Dunker:
»Ihr wollt wohl in das Wasser steigen?«
»Natürlich! An dem einen Ufer steht der Fels, und an dem andern giebt es Büsche. Im Schutze und Schatten derselben komme ich ungefährdet durch das ganze Lager.«
»Das ist kühn, außerordentlich kühn; aber es spricht mich an, Sir! Was meint Ihr wohl, ob ich mitthun könnte?«
»Hm, ich kenne Euch nicht genug, um das zu wissen. Könnt Ihr schwimmen, tauchen und Wasser treten?«
»Ganz leidlich.«
»Ist das Flüßchen tief?«
»Weiß es nicht.«
»Reißend?«
»Nein.«
»Hatte es heute klares oder trübes Wasser?«
»Trübes; auch kam viel abgerissenes Gras und Schilf geschwommen.«
»Das ist gut; das ist sehr gut, denn das wird uns von großem Nutzen sein. Wir bauen uns Inseln, unter denen wir uns verstecken, sodaß wir nicht gesehen werden können.«
»Inseln? Unter denen wir stecken?« fragte er verwundert.
»Ja.«
»Erklärt es mir, Sir! – Das kann ich nicht begreifen.«
»Es ist so einfach wie nur möglich. Jedes Kind kann es machen. Man bindet Schilf und anderes Zeug, welches gern auf dem Wasser schwimmt, zusammen, sodaß es die Gestalt einer kleinen Insel annimmt, welche vom fließenden Wasser abwärts getragen wird. In der Mitte der Insel fertigt man eine Erhöhung, welche hohl sein und mehrere Löcher nach allen Seiten haben muß. Kriecht man nun unter die Insel und steckt den Kopf in die Höhlung, welche über dem Wasser liegt, so hat man Luft und kann nicht nur Atem holen, sondern sich auch nach allen Seiten umschauen, weil man durch die Löcher zu blicken vermag. Man sieht also alles und hört auch alles, ohne daß man selbst gesehen wird, weil man im Wasser steckt.«
»Das ist ein kluger, ein sehr kluger Gedanke, Sir. Ja, bei Old Shatterhand und Winnetou kann selbst unsereiner noch viel lernen!«
»Man muß erfinderisch sein, Master Dunker. Man kann sehr leicht in Verhältnisse kommen, in denen von solchen Dingen nicht nur das Gelingen eines Planes, sondern sogar das Leben abhängt. Mir zum Beispiele haben solche künstliche Inseln schon wiederholt das Leben gerettet.«
»Die Inseln sollen schwimmen; da muß man doch wohl mitschwimmen?«
»Wenn das Wasser tief ist, schwimmen; ist es seicht, dann waten. In dem letzteren Falle muß man sich bald ausstrecken, bald den Körper zusammenziehen, je nach der Verschiedenheit der Wassertiefe. Indem ersteren Falle ist es geraten, in aufrechter Stellung zu schwimmen, was man »Wassertreten« nennt. Man hält den Kopf oben, die Füße unten, zieht die Kniee ein wenig empor und tritt abwechselnd mit den Füßen nach unten, während man mit den ausgestreckten Händen breit im Wasser »paddelt«, aber ja nicht auf der Oberfläche, weil das gesehen würde. Es darf auf keinen Fall auch nur der leichteste Wellenschlag verursacht werden, weil dieser einem aufmerksamen und nachdenkenden Zuschauer alles verraten würde. Habt Ihr das verstanden, Master Dunker?«
»Yes, Sir, sehr gut, sehr gut. ich getraue mich, es ganz gut fertig zu bringen.«
»Wartet nur; es kommt noch mehr. Es muß auch noch anderes beobachtet werden, vorausgesetzt nämlich, daß man scharfe Beobachter hat. Man bewegt sich vorwärts, und man bleibt an Stellen, wo man beobachten will, halten. Da darf man sich weder schneller noch langsamer bewegen als das Wasser und sonstige Gegenstände, welche neben und mit der Insel schwimmen. Am allerwenigsten natürlich darf es einem einfallen, stromaufwärts zu schwimmen. Man muß die Strömung beachten. Mitten in und auf derselben darf man ja nicht anhalten, weil dies gegen die Naturgesetze wäre. An Punkten, wo Wirbel sind, muß man sich auch drehen, und legt man am Ufer an, um zu lauschen, so muß dies an einer dazu geeigneten Stelle geschehen, wo ruhiges Wasser ist und es einen Landvorsprung gibt, welcher die Insel angehalten zu haben scheint.«
»Hm! Es ist doch schwerer, als ich dachte, Sir!«
»Wenn man Uebung besitzt, gut überlegt und gut aufpaßt, ist es leicht. Es kommt darauf an, ob Ihr es wagen wollt.«
»Natürlich! Sehr gern! Ich freue mich darauf!«
»Schön! Aber ich halte es für meine Pflicht, Euch darauf aufmerksam zu machen, daß Ihr Euer Leben wagt. Werden wir bemerkt, schöpft man Verdacht, so sind wir wahrscheinlich verloren.«
»So schnell und so unbedingt, wie Ihr denkt, doch wohl nicht! Wir können uns wehren!«
»Womit? Wir können doch keine Schießwaffen bei uns haben und höchstens das Messer mitnehmen. Beim ersten Warnungsrufe stehen hunderte von Indianern am Ufer, die auf uns schießen. Selbst wenn wir aus dem Wasser springen und uns mit den Messern auf sie werfen wollten, wären wir von ihren Kugeln durchlöchert, ehe wir zum Stoße kämen.«
»Haben sie denn gleich alle ihre Schießprügel bei der Hand?«
»Und wenn keiner ein Gewehr hätte, befänden sie sich doch in solcher Uebermacht, daß ihre Zahl uns erdrückte. Also, ich bin aufrichtig, überlegt es Euch wohl!«
»Pshaw! Da giebt es nichts zu überlegen; ich mache mit. Ich will auch einmal in einer schwimmenden Insel stecken und erzählen, daß ich das von Old Shatterhand gelernt habe. Ich habe es noch nicht erlebt, und da es heute so schön paßt, will ich es jetzt erleben!«
»Gut! Wißt Ihr, wie weit die Posten im Thale auf- und abwärts stehen?«
»Ja, nämlich wenn es sich seit Mittag nicht verändert hat.«
»So könnt Ihr mich führen. Wir steigen natürlich oben in das Wasser und gehen erst unterhalb des Lagers wieder heraus. Da wir später keine Zeit dazu haben, muß ich Euch jetzt noch sagen, wie Ihr Euch zu verhalten habt. Ein leises Zungenschnalzen ist das Zeichen, daß der betreffende dem andern etwas sagen will. Dann legen wir die beiden Inseln nebeneinander, sodaß wir uns hören und verstehen können. Außerdem habt Ihr Euch stets hinter mir zu halten und alles zu thun, was ich thue. Lege ich ans Ufer, dann auch Ihr; stoße ich wieder ab, so folgt Ihr mir. Nur in einem Falle dürft Ihr nicht nachahmen, nämlich wenn ich die Insel verlasse und an das Ufer steige, um vielleicht in ein Zelt zu gehen.«
»Alle Wetter! Wolltet Ihr dies vielleicht wagen?«
»Nicht nur vielleicht, sondern sogar sehr wahrscheinlich. Auf die Zelte, welche ich Euch genannt habe, macht Ihr mich aufmerksam, noch ehe wir sie erreichen, weil wir nicht zurück dürfen. Uebrigens will ich Euch zur Aufmunterung sagen, daß die Sache sich leichter machen wird, als es den Anschein hat. Auf der einen Seite des Flüßchens, wo es an den weißen Felsen stößt, befindet sich kein Mensch; von dort her haben wir also nichts zu befürchten. Und das andere Ufer ist von Büschen besetzt, welche uns Schutz gewähren. Dazu kommt der wolkige Himmel, die Finsternis der heutigen Nacht und das Flackern der Feuer, das, zumal im Wasser, keinen Gegenstand scharf erkennen läßt. Also vorwärts jetzt! Wollen erst Emery benachrichtigen, und dann kann die interessante Schwimmpartie beginnen.«
»Wäre es nicht besser, wir warteten, bis die Feuer erloschen sind und die Roten sich schlafen gelegt haben?«
»Nein, denn was wollten wir dann dort? Ich will doch mit der Lady reden, wenn dies halbwegs möglich ist, und die Indianer beobachten, um vielleicht über den beabsichtigten Zug gegen die Nijoras etwas zu erfahren. Entweder müssen wir es jetzt wagen oder es unterbleiben lassen.«
Wir gingen zu Emery und legten dort alles ab, was wir nicht brauchten oder nicht naß werden durfte. Von Waffen nahmen wir nur Messer mit. Da Dunker keines hatte, bekam er das des Apatschen. Letzterer ließ es sich nicht nehmen, uns an den Fluß zu begleiten. Er wollte uns bei der Herstellung der Inseln helfen, und ich willigte natürlich ein, weil wir dadurch Zeit ersparten.
Es mußte selbstverständlich mit größter Vorsicht zu Werke gegangen werden. Als wir den äußersten Posten oberhalb des Lagers erkundet hatten, gingen wir noch eine Strecke weiter aufwärts, bis wir Schilf fanden. Das durfte nur unter dem Wasser abgeschnitten werden, weil sonst am nächsten Morgen die Stelle aufgefallen wäre. Unter und zwischen den nahen Büschen gab es dürres Holz genug, und so hatten wir bald das nötige Material beisammen und gingen an den Bau der Inseln. Dieser mußte leicht aber fest sein, denn wenn eine der Inseln zerriß und auseinanderschwamm, so kam, wer darunter steckte, in die größte Gefahr, entdeckt zu werden. Auch durfte die Gestalt keine auffällige sein; es mußte genau das Aussehen haben, als ob nur das Wasser die einzelnen Bestandteile zusammengeflößt habe und nun zusammenhalte. Nach einer Stunde waren wir mit dem Werke fertig, und Dunker stieg zuerst in den Fluß, um unter meinen Augen eine Probe zu machen, die recht gut gelang. Winnetou entfernte sich, nachdem er mir gesagt hatte, daß er sich mit meinem vielschüssigen Henrystutzen auf alle Fälle bereithalten werde, uns beizuspringen. Dann ging auch ich in das Wasser, kroch unter meine Insel und steckte den Kopf in die Erhöhung oder vielmehr Höhlung derselben. Das nächtliche Abenteuer konnte seinen Anfang nehmen.
Es war kein sehr angenehmes Gefühl, in den Kleidern im Wasser zu stecken. Wir hatten zwar bei Emery soviel davon zurückgelassen, wie wir entbehren konnten, doch hatte wenigstens ich, weil ich womöglich mit Martha sprechen wollte, soviel von meinem Anzuge anbehalten, daß die Kleidungsstücke bald schwer wurden und mich am Schwimmen hinderten.
Das Flüßchen war nicht breit, aber tief. Als wir das Ufer verlassen hatten, verschwand der Grund unter den Füßen, und wir mußten schwimmen. Ich richtete mich dabei genau nach der Schnelligkeit des Wassers und mein Gefährte folgte nur einige Ellen hinter mir her. Es war dunkel, dennoch sah ich, als wir eine Strecke vorwärts gekommen waren, den ersten, äußersten Posten am Ufer stehen. Wir kamen glücklich an ihm vorüber; er stand mit dem Gesichte dem Wasser zugekehrt, sah also jedenfalls die beiden sich abwärts bewegenden Anhäufungen von Schilf und Zweigen, faßte aber keinen Verdacht. Das überzeugte mich davon, daß unsere Inseln ein natürliches Aussehen hatten, und ich durfte nun hoffen, daß sie auch andern Augen nicht auffällig erscheinen würden.
Wir kamen jetzt an keinem Posten mehr vorüber, außer dem natürlich, der wahrscheinlich unterhalb des Lagers am Wasser stand, und bald sahen wir die ersten von den Feuern erleuchteten Zelte vor uns liegen. Sie standen am linken, von Büschen beschatteten Ufer. Wären wir diesem gefolgt, so hätten die Sträucher uns den Ausguck verdeckt; darum hielten wir uns an das andere, rechte Ufer. Wir konnten da über das Wasser hinüber und zwischen den Büschen hindurchsehen und waren auch sicher, daß hier hüben niemand stand, der uns eine für uns gefährliche Aufmerksamkeit schenken konnte.
Jetzt floß das Wasser langsamer, denn der Fluß machte einen weiten Bogen nach rechts, wo er den Fuß des weißen Felsens bespülte. Dadurch entstand innerhalb des Bogens, zur linken Hand von uns, Raum für die Zelte, die meist in der Nähe des Flusses errichtet waren, jedenfalls um das so notwendige Wasser in der Nähe zu haben.
Wir waren wohl an zwölf bis vierzehn Zelten vorübergekommen, als Dunker das Zeichen gab, daß er sprechen werde. Da er so nahe hinter mir folgte, brauchte ich nicht anzuhalten; ich horchte hinter mich und hörte ihn sagen:
»Das große Zelt, vor welchem die zwei Medizinlanzen stehen, ist das des Häuptlings.«
Das konnte mich weniger interessieren; aber ich wendete dem Zelte doch meine Aufmerksamkeit zu, und da sah ich allerdings, wie gut es war, daß Dunker mich aufmerksam gemacht hatte. Vor dem Zelte hatte ein Feuer gebrannt; es war im Verglimmen, und dafür hatte man neben dem Zelte, wo mehr Platz war, ein zweites angezündet, an welchem einige Rote so saßen, daß zu vermuten stand, es würden noch mehrere kommen und mit ihnen einen Kreis bilden. Es schien also, man wolle hier eine Beratung abhalten. Konnten wir lauschen, so war vielleicht etwas für uns Vorteilhaftes zu erfahren. Darum legte ich am rechten Ufer an, und Dunker that dasselbe in der Weise, daß unsere beiden Inseln eine einzige bildeten. Wir befanden uns also einander so nahe, daß wir leise miteinander sprechen und uns dabei doch verstehen konnten.
Um zu lauschen, mußten wir freilich das linke Ufer aufsuchen; dort aber hinderten uns die Sträucher am Sehen; darum blieb ich einstweilen noch am rechten, weil wir von da aus inzwischen beobachten konnten, was drüben vorging. Unsere Füße hatten jetzt wieder Grund gefunden, und zwar war das Wasser hier so seicht, daß wir in dem weichen, angespülten Sande sitzen konnten, es also bequem genug hatten, so lange aushalten zu können, wie wir es für nötig fanden.
»Warum legt Ihr hier an, Sir?« fragte mich Dunker leise.
»Seht Ihr denn nicht,« antwortete ich, »daß man da drüben Vorbereitungen zu einer Versammlung trifft?«
»Allerdings. Wollt Ihr derselben etwa zuhören?«
»Ja. Nachher, wenn die Beratung begonnen hat. Jetzt bleiben wir hier, weil wir da sehen können, wer und wie viele an der Beratung teilnehmen. Ist das Zelt, in welchem Melton wohnt, nicht von hier aus zu sehen?«
»Nein; aber von dem des Häuptlings aus, abwärts gerechnet, ist es das sechste.«
»Und das der Lady?«
»Ist dann das vierte.«
»So braucht Ihr mir die beiden Zelte, wenn Ihr Euch nicht etwa verzählt habt, gar nicht erst zu zeigen. Warten wir also, was da drüben losgehen wird!«
Die Beratung schien einen sehr wichtigen Gegenstand zu betreffen; das ersahen wir aus der Größe des engern Kreises, welcher gebildet werden sollte, und aus der großen Anzahl von gewöhnlichen Kriegern, welche sich schon jetzt eingefunden hatten. Sie bildeten in einiger Entfernung um den ersteren einen Halbzirkel, weil sie der Beratung ihrer hervorragenden Krieger zuhören wollten.
Erfreulich für uns war es, daß wir nicht allzu lange zu warten brauchten. Wir hatten nicht viel über eine Stunde vor Anker gelegen oder vielmehr vor Anker gesessen, so sahen wir einen langen, starken Indianer aus dem Häuptlingszelte kommen und sich nach dem Kreise begeben.
»Das ist der starke Wind,« flüsterte mir Dunker zu.
Es war also der Häuptling. Hinter ihm kam Jonathan Melton. Er trug alle seine Waffen und setzte sich neben dem starken Wind nieder. Er wurde also nicht nur nicht als Gefangener oder gar als Feind betrachtet, sondern sollte sogar an der Beratung teilnehmen und hatte mit dem Häuptlinge vorher eine Unterredung gehabt. Dann kamen auf ein laut gegebenes Zeichen noch zehn bis zwölf alte, erfahrene Krieger, welche sich in den Kreis setzten.