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Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 21

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Die Beratung begann, und nun verließen wir nacheinander das rechte Ufer, um hinüber an das linke zu schwimmen, was wir so langsam und vorsichtig thaten, als ob unsere Inseln von der Strömung hinübergetrieben würden. Dort legten wir wieder eng nebeneinander an.

Es hatte eine Weile gedauert, bis wir wieder fest und bequem lagen, und so kam es, daß die Verhandlung nun schon begonnen hatte. Wir konnten nicht über das hier hohe Ufer blicken und hörten eine laute, kräftige Stimme, welche eine Rede hielt.

»Wißt Ihr, wer das ist?« fragte ich Dunker.

»Der Häuptling.«

Die Stimme erklang so deutlich, daß wir jedes Wort verstehen konnten:

»– – obgleich meine roten Brüder erst in vier Tagen aufbrechen wollten, habe ich doch mehrere gute Gründe, schon morgen früh den Zug zu beginnen. Und sodann hat mir dies tapfere Bleichgesicht gesagt, daß wir unterwegs drei berühmte Männer ergreifen werden. Wenn das die Wahrheit ist, wird man in allen Zelten und Thälern, in der Nähe und in der Ferne von der Tapferkeit der Mogollon erzählen. Die drei Krieger sind Winnetou, der Häuptling der Apatschen, Old Shatterhand und noch ein großes Bleichgesicht, welches viele rote Krieger getötet hat.«

»Uff, Uff, uff!« erklang es in dem Kreise, und auch die um denselben Stehenden ließen diesen Ausruf der freudigen Bewunderung hören.

»Unser weißer Bruder,« fuhr der Häuptling fort, »wird meinen roten Brüdern jetzt mitteilen, was er zu mir davon gesprochen hat.«

Seine einleitende Rede war zu Ende. Er hatte sie natürlich stehend gehalten und setzte sich, wie ich vermutete, nun wieder nieder. Nach einigen Augenblicken erklang die Stimme Jonathan Meltons. Er hielt eine lange, sich in den stärksten Ausdrücken ergehende Philippica, welche sich auf uns bezog. Er erzählte, wir seien bei ihm im Pueblo gewesen und hätten auf die Mogollon geschimpft und dabei gesagt, daß wir zu den Nijoras wollten, um sie zu einem Kriegszuge gegen die ersteren aufzustacheln. Da er ein Freund der Mogollons sei, habe er sich sofort auf das Pferd gesetzt, um sie vor der drohenden Gefahr zu warnen. Wie gut er es meine, könnten sie aus dem Umstande ersehen, daß er auf einem vollständig abgehetzten Pferde angekommen sei. Jetzt höre er, daß ein Zug gegen die Nijoras beschlossen worden sei, der aber erst nach vier Tagen angetreten werden solle. Dies sei vollständig falsch, da sie höchst wahrscheinlich bis dahin von den Nijoras überfallen würden. Man müsse vielmehr sofort aufbrechen, zumal es heute Dunker gelungen sei, zu entkommen. Er habe gehört, daß man gegen die Nijoras ziehen wolle, und man könne annehmen, daß er zu diesen eilen werde, um sie zu benachrichtigen.

Der Mensch brachte noch andere Gründe und lügenhafte Angaben in so scharfsinniger Weise vor, daß ich, noch ehe er seine Rede geendet hatte, überzeugt war, die Beratung werde ihm beistimmen. Wirklich ging auch, als er sein letztes Wort gesprochen hatte, ein beifälliges Murmeln durch die Reihen der Roten; es trat eine kurze Stille ein, und dann hörte ich den Häuptling sagen:

»Mein weißer Bruder hat bewiesen, daß er ein Freund unseres Stammes ist. Wir danken ihm; er mag mir jetzt nur noch einige Fragen beantworten. Waren Winnetou und Old Shatterhand noch in dem Pueblo der weißen Squaw, als du von dort fortrittest und weißt du, wann sie es verlassen werden?«

»Nein.«

»Wissen sie, wohin du geritten bist?«

»Nein.«

»So steht auch nicht zu erwarten, daß sie dir augenblicklich gefolgt sind. Vielleicht befinden sie sich jetzt noch dort?«

»Das ist freilich möglich.«

An diesem Falle können wir sie hindern, die Nijoras gegen uns aufzuhetzen. Wir brauchen ihnen nur eine Anzahl unserer Krieger entgegenzusenden, um sie festzunehmen; dann können sie nicht zu den Nijoras gelangen.«

»Aber wenn sie sich nun schon dort befinden?«

»Dann müßten wir morgen früh aufbrechen. Wenn die Nijoras uns wirklich angreifen wollen, so müssen sie durch das Tikh Nastla5 kommen, wenn sie nicht einen Umweg von mehreren Tagen machen wollen. Dort können wir sie erwarten und vollständig aufreiben. Ich werde jetzt, wenn die alten Krieger einwilligen, fünfzig Männer absenden, welche sofort aufbrechen und Winnetou und Old Shatterhand entgegenreiten, um sie zu fangen. Die andern Krieger ziehen dann morgen mit mir nach dem Tikh Nastla, wo wir den Erfolg abwarten können. Ich habe gesprochen. Laßt uns über den Vorschlag beraten!«

»Kommt, wir wollen fort!« flüsterte ich Dunker zu.

»Jetzt noch nicht!« antwortete er. »Wenn wir einmal lauschen, müssen wir doch bis zu Ende warten, das Wichtigste kommt erst nach.«

»Was denn?«

»Die Entscheidung darüber, was sie anfangen werden.«

»Die kenne ich schon jetzt. Uebrigens sind so viele Krieger hier versammelt, und das Zelt Meltons steht leer, Ich muß fort, ehe die Versammlung aufgelöst wird. Also kommt, Master! Wir legen bei dem sechsten Zelte an, und ich gehe an das Ufer.«

Wir machten uns wieder flott und schwammen weiter. Das Zelt stand ebenso nahe am Ufer, wie die andern; es warf seinen Schatten über die Büsche und auf das Wasser herab. Als wir den Schatten erreicht hatten, legten wir wieder an. Ich forderte Dunker auf:

»Bleibt hier liegen, bis ich zurückkehre, und steigt auf keinen Fall ans Land!«

»Aber wenn Ihr nicht wiederkommt, Sir?«

»Dann werdet Ihr Winnetou schießen hören.«

»Und wenn er nicht schießt?«

»Er wird! Ich werde mich ohne Gegenwehr nicht ergreifen lassen. Der Lärm, welcher dabei entsteht, wird dem Apatschen sagen, daß ich in Gefahr bin, und Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß er dann nicht ruhig auf seinem Posten liegen bleibt. Wenn Ihr seine Schüsse hört, ergreift Ihr die Flucht. Ihr schwimmt mit Eurer Insel den Fluß hinab, bis Ihr den untersten Posten passiert habt, und kehrt zu Sir Emery zurück.«

»Und Ihr? Was wird dann mit Euch?«

»Das laßt nur meine und Winnetous Sache sein.«

»Sir, das ist leicht gesagt. Ich soll ausreißen, wenn Ihr Euch in Gefahr befindet?«

»Ja. Eure Hilfe könnte mir nichts nützen; sie würde mir nur schaden. Uebrigens wird der Fall, von dem wir sprechen, gar nicht eintreten. Wartet also, ich bin gleich wieder hier!«

»Well! Aber ich sage Euch, daß ich zittere, nicht für mich, sondern für Euch!«

Ich befestigte meine Insel an den Busch, bei dem ich jetzt lag, und kroch darunter hervor, wobei ich natürlich untertauchen mußte. Dann schob ich mich vorsichtig zwischen den Sträuchern hindurch, die Böschung des Ufers hinauf. Dabei war gar nichts zu riskieren, denn hinter mir konnte es keinen Beobachter geben, zu beiden Seiten hatte ich das Gebüsch und vor mir das Zelt. Auf der Uferhöhe angekommen, blickte ich mich um. Es war kein Mensch zu sehen.

Nun kam es darauf an, zu erfahren, ob sich jemand in dem Zelte befand oder nicht. Ich kroch ganz hinan und lauschte. Es war nichts zu hören. Ich zog einen Pflock aus der Erde und hob den untern Saum des Zelttuches vorsichtig empor. Gerade mir gegenüber war der Eingang; er stand halb offen. Der Schein eines Feuers fiel herein, und ich sah, daß das Zelt leer war.

Mir klopfte das Herz. Melton hatte das geraubte Erbe in einer Ledertasche bei Sich, diese aber nicht mit auf der Versammlung gehabt; sie mußte sich also in seinem Zelte befinden. Ich sah sie aber nicht. Darum hob ich die Zeltleinen noch höher und kroch hinein. Die Tasche war nicht zu sehen. Sollte er sie vielleicht dem Häuptlinge in Verwahrung gegeben haben? Das hielt ich nicht für wahrscheinlich. Darum kroch ich nach der Lagerstätte, welche aus Laub, abgeschnittenem Gras und einigen Decken bestand, steckte die Hand unter diese und suchte. Da – da fühlte ich sie. Meine Hand zitterte. Ich zog sie zurück und überlegte, obgleich meine Lage keine solche war, daß ich Zeit zu langem Nachdenken gehabt hätte; sie war im Gegenteile höchst gefährlich.

Ich befand mich in einer großen Aufregung. Da lagen die Millionen, welche wir haben wollten! Durfte ich sie nehmen? Es wirbelte mir vor den Augen und vor den Ohren. Wie muß es erst einem Einbrecher zu Mute sein, der unter Lebensgefahr seine Hand nach unrechtem Gute ausstreckt! Ich zwang mich zur innern Ruhe.

Nahm ich die Tasche, so wurde sie jedenfalls sehr bald von Melton vermißt; er machte Lärm; man suchte, fand meine Spur, suchte die Umgegend weiter ab und traf dann auch auf unsere andern Spuren; dadurch gerieten wir in große Gefahr, und wenn wir derselben auch entgingen, so hatte ich wohl das Geld, aber nicht den Dieb.

Die Tasche durfte ich also nicht mitnehmen. Aber sie öffnen, auspacken, – auch mußte ich etwas anderes hineinthun, um Melton glauben zu machen, daß der Inhalt noch vorhanden sei; das erforderte eine Zeit, die mir nicht zu Gebote stand. Aber es mußte gewagt werden. Wurde ich überrascht, nun, dann kam Melton vielleicht allein in das Zelt, und mit dem würde ich schon fertig! Ich nahm also die Tasche unter den Decken hervor. Vielleicht hatte er den wertvollen Inhalt herausgenommen und zu sich gesteckt. In diesem Falle setzte ich mich der gegenwärtigen Gefahr ganz unnütz aus.

Es war eine Ledertasche mit eisernem Bügel; sie war voll und – verschlossen. Wie fatal! Ich zog mein Messer und sprengte das Schloß auf. Das war eine sehr leichte Arbeit, welche ich aber ungern unternahm, weil es fraglich war, ob ich das Schloß ebenso leicht wieder zubringen würde. Der Bügel ließ sich öffnen, und ich griff hinein. Ich fühlte weiche Gegenstände und kleinere Sachen; das war es nicht, was ich suchte. Dann kam eine starke, dicke Brieftasche in meine Hand; weiter gab es dann nichts. Ich nahm sie heraus. Um das vorige Volumen wieder herzustellen, schnitt ich mit dem Messer einen Streifen von der untern Lagerdecke, legte ihn viereckig zusammen, und schob ihn dahin, wo die Brieftasche gesteckt hatte. Hierauf zwang ich die Bügel wieder zusammen und gab an der Stelle, wo sich das Schloß befand, einen starken Druck – es schnappte; wie das möglich war, das konnte ich mir nicht erklären, aber das vorhin aufgesprengte Schloß war wieder zu.

Nun galt es, den Rückzug zu ergreifen, was freilich nicht so leicht war und so schnell ging, wie man meinen sollte, denn ich hatte meine Spur zu verwischen.

Meine Kleidung war naß gewesen, doch war von der Nässe gewiß nicht so viel, daß es auffallen mußte, in das Zelt gekommen. Ich nahm die Brieftasche zwischen die Zähne, selbstverständlich nachdem ich die Bügeltasche wieder unter das Lager gesteckt hatte, kroch aus dem Zelte und steckte den Pflock wieder an seine Stelle. Indem ich mich nun auf den Knieen rückwärts nach dem Wasser hinabbewegte, richtete ich die niedergedrückten Gräser sorgfältig mit den Händen auf. Wenn heute Nacht der Tau auf die Stelle fiel, war morgen früh von der Spur jedenfalls nichts mehr zu bemerken. Das Aufrichten des Grases mußte sehr sorgfältig geschehen, es nahm viel Zeit in Anspruch. Als ich endlich unten ankam, hörte ich Dunkers Stimme leise aus seinem Verstecke hervorklingen:

»Dem Himmel sei tausend Dank! Was war das für ein ewiges Warten! Mir sind aus lauter Sorge für Euch soviel Gänsehäute übergelaufen, daß ich ein steinreicher Kerl würde, wenn ich einen Käufer für sie fände.«

»Und doch müßt Ihr noch eine kleine Weile warten,« antwortete ich.

»Noch länger! Warum?«

»Ich habe etwas geholt, was ich mitnehmen muß und doch nicht naß werden lassen darf. Ich muß es also auf meiner Insel befestigen, daß es trocken liegt.«

»Was ist es?«

»Einige Millionen Dollars.«

»Was! Etwa das geraubte Geld!«

»Ja.«

»Glückspilz, der Ihr seid! Wohl in einer Tasche?«

»Ja.«

»So befestigt sie ja recht sorgfältig, damit sie nicht verloren geht!«

»Ich bringe hinten auf meiner Insel eine zweite Erhöhung an. Auf diese habt Ihr von jetzt an zu achten, auf sonst weiter nichts, indem Ihr hinter mir her schwimmt.«

Ich mußte Holz haben und durfte doch keine Aeste von den Büschen schneiden, weil die weißen Schnittflächen zu Verrätern geworden wären; es gab glücklicherweise genug abgebrochene Zweige, welche mir hinreichendes Material zu der beabsichtigten Vorrichtung lieferten. Als die Tasche sicher untergebracht worden war, schlüpfte ich wieder unter meine Insel, und wir schwammen weiter. Beim vierten Zelte hielten wir an, und ich kroch wieder hervor.

»Nehmt Euch in acht!« warnte mich Dunker. »Es ist anzunehmen, daß die Lady sich nicht allein in dem Zelte befindet!«

»Dann sitzt sie wohl außerhalb,« gab ich zur Antwort.

»So! Warum?«

»Weil eine solche Dame solange wie möglich gute Luft genießt, anstatt sich mit alten Squaws in einem stinkenden Zelte zusammenzupferchen.«

Ich schob mich am Ufer empor. Richtig! Meine Vermutung bestätigte sich. Etwa drei Schritte vor mir stand das Zelt, und daneben sah ich Martha sitzen, nur zwei Schritte von mir entfernt. Sie hatte ihren Platz seitwärts vom Zelte genommen, weil davor mehrere indianische Weiber saßen; ob zwei oder drei, das konnte ich nicht sehen. Jetzt galt es sie anzureden, ohne daß sie erschreckte. Das geschah am besten mit ihrem Vornamen und in deutscher Sprache.

»Martha!« flüsterte ich hinter ihr.

Sie zuckte zusammen und drehte sich erschrocken um, glücklicherweise ohne einen Ruf auszustoßen. Ich erhob den Kopf, sodaß sie mein vom zwischen den Zelten herüberleuchtenden Feuer beschienenes Gesicht sehen konnte und raunte ihr rasch zu:

»Still! Lassen Sie nichts hören! Haben Sie mich erkannt?«

Ja,« hauchte sie, indem sie ein wenig zur Seite rückte, sodaß wir besser leise Worte tauschen konnten. Die Indianerinnen hielten ihre Aufmerksamkeit aufwärts nach der Stelle gerichtet, wo die Beratung der Krieger noch immer nicht zu Ende war.

»Ich komme nur, um Ihnen zu sagen, daß ich in der Nähe bin,« fuhr ich fort.

»Gott sei Dank!« flüsterte sie, indem sie die Hände faltete. – »Aber welch eine Verwegenheit ist dies von Ihnen!«

»Es ist gar nicht gefährlich. Sagen Sie vor allen Dingen, wie Sie behandelt werden.«

»Ganz leidlich.«

»Ans Leben scheint es also nicht gehen zu sollen?«

»Vielleicht doch! – Wenn Jonathan Melton – doch Sie können ja gar nicht wissen, was wir —«

»Ich weiß alles,« unterbrach ich sie. »Dunker, Ihr Führer —«

»Der ist entkommen!« schalt sie schnell ein.

»Und auf mich und Winnetou getroffen. Er steckt jetzt hinter mir im Wasser.«

»Himmel, diese Gefahr! Und Franz, mein Bruder?«

»Ist in Sicherheit. Er befindet sich bei den Nijora-Indianern.«

»Da ist er nicht sicher; denn diese sollen von den Mogollon überfallen werden. Melton sagte mir auch, daß er den Zug mitmachen wird, um Sie zu fangen.«

»So erwartet er also, daß wir kommen?«

»Wie es scheint. Er hat mir gedroht. Wenn er erst Sie, Winnetou und Emery hat, sollen wir alle ausgelöscht werden; so drückte er sich aus.«

»So wissen Sie, daß Ihnen wenigstens augenblicklich nichts geschehen wird; Sie können also ruhig sein. Was den Zug gegen die Nijoras betrifft, so werden wir dafür sorgen, daß er verunglückt; also auch um Ihren Bruder brauchen Sie keine Angst zu haben.«

»Aber schonen Sie doch auch sich! Wie haben Sie sich hierherschleichen können, und wie kommen Sie wieder fort? Ich möchte vor Bangigkeit vergehen!«

»Leiser, leiser; die alten Indianerinnen hören Sie sonst! Ich bin so sicher wie ein eingeschriebener Brief im Postbeutel. Ich kann Sie augenblicklich noch nicht befreien; darum komme ich jetzt, um Ihnen wenigstens zu sagen, daß die Gefangenschaft nur kurz sein wird. Wo befindet sich Murphy, der unvorsichtige Advokat?«

»Weiter drüben, Auf Veranlassung Meltons wird er sehr scharf bewacht. Wie ist es denn Ihnen ergangen? Sie scheinen das »Schloß«, welches Sie suchten, nicht gefunden zu haben?«

»Wir fanden es. Später mehr davon; jetzt kann ich natürlich nicht erzählen. Harry Melton ist tot; sein Bruder Thomas befindet sich in unserer Gewalt, und nur Jonathan ist uns entwischt; aber in höchstens einigen Tagen werden wir auch ihn festhaben.«

»Und das Vermögen? Wie steht es mit diesem?«

»Habe ich vielleicht schon.«

»Haben Sie – —«

»Leiser, viel leiser«, unterbrach ich ihre erstaunten Worte. »Ich habe schon zu viel gesprochen und mich zu lange hier verweilt. Ich will Ihnen nur noch sagen, daß ich da oben in Meltons Zelt gewesen bin. Ich schlich mich vorhin hinein und habe, da es leer stand, seine Brieftasche erbeutet, die wahrscheinlich alles enthält, was wir haben wollen. Das ist die Hauptsache; den Spitzbuben bekommen wir dann auch noch. Jetzt will ich fort. Haben Sie also keine Sorge, und erfüllen Sie mir, sobald ich jetzt fort bin, eine Bitte!«

»Wie gern! Aber welche?«

»Steigen Sie dann einigemal hier zum Wasser nieder, um meine Spur zu verwischen. Wenn man das niedergedrückte Gras bemerkt, muß man denken, Sie seien es gewesen.«

»Ich werde es sehr gern thun; aber gewähren auch Sie mir eine Bitte! Setzen Sie Ihr Leben nicht zu sehr auf das Spiel! Wenn man Sie tötet, bin auch ich verloren!«

»Nein, denn da sind Winnetou und Emery noch da. Aber ich versichere Ihnen, daß ich nicht zu viel wage und daß mir nichts geschieht. Also zagen Sie nicht; halten Sie sich stramm, und seien Sie überzeugt, daß wir Sie sicher herausholen werden, denn – —«

Ich hielt inne, weil in diesem Augenblicke ein lauter schriller Schrei durch das Lager ertönte. Die alten Weiber vor dem Zelte sprangen auf und entfernten sich neugierig einige Schritte, sodaß sie uns nicht mehr so leicht wie vorher bemerken konnten.

»Was war das? – Was hat das zu bedeuten?« fragte Martha.

»Es ist der Sammelruf der Indianer. Der Häuptling ruft seine Posten zusammen. Daraus ersehe ich, daß man nach den Vorschlägen Meltons handeln wird. Jedenfalls wird sehr bald eine Abteilung aufbrechen, um uns zu fangen. Ich muß fort. Also Mut! Und leben Sie wohl!«

Wir hatten ein großes Glück gehabt, solange und so ungestört miteinander sprechen zu können. Sie reichte mir die Hand; dann rutschte ich in das Wasser hinab. Eben wollte ich unter meine Insel kriechen, da hörte ich, wo ich mich soeben noch bei Martha befunden hatte, eine mir bekannte, laute Stimme sagen:

»Mrs. Werner, ich komme, um mich von Euch zu verabschieden. Zwar bin ich überzeugt, daß Euch das Scheiden von mir sehr schwer fällt, aber ich kann Euch den Trost erteilen, daß wir uns recht, recht bald wiedersehen werden.«

Jonathan Melton war es, der so gesprochen hatte, und zwar in einem so niederträchtig höhnischen Ton, daß ich am liebsten hinaufgesprungen wäre, um ihn zu fassen und mit mir herunter in das Wasser zu ziehen. Ich hätte das wahrscheinlich auch gethan, denn wie die Sachen jetzt standen, wäre es wohl möglich gewesen, mit ihm aus dem Lager zu kommen, da die Posten zusammengerufen worden waren, aber ich hatte nicht nur auf Martha, sondern auch auf Murphy und – auf die Brieftasche Rücksicht zu nehmen. Darum kroch ich vollends in mein Versteck hinein und lauschte. Er fuhr fort:

»Ich bin‘s nicht allein, der sich entfernen muß, sondern auch Ihr werdet das Lager verlassen.«

Ah, dachte ich, wenn sie nur jetzt klug wäre! Wenn sie nur jetzt nicht schweigen, sondern ihm antworten wollte. Und sie war klug; sie mochte sich sagen, daß ich, der ich ja wohl noch nicht fort war, gern hören würde, was er weiter sprach. Sie fragte:

»Ich hier fort? Wann denn?«

»Schon mit Anbruch des Tages und zwar mit den Indianern, die gegen die Nijoras ziehen. Ich will Euch beweisen, wie wenig ich Euch und Eure sauberen Freunde fürchte. Meine Offenheit soll Euch sagen, daß Ihr schon jetzt nicht mehr für mich vorhanden seid. Der rote Winnetou und der sogenannte Old Shatterhand sind uns nachgeritten, um uns zu fangen. Ihr und Euer kluger Advokat habt das Resultat nicht abwarten können, und seid ihnen gefolgt. Das war eine große Albernheit von euch allen, denn die Meltons haben euch schon wiederholt bewiesen, daß ihr mit all eurer Klugheit nicht an sie kommt. Ihr befindet Euch mit dem Advokaten jetzt in meiner Gewalt, und ich reite schon in einer Viertelstunde mit einer Abteilung von fünfzig Mogollon ab, um Old Shatterhand, Winnetou und den Engländer dazu zu holen. Befinden sie sich noch auf dem »Schlosse«, wohin Ihr wolltet, so werden wir bis dorthin reiten und sie überrumpeln; sind sie aber schon fort, so treffen wir sie unterwegs. In beiden Fällen ist es schon jetzt so gut, als ob wir sie fest hätten. Euch und den Advokaten aber nehmen die Roten am Morgen mit, damit ich nicht so weit zurückzureiten habe. Ich werde in einer sehr schönen Gegend, welche man das »dunkle Thal« nennt, auf sie und also auch auf Euch treffen. Was meint ihr wohl, was dann geschehen wird?«

»Ihr laßt uns frei?«

»Frei? Das kann nur ein Weib sagen. Ich bin der Erbe des alten Hunter; hört Ihr es, ich! Es darf keinen andern Erben geben! – Wißt Ihr, was das heißt?«

»Wollt Ihr uns etwa töten!«

»Töten? Ah, ja, jetzt redet Ihr viel vernünftiger als vorher. Ihr seid der Wahrheit so nahe, daß Ihr sie beim Schopfe habt.«

»Sir, es kann ganz anders kommen, als Ihr denkt, wenn Ihr gar nicht auf Winnetou und Old Shatterhand trefft!«

»Das ist unmöglich. Entweder befinden sie sich noch im Pueblo, dann stecken sie in der Falle, denn ich kann unbemerkt in die Festung gelangen, ohne daß sie es ahnen, oder sie sind mir schon nachgeritten, und da giebt es nur einen einzigen Weg, auf dem sie uns begegnen müssen. Die sonst so klugen Kerle werden übrigens gar nicht vorsichtig sein, weil sie nicht ahnen können, daß ich, der Flüchtling, auf den Gedanken komme, wieder umzukehren.«

»Dann ist es wenigstens möglich, daß die Nijoras sich nicht überfallen lassen, sondern die Mogollon besiegen. Dann falle ich den Siegern in die Hände, aber nicht Euch.«

»Pshaw, Weibergedanke! Die Nijoras haben keine Ahnung, daß wir gegen sie ziehen. Wir werden sie überrumpeln, wie der Habicht auf die Tauben fällt. Ich habe befohlen, Euch und den Advokaten keinen Moment aus den Augen zu lassen. Man wird euch auf Pferde binden. Vielleicht ist‘s auch möglich, daß der Häuptling auf den milden Gedanken kommt, Euch in Euern Wagen zu stecken, weil Ihr nicht reiten könnt und also den Zug hemmen würdet. Auf keinen Fall aber werdet Ihr Gelegenheit zur Flucht finden, und auf keinen Fall dürft Ihr denken, daß es Euern Freunden gelingen wird, mir zu entkommen und Euch zu retten, Geht jetzt in Euer Zelt! Die Wächterinnen sind angewiesen, Euch bis zum Morgen nicht herauszulassen.«

Sie schien dem Befehle zu gehorchen, denn es war nichts mehr zu hören. Wir warteten noch ein Weilchen und stießen dann vom Ufer ab, um weiterzuschwimmen. Ich konnte zwar annehmen, daß alle Posten dem Sammelrufe ihres Häuptlings gefolgt seien, und es war auch wirklich keiner am Flusse zu sehen, dennoch schwammen wir zu unserer Sicherheit so weit hinab, daß wir uns nun auf alle Fälle außerhalb der Postenkette befanden, und stiegen dann aus dem Wasser. Als ich die Tasche zu mir nahm, war sie vollständig trocken.

Wir sahen trotz der nächtlichen Dunkelheit, in welche Richtung wir uns zu wenden hatten, denn oben auf der Höhe brannte noch das Feuer. Es diente uns als Wegweiser, da Emery dahinter auf uns wartete.

»Sir,« meinte Dunker, indem wir nebeneinander nach dieser Richtung schritten, »das war ein Abenteuer, an welches ich mit Lust denken werde. Besser konnte es doch gar nicht gelingen!«

»So seid Ihr also zufrieden?«

»Well! Und wie! Was Ihr mit der Lady vorher gesprochen habt, das war so leise, daß ich es nicht hören konnte; aber zuletzt hat Melton uns alles verraten. Es war kostbar, daß er in seinem Hohne und seiner Sicherheit alles so herausplauderte. Was meint Ihr, daß wir nun thun werden?«

»Darüber haben wir beide nicht allein zu entscheiden. Daß wir so viel erfahren haben, ist ganz gut; noch lieber aber ist mir die Brieftasche. Melton wird in kurzer Zeit aufbrechen; es steht also gar nicht zu erwarten, daß er seine Ledertasche untersucht und den Verlust bemerkt. Daß ich so leicht zu dem Gelde kommen könnte, das habe ich nicht für möglich gehalten. Für die, denen es gehört, ist nun auf alle Fälle gesorgt.«

»Steckt denn das Geld auch wirklich drin?«

»Ich müßte mich sehr irren, wenn es anders wäre. Wenn es Tag geworden ist, werden wir ja sehen.«

Ich hielt inne, denn es war mir, als ob ich nicht weit vor uns eine dunkle Gestalt gesehen hätte. Das konnte ein Mogollon sein. Da aber hörten wir Winnetous Stimme:

»Meine Brüder mögen näher kommen! Es ist kein Feind, der lauernd auf sie wartet.«

Er hatte meinen Stutzen in der Hand und sagte:

»Meine Brüder stiegen oben in das Wasser; sie mußten abwärts schwimmen; daher stellte ich mich unten her, weil das der Punkt war, an welchem ich ihnen am besten beistehen konnte. Sie mögen mit mir zu Emery kommen.«

»Werden wir auf keinen Posten treffen?«

»Nein. Die Wächter sind alle in das Lager gegangen, als der Ruf erscholl.«

Emery war nicht wenig froh, als er uns heiler Haut zurückkommen sah. Wir rangen unsere Kleider aus, so gut es ging, zogen die abgelegten Stücke an, steckten alles, was wir weggethan hatten, wieder zu uns und erzählten dabei, was wir erfahren hatten. Als ich sagte, daß ich die Brieftasche erwischt hätte, wurde der Apatsche bedenklich. Er meinte:

»Mein Bruder hätte sie auf keinen Fall nehmen sollen. Melton wird den Verlust entdecken!«

»Mag er!«

»Und ahnen, daß wir hier gewesen sind!«

»Vielleicht öffnet er die Tasche erst heute, erst morgen, erst nach einigen Tagen. Und wenn er sehr bald merkt, daß das Geld fort ist, muß er da gleich denken, daß wir es sind, die es geholt haben? Kann ihn nicht ein Mogollon bestohlen haben, als er die Tasche so leichtsinnig in dem Zelte liegen ließ? Wer weiß, seit wann er sie schon vorher nicht geöffnet hat. Er kann auch wohl denken, daß das Geld ihm schon früher herausgenommen worden ist. Und wenn er es bald bemerkt, und seinen Verdacht auf uns lenkt, so ist es doch jedenfalls besser, wir haben das Geld, nach welchem wir so lange vergebens gejagt haben, als daß es sich noch länger in seinen Händen befindet und da allen Zufälligkeiten ausgesetzt ist. Schließlich könnte es so weit kommen, daß er, wenn wir ihn fangen, das Geld nicht mehr besitzt.«

»Vielleicht gebe ich meinem Bruder recht, wenn er mir weiter erzählt.«

Ich folgte der Aufforderung, indem ich ihm noch berichtete, was Jonathan Melton der Sängerin alles gesagt hatte. Als ich fertig war, sagte er im Tone der Verwunderung:

»Winnetou hielt diesen Menschen für klüger, als er sich jetzt gezeigt hat. Der Hohn ist ein Verführer, dem man niemals folgen sollte. Also er bricht mit fünfzig Mann auf, um uns entgegenzureiten! Was sagt mein Bruder Shatterhand dazu?«

»Das, was jeder vernünftige Mensch sagen würde. Es ist eine Dummheit, die gar nicht größer sein kann.

Wenn er einmal annimmt, es sei möglich, wir hätten erfahren, wohin er geritten ist, und seien ihm gefolgt, so kann er auch annehmen, daß das sehr bald geschehen ist. In diesem Falle können wir, da er schon so bald am Tage hier angekommen ist, doch auch schon hier oder doch wenigstens nahe sein. Darum ist es ein ungeheurer Fehler von ihm, jetzt aufzubrechen, um uns entgegenzugehen. Es ist dunkel; er kann unsere Spur nicht sehen und muß beinahe sicher annehmen, daß er uns verfehlen wird. Er dürfte diesen Ort nur am Tage verlassen und müßte erst die Umgegend sorgfältig nach uns absuchen.«

»Mein Bruder hat richtig gesprochen. Und dann, wenn es Tag geworden ist, werden die Mogollon gegen die Nijoras aufbrechen? Sind sie dann schon gerüstet? Der Zug sollte doch drei Tage später begonnen werden!«

»Zum Gerüstetsein einer Indianertruppe gehört weniger als zu dem eines großen Heeres von weißen Soldaten.«

»Old Shatterhand muß daran denken, daß man nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Proviant ausgerüstet sein muß. Sind die Mogollon genugsam damit versehen? Haben meine Brüder bemerkt, daß sie Fleisch gemacht haben?«

»Nein, ich habe keine Riemen oder Leinen bemerkt, an denen Fleisch zum Trocknen hing.«

»Das ist ein großer Fehler, denn unterwegs und dort, wohin sie wollen, werden sie kein Fleisch finden.«

»Giebt es in der Gegend des dunklen Thales« kein Wild?«

»Entweder keins oder doch wenig. Und haben Krieger, welche in jedem Augenblicke angegriffen werden können, Zeit, auf die Jagd zu gehen und Fleisch zu machen?«

»Nein. Doch wenn die Mogollons solche Fehler begehen, kann es uns nur lieb sein. Kennt der Häuptling der Apatschen das dunkle Thal?«

»Ja.«

»Wie weit ist es von hier?«

»Wenn ein gewöhnlicher Reiter früh aufbricht und unterwegs Nachtlager macht, wird er es um die Mitte des nächsten Tages erreichen. Ich werde meine Brüder führen.«

»Es liegt auch der Gedanke nahe, hier zu bleiben, um die Gefangenen zu befreien, wenn die Krieger fort sind. Dies würde für uns eine leichte Sache sein.«

»Hat mein Bruder auch an die Folgen gedacht?«

»Ja. Man muß sich eben alles überlegen. Jetzt wissen sie nicht genau, wo wir sind; dann aber werden sie es sicher erfahren.«

»Ja; es würden sofort Boten den Kriegern nacheilen, um zu melden, was geschehen ist. Aber es würden auch noch andere Folgen eintreten, weil wir auf unsere Schnelligkeit verzichten müßten.«

»Freilich würden die Lady und der Advokat uns arg hindern.«

»Doppelt hindern, denn wir könnten erstens nicht den Nijoras zu Hilfe kommen und den Mogollons zweitens nicht ausweichen, welche nach Ankunft der Boten augenblicklich eine Schar von Kriegern aussenden würden, uns zu fangen. Denkt mein Bruder etwa, daß den Gefangenen hier in Abwesenheit der Krieger etwas Schlimmes geschehen wird?«

»Nein. Erst nach Rückkehr Meltons ist für sie zu fürchten.«

»So können sie hier bleiben; sie sind uns da sicherer, als wenn wir uns mit ihnen schleppen und sie gegen eine übermächtige Schar von Feinden verteidigen müssen. Wir reiten zu den Nijoras, um ihnen gegen die Feinde beizustehen. Sind diese geschlagen, so zwingen wir sie, uns nicht nur die Lady und den Advokaten, sondern auch Melton auszuliefern.«

»Gut! Wann brechen wir auf!«

»Wenn Melton mit seiner Schar fort ist. Wenn wir eher ritten, würden sie, wenn sie hinter uns kämen, unsere Fährte sehen und Verdacht schöpfen.«

»Können wir nicht einen andern Weg einschlagen?«

»Ja, aber ist es nicht besser, wir bleiben, um uns zu überzeugen, daß sie wirklich fort sind und daß Melton sich gewiß bei ihnen befindet?«

»Nein. Ich bin vollständig überzeugt davon, daß es so ist und so geschieht, wie er gesagt hat. Und wenn wir erst nach ihnen reiten, müssen wir hinter ihnen bleiben, was uns ungeheuer aufhalten würde, denn sie reiten jedenfalls nicht so schnell, wie wir reiten müssen, wenn wir die Nijoras rechtzeitig benachrichtigen wollen, weil sie doch unterwegs sich nach uns umsehen müssen. Ich schlage also vor, wir verlassen entweder diesen Ort sofort, oder wir bleiben da, um die Gefangenen zu befreien, wenn am Morgen die Krieger fortgezogen sind.«

5.»Dunkles Thal«.
Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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