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Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 22

Yazı tipi:

»Mein Bruder Old Shatterhand hat recht. Was sagt mein Bruder Emery dazu?«

»Sofort aufbrechen,« antwortete dieser. »Das Geld haben wir, nun müssen wir unbedingt den lieben Jonathan bekommen. Den Gefangenen geschieht in der nächsten Zeit nichts. Werden die Mogollons besiegt, so zwingen wir sie, sie uns auszuliefern, und sollte der Kampf wider Erwarten einen andern Ausgang nehmen, so können wir immer noch heimlich hierher zurückkehren, um das nachzuholen, was wir jetzt unterlassen.«

Dunker wurde auch gefragt, freilich mehr aus Höflichkeit, als weil wir ihm eine entscheidende Stimme hätten zutrauen mögen. Er stimmte bei, machte aber die nicht ganz unbegründete Bemerkung:

»Wir müssen uns aber vor den Roten in acht nehmen, welche zu meiner Verfolgung ausgeschickt worden sind.«

»Sind die nicht zurückgekehrt?« fragte Emery.

»Ich weiß es nicht, möchte aber mit nein antworten. So lange es Tag ist, sind sie meiner Spur gefolgt. An der Quelle, wo wir zusammengetroffen sind, werden sie bemerken, daß ich da auf mehrere Reiter gestoßen und dann mit diesen nach dem weißen Felsen zurückgekehrt bin. Mit dieser Botschaft kommen sie heim; was sie für ein Aufsehen erregen wird, läßt sich leicht denken.«

»Sie werden diese Botschaft gar nicht bringen,« bemerkte ich. »Beachtet nur das Wetter, Master Dunker! Seit einer Viertelstunde geht ein hohler Wind, und es beginnt bereits, von oben zu »nässeln«. Dazu müßt Ihr nehmen, daß es schon zu dunkeln begann, als wir die Quelle verließen. Eure Verfolger waren noch nicht dort, und ehe sie hinkommen konnten, ist es Nacht geworden. Um Eure Spur nicht zu verlieren, haben sie da halten müssen, wo sie von der Dunkelheit überrascht worden sind, und wenn sie den Fehler gemacht hätten, trotzdem nach der Quelle zu reiten, vielleicht weil sie Euch dort vermuteten oder weil es dort Wasser für ihre Pferde gab, so konnten sie unsere Spuren doch nicht erkennen. Feuer haben sie nicht mitgehabt oder wenigstens nicht angezündet. Dazu kommt, daß das Pferd, auf welchem Ihr entflohen seid, das beste und schnellste des ganzen Lagers ist, wie ich vermute, und daß sie sich also wohl sagen müssen, es sei unmöglich, Euch einzuholen. Es ist also zweierlei anzunehmen: Entweder sind sie umgekehrt und befinden sich jetzt schon wieder im Lager, weil sie die Verfolgung aufgegeben haben, oder sie befinden sich noch jetzt auf Eurer Fährte, doch lagernd, können ihr aber nicht folgen, weil, bis der Tag anbricht, der Regen, welcher immer stärker wird, sie verwischt und verwaschen haben wird.«

»Well, das ist sehr richtig, Sir.«

»Ich denke also, daß wir auf die Leute gar keine Rücksicht zu nehmen brauchen.«

»Es ist so, wie mein Bruder Shatterhand gesagt hat,« stimmte mir Winnetou bei. »In einer Viertelstunde werden wir starken Regen haben. Und das ist sehr gut, denn derselbe wird auch die Spuren, welche wir hier gemacht haben, unkenntlich machen. Wir wollen zu Pferde steigen.«

»Kann uns Winnetou so führen, daß uns die Mogollons nicht hinter die Fersen kommen?«

»Ja. Sie werden den Weg reiten, welchen wir gestern bis an die Quelle eingehalten haben. Wenn wir uns ein wenig weiter nach rechts halten, werden sie von uns nichts verspüren.«

Er meinte also, wir sollten so reiten, daß unser Weg parallel mit dem der Mogollons ging, und dieser Gedanke wurde ausgeführt. Es konnte zwei Uhr nachts sein, als wir aufstiegen und die Gegend verließen, in welcher wir die interessante Schwimmpartie ausgeführt hatten. Der Ritt schien freilich kein angenehmer werden zu wollen, denn der Wind war stärker geworden und es regnete bald so stark, daß wir schon nach kurzer Zeit bis auf die Haut naß waren. Dunker und mir konnte das gleichgültig sein, denn bis gerade so weit waren wir ja schon vorher naß gewesen, und tiefer konnte es unmöglich dringen.

Sechstes Kapitel: Gerettete Millionen

Der Ritt, den wir vorhatten, hieß unsern Pferden sehr viel zumuten; aber sie konnten es nicht besser haben als die Herren. Sie hatten im Pueblo ausruhen können, während wir gezwungen gewesen waren, wach zu bleiben. Dann hatten wir unterwegs am Berge, wo wir von den Indianern der Jüdin überfallen werden sollten, nur ganz wenig geschlafen, heute wieder gar nicht, und ob wir bei der Eile, welche notwendig war, in nächster Nacht zur Ruhe kommen würden, das fragte sich auch noch. Der Regen hatte sein Unangenehmes, doch auch seinen Nutzen. Er durchnäßte uns, hielt aber die Pferde frisch; die Reiter fühlten sich freilich etwas zu sehr erfrischt und befanden sich nicht so recht bei guter Stimmung. Wenn die Witterung schon auf den Stubenhocker einen solchen Einfluß ausübt, daß er bei schönem Wetter sich in guter, bei schlechtem Wetter aber in weniger angenehmer Laune befindet, so kann man sich denken, daß Leute, die in der Wildnis direkt dem Sturme und Regen ausgesetzt sind, diesen Einfluß auch wohl kennen lernen. Darum ritten wir still und ziemlich verdrossen hinter dem Apatschen her, welcher trotz des Regens, bei dem man während der Nacht nicht fünf Schritte weit zu sehen vermochte, nicht ein einzigesmal anhielt, um sich zu orientieren. Um mich zu erinnern, daß er sich überhaupt einmal verirrt habe, wenn er gesagt hatte, daß er die Gegend kenne, hätte ich wohl sehr lange und doch vergeblich nachdenken können.

Als es Tag wurde, befanden wir uns auf einer weiten Prairie. Winnetou deutete nach links, nach Osten, und sagte:

»Dort drüben giebt es, doch eine halbe Stunde entfernt, den Weg, welchen wir gestern geritten sind, ehe wir unsern Bruder Dunker trafen. Nun ist es hell, und wir wollen schneller reiten.«

Wir thaten dies nicht übermäßig, nämlich so, daß wir in einer Stunde eine gute deutsche Meile zurücklegten. Zu unserer Genugthuung ging am Vormittage der Wind zur Ruhe; der Regen hörte auf; die Wolken zerteilten sich und wurden von der Sonne dann ganz vertrieben. Die Wärme that uns wohl; der Regen hatte seine Schuldigkeit gethan, indem unsere Spuren von ihm ausgelöscht worden waren. Noch lange vor der Mittagzeit deutete Winnetou abermals nach Osten, wo wir nichts sahen, und sagte:

»Eine Stunde von hier liegt der Wald, an dessen Rande wir den Häuptling der Nijoras trafen. Meine Brüder werden zugeben, daß wir sehr gut geritten sind.«

Der östlich von uns gelegene Wald schien sich nach Süden herumzuziehen, denn wir sahen ihn bald darauf in dieser Richtung vor uns liegen. Wir erreichten ihn, ritten wohl bis Mittag durch und hielten am jenseitigen Rande an, um die Pferde verschnaufen zu lassen. Nachdem sie fast zwei Stunden lang ausgeruht und gegrast hatten, setzten wir den Ritt fort, doch nicht mehr in der bisherigen Richtung, denn Winnetou wendete sich südöstlich. Ueber die Ursache befragt, antwortete er:

»Wir sind weit vorangekommen und haben nun nicht mehr zu befürchten, daß die Mogollons heute auf unsere Spur treffen werden; darum lenke ich jetzt nach dem Wege hinüber ein, den sie einschlagen müssen, denn es kann von Nutzen sein, daß meine Brüder ihn kennen lernen.«

Wenn hier das Wort Weg gebraucht wird, so ist natürlich niemals ein gebahnter Pfad gemeint. Wir kamen jetzt über eine Hochsteppe, auf welcher es viel Sand und Gestein und nur wenig Gras gab. Zuweilen gelangten wir an eine Höhe, welche wir umritten; wirkliche Berge waren nicht zu sehen, obgleich wir nordwestlich das Mogollongebirge und nordöstlich die Sierra Blanca im Rücken hatten. Wir bewegten uns eben, ohne daß wir es bemerkten, abwärts, dem Gebiete des obern Gila zu, ohne aber einen Wasserlauf anzutreffen.

Erst gegen Abend deutete eine kleine Hochprairie an, daß wir in eine feuchtere Gegend gelangten. Bald sahen wir einzelnes Buschwerk; am Fuße einer Anhöhe rieselte Wasser aus der Erde, und es gab da einen Platz, welcher gar nicht geeigneter zum Lagern sein konnte.

»Halten wir hier?« fragte Emery.

»Nein,« antwortete Winnetou.

»Aber wir können doch die Pferde tränken!«

»Das wird Winnetou nicht verwehren; dann aber reiten wir weiter, um noch vor Einbruch der Dunkelheit durch den Wald zu kommen, welchen ihr dort im Süden liegen seht – uff! Schnell von den Pferden herab.«

Da er von dem südwärts liegenden Walde sprach, hatte er, gerade so wie wir, seine Augen dorthin gerichtet; da sahen wir fünf Reiter, welche auf die Stelle zukamen, an der wir uns befanden. Sie hatten uns jedenfalls noch nicht bemerkt, denn sie waren noch sehr entfernt von uns, und wir hielten im Gebüsch, welches die Quelle umgab. Wir sprangen von den Pferden und nahmen die Gewehre zur Hand, obgleich wir vor den wenigen Menschen keine Sorge zu haben brauchten. Hinter dem Gesträuch versteckt, erwarteten wir sie.

Sie ritten sehr gute Pferde, hatten keine Gewehre, dafür aber, wie es schien, volle Proviantbeutel hinter sich aufgeschnallt.

»Kundschafter,« sagte ich infolgedessen.

»Der Nijoras,« nickte Winnetou dazu. »Sie tragen keine Farben, doch können sie zu keinem andern Stamme gehören. Sie sind unsere Freunde, dennoch müssen wir ihnen eine Lehre geben.«

Er hatte recht. Kundschafter müssen zehnfach vorsichtig sein. Und diese? Selbst als sie nahe genug gekommen waren, bemerkten sie nicht, daß Leute sich an der Quelle befanden. Uns selbst zwar konnten sie nicht sehen, aber wir waren doch zuletzt über grünes Land gekommen, und für ein scharfes Auge war unsere Fährte trotz der Niedrigkeit des Grases wie ein dunkler Strich zu sehen. Wenigstens das durfte ihnen nicht entgehen. Sie aber kamen in einer so sichern Haltung heran, als ob sie sich in der nächsten und sichern Umgebung ihres Lagerdorfes befänden. Als sie noch ungefähr zwanzig Schritte entfernt waren, steckten wir unsere Gewehre durch die Büsche, und Winnetou rief ihnen in dem Dialekte, welchen die Mogollons sprechen, entgegen:

»Halt! Keinen Schritt vorwärts, und aber auch keinen zurück, sonst schießen wir!«

Sie parierten erschrocken ihre Pferde und starrten ratlos auf das Gebüsch.

»Wer von euch sein Pferd wendet, erhält die erste Kugel!« drohte Winnetou. »Steigt ab und werft eure Messer weg!« Sie sahen unsere Läufe; ich hatte sogar alle beide Gewehre vorgestreckt. Da fragte der eine:

»Wer ist‘s, der hinter den Sträuchern verborgen steckt?«

»Wir sind zehn tapfere Krieger der Mogollons. Wir haben sehr gute Gewehre. Ihr seid verloren, wenn ihr nicht gehorcht! Ihr könnt weder vorwärts noch zurück; unsere Kugeln treffen sicher!«

»Uff! Der große Manitou hat uns verlassen. Er will, daß wir Gefangene der Mogollons werden sollen; aber unsere Brüder werden uns befreien!«

Der Sprecher stieg vom Pferde, zog sein Messer und warf es hinter sich; die andern folgten seinem Beispiele. Nun standen sie vor ihren Pferden und warteten ergeben auf das, was ihre Feinde thun würden, da trat Winnetou vor. Er hielt sein Gewehr, aber gesenkt, in den Händen und sagte in strafendem Tone:

»Sind Leute, welche dem Tode so blind entgegenlaufen, Krieger zu nennen? Sind sie gar als Kundschafter zu gebrauchen?«

»Uff, Uff!« rief einer. »Winnetou, der Häuptling der Apatschen!«

»Ihr sollt erkunden, was die Mogollons thun und haltet die Augen verschlossen, und reitet so blind vorwärts!«

»Wir wissen, daß die Mogollons erst in drei Tagen ausziehen wollen,« suchte er sich zu entschuldigen.

»Ist das ein Grund, blind zu sein? Wenn auch die Scharen der Mogollons noch nicht hier sein können, so müßt ihr doch daran denken, daß sie auch Kundschafter aussenden. Ihr handelt wie Knaben, welche noch keine Anleitung erhalten haben. Wenn wir wirklich Feinde wären, so würdet ihr nie zu den Eurigen zurückkehren; wir würden euch erschießen, oder ihr müßtet mit uns gehen, um an dem Marterpfahle zu sterben.«

»Unser großer Bruder mag uns augenblicklich töten! Das ist besser, als die Worte zu hören, welche er zu uns spricht!«

Das war nicht etwa eine Redensart, sondern sein voller Ernst. Von Winnetou, dem weltberühmten Krieger, auf einer solchen Nachlässigkeit ertappt und zurechtgewiesen zu werden, noch dazu als Kundschafter, das war eine große Schande! Die armen Teufel blickten außerordentlich niedergeschlagen zu Boden. Das erbarmte den Apatschen, und er antwortete in milderem Tone:

»Winnetou ist nicht euer Häuptling; er will euch nicht schelten, sondern euch nur darauf aufmerksam machen, daß man, auch im Frieden, selbst in der Nähe des eigenen Zeltes stets die Augen offen zu halten hat. Wer hat euch auf Kundschaft gesandt?«

»Der schnelle Pfeil, unser Häuptling.«

»Hat er jemand mitgebracht?«

»Ein junges Bleichgesicht und einen weißen Gefangenen, den unsere Krieger sehr streng bewachen müssen.«

»Wißt ihr, wer ihm diese übergeben hat?«

»Ja,«

»So wißt ihr auch wohl, wer sich hier bei mir, da hinter den Büschen befindet?«

»Old Shatterhand und noch ein sehr tapferer weißer Krieger.«

»Du hast richtig geraten. Es ist außerdem noch ein Krieger bei uns, der es versteht, die verborgensten Pfade zu finden. Hebt eure Messer wieder auf, und kommt mit euern Pferden zu uns zum Wasser!«

Sie folgten der Aufforderung. Als sie uns drei andern sahen, grüßten sie mit ehrfurchtvollen Handbewegungen und standen mit gesenkten Blicken, erwartend, wie wir sie empfangen würden. Sie waren beschämt; ich wollte sie aufrichten, reichte also einem nach dem andern die Hand und sagte:

»Meine Brüder sind uns willkommen; sie mögen sich zu uns setzen und uns sagen, welche Weisungen sie von ihrem tapfern und klugen Häuptlinge erhalten haben!«

Mein freundlicher Ton und der Umstand, daß Emery und Dunker ihnen auch die Hände gaben, wirkten ermunternd auf sie. Sie gaben ihre Pferde zum Grasen frei, und der Sprecher antwortete für sich und die übrigen:

»Unsere Augen erblicken die tapfersten Jäger und Krieger, deren Ruhm in dem Gebirge und auf der Savanne erschallt; wir dürfen nicht an ihrer Seite lagern; sie mögen uns gestatten, uns fern von ihnen an das Wasser zu setzen, um ihre Angesichter zu schauen und die Weisheit ihrer Stimmen zu hören!«

»Meine Brüder werden bald auch berühmte Männer sein; sie mögen immer nahe bei uns sitzen, sonst würden wir annehmen, daß sie uns als Feinde betrachten!«

Jetzt durften sie sich nicht länger weigern. Wir nahmen am Wasser Platz, und sie setzten sich in der ehrerbietigen Entfernung von mehreren Schritten uns gegenüber. Winnetou wiederholte meine Frage nach dem Auftrage, den sie von ihrem Häuptlinge erhalten hatten. Derjenige, welcher bisher gesprochen hatte, erklärte:

»Der schnelle Pfeil hat uns keine besonderen Befehle gegeben. Wir sollen nach dem weißen Felsen reiten oder, wenn die Mogollons schon aufgebrochen sein Sollten, sie zu finden suchen und ihm Nachricht über sie erteilen.«

»Sollt ihr beisammen bleiben?« erkundigte ich mich.

»Ja. Es soll nur immer einer von uns die Nachricht überbringen, sodaß, bis die Mogollons das dunkle Thal erreichen, nacheinander fünf Botschaften dort angekommen sind.«

»Die Boten gehen nur bis zum dunklen Thale, und nicht bis in euer Lagerdorf?«

»Ja. Der Häuptling wartet dort.«

»Mit vielen Kriegern?«

»Jetzt noch mit wenigen; die andern sind noch zurück, um Fleisch zu machen und ihre Kriegsmedizinen herzustellen. Der schnelle Pfeil sagte, daß unsere berühmten Krieger vielleicht kommen und mit uns kämpfen würden.«

Da er mich bei diesen Worten fragend ansah, antwortete ich:

»Wir sind allerdings unterwegs zu den Söhnen der Nijoras. Wir wollten euch Nachricht bringen, und euch unser Wissen und unser Können leihen, denn wir haben mit dem schnellen Pfeile die Pfeife der Freundschaft geraucht. Nun wir aber euch getroffen haben, ist es vielleicht nicht nötig, daß wir nach dem dunklen Thale gehen. Es kann einer von euch gleich jetzt zurückkehren, um dem Häuptlinge das zu melden, was wir ihm zu sagen haben; die andern vier aber werden bei uns bleiben, um uns später als Boten an ihn zu dienen. Wir wenden unsern Weg und reiten wieder nach Norden, um die Mogollons aufzusuchen und zu belauschen. Wieviel Krieger zählt ihr, wenn ihr alle beisammen seid?«

»Viermal hundert.«

»Wenn ich richtig beobachtet habe, erreichen die MogolIons nicht diese Zahl. Ich kenne das dunkle Thal, in welchem sie empfangen werden sollen, nicht, aber wenn der schnelle Pfeil diesen Ort als Platz des Kampfes gewählt hat, so muß er sich wohl dazu eignen.«

»Er eignet sich sehr gut, aber nicht unter den gegenwärtigen Umständen. Die Mogollons wollen sich dort auch festsetzen; sie werden also Kundschafter voraussenden, welche die Gegend ganz genau absuchen müssen; darum ist es besser, sie schon vorher anzugreifen, wenn sie noch nicht erwarten, auf den Feind stoßen zu können.«

»Kennst du einen solchen Ort?« fragte ich.

»Ja. Es ist eine Stelle, welche die »Platte des Cañons« genannt wird und zwei Reitstunden vor dem dunklen Thale liegt. Die Platte ist ein Dreieck, dessen Boden aus hartem Felsen besteht. Die eine Seite bildet ein tiefer Cañon, dessen Wände so steil sind, daß niemand hinuntergelangen kann. Auf der andern Seite steigt der Felsen hochauf wie eine Mauer, über welche man zwar klettern kann, aber kein Reiter kommt hinüber. Auf die Platte gelangt man durch einen rasch ansteigenden Hohlweg, der so schmal ist, daß nur zwei Reiter nebeneinander Platz haben. Ist man oben angekommen, so hat man den tiefen Cañon rechts neben sich, die Felsenhöhen schräg vor sich und zur linken Hand die dritte Seite des Dreiecks. Diese besteht aus einem Walde, dessen Saum sehr dicht mit Büschen bewachsen ist. Wer von der Platte hinab will, muß am Cañon hinreiten bis dahin, wo die Felsenmauer sich ihm zuneigt. Zwischen ihm und ihr mündet ein zweiter, ebenso schmaler Pfad, welcher jenseits hinab und dann nach dem dunklen Thale führt. Mein Bruder Scharlieh wird zugeben, daß die Platte sich außerordentlich gut zur Einschließung und Bezwingung der Feinde eignet.«

»Ich stimme bei,« antwortete ich. »Ich kenne weder die Platte noch das dunkle Thal, weiß also nicht, welchem von beiden Orten der Vorzug gebührt; aber wenn mein roter Bruder die erstere empfiehlt, so bin ich überzeugt, daß sie sich besser als das letztere eignet. Welchen Vorschlag in Beziehung auf unser Verhalten wird Winnetou uns nun machen?«

»Es geht einer von den Nijorakriegern, welche hier sitzen, zu seinem Häuptlinge zurück, um ihm zu sagen, daß die Mogollons nicht im dunklen Thale, sondern auf der Platte des Cañons empfangen werden sollen. Er hat ihnen also bis dorthin entgegenzurücken und die Hälfte seiner Krieger im Walde, die andere Hälfte aber hinter den hohen Felsen zu verstecken.«

»Dann dürfen die Leute aber nicht beritten sein.«

»Nein; sie lassen die Pferde unter der Aufsicht einiger Männer zurück. Die andern dreihundert ersteigen die Platte, wo sie sich teilen; hundertfünfzig verstecken sich im Walde, und hundertfünfzig verbergen sich hinter der Felsenmauer, welche sie ersteigen können, weil sie zu Fuße sind. Dann haben die Mogollons, wenn sie auf die Platte gelangen, links Feinde neben sich, vor sich auch Feinde und rechts den tiefen Cañon, in welchen sie nicht fliehen können.«

»Richtig! Wenn sie vorwärts gehen, reiten sie in ihr Verderben; aber – können sie nicht etwa zurück, den Hohlweg hinab?«

»Nein, das können sie nicht.«

»Warum?«

»Das fragt mein Bruder? Sollte er den Grund nicht erraten?«

»Ich kann es mir allerdings denken, denn Winnetou hat von dreihundert Kriegern der Nijoras gesprochen, während doch, wie wir vorhin erfahren haben, vierhundert vorhanden sind. Das vierte Hundert soll also wahrscheinlich sich unten vor dem Hohlwege verstecken, um dafür zu sorgen, daß die Mogollons, wenn sie einmal hinauf sind, nicht wieder zurück, also nicht wieder herunter können.«

»Mein Bruder hat mich verstanden; aber meint er, daß die hundert sich erst kurz vor der Ankunft der Feinde dort verstecken sollen?«

»Nein; sie könnten durch ihre Spuren verraten werden. Uebrigens denke ich, daß es von großem Vorteil sein würde, wenn wir sie bei uns haben könnten.«

»Das ist es, was ich meine. Wir reiten jetzt doch zurück, um die Mogollons zu beobachten. Da lassen wir dem schnellen Pfeile sagen, daß er uns die hundert Krieger nachsenden soll. Wir können sie vielleicht sehr gut brauchen.«

»Ich stimme bei. Aber sie dürfen nicht etwa den Weg reiten, auf welchem die Mogollons kommen werden; denn sie kämen dabei in die Gefahr, unerwartet auf diese zu stoßen oder wenigstens sich ihnen durch die Spuren zu verraten.«

»Das ist auch sehr richtig. Sie müssen einen andern Weg einschlagen.«

»Und wir haben ihnen einen Ort anzugeben, an welchem wir sie treffen wollen.«

»Daran habe ich auch schon gedacht.« Und zu den fünf Nijoras gewendet, fragte er: »Ist meinen roten Brüdern der Pinun-Tota bekannt?«

»Ja,« antwortete derjenige, welcher bisher den Sprecher gemacht hatte. »Der Pinun-Tota ist eine Höhe, welche viele Windungen wie eine Schlange macht; daher wurde sie der Schlangenberg genannt.«

»Dorthin soll der schnelle Pfeil die hundert Krieger senden, und zwar gleich nachdem der Bote bei ihm angekommen ist. Habt ihr alles verstanden, was ich sagte?«

»Ja.«

»So mag einer von euch als Bote aufbrechen, um den Häuptling zu benachrichtigen!«

Da Winnetou mit seinen Mitteilungen fertig zu sein schien, fügte ich hinzu:

»Der Bote mag dem schnellen Pfeil sagen, daß die Mogollons schon unterwegs sind. Es ist also keine Zeit zu verlieren. Wir werden hinter ihnen herkommen, sobald wir auf eure hundert Krieger gestoßen sind, und ihnen, sobald sie die Platte des Cañons erreicht haben, den Rückweg verlegen. Wie heißt der Ort, an welchem wir uns jetzt befinden?«

»Die Quelle des Schattens.«

»So muß der Häuptling erfahren, daß ihr uns an der Quelle des Schattens getroffen habt, damit er die Zeit genau zu berechnen vermag. Auch muß ich ihn daran erinnern, daß er den Gefangenen, den ich ihm übergeben habe, ja sehr scharf bewachen lassen möge. Wenn er entkäme, würde es uns jedenfalls viele Mühe machen, ihn wieder zu ergreifen. Wie weit ist es übrigens von hier aus nach dem Schlangenberge?«

»Mit unsern Pferden würden wir nur drei Stunden reiten,« antwortete Winnetou.

»In welcher Richtung?«

»Nordöstlich.«

»Und wir kommen aus Nordwesten. So liegt der Schlangenberg von hier aus also wohl in der Richtung nach dem Pueblo, in welchem wir gewesen sind?«

»Ja.«

»Und Jonathan Melton will mit fünfzig Kriegern nach dieser Richtung reiten, um uns abzufangen. Hm! Da kommt mir ein Gedanke. Wie weit ist es nach dem dunklen Thale, wo sich der schnelle Pfeil befindet?«

»Man kann es in fünf Stunden reiten.«

»So brechen wir sofort nach dem Schlangenberge auf. In fünf Stunden ist der Bote bei seinem Häuptlinge; eine Stunde rechne ich auf die Vorbereitungen zum Aufbruche der hundert Nijoras; sie können also in elf Stunden hier an der Quelle des Schattens und in vierzehn Stunden bei uns am Schlangenberge sein.«

»Warum wünscht mein Bruder eine solche Eile?« fragte Winnetou.

»Weil es dann möglich ist, Jonathan Melton mit seinen fünfzig Begleitern zu fangen.«

»Da müßten wir ihm bis an das Pueblo nachreiten,« bemerkte Emery.

»Wieso? Du meinst, daß er dorthin reitet?«

»Natürlich! Er will uns fangen; er reitet uns entgegen, und da er uns nicht trifft, wird er bis zum Pueblo reiten und dort freilich erfahren, daß wir längst fort sind. Wenn er dann umkehrt, sind wir mit den Mogollons fertig und können ihn erwarten. Erst dann werden wir ihn fassen können, eher aber nicht.«

»Du hast die Jüdin vergessen.«

»Diese? Hm! Die ist höchst wahrscheinlich nach dem Pueblo zurück.«

»Das glaube ich nicht. Eher nehme ich an, daß sie nach dem weißen Felsen ist.«

»So denkst du also, daß ihre Begleiter sie gefunden haben?«

»Ganz gewiß. Sie hatte sich vorgenommen, Melton nachzureiten; sie war nicht nur schon unterwegs, sondern es gab auch zwei triftige Gründe für sie, nicht zurückzukehren. Erstens hatte sie einen so guten Teil des Weges bereits zurückgelegt, daß der Rückweg ebenso weit gewesen wäre, wie der Weg nach dem weißen Felsen.

Und zweitens weiß sie ganz genau, daß wir zu Melton wollen. Es ist ihr angst um ihn; sie wird ihn unbedingt warnen wollen. Darum nehme ich an, daß sie ihren Ritt fortgesetzt hat und nicht umgekehrt ist.«

»Nun, und weiter?«

»In diesem Falle trifft Melton unterwegs mit ihr zusammen. Er erfährt, daß wir nach dem weißen Felsen sind, und wird schleunigst umkehren, um den Mogollons das mitzuteilen. Giebst du mir da recht oder nicht?«

»Hm, ich möchte dir da freilich nicht widersprechen. Weiter!«

»Wenn meine Ansicht richtig ist, so können wir Melton noch treffen, ehe er die Mogollons erreicht hat. Sind dann die hundert Krieger der Nijoras bei uns, so können wir ihn und seine fünfzig Roten mit Leichtigkeit abfangen. In diesem Falle haben wir zwei Vorteile errungen: Die Mogollons sind um fünfzig Mann geschwächt, und Melton befindet sich in unserer Hand.«

»Das klingt ganz schön, und du magst auch, was dir ja meist passiert, vollständig recht haben; ob aber das, was du Vorteile nennst, auch welche sind, das möchte ich doch bezweifeln. Denn wenn wir die fünfzig Mogollons fangen, so haben wir nicht etwa nur die Feinde, sondern auch uns selbst geschwächt, weil wir eine tüchtige Anzahl von uns zur Bewachung der fünfzig Gefangenen abgeben müssen.«

»Gut, zugestanden. Und was noch?«

»Und welchen Vorteil bringt es uns, wenn wir Jonathan Melton einen Tag früher bekommen? Wenn wir ihn morgen noch laufen lassen, wird er mit den Mogollons nach der Platte des Cañons reiten und dort mit ihnen von uns eingeschlossen werden. Das ist doch viel besser, als wenn wir ihn und seine Fünfzig einen Tag eher bekommen, uns aber wegen ihrer Bewachung schwächen und abmühen müssen.«

»Was du da vorbringst, das hat allerdings Hände und Füße; aber ob dieser Mensch wirklich mit nach der Platte reitet, wenn er seine Jüdin bei sich hat, das ist nicht so gewiß, wie du es annimmst. Er ist uns so oft entschlüpft, daß ich zugreife, je eher es möglich ist.«

»Aber du hast selbst zugegeben, daß wir uns dadurch schwächen!«

»Nicht so sehr, wie du denkst. Hundert Kriegsgefangene, die man entwaffnet hat, kann man recht gut mit dreißig Mann bewachen. Da bleiben uns immer noch siebzig Krieger.«

»Und du denkst, daß dieselben ausreichen?«

»Mehr als genug. Unsere Aufgabe ist ja nur, die Mogollons, wenn sie auf der Platte angekommen sind, an der Rückkehr zu hindern. Da ihnen die Flucht nur durch einen Hohlweg möglich ist, welcher die Breite von zwei Reitern hat, könnten, wenn es Ernst würde, von uns höchstens sechs Mann, nie aber siebzig zum Schusse kommen. Ich kenne die Oertlichkeit nicht, aber nach der Beschreibung, welche Winnetou uns von derselben gegeben hat, mache ich mich anheischig, den Hohlweg mit zehn oder zwölf Mann gegen alle Mogollons zu verteidigen. Von der großen Schwächung unserer Kräfte kann also keine Rede sein.«

»Mein Bruder hat gut gesprochen,« stimmte mir Winnetou bei.«Wir werden sogleich nach dem Schlangenberge reiten, und die Krieger der Nijoras mögen uns schleunigst dorthin nachkommen. Vielleicht werden wir dem schnellen Pfeile noch einen oder einige Boten senden; er mag dann genau das thun, was wir ihm sagen lassen.«

Die Worte des Apatschen waren entscheidend. Einer der Nijoras ritt fort, um seinem Häuptlinge die ihm anvertrauten Weisungen zu übermitteln.

Es mag auffällig erscheinen, daß ich noch nichts von der Tasche erwähnt habe, welche ich aus Meltons Zelt geholt hatte. Ich war allerdings außerordentlich neugierig, den Inhalt derselben zu sehen; aber es widersprach mir, sie zu öffnen, ohne daß der rechtmäßige Besitzer gegenwärtig war. Meine Begleiter schienen ebenso zu denken, denn sie hatten bisher geschwiegen. Jetzt aber, als die Pferde tranken und wir unbeschäftigt bei ihnen standen und auf sie warteten, sagte der lange Dunker: »Sir, wir denken an alles und haben für alles gesorgt. Eins aber haben wir vergessen, und das eine ist doch gerade die Hauptsache.«

»Was?« fragte ich.

»Die Brieftasche. Wir hätten sie doch öffnen sollen.«

»Ihr Inhalt geht uns nichts an.«

»Das ist richtig; aber Ihr hättet doch wenigstens nachsehen sollen, ob Ihr nicht vielleicht eine falsche Tasche erwischt habt. Melton kann sein Geld an einen ganz andern Ort versteckt haben.«

»Hm! Diese Möglichkeit ist allerdings vorhanden.«

»Wenn Ihr das eingesteht, so ergiebt sich daraus die Notwendigkeit, wenigstens einmal nachzusehen, ob Ihr nicht vielleicht einen nutzlosen Fang gemacht habt.«

»Ich möchte aber gern dem Besitzer sagen können, daß wir die Tasche nicht geöffnet haben.«

»Warum? Mister Vogel wird uns doch nicht etwa für Spitzbuben und Halunken halten? Seid doch gescheit, und guckt hinein! Wenn ich eine Nuß in der Tasche habe, so will ich doch auch wissen, ob sie taub ist oder einen gesunden Kern enthält. Ich setze den Fall, Ihr hättet die unrechte Tasche erwischt, welchen Schaden kann es da bringen, wenn Ihr sie nicht öffnet! Ihr müßt doch unbedingt wissen, woran Ihr seid, Sir! Ihr tragt vielleicht gar allerhand Firlefanzereien sorgfältig mit Euch herum, während Euch dann der richtige Schatz entgeht. Händigt Ihr darauf später Euerm Mister Vogel die wertlose Tasche aus, so wird er Euch wenig Dank wissen, daß Ihr Euch für ihn aufgeopfert und sogar Euer Leben gewagt habt.«

Er hatte vollständig recht, und alle anderen waren derselben Ansicht. Ich zog die Tasche hervor und machte sie auf. Sie war nach Art der Banknotentaschen gefertigt und im Innern vollständig trocken. Jedes einzelne Fach enthielt ein ledernes Couvert, welches mit einem Riegel aus demselben Stoffe verschlossen war. Ich zog die Riegel aus den Einschnitten. Da fand ich, nach den verschiedenen Ländern in die Couverts geordnet, amerikanische, englische, deutsche, französische und andere Staats-und Bankpapiere mit außerordentlich hohen Ziffern. Es war ein Vermögen, wie es wohl selten ein Mensch voll in den Händen gehabt hat, ausgenommen natürlich die Krösusse der Banken; das sah ich, ohne daß ich die Pakete zu öffnen brauchte.

»All devils!« rief Dunker, indem er ungeheuer große Augen machte. »Das müssen allerdings Millionen sein! Was würde meines Vaters Sohn darum geben, wenn der alte Hunter mein Onkel oder Vetter gewesen wäre! Laßt uns doch einmal zählen!«

»Nein,« antwortete ich. »Wir sehen, daß ich die richtige Tasche erwischt habe. Das ist genug. Der Eigentümer soll der erste sein, welcher zählt.«

Ich brachte die Ledercouverts wieder in die Fächer zurück, machte das Portefeuille zu und steckte es wieder ein. Ich hatte in einem Fache außer dem dahingehörigen Couverte auch einige Papiere bemerkt, dieselben aber nicht herausgenommen, sondern sie verheimlicht, weil ich der Neugierde Dunkers nicht recht traute. Er hätte meine Gutmütigkeit noch vielleicht dazu verleitet, sie zu öffnen und den Inhalt zu erfahren.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
580 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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