Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 23
Jetzt verließen wir die Quelle des Schattens, indem wir von derselben aus nach Nordost ritten. Winnetou machte den Führer. Ueber die Gegend, durch welche wir kamen, ist nichts zu sagen. Es wurde Nacht; der Apatsche aber war, wie gewöhnlich, seiner Sache so sicher, daß er keinen Schritt, weder nach rechts oder nach links, von der geraden Richtung abwich.
Heute war der Himmel sternenhell und die Luft so rein, daß man ziemlich weit zu sehen vermochte. Nach der angegebenen Zeit von drei Stunden, während welcher wir sehr scharf geritten waren, sahen wir eine hohe, dunkle Masse vor uns aufsteigen.
»Das ist der Schlangenberg,« sagte der Apatsche, indem er vorwärts deutete.
Wir machten einen Bogen um den östlichen, niedrigen Ausläufer des Berges herum, erreichten die nördliche Seite desselben und hatten nun den Berg und seine bewaldeten Lehnen zur linken Hand. Der Wald sandte verschiedene Ausläuferzacken in die Ebene, welche wir umritten, um zu der Quelle zu gelangen, wo wir lagern wollten. Eben machte Winnetou die Bemerkung, daß wir derselben schon nahe seien, da hielt er plötzlich sein Pferd an.
»Still! Keinen Laut!« flüsterte er.
Sofort bogen wir uns nach vorn und legten den Pferden die hohlen Hände an die Mäuler, um zu verhüten, daß sie schnaubten.
»Was giebt‘s?« fragte ich leise. »Hast du etwas gesehen?«
»Nein, gerochen.«
Er sog die Luft prüfend ein und sagte: »Ich rieche Feuer.«
»Welche Richtung?«
»Gerade vor uns. Es muß an der Quelle sein. Meine Brüder mögen auf mich warten.«
Er stieg ab und übergab mir den Zügel seines Pferdes.
»Ist die Quelle so nahe, daß man das Schnauben unserer Pferde dort hören würde?«
»Ein scharfes Ohr würde es vielleicht vernehmen. Reitet also lieber ein kleines Stückchen zurück!«
Nach diesen Worten verschwand er im Gebüsch, welches wir soeben hatten umreiten wollen. Wir kehrten um und hielten an, als wir glaubten, uns weit genug entfernt zu haben. Es dauerte eine geraume Weile, ehe Winnetou zurückkehrte. Ich hatte wirklich nichts gerochen; er, der Naturmensch, aber besaß so scharfe und geübte Sinne, daß ich mich darüber oft gewundert hatte. Da kam er, und zwar in aufrechter Haltung, ein Zeichen, daß es eine Gefahr nicht zu befürchten gab.
»Meine Brüder werden sich freuen, zu erfahren, wen ich gesehen habe.« meldete er.
»Nun, wen?« fragte Dunker, der neugierigste von uns allen.
Die Jüdin, welche Judith heißt.«
»Alle Wetter! Die möchte ich auch gern sehen. Ihr habt mir so viel von der sonderbaren Lady erzählt, daß es mich außerordentlich gelüstet, sie in Augenschein zu nehmen.«
»Das werdet Ihr, Master Dunker,« sagte Emery.
»Ihr werdet sie nicht nur sehen, sondern sogar mit ihr sprechen können.«
Wieso sprechen?« erkundigte ich mich.
»Nun, wir nehmen dieses Weibsbild doch endlich einmal gefangen?« meinte er. »Wenn sie ihre Freiheit behält, kann sie uns großen Schaden machen.«
»Schwerlich. Wir wollen doch wohl unsern lieben Jonathan endlich einmal fangen?«
»Natürlich!«
»Soll ich dir denn wirklich wiederholen, was ich schon gesagt habe! Melton will uns entgegen. Wenn er unterwegs niemand trifft, denkt er, wir befinden uns noch im Pueblo und reitet dorthin. Wenn wir ihn so weit fortlassen, kann er uns leicht entgehen, ja da entkommt er uns sogar mit größter Wahrscheinlichkeit. Trifft er aber auf seine Judith, so erfährt er von ihr, daß wir hier sind, und reitet nicht nach dem Pueblo, sondern bleibt hier, um uns mit Hilfe der Mogollons gefangen zu nehmen. Siehst du das nicht ein?«
»Es könnte eingesehen werden, wenn deine Voraussetzung, daß er sie treffen wird, in Erfüllung geht. Ist das aber denn gewiß?«
»Freilich nicht.«
»Also ist es besser, wir nehmen das Frauenzimmer fest.«
»Nein,« entgegnete ihm Winnetou. »Wir dürfen uns nicht an ihr vergreifen, denn sie wird mit Melton zusammentreffen.«
Er sagte das mit einer solchen Bestimmtheit, daß selbst ich mich darüber verwunderte und ihn deshalb fragte:
»Mein Bruder scheint nicht daran zu zweifeln? Ich habe zugegeben, daß es unsicher ist.«
»Wenn Jonathan nicht blind ist oder wenn seine fünfzig Mogollons Augen haben, müssen sie auf die weiße Squaw treffen. Ich habe schon gesagt, daß der Weg nach dem Pueblo eine halbe Stunde von hier vorüberführt. Die Gegend ist eben, und es steht auf der Ebene weder ein Fels noch ein Busch oder Baum. Die weiße Squaw aber hat dort an der Quelle ein so großes Feuer brennen, daß man einen großen Büffelstier daran braten könnte. Das Feuer ist so stark und lodert so hoch, daß man es viel weiter als eine halbe Stunde sehen muß.«
»Ganz gut! Wenn Melton da vorüberkommt oder sich schon in der Nähe befindet, wird er es also sehen. Wenn er aber noch nicht da oder schon vorüber ist, was dann?«
»Vorüber kann er noch nicht sein. Wir sind zwar weit gewesen, bis an die Quelle des Schattens und von dort zurück hierher; aber wir haben gute Pferde, und wir hatten Eile. Melton ist nicht so gut beritten, und seine Mogollons sind es auch nicht. Nichts treibt sie an, ihre Pferde anzustrengen. Wenn sie, wie ich vermute, den gewöhnlichen Indianerschritt geritten sind, so können sie nicht weiter gekommen sein, als bis in diese Gegend. Und weil die Quelle, an welcher die Jüdin mit ihren Roten lagert, das beste Wasser im Umkreise besitzt und die Mogollons gerade zur Lagerzeit in diese Gegend kommen, so ist es sogar wahrscheinlich, daß sie sich nach der Quelle wenden, um dort über Nacht zu bleiben.«
»Das wäre ein Gaudium!« meinte der Englishman. »Wir würden die ganze Sippschaft auf einmal gefangen nehmen, die Judith, den Jonathan, die Yuma- und auch die Mogollon-Indianer!«
»Still,« unterbrach ich ihn. »Zunächst sind diejenigen, welche du fangen willst, noch nicht hier, und es ist auch immerhin sehr fraglich, ob sie überhaupt kommen.«
»Ja, was soll denn aber geschehen? Was wollen wir thun?« fragte er.
»Es abwarten, sollt Ihr! Zunächst will auch ich mich einmal nach dem Feuer schleichen. Winnetou war schon dort, kennt also den Ort und wird mich führen. Sind wir zurückgekehrt, so können wir die Frage, was geschehen soll, eher beantworten.«
»Wir bleiben einstweilen hier?«
»Nein; wir reiten zunächst noch eine Strecke weiter zurück. Man weiß nie, was geschehen kann, und es ist also besser, wir wählen einen sichern Ort.«
Wir wendeten uns also rückwärts, bis wir den östlichen Vorsprung des Schlangenberges erreicht hatten. Er wurde umritten, und nun, als wir uns wieder auf der südlichen Seite des Berges befanden, hielt ich uns für sicher. Wir stiegen von den Pferden. Emery und Dunker hatten mit den vier Nijora-Kundschaftern hier zu bleiben, und wir beide, Winnetou und ich, wendeten uns wieder hinüber nach der andern Seite.
Als wir den Punkt beinahe erreicht hatten, an welchem dem Apatschen der Brandgeruch aufgefallen war, folgte er der Richtung, welche er dann eingeschlagen hatte, nicht: er drang nicht geradeaus in die Büsche ein, sondern wendete sich links nach dem steilen Fuße des Berges, wo Bäume standen. Als wir da angekommen waren, gab es keine leuchtenden Sterne mehr über uns, sondern nur dichte Finsternis um uns her. Wir tasteten uns weiter, indem der Apatsche voranschritt und ich ihm folgte. Das dauerte wohl eine Viertelstunde, denn wir mußten sehr vorsichtig sein und kamen nur Zoll um Zoll weiter.
Endlich sahen wir den Schein des Feuers uns zwischen den Bäumen entgegendringen. Jetzt konnten wir besser sehen und uns also rascher bewegen. Aber wir konnten auch leichter bemerkt werden und mußten also noch vorsichtiger sein als bisher. Wir krochen am Boden hin und hielten uns dabei nur in dem Schatten, welchen die Bäume warfen. Dabei drehte, als ich mich einmal dem Apatschen ganz nahe befand, dieser den Kopf zu mir um und flüsterte:
»Mein Bruder wird sich über die Stelle freuen, an welche ich ihn führe, weil er noch selten einen Ort gefunden haben wird, der so zum Lauschen geeignet ist wie dieser.«
Er hatte recht. Wir befanden uns, von dem Lagerplatze aus gerechnet, vielleicht vier Ellen hoch an der Lehne des Berges. Das Wasser floß unten aus dem Felsen, und von dem Punkte aus, an welchem wir standen, schien es unmöglich zu sein, hinabzukommen; aber es schien eben auch nur so, denn da standen Fichtenbäume, einer neben dem andern, bis hinab; sie breiteten ihre dichten Aeste weit über den Boden aus und bildeten für uns ein Versteck, wie es gar nicht besser sein konnte.
Winnetou verschwand unter den niedersten Zweigen, und ich folgte ihm. Indem wir uns unten an den Stämmen festhielten, ließen wir uns, immer mit den Füßen voran und immer uns unter den dichten Fichtenzweigen befindend, langsam die Böschung hinab, bis wir die Tiefe erreicht hatten und ganz wohlgedeckt unter den letzten Bäumen lagen.
Neben uns, zur linken Hand, kam die Quelle aus dem Felsen; rechts stieg das Gestein gleich hoch bergan. Der Ort, an welchem wir uns befanden, schien unmöglich einen Menschen oder nun gar zwei beherbergen und verstecken zu können. Die Quelle bildete, bevor sie ihr Wasser weiter sendete, ein kleines Becken, welches höchstens drei Ellen breit war. Jenseits desselben saß – die schöne Judith vor einer Art Hütte, welche die Yuma-Indianer ihr aus schräg zusammengestellten Aesten und darübergeflochtenen Zweigen errichtet hatten, ein Luxus, welchen sich zu bieten nur einer Dame, nicht aber einem Manne einfallen konnte.
Neben ihr kauerte ein Roter, mit welchem sie sich im Gespräch befand. Weiterhin brannte das Feuer so breit und so hoch, daß Winnetou vollständig recht gehabt hatte: man konnte einen Büffelochsen, ohne ihn zu zerlegen, darüber braten – eine Unvorsichtigkeit, welche nur den Yumas, die nicht mehr an ihren ursprünglichen Gebräuchen festhielten, zuzutrauen war. Sie saßen rund um die hochlodernde Flamme, welche bis gen Himmel zu lecken schien. Die Jüdin sprach nicht etwa sehr laut mit dem Roten, doch konnten wir alles recht gut hören, weil wir uns nur in Manneslänge von ihr befanden. Der Kerl war unser früherer Wirt, in dessen unweit des Pueblo gelegenen Hause wir früher überfallen worden waren.
»Ist der Ort nicht schön und gut?« flüsterte Winnetou mir zu.
»Vortrefflich! Kanntest du ihn denn?«
»Nein. Ich lag vorhin jenseits des Feuers im Gesträuch. Da sah ich die Fichten und sagte mir, daß sie ein sicheres Versteck abgeben würden. Die Quelle kannte ich wohl von früher her, doch als ich vor Jahren hier war, standen die Bäume noch nicht so hoch und üppig.«
Ja, unser Platz war wie zum Lauschen künstlich angelegt; aber eine große Gefahr brachte er uns doch:
Die Aeste, unter deren Schutz wir herabgekommen waren, wuchsen so niedrig am Stamme, daß es geradezu eine Kunst war, sich darunter herabzuschleichen, ohne sie zu bewegen und sich dadurch zu verraten. Der Meisterschaft Winnetous war eben alles möglich.
Also in Beziehung auf unsern Lauscherposten hatten wir Glück gehabt, und wir sollten auch in Beziehung auf das, was wir zu sehen und zu hören bekamen, noch mehr, noch weit mehr Glück haben. Zunächst bestand es darin, daß die Jüdin und der Rote gerade jetzt von uns sprachen. Wir hörten den letzteren, das angefangene Gespräch fortsetzend, sagen:
»Sennor Melton hatte es falsch gemacht. Die Hunde sollten nicht bei mir angegriffen werden. Das Haus gewährte ihnen Schutz; sie konnten sich verteidigen und wußten nun, daß sie sich zu hüten hatten. Dadurch waren sie vorsichtig geworden.«
»Wir wollten sie eben lebendig fangen.«
»Das war falsch. Sie sollten doch getötet werden! Warum da nicht lieber gleich?«
»Du hast recht. Ich habe es nachher auch bereut. Durch die große Vorsicht, zu welcher wir sie verleiteten, sind sie uns entkommen. Kämen sie mir noch einmal so nahe, so sollte es mir nicht wieder passieren!«
»Es würde doch wieder geschehen, wie es schon wieder geschehen ist, vorgestern abend, dort am Felsen. Wie schön paßte es, sie wegzuschießen! Aber die andern wollten warten, bis sie schliefen. Das war ein großer Fehler. Es war vollständig dunkel, und der Sturm heulte so laut, daß man unsere Annäherung hätte weder sehen noch hören können. Wir konnten uns ganz gut bis auf wenige Schritte heranschleichen, und dann wäre keine von unsern Kugeln fehlgegangen. Das aber unterließen wir aus unnützer Vorsicht. Dann waren die Hunde klüger als wir; sie entdeckten uns.«
»Thaten euch aber nichts; sie hätten euch erschießen können.«
»Dazu haben sie zu viel Angst; sie können kein Blut sehen.
»Ich hoffe, daß wir sie wiedersehen werden, denn sie sind sicher nach dem weißen Felsen, und wir reiten auch dorthin. Dann mögen die andern sagen, was sie wollen; ich kehre mich nicht daran und hole mir die Skalpe Winnetous und seiner Bleichgesichter!«
Er zog bei diesen Worten sein Messer und schwenkte es mit grimmiger Gebärde durch die Luft. Es war ihm vollständig ernst. Was hatten wir ihm denn gethan? Nichts. Die einzige Ursache seiner Feindschaft konnte nur darin zu suchen sein, daß wir damals drüben in der Sonora dem Haziendero und den deutschen Emigranten gegen die Yumas beigestanden hatten. Seitdem war aber eine lange Zeit vergangen; wir hatten die Yumas in mehr als zarter Weise geschont und dann sogar Frieden mit ihnen geschlossen. Dieser Mensch war selbst über den indianischen Durchschnitt roh, und als ich jetzt sein hämisches Gesicht vor mir sah, begriff ich es, daß seine Squaw nicht länger hatte bei ihm bleiben wollen.
»Die wirst du wohl schwerlich bekommen,« antwortete seine Herrin, welche in Beziehung auf Gewissenlosigkeit ihn beinahe erreichte.
»Warum nicht?« fragte er.
»Dazu sind andere da. Wenn wir nur erst nach dem weißen Felsen kommen und ich Sennor Melton und den Mogollons gesagt habe, daß sie uns entkommen und nun zu ihnen geritten sind, so wird gewiß sofort eine große und allgemeine Hetze entstehen, bei welcher die Hunde sicher gefangen werden. Dann werden sich die Mogollons die Skalpe nehmen.«
»Mir auch recht, wenn ich nur die Besitzer der Skalpe am Marterpfahle sehe! Ich wünsche, daß —«
Er kam in seiner Rede nicht weiter; er wurde unterbrochen, denn:
»Uff, uff, uff!« erklang es da vorn am Feuer. Die Yumas, welche daran lagerten, waren aufgesprungen und starrten, erst erschrocken, dann aber erfreut, einen Mann an, welcher aus den Büschen getreten war. Auch wir sahen ihn, es war —Melton.
»Jonathan!« rief die Jüdin, indem sie vom Boden aufsprang.
»Judith!« antwortete er.
Sie flogen einander in die Arme. Dann ging ein schnelles Fragen und Antworten herüber und hinüber:
»Wo kommst du her?« fragte er.
»Vom Pueblo,« antwortete sie. »Und du?«
»Vorn weißen Felsen. Wo willst du hin?«
»Zu den Mogollons. Und du?«
»Nach dem Pueblo, zu dir, wie du dir denken kannst.«
»Warum das? Warum willst du wieder zurück, da du so glücklich entkommen bist?«
»Weil ich eben die haben will, denen ich entkommen bin.«
»Die sind nicht mehr dort; sie sind nach dem weißen Felsen.«
»Alle Wetter! Sind sie vor euch oder hinter euch?«
»Vor uns.«
»Also eher vom Pueblo fort als ihr?«
»Ja.«
»Wie lange?«
»Wir sind sehr schnell hinter ihnen her gewesen, denn es wurde mir angst um dich.«
»Das ist gut, denn wenn sie keinen Vorsprung haben, können sie noch nicht beim weißen Felsen angekommen sein.«
»Sie haben einen Vorsprung gewonnen, einen sehr großen. Sie ergriffen mich unterwegs und schleppten mich in die Wildnis, wo sie mich verließen. Ich kannte die Gegend nicht und irrte den ganzen Tag umher; dann lag ich eine ganze Nacht einsam im Freien – es war schrecklich – bis mich endlich glücklicherweise unsere Yumas fanden. Das muß den Feinden einen Vorsprung von über einen Tag eingebracht haben.«
»Da können sie ja schon heute früh am weißen Felsen angekommen sein! Wer hat das denken können! Wir haben keine Spur von ihnen gesehen. Du mußt mir alles ausführlich erzählen. Sage mir nur vorher: Vogel ist doch noch im Gange des Pueblo versteckt?«
»Nein; sie haben ihn gefunden und befreit.« Da stampfte er die Erde mit dem Fuße und rief ergrimmt:
»Da muß ihnen der Teufel den Weg gezeigt haben, oder du bist unvorsichtig gewesen!«
»Ich habe es an keiner List fehlen lassen. Du glaubst nicht, wie ich, eine Lady, eine Dame, behandelt worden bin! Sie entdeckten den Gang, der aus meiner Küche in die Tiefe führt, und auch das Wasser.«
»So muß ich sie fangen; ich muß, ich muß! Sie müssen mit diesem Geheimnisse sterben, sonst giebt es selbst an dem einzigen Orte, an welchem ich versteckt sein kann, keine Sicherheit für mich! Warum aber ist mein Vater nicht bei dir?«
»Der ist bei ihnen. Sie haben ihn in seiner Wohnung überrascht, gebunden und geknebelt und dann mit sich fortgeschleppt.«
»Das ist – ist – freilich ein – ein Unglück, auf welches ich – ich nicht gefaßt gewesen bin!« knirschte er. »Ein Glück ist aber noch dabei, daß der Vater auf den Gedanken kam, sein Geld in den Stiefeln zu verbergen.«
»Das haben sie auch gefunden,« gestand sie ihm.
»Dann – dann stehen die Schurken mit allen – allen bösen Geistern im Bunde! Ich – ich muß mich setzen!«
Daß das Geld entdeckt worden war, griff ihn sichtlich weit mehr an als der Umstand, daß wir seinen Vater festgenommen hatten. Judith führte ihn zu der Hütte. Er setzte sich davor nieder, und sie nahm an seiner Seite Platz, ohne daß er darauf achtete. Er stemmte die Ellbogen auf die Kniee, und legte das Gesicht in die Hände. Sie redete ihm zu, sich zu fassen; er antwortete nicht und bewegte sich nicht.
Da näherte ich meinen Kopf demjenigen des Apatschen und flüsterte ihm zu:
»Wollen wir ihn fassen? Es ist nicht schwer. Wir springen aus unserm Versteck hervor, nehmen ihn beim Kragen und verschwinden mit ihm im Walde, wo man uns nicht findet. Der Schreck wird ihn und alle starr machen.«
»Ja, es ist nicht schwer; es würde gelingen; aber wir dürfen es dennoch nicht thun.«
»Warum nicht?«
»Weil wir uns überhaupt noch nicht zeigen dürfen. Wenn die Mogollons erfahren, daß wir uns in ihrem Rücken befinden, werden sie vorsichtig, und unser Plan, sie einzuschließen, gelingt dann nicht.«
»Das ist leider wahr. Wir müssen also verzichten, und hätten ihn doch so schön und sicher haben können.«
»Wir werden ihn sehr bald bekommen! Winnetou weiß schon, wie und wo. Wir werden dann nicht ihn allein, sondern seine fünfzig Mogollons auch mit haben. Oder denkt mein Bruder, daß er sich ohne sie hier befindet?«
»Das denke ich freilich nicht. Es ist so gekommen, wie du vorher gesagt hast. Er kam mit ihnen in diese Gegend, hat das Feuer gesehen und – horch!«
Melton hatte sich während unserer leisen Wechselrede von seiner Niedergeschlagenheit erholt. Er ließ sich von Judith erzählen, was auf dem Pueblo geschehen war, nachdem er es verlassen hatte. Sie erging sich, wenn sie von uns sprach, in Ausdrücken und Reden, welche unmöglich wiederzugeben sind. Er hörte ihr zu, ohne ein Wort zu sagen, aber mit Augen, als ob er alles, was aus ihrem Munde kam, verschlingen wolle. Als sie geendet hatte, sagte er unter hörbarem Zähneknirschen:
»Du hast gethan, was du thun konntest; ich kann dich nicht tadeln. Die Halunken sind eben Menschen, mit denen man ganz anders rechnen muß, als mit anderen Leuten. Wir, nämlich der Vater, der Onkel und ich, haben falsch gehandelt, sonst könnten wir dies große Vermögen jetzt in aller Ruhe und Sicherheit verzehren. Konnten wir diesen Menschen in Tunis nicht beikommen, so mußten wir doch später alles aufbieten, mit ihnen quitt zu werden. Der Apatsche hat in England krank gelegen; wir wußten das. Konnten wir nicht hinüberfahren und —? Um die Kerls hätte dort kein Hahn gekräht. Und selbst später, wenn wir in New Orleans geblieben wären und anders gehandelt hätten! Die Hauptsache war, unter allen Umständen den Deutschen und den Apatschen auf die Seite zu schaffen. Den Engländer hätten wir dann weniger, oder wohl gar nicht zu fürchten. Daß wir das nicht gethan haben, rächt sich jetzt!«
»Sag‘ das noch nicht!« ermutigte sie ihn. »Was ist denn eigentlich jetzt verloren? Noch nichts, noch gar nichts!«
»Wenn nicht schon mehr, so doch die Summe, welche mein Vater bei sich hatte!«
»Auch diese nicht. Fallen die Schelme in deine Hände, so bekommst du auch das Geld wieder zurück, welches sie deinem Vater geraubt haben. Du mußt ihn befreien, du mußt!«
Da sah er sie mit einem ganz eigentümlichen Blicke an, und fragte:
»Liegt er dir denn gar so am Herzen?«
»Er nicht, aber du und das Geld.«
»Das ist das Richtige! Mit ihm mögen sie machen, was sie wollen; ich würde mich gar nicht grämen. Meinst du, daß ich mich bei ihm sicher fühle?«
»Nicht?« fragte sie im Tone der Verwunderung.
»Nein! Er hat es mir zwar nicht gestanden; er schiebt die That auf Shatterhand und Winnetou; aber ich weiß doch, daß er seinen Bruder ermordet hat, um sich zu retten und dessen Geld zu bekommen. Ein Brudermörder aber ist auch im stande, seinen Sohn umzubringen.«
»Himmel!« rief sie aus. »Das hältst du für möglich?«
»Ja. Er ist im stande, mir das Geld abzunehmen und zu verschwinden. Das wäre freilich ein Diebstahl, ein Raub; darum bin ich mit dir gefahren, aber nicht mit ihm geritten; daher hat er im Pueblo nicht wissen dürfen, wo das Geld versteckt lag; ich könnte, wenn ich mit ihm zusammenlebte, keine Stunde ruhig schlafen. Er aber würde nicht nur einen Raub, sondern, wenn es sich um sein Leben handelte, auch einen Mord begehen, ohne zu fragen, ob es sich dabei um seinen eigenen Sohn handelt. Ich werde ihn also befreien, weil dies so nebenbei geschieht, wenn ich unsere Gegner erwische; aber dann trenne ich mich von ihm. Er wird soviel bekommen, daß er davon leben kann, darf aber keine Gelegenheit finden, sich mehr zu nehmen. Doch davon jetzt genug! Die Hauptsache ist, daß unsere Verfolger nach dem weißen Felsen sind. Wie gut ist es da, daß wir den Advokaten und die Sängerin mitgenommen haben!«
»Welchen Advokaten? Welche Sängerin?«
»Du fragst – ach ja, du kannst es doch nicht wissen! Denke dir, Murphy ist uns nachgekommen!«
»Dieser? Ist er toll?«
»Er muß es sein, sonst würde er sich nicht nach dem wilden Westen wagen. In Albuquerque hat er Vogels Schwester getroffen und sie mitgenommen.«
»Und sie ist mitgegangen? Hast du die beiden denn getroffen?«
»Ja. Sie sind den Mogollons in die Hände gefallen. Natürlich werden sie nicht nach dem Osten zurückkehren. Sie sollten erst während des Kriegszuges bei dem weißen Felsen zurück.«
»Kriegszug?« unterbrach sie ihn.
»Ja. Die Mogollons befinden sich auf einem Zuge gegen die Nijoras unterwegs; die Alten, Frauen und Kinder sind natürlich zurückgeblieben. Auch die beiden Gefangenen, die Sängerin und der Advokat sollten zurückbehalten werden; ich habe es aber soweit gebracht, daß sie doch noch mitgenommen worden sind. Sie können also nicht von Winnetou und seinen Kumpanen befreit werden, wenn diese nach dem weißen Felsen kommen. Sie besaßen einen Wagen, als sie von den Mogollons ergriffen wurden. In diesen sind sie wieder gepackt worden. Der Häuptling willigte äußerst ungern darein, that mir aber endlich doch noch den Gefallen. Der »starke Wind« muß überhaupt ein sehr guter Freund deines Mannes gewesen sein; das ersehe ich aus der vortrefflichen Aufnahme, die mir nur auf deine Empfehlung hin geworden ist. Er ist eigentlich nicht der Mann, der für mich und meine Pläne paßt; er scheint vielmehr eine treue, ehrliche Rothaut zu sein, und ich konnte ihn gegen Winnetou und Shatterhand nur dadurch feindlich stimmen, daß ich sie als Freunde und Helfer der Nijoras, seiner Gegner, hinstellte.«
»So wird er sie also nicht beschützen, wenn sie in seine Hände fallen?«
»Nein. Es hat mich freilich viel Phantasie und Erfindung gekostet, ihn zum Hasse gegen sie zu bringen. Weiß der Teufel, diese beiden Kerls sind selbst bei feindlichen Stämmen so hochangesehen, daß sie viel mehr wagen können, als andere Leute. Ich fand bei dem Häuptlinge allerdings eine gewisse Unzufriedenheit vor, welche mir aber nicht genügen konnte; darum habe ich mir einige hübsche Geschichten ausgesonnen und ihm erzählt; sie haben, wie ich überzeugt sein kann, die beabsichtigte Wirkung gethan. Ob sie mir nachkommen würden, das wußte ich natürlich nicht gewiß; aber wie man weiß, sind die Kerls so ungemein glücklich im Auffinden von Fährten, daß ich doch annahm, sie könnten wohl auch auf die meinige geraten und nach dem weißen Felsen reiten. Ich mußte folglich dafür sorgen, daß sie dort nicht als Freunde aufgenommen würden, und das habe ich auch nach Kräften gethan.«
»Wie ich dir erzählt habe, wissen sie, daß du dort bist. Was werden sie thun, wenn sie dich nicht dort finden?«
»Mir nachreiten.«
»Sie wissen doch nicht, wohin du bist!«
»Nicht? Wenn du das denkst, befindest du dich in einem gewaltigen Irrtume. Es giebt keine Spione und Kundschafter wie diese beiden.«
»Du meinst, daß sie sich bei den Mogollons im Lager erkundigen?«
»Fällt ihnen gar nicht ein, denn in diesem Falle würde sich sofort einer der letzteren, und wenn er auch nur ein Knabe wäre, aufmachen, um dem Häuptlinge nachzueilen und zu benachrichtigen, wer im Lager gewesen ist. Die Kerls brauchen keinen Menschen zu fragen. Ein Grashalm, ein Steinchen, ein abgebrochener Zweig oder eine ausgetretene Wasserlache sagt ihnen alles, was sie wissen wollen; darauf kannst du dich verlassen; das hat man mehr als hundertmal gehört. Und dazu kommt, daß der lange Dunker vielleicht gar auf sie gestoßen ist.«
»Der lange Dunker? Wer ist das?«
»Ein bekannter Scout oder Pfadfinder, den Murphy bei sich hatte. Er wurde auch mit gefangen, aber so schlecht beaufsichtigt, daß es ihm gelungen ist, am hellen Tage das beste und schnellste Pferd des ganzen Lagers zu erwischen und darauf zu fliehen. Die Verfolger waren zwar schnell hinter ihm her, kamen aber gegen Mitternacht unverrichteter Sache zurück. Wenn dieser Mensch mit ihnen zusammengetroffen ist, hat er ihnen sicher alles erzählt. In diesem Falle sind sie wohl gar nicht nach dem weißen Felsen gegangen, sondern werden sich nach Süden gewendet haben.«
»Um die Mogollons zu verfolgen?«
»Nein, denn gegen eine solche Uebermacht könnten sie doch nichts machen, obgleich sie Kerls sind, von denen man weiß, daß sie sich vor niemand fürchten. Sie sind, immer vorausgesetzt nämlich, daß sie Dunker getroffen haben, zu den Nijoras geritten, um sie zu benachrichtigen, daß die Mogollons im Anzuge sind.«
»Du meinst, daß sie damit etwas erreichen?«
»Etwas nur? Ich sage dir, daß es ihnen dadurch möglich würde, vieles und sogar alles zu erreichen, nämlich wenn ich so dumm wäre, mich nicht in acht zu nehmen und nun meinerseits nicht die Mogollons zu warnen. Sie wollen mich fangen, und den Advokaten und die Sängerin befreien. Bei der Zahl der Mogollons können sie das aber nicht ohne zahlreiche fremde Hilfe thun. Die werden sie bei den Nijoras finden. Glücklicherweise können sie sich nicht schnell bewegen, weil sie meinen Vater als Gefangenen bei sich haben, der ihnen selbstverständlich so viele Hindernisse wie möglich bereiten wird. Oder meinst du, daß sie sich seiner vielleicht entledigt haben? Du mußt ja wissen, wie er von ihnen im Pueblo behandelt worden ist.«
»Sehr streng; aber da sie selbst im Kampfe ungern einen Feind töten, so glaube ich nicht, daß sie ihn ermordet haben.«
»Lieber wäre es mir, wenn sie es gethan hätten; da wäre ich ihn los und bekäme sein Geld für mich, wenn sie dann in meine Hände fallen. Auch Old Shatterhands Gewehre muß ich haben. Man sagt, daß sie, wenigstens für den Westmann, ein Vermögen bedeuten. Mag aber mein Vater noch leben oder nicht, ich muß gleich mit dem Morgengrauen von hier fort, um die Mogollons zu warnen. Ihr reitet natürlich mit, sonst muß ich gewärtig sein, daß ihr den Feinden in die Hände fallt. Dann würde wohl nicht bloß ein Führen in die Irre deine Strafe sein.«
»Kennst du den Weg, den die Mogollons eingeschlagen haben?«
»Ja. Sie sind nach dem »tiefen Wasser«, und werden morgen abend bei der »Quelle des Schattens« lagern. Dort hole ich sie ein.«
»Aber du weißt nicht, wo die Quelle liegt. Du bist noch niemals in dieser Gegend gewesen.«
»Meine Mogollons wissen es; da brauche ich es nicht zu wissen. Der Häuptling hat mir fünfzig Krieger mitgegeben, um Winnetou und seine Gefährten zu fangen, falls ich sie sehen sollte. Sie befinden sich nicht weit von hier. Wir wollten an der Quelle übernachten, und sahen euer Feuer. Da hielten wir an und schickten einen Späher her. Als er zurückkehrte, sagte er, er habe eine weiße Squaw mit wenigen roten Kriegern gesehen. Ich dachte natürlich gleich an dich und ging allein nach hier, um nachzusehen, ob meine Vermutung richtig sei. Nun werde ich zu den Mogollons zurückkehren, um sie herzubringen.«
Er stand auf; sie that dasselbe und sagte dabei:
»Hole sie! Also du wirst von ihnen wirklich als Freund behandelt?«
»Ja.«
»So ist bei ihnen auch dein Eigentum sicher.«
»Natürlich.«
»Das viele Geld! Es kann selbst Indianer verführen!«
Da schlug er mit der Hand an die Ledertasche, welche er umhängen hatte – es war dieselbe, welcher ich das Portefeuille entnommen hatte – und sagte getrosten Tones:
»Hier stecken die Millionen! Das weiß natürlich keiner der Mogollons, denn ich habe mich gehütet, es zu sagen; ich habe vorsichtigerweise einige hineinblicken und sie nur einige alte Sachen sehen lassen, die ihnen nicht von Nutzen sind. Also ich gehe jetzt, und bin in zehn Minuten wieder hier.«
Er entfernte sich. Die beiden hatten englisch gesprochen und sich, obgleich viel Geheimes verhandelt worden war, vor den Yumas nicht geniert. Sie mußten wissen, daß diese des Englischen nicht so mächtig seien, um das Gesprochene zu verstehen. ich stieß Winnetou an und fragte ihn:
»Wollen wir fort?«
»Nein,« flüsterte er zurück. »Wir warten, bis die fünfzig Mogollons kommen. Dann giebt es Lärm, und niemand sieht hierher.«
Er hatte recht. Der unvergleichliche Mann dachte an alles und verstand es wie kein zweiter, sich jeden Gegenstand, jede Lage und jedes Verhältnis nutzbar zu machen. Bald darauf hörten wir Pferdegetrappel; die Mogollons erschienen, und da gab es solches Leben am Feuer, daß wir uns unter den Fichten emporziehen konnten, ohne befürchten zu müssen, daß ein scharfes Auge ein Zeichen davon sehen werde.
Wir gingen den Weg unter den Bäumen zurück, den wir gekommen waren. Als wir den Wald und die Büsche hinter uns hatten und im Freien längs des Berges hinschritten, fragte ich Winnetou:
»Hat mein Bruder alles verstanden?«
»Alles« nickte er.
»Die beiden waren offener gegeneinander, als ich es für möglich hielt.«