Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 25
So hatte er gesessen, bis der letzte Yuma und der letzte Mogollon gebunden war. Da trat Emery zu ihm und fragte zu mir herauf:
»Der Halunke soll doch auch gefesselt werden?«
»Natürlich.«
»Und wenn er sich wehrt?«
»Schlägst du ihn mit dem Gewehrkolben nieder; dann wird er schon gehorchen!«
Da fuhr Melton schnell in die Höhe, sprang einige Schritte von Emery zurück und rief mir zu:
»Binden soll ich mich lassen?«
»Ja, Master. Ich habe es befohlen, und da wird es wohl nicht anders werden. Ergebt Ihr euch nicht drein, so machen wir Euch ein wenig besinnungslos; ein guter Hieb bringt das schnell fertig. Wenn Ihr dann erwacht, seid Ihr gefesselt!«
»Die Mogollons werden mich befreien!«
»Bildet Euch das nicht ein! Es stehen schon vierhundert Nijoras bereit, sie zu empfangen. Ihr seht ja hier bei mir hundert Gegner in ihrem Rücken.«
»Das ist dein Werk, du Satan!« zischte er. »Was habt Ihr mit mir vor?«
»Wir bringen Euch zur Polizei, die so große Sehnsucht nach Euch hat.«
»Wo ist mein Vater?«
»Auch bereits unterwegs zu ihr.«
»Und sein Geld?«
»Hat Mister Vogel, dem es gehört.«
»Tausendmal die Verdammnis über Euch!«
Das schrie er mit einer überschnappenden Stimme, wie so wütend ich noch keine gehört hatte. Dann machte er zwei Schritte nach dem Wasser zu, als ob er sich hineinstürzen wolle, um sich zu ersäufen, fuhr aber wieder zurück, wohl weil er keinen Mut dazu hatte, riß die Tasche, welche er am Riemen um die Schulter trug, herab, machte sie auf, ehe es Emery verhindern konnte, that den Stein hinein, schloß sie zu und schleuderte sie, ein Gelächter verzweiflungsvollen Hohnes ausstoßend, weit hinaus in das Wasser, wo sie sofort unterging. Als dies geschah, stieß Judith einen durchdringenden Schrei aus, schlug die Hände vor das Gesicht und stöhnte:
»Fort, fort, verloren! Für immer und ewig verloren!«
Dann rannte sie wie eine Wütende zu ihm hinab und brüllte ihn an:
»Feigling! Verräter! Betrüger! Das gehörte auch mit mir! Das war auch mit mein! Nun ist es fort, unwiederbringlich fort!«
»Ja, fort – fort!« wiederholte er wie geistesabwesend.
»Und es war mein Eigentum geradeso wie das deinige! Du hattest es mir versprochen! Er war der Preis, der Kaufpreis meines Herzens! Meinst du denn, daß ich dich geliebt hätte ohne das Geld? Und du wirfst es fort, du Wicht, du elender Schwächling, du – —!«
Sie faßte ihn bei den Armen und schüttelte ihn hin und her. Da stieß er sie von sich fort und rief:
»Weg von mir, Schlange! Nur du hast mich in das Verderben getrieben! Wäre ich dir nicht nach deinem Pueblo gefolgt, so hätte ich jetzt alles, wonach mein Herz geschmachtet und getrachtet hat, auch die Freiheit, die ich nun verloren habe. Ich bin gefangen – gefangen – gefangen!«
»Recht so, recht so!« rief sie, ihn wieder fassend und schüttelnd. »Nun du mich um das Geld betrogen hast, hasse ich dich. Ich freue mich deiner Gefangenschaft und werde entzückt sein, wenn ich höre, daß der Scharfrichter, hörst du, der Scharf – —«
Sie konnte nicht weiter; er schnürte ihr mit der Hand die Kehle zu und schrie in höchster Wut.
»Vorn Scharfrichter redest du, von meinem Tode! Da sollst du doch, ehe mir die Hände gefesselt werden, mir vorangehen! Fahre hin, du Satansweib; fahre hin in die Hölle, aus welcher du gekommen bist!«
Er schleuderte sie mit Anspannung aller seiner Kräfte von sich und hinein in das Wasser des grundlosen Sees, beugte sich weit über das Ufer hinaus und rief ihr im Tone eines Wahnsinnigen nach:
»Da unten, unten ist die Tasche! Suche sie! Ich habe sie dir versprochen; nun hast du sie. Gratuliere, gratuliere!«
Ich rannte hinab, um dem Weibe nachzuspringen; da aber stürzte sich schon Winnetou hinein. Nach einigen Sekunden kam er mit ihr empor, und die Hände mehrerer Indianer streckten sich aus, sie ihm abzunehmen. Melton blickte gar nicht hin; er hatte mich beim Arme gefaßt und zischte mich an:
»Ihr seid mir nach, um mein Geld, mein Geld, das viele Geld zu bekommen! Ist es nicht so, Sir?«
»Ja,« antwortete ich ruhig.
»So springt hier hinein, und holt es Euch aus dem See. Ich habe es hineingeworfen!«
»Das ist nicht wahr!«
»Nicht wahr? Nicht wahr? Sir, ich hatte es in der Tasche, in der Tasche, welche vorhin im Wasser verschwunden ist. Verschwunden – verschwunden! Wißt ihr, was das heißt? Man giebt seine Ehre, sein Gewissen, seine Ruhe, seine Seligkeit dafür hin; man tritt die Gesetze mit Füßen; man – man —man thut alles, um es zu gewinnen. Und wenn man es erlangt hat, muß man sich in der Wildnis verbergen, wo man es nicht genießen kann, rennt hinter einem verruchten Weibe her, welches das Geld, aber nicht die Qualen des Gewissens mit einem teilen will, und wirft es, um es nicht hergeben zu müssen, in das Wasser – ins Wasser – ins Wasser! Wißt Ihr, Sir, was das heißen will?«
Es war eine Scene von solcher Häßlichkeit, daß sich die Feder sträubt, sie zu beschreiben. Ich schüttelte den Kerl von mir ab, bat Emery, ihn doch nun binden zu lassen, und ging nach der Stelle, an welcher die Jüdin lag. Es war nur eine Ohnmacht, welche sie umfangen hielt; tot konnte sie nicht sein; dazu war sie viel zu kurze Zeit im Wasser gewesen. Ich nahm ihre Hand, um den Puls zu fühlen; er ging langsam und schwach, aber doch bemerkbar. Sie lebte, und ich brauchte also um sie keine Sorge zu haben; ja, ich war so hartherzig, mir zu sagen, daß das Wasserbad ihr gar nichts schaden könne. Ich ließ sie also liegen, um mich um Dinge zu bekümmern, welche notwendiger waren.
Zunächst galt es, die Nijoras zu benachrichtigen, daß wir jetzt die Mogollons gefangen hatten. Ich schickte also einen der Kundschafter ab, welcher seinem Häuptlinge die Botschaft überbringen sollte. Dabei schärfte ich ihm ein, sich ja nicht von den Mogollons sehen zu lassen. Diese waren nach der Quelle des Schattens unterwegs, und er mußte also nicht nur sie und die Quelle umreiten, sondern auch dafür sorgen, daß dahinter seine Spuren unsichtbar blieben, denn, wenn sie von den Feinden gesehen wurden, stand zu befürchten, daß sie Verdacht schöpften.
Nun wollte ich gerne erfahren, ob die Mogollons ihre beiden Gefangenen mitgenommen oder am weißen Felsen zurückgelassen hatten; das mußte mir die Fährte sagen. Am tiefen Wasser konnten wir dieselbe nicht ansprechen, da der Boden ganz zertreten war; ich ging also mit Winnetou fort, um das Gebüsch zu umkreisen. Richtig! Auf der westlichen Seite desselben – wir waren von der östlichen gekommen —entdeckten wir die Spur des Wagens; dort hatte er gestanden. Aus den Stapfen ersahen wir, daß die Pferde ausgespannt worden waren, um getränkt zu werden. Dann führte die Spur um den Platz herum, wo sie sich wieder mit der breiten Fährte der fortgezogenen Mogollons vereinigte.
Daß diese die Sängerin und den Advokaten mitgenommen hatten, deutete auf ihre Ueberzeugung, die Nijoras vollständig überrumpeln und besiegen zu können. Darauf wies Winnetou hin, als er kopfschüttelnd sagte:
»Der »starke Wind« muß seines Sieges ganz sicher sein, sonst hätte er die beiden Bleichgesichter nicht mitgenommen. Aber warum er sie überhaupt mitgenommen hat? Sie können ihm nur hinderlich sein. Aber vielleicht hat er keinen Nutzen, sondern nur die Verhütung eines Schadens beabsichtigt.«
»Du meinst ihre Flucht?«
»Ja. Er hat alle zuverlässigen Krieger mitgenommen und nur die Alten, Weiber, Knaben und Mädchen im Lager zurückgelassen. Diese Leute aber taugen nichts zur Bewachung von Gefangenen. Wie leicht konnten sie also fliehen!«
»Dies ist allerdings der einzige Grund, den ich aufzufinden vermag, kann aber selbst ihn nicht als vollwichtige Ursache gelten lassen, weil das Mitschleppen des Wagens und seiner Insassen Beschwerden und Störungen bereiten muß. Auch wenn er sie bei sich hat, muß er sie Tag und Nacht beobachten lassen. Wären sie aber, und einige Krieger mit ihnen, im Lager beim weißen Felsen zurückgeblieben, so befanden sie sich unter guter Obhut, und er konnte sich auf dem Kriegszuge, den er angetreten hat, frei bewegen.«
»Mein Bruder hat sehr richtig gesprochen; aber dieser Grund ist der einzige, den man sich denken kann, obgleich es nicht klug ist, danach zu handeln.«
»Dazu kommt das Terrain, auf welchem die Mogollons sich bewegen müssen. Denke doch an den Hohlweg, welcher auf die Platte des Cañons hinauf- und jenseits wieder hinabführt! Wie können sie da mit dem Wagen fortkommen!«
»Vielleicht kennen sie den Weg nicht genau und haben geglaubt, daß man da auch mit einem Wagen fahren kann.«
»Dann sind sie außerordentlich unvorsichtige Leute. Wenn man einen feindlichen Stamm überfallen will, bekümmert man sich doch um die Wege, welche dahin führen. Wie du mir die Gegend beschrieben hast, können sie mit dem Wagen gar nicht viel weiter als bis zu der Quelle des Schattens kommen. Dort werden sie diese Nacht lagern. Meinst du nicht, daß es notwendig ist, sie da zu beobachten?«
»Es ist notwendig.«
»Kann aber nur in der Dunkelheit des Abends geschehen?«
»Nahe an sie herankommen kann man freilich nur des Nachts; besser aber ist es, wenn ich ihnen schon am Tage nachreite. Mein Bruder Scharlieh mag mir später folgen und es so einrichten, daß er in der Dunkelheit dort ankommt.«
»Schön. Wie und wo treffen wir uns?«
»Du warst schon mit an der Quelle und kennst sie also. Ich werde dir soweit entgegenreiten, bis ich mich zehn Büchsenschüsse von der Quelle entfernt habe; da warte ich auf dich. Wenn du soweit herangekommen bist, lässest du deinen Bärentöter einmal sprechen, und ich antworte mit meiner Silberbüchse. Wir kennen die Stimmen unserer Gewehre genau und werden uns leicht zusammenfinden.«
»Gut! Jedenfalls kehren wir dann nicht wieder nach hier zurück?«
»Nein. Die Unsrigen müssen nachkommen. Sie mögen noch während der Nacht mit den Gefangenen aufbrechen und es so einrichten, daß sie eine Stunde nach Anbruch des Tages zu uns stoßen. Dann werden die Mogollons schon von der Quelle aufgebrochen sein. Ich tränke jetzt mein Pferd, und dann reite ich fort.«
»So sag den Nijoras, daß sie auch die andern Pferde bringen mögen.«
Er entfernte sich südwärts, wohin wir unsere Pferde geschickt hatten, und diese wurden gebracht. Als er das seinige getränkt hatte, ritt er davon. Er war der beste Kundschafter, welchen ich den Mogollons nachsenden konnte.
Da wir nun so lange am tiefen Wasser lagern mußten, machten wir es uns daran so bequem wie möglich. Weniger bequem hatten es die Gefangenen, weil sie alle gefesselt waren. Auch Judith wurde gebunden, als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte. Das besorgte der lange Dunker, welcher mit ihr nicht viel Federlesens machte. Er war so malitiös, sie neben ihren gefesselten Jonathan ins Gras zu legen. Als ich ihn darüber zur Rede setzte, fragte er mich:
»Meint Ihr etwa, daß uns das schaden könnte, Sir?«
»Ja. Läßt man solche Gefangene gern miteinander sprechen? Sie können doch einen Plan zur Flucht miteinander bereden oder sich über Ausreden und sonstige falsche Aussagen einigen.«
»Mögen sie! Wir brauchen ihre Aussagen nicht; wir haben ja Beweise genug. Seht Ihr denn nicht ein, weshalb ich sie zu einander gebracht habe?«
»Aus Bosheit, aus reiner Bosheit, Master Dunker. Oder nicht?«
»Nein, nicht aus Bosheit. Höchstens könnte man es eine kleine Schalkhaftigkeit nennen. Nach dem, was geschehen ist, nehme ich an, daß sie nicht sehr zärtlich miteinander sprechen werden. Ich möchte, daß sie einander ärgern. Seht doch einmal hin! Die Blicke, welche sie sich gegenseitig zuwerfen! Die giftigen Mienen, die sie ziehen! Well, ich muß hin zu ihnen, um einmal zuzuhören.«
Er näherte sich ihnen und setzte sich dann zu ihren Häupten nieder, sodaß sie ihn nicht sehen konnten. Das Gesicht, welches der alte Schabernack dann schnitt, sagte mir sehr deutlich, daß er sich über die Reden, welche sie sich zuwarfen, köstlich amüsierte. Ich aber legte mich in den Schatten unter die Bäume und schlief ein, denn es stand zu erwarten, daß die nächste Nacht mir nicht viel Schlaf bieten werde.
Man war so verständig, mich ungestört schlafen zu lassen. Als man mich endlich weckte, fühlte ich mich genugsam gestärkt, denn es war zwei Stunden vor Untergang der Sonne. Vielleicht hätte man mich gar noch länger schlafen lassen, wenn nicht Jonathan Melton und die Jüdin eifrig nach mir verlangt hätten. Als ich zu ihnen kam, rief mir die letztere zornig zu:
»Herr, warum bringt man mich hier mit diesem Menschen zusammen? Dieser Mörder, dieser Halunke, welcher aus Furcht das viele Geld in das Wasser geworfen und mich darum betrogen hat, muß weg, muß fort von hier, wenn ich nicht aus lauter Wut ersticken soll.«
»Sonderbar! Gestern sprachen Sie noch ganz anders erst von ihm und dann auch mit ihm.«
»Was wissen Sie davon!«
»O, ich weiß alles.«
»Alles? Nichts, gar nichts wissen Sie! Wo bin ich denn gestern abend gewesen?«
Sie fragte das in höhnischem Tone; ich antwortete lächelnd.
»An der Quelle des Schlangenberges. Man hatte Ihnen hart an der Quelle eine Hütte gebaut. Vor derselben saßen Sie erst mit dem braven Yuma, welcher uns als Wirt so liebenswürdig behandelt hat. Ich weiß sogar, daß Sie von mir und von anderen gesprochen haben, was zu wiederholen ich keine Lust habe. Dann kam Ihr lieber Sennor Jonathan.«
»Der? – Woher?«
»Vom weißen Felsen. Er war mit den Mogollons ausgeritten, uns zu fangen; da er aber kein Geschick dazu hat, ist das Gegenteil erfolgt: wir haben ihn erwischt. Wollen Sie das, was ich jetzt erzähle, leugnen?«
»Ja. Sie raten nur; Sie schlagen auf den Busch.«
»Gar nicht. Sennor Jonathan hatte mit den Mogollons an der Quelle lagern wollen und Ihr Feuer gesehen, welches förmlich haushoch brannte. Da ließ er die Roten zurück und kam zunächst allein, um zu erkunden, wer an der Quelle lagerte. Sie werden nicht wieder in eine solche Lage kommen, sonst würde ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es eine unverzeihliche Unvorsichtigkeit ist, so große Feuer lodern zu lassen. Man wird dadurch entdeckt. Sie erinnern sich jedenfalls, wie außerordentlich freundlich Sie ihn empfingen, als er kam.«
»Da – da – da haben Sie uns wohl belauscht?« gestand sie endlich ein, wenn auch nur indirekterweise. »Wo steckten Sie denn?«
»Unter den Bäumen jenseits des Wassers, gerade Ihnen gegenüber. Ich hörte jedes Wort, welches gesprochen wurde, und nahm mir natürlich vor, Ihnen heute hier einen freundlichen guten Morgen zu sagen.«
Da bäumte sie sich halb empor und sandte mir einen wütenden Blick zu. Melton war erbost, daß Judith sich hatte übertölpeln lassen und machte ihr heftige Vorwürfe. Dann sagte er zu mir:
»Mir kommt kein Lauscher so weit zu nahe, daß er hören kann, was ich spreche.«
»Da irrt Ihr Euch sehr, Mister Melton. Ich könnte Euch das Gegenteil beweisen.«
»Thut es doch!«
»Habe keine Zeit dazu. Nur auf einen Fall will ich Euch aufmerksam machen. Damals auf dem Schiffe nach Tunis hat Winnetou in Eurer Gegenwart Euern Koffer geöffnet, um uns Eure heimlichen Papiere zu bringen, die wir in unserer Koje gelesen haben. Er hat Euch zu diesem Zwecke den Schlüssel aus der Tasche genommen, aus einem Kleidungsstücke, welches Ihr auf dem Leibe trugt.«
»Nicht möglich!«
»Nein, nicht möglich, sondern wirklich! Er hat die Papiere dann wieder in den Koffer gethan und Euch den Schlüssel in die Tasche gesteckt. Ist das nicht schwerer als bloßes Lauschen? Ich könnte Euch, wie gesagt, noch mehr erzählen, will es aber unterlassen. Ihr kennt uns noch lange nicht so, wie Ihr uns eigentlich kennen solltet.«
»O, ich kenne Euch mehr als genug. Ihr seid Teufel in Menschengestalt, die weder Gnade noch Erbarmen haben; es ist Euch bisher alles geglückt; aber werdet nur nicht etwa übermütig, denn Ihr werdet gewiß auch noch Euern Meister finden.«
»Etwa Euch?«
»Nein. Mit mir ist‘s aus; das sehe ich jetzt ein.«
»Wirklich? Seht Ihr das ein?« fragte ich.
Er sah allerdings ungemein niedergeschlagen aus, ganz so wie ein Mensch, welcher alle Hoffnung aufgegeben hat. War dies Wahrheit oder Täuschung? Wollte er mich vielleicht nur sicher machen?
»Ja.« antwortete er. »Ich weiß, daß mein Spiel nun zu Ende ist. Ich bin Euch einigemal glücklich entgangen, immer je später desto schwerer. Aus dem Pueblo da unten entkam ich nur mit Mühe und Not, und ich sagte mir, daß ich verloren sei, wenn es Euch gelingen sollte, mich noch einmal zu ergreifen. Das ist jetzt geschehen.«
»Warum könnt Ihr nicht auch diesmal entkommen? Es ist alles möglich!«
»Nun nicht mehr! Ich sehe den langen Dunker bei Euch. Er ist uns entflohen und zu Euch gekommen. Er wird Euch gesagt haben, wen die Mogollons mit ihm gefangen genommen haben. Nicht?«
»Allerdings.«
»Auch daß die Mogollons gegen die Nijoras ziehen wollen?«
»Ja. Und wir haben diese gewarnt.«
»Den Erfolg sehen wir schon jetzt hier vor uns. Ihr habt hundert Nijoras bei Euch. Ihr werdet die Mogollons überfallen und die Sängerin und auch den Advokaten befreien?«
»Natürlich!«
»Wie könnt Ihr da von der Möglichkeit sprechen, daß ich Euch entkommen kann! Ich weiß, daß ich nichts mehr zu hoffen habe.«
»Memme!« zischte sie ihn an.
»Schweig!« gebot er ihr. »Du bist mir zum Unglück in den Weg gelaufen! Hätte ich dich nicht kennen gelernt, so stände es jetzt anders um mich! Nun bin ich verloren! Aber einen Trost habe ich, einen Trost und eine Freude. Ich habe meiner Beute entsagen müssen; aber es giebt keinen Menschen, dem sie in die Hände fallen wird.«
»Irrt Ihr Euch nicht?« fragte ich.
»Irren? Pshaw! Habt Ihr nicht gesehen, daß ich die Millionen in den See geworfen habe!«
»Wären sie nicht herauszuholen?«
»Aus diesem Wasser, dessen Grund noch kein Mensch gefunden hat?«
»Unsinn! Jedes Wasser hat einen Grund.«
»So taucht doch einmal da hinab! Ich weiß nicht, wie tief der Mensch zu tauchen vermag; aber wenn Ihr wirklich bis hinunter kämt, wenn Ihr auch so oft tauchen könntet, bis Ihr die Tasche findet, dann sind die Papiere verdorben, sie sind wertlos geworden.«
»Das glaube ich nicht.«
»Nicht? Ihr denkt, das Wasser kann nicht in die Tasche dringen?«
»Es dringt hinein, nicht nur in die Tragtasche, sondern auch in die Brieftasche, welche in der ersteren steckt und in der sich die Papiere befinden.«
»Brieft – Briefta – Brieftasche? Was wißt Ihr von einer Brieftasche?« fragte er betroffen.
»Ich habe Euch schon gesagt, daß ich alles weiß. Ich habe alles erfahren, obgleich Ihr sagtet, es sei unmöglich, Euch zu belauschen. Master Melton, Ihr seid ein unvorsichtiger, ein außerordentlich unvorsichtiger Mensch! ihr wußtet nicht, was Ihr in Eurer Tasche hattet oder vielmehr, Ihr wußtet nicht, was Ihr nicht in der Tasche hattet.«
»Ich verstehe Euch nicht.«
»Ich kenne jeden einzelnen Cent, den ich einstecken habe. Ihr hattet Millionen bei Euch und habt Euch nicht so um dieses Geld bekümmert, wie ich mich um meine wenigen Dollars und Cents bekümmere.«
»Wo wollt Ihr mit diesen Worten hinaus?«
»Befand sich das geraubte Geld wirklich in der schwarzen Ledertasche, welche Ihr umhängen hattet?«
»Ja. Ich kann es jetzt getrost sagen, denn es ist nun weg, und niemand wird es bekommen.«
»Das ist nicht wahr! Das Geld liegt nicht da unten im See.«
»Wo denn?«
»Hier in meiner Tasche.«
Ich klopfte bei diesen Worten auf die Brust.
»Oho! Laßt Euch nicht auslachen! Ihr wollt mich ärgern; denkt aber ja nicht, daß Euch das gelingen wird!«
Es wird mir gelingen. Ich habe das Geld!«
»So zeigt es doch einmal her!«
»Gut! Kennt Ihr dieses Portefeuille?«
Ich zog die Brieftasche hervor und hielt sie ihm nahe. Als sein Auge auf dieselbe fiel, rief er aus:
Alle Wetter! Das ist – das ist – ja, das ist meine —«
»Eure Brieftasche,« ergänzte ich seine Rede.
»Nein, nein! Das kann nicht sein; das darf nicht sein!« schrie er auf. »Es ist eine Brieftasche, welche der meinigen ähnlich sieht. Ich lasse mich nicht täuschen!«
»Ich will es Euch beweisen, daß ich die Wahrheit rede.«
Ich öffnete die Brieftasche und zeigte ihm den Inhalt jedes einzelnen Faches. Er sah, daß es wirklich die Millionentasche war. Man hatte ihn an Händen und Füßen gebunden; dennoch fuhr er mit einem einzigen Rucke auf, fiel aber sofort wieder nieder. Dabei schrie er wie ein Wahnsinniger:
»Sie ist‘s, sie ist‘s! Es ist meine Tasche! Es sind meine Millionen! 0 du Teufel, du tausendfacher Teufel! Wie ist das Geld in deine Hände gekommen?«
Ich konnte ihm nicht antworten, wenn ich auch gewollt hätte, denn die Jüdin stimmte in sein Geschrei ein. Das viele Geld gerettet und in meinen Händen zu sehen, schien die beiden dem Wahnsinne nahe zu bringen. Sie schrieen nicht mehr; sie brüllten förmlich; sie wälzten sich zu mir her, faßten mich mit den Fingern ihrer gefesselten Hände bei den Füßen. Das Weib kreischte:
»Heraus mit dem Gelde, heraus! Gieb es her, du Dieb, du Räuber, du Gauner, gieb es heraus!«
Es war ein widerlicher Anblick. Sie gebärdeten sich nicht wie Menschen. Ich stieß sie mit den Füßen von mir; sie rollten sich aber immer wieder heran, und ich war gezwungen, sie so binden zu lassen, daß sie sich nicht von der Stelle bewegen konnten. Sie sträubten sich wie Irrsinnige dagegen. Das Gesicht Meltons war gar nicht zu beschreiben. Seine Augen traten weit hervor und waren mit Blut unterlaufen; er schrie und brüllte nicht mehr, sondern er heulte geradezu wie ein wildes Tier. Ich mochte es nicht länger ansehen und ging fort, um mein Pferd für den Ritt, den ich vorhatte, fertig zu machen. Doch als ich in den Sattel stieg und er dies sah, rief er mir zu, noch einmal zu ihm zu kommen.
Ich that es. Er sah mit dem Ausdrucke des grimmigsten Hasses zu mir auf und fragte, indem er sich zu einem ruhigen Tone zwang:
»Sir, wo habt Ihr die Tasche her? Wann ist sie in Eure Hand gekommen?«
»In der Nacht vor Eurem Aufbruche vom weißen Felsen.«
»Durch wen?«
»Durch mich selbst.«
»Das ist nicht wahr!«
»Pah! Während Ihr alle um den Häuptling saßet, um den Zug gegen die Nijoras zu beraten, hörte ich Euch zu.«
»Das ist unmöglich! Wie wäret Ihr mitten in das Lager gekommen? Wie hättet Ihr zuhören können, ohne bemerkt zu werden?«
»Es ist eben sehr dumm von Euch, zu glauben, daß ich Euch nicht belauschen kann. Ich habe sogar mit der Sängerin gesprochen.«
»Das wäre nur dann möglich, wenn Ihr Euch unsichtbar machen könntet!«
»Laßt Euch nicht auslachen! Ich steckte im Wasser. Ich bin den Fluß hinabgeschwommen, bis ich mich in der Mitte des Lagers befand. Ein guter Westmann weiß, wie er so etwas anzufangen hat. Eure Unvorsichtigkeit kam mir dabei zu statten.«
»Aber Ihr müßt doch in meinem Zelte gewesen sein!«
»Natürlich habe ich Eure Tasche genau untersucht und das Portefeuille herausgenommen.«
»O Teufel, Teufel! Könnte ich, wie ich wollte, ich zerrisse Euch in tausend Stücke!«
Er zerrte bei diesen Worten mit Gewalt an seinen Fesseln.
»Bemüht Euch nicht, Master! Die Riemen halten fest. Uebrigens erkennt Ihr nun wohl, daß unsereiner nicht auf den Kopf gefallen ist. Hätte ich mich nicht in das Lager der MogolIons geschlichen und mir das Geld geholt, so – —«
»So läge es jetzt unten im See!« unterbrach er mich wütend.
»O nein, das wollte ich nicht sagen. In diesem Falle wäre es Euch wahrlich nicht gelungen, die Tasche in das Wasser zu werfen. Ich stand ja ganz in der Nähe, als ihr das thatet. Hätte ich das Geld noch nicht gehabt, so wäre ich augenblicklich hinzugesprungen, um Euch daran zu verhindern. So aber konnte ich mit heimlichem Vergnügen der vermutlichen Vernichtung der Millionen zusehen. Ihr sagtet vorhin, daß niemand sie bekommen werde; es bekommt sie doch jemand, und das sind die rechtlichen Erben.«
»Der Satan vernichte Euch! Ich war des Portefeuilles so sicher, daß ich in den letzten Tagen gar nicht nach demselben gesehen habe. Sind – sind – sind außer dem Gelde auch noch andere Gegenstände drin?«
»Ja, Briefe, wie es scheint.«
»Habt Ihr sie schon gelesen?«
»Nein, sie gehören den Erben; diese sollen sie zuerst lesen.«
»Tod und Verdammnis! Sir, hört, was ich Euch sage! Das Geld ist noch da, und ich bin auch noch da! Denkt ja nicht, daß ihr es so sicher habt! Nun ich die Brieftasche gesehen habe, gebe ich das Spiel noch nicht auf. Es handelt sich um Millionen, versteht Ihr, um Millionen, und darum werde ich kämpfen, bis zum letzten Atemzuge!«
»So kämpft, Mister Melton, kämpft mit wem Ihr wollt! Zunächst wird Euch das nicht sehr leicht werden, und wir werden dafür sorgen, daß Ihr Euer Heldentum nicht weiter mehr entwickeln könnt. Ihr habt recht: es handelt sich um Millionen; die habe ich endlich in meinen Händen, und auch Euch habe ich erwischt; ich gebe Euch mein Wort, daß ich weder das Geld noch Euch wieder loslassen werde!«
Ich ritt zu Emery und Dunker und schärfte ihnen die größte Aufmerksamkeit auf die Gefangenen ein.
»Habt keine Sorge, Sir,« sagte der letztere. »Ich selbst werde die ganze Nacht mit dem Messer in der Hand bei ihnen wachen.«
»Darauf verlasse ich mich. Melton hat mir soeben gesagt, daß er alles daran setzen will, das Geld wieder zu bekommen; dabei ist natürlich die Flucht vorausgesetzt. Ich muß leider jetzt fort, denke aber, daß ich ihn in sichern Händen zurücklasse.«
»Sir, nur der Tod kann ihn uns nehmen. Ihr könnt ruhig gehen.«
Da Emery mir dieselbe Versicherung gab, brauchte ich wirklich keine Sorge zu haben. Ich rief noch den Unterhäuptling herbei, um ihm die Zeit des Aufbruches anzudeuten, und ritt dann von dem Orte fort, der dem falschen Erben so verhängnisvoll geworden war.
Wenn ich zu der von Winnetou bestimmten Zeit an das Stelldichein gelangen wollte, so mußte ich mich sputen. Doch hatte ich ein gutes und jetzt ausgeruhtes Pferd und kannte, wenn auch nicht den Weg, so doch die Richtung genau, in der ich den Apatschen zu suchen hatte. Bemerken muß ich noch, daß ich einen Nijora mitgenommen hatte, welcher auch gut beritten war; er sollte mir als Bote dienen, um seinem Häuptlinge zu melden, wie wir die Mogollons treffen würden.