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Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 26

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Siebtes Kapitel: Schluss

Der Tag verging, und die Dämmerung sank tiefer. Der Abend war schön; die Sterne standen am Himmel, und die dünne Sichel des jungen Mondes, der im Beginne des ersten Viertels stand, neigte sich bereits dem Horizonte zu. Die gute Luna war bescheidenerweise, um nicht so lange gesehen zu werden, schon am Tage aufgegangen. Die nächtliche Helle war mir eigentlich nicht angenehm, doch stand im Osten eine Wolke vor, und da der Abendwind aus derselben Richtung kam, durfte ich hoffen, daß sie sich nach und nach ausbreiten und die Sterne verdunkeln werde.

Wir jagten, ohne ein Wort zu sprechen, über den weiten Plan dahin. Der Nijora hielt sich bescheiden hinter mir; an meiner Seite zu reiten, wagte er nicht. Nur einmal wurden wenige Worte gewechselt. Er kannte als Nijora die Gegend, in welcher wir uns befanden, genau, ich aber nicht, weil wir gestern nicht von dem tiefen Wasser, sondern von dem weißen Felsen nach dem Quell des Schattens gekommen und also weiter westlich geritten waren. Darum fragte ich ihn, als ich glaubte, das Stelldichein bald erreicht zu haben:

»Mein Bruder läßt mich den Weg finden. Sind wir auf der geraden, richtigen Linie nach der Quelle des Schattens?«

»Old Shatterhand findet jeden Weg, auch wenn er ihn noch nicht kennt,« antwortete er.

»Ich glaube, daß wir nur noch eine Viertelstunde zu reiten haben, um dort anzukommen. Ist das richtig?«

»Es ist genau so, wie mein weißer Bruder sagt.« infolgedessen ritten wir noch eine kleine Strecke weiter; dann hielten wir an, und ich gab einen Schuß aus dem Bärentöter ab. Ich erwartete nun, den Schuß Winnetous zu hören; anstatt dessen ertönte eine Stimme aus nicht zu großer Ferne:

»Hier bin ich. Ich habe die Stimme des Gewehres meines Freundes Scharlieh erkannt.«

Dann sah ich Winnetou auf uns zugeritten kommen. Er gab mir seine Hand und sagte dabei:

»Du hast den Ort so genau abgeschätzt, daß du ganz nahe bei mir hieltest. Ich konnte dir mit meinem Munde anstatt mit einem Schusse antworten.«

»Bist du schon lange hier?« erkundigte ich mich.

»Nein, denn ich konnte die Mogollons erst dann umschleichen, als es dunkel geworden war.«

»Aber gesehen hast du sie früher?«

»Ja. Ich war immer so nahe hinter ihnen, wie ich es wagen konnte.«

»Sie lagern an der Quelle des Schattens?«

»Ja. Mein Bruder weiß, daß so viele Krieger nicht da, wo die Quelle aus der Erde kommt, Platz haben. Dort sitzt nur der Häuptling mit drei alten, hervorragenden Kriegern. Die andern alle haben sich am Wasser weiter abwärts gelagert.«

»Haben sie Posten ausgestellt?«

»Nein. Die Mogollons sind sehr unvorsichtige Menschen. Sie scheinen zu glauben, daß sich niemand als nur sie in der Gegend befinden kann.«

»Weißt du, wo der Wagen steht?«

»Ich bin zweimal um das ganze Lager geschlichen und habe ihn deutlich gesehen. Er steht nicht weit von dem Häuptlinge im Wasser.«

»Und wo befinden sich die beiden Gefangenen?«

»Sie sitzen in dem Wagen. Nur ein einziger Wächter steht dabei.«

»Auch ich möchte ihn und überhaupt das ganze Lager sehen.«

»Das ist nicht schwer, und wenn du noch einige Zeit warten willst, wird es noch leichter sein. Die Wolke, welche jetzt fast gerade über uns steht, hing noch vor kurzem über dem östlichen Horizonte; in einer halben Stunde wird sie auch den jetzt noch hellen Teil des Himmels bedeckt haben. Willst du so lange warten?«

»Ja, denn obgleich keine Gefahr dabei ist, ziehe ich es doch vor, vorsichtig zu sein.«

Er hatte in Beziehung auf die Wolke recht. Sie hatte sich immer mehr ausgearbeitet und bedeckte nach der von ihm angegebenen Zeit den ganzen Himmel. Da sagte er:

»Jetzt können wir aufbrechen. Die Pferde bleiben hier, der Krieger der Nijoras wird sie bewachen.«

»So lasse ich auch die beiden Gewehre bei ihm zurück. Sie sind mir bei dem Beschleichen im Wege.«

»Gieb ihm nur den Bärentöter; den Henrystutzen aber will ich nehmen.«

»Warum?«

»Während du die Mogollons beschleichest, bleibe ich in der Nähe und lausche. Solltest du Unglück haben, so wird ein Lärm entstehen, den ich sicher höre. Dann schieße ich den Stutzen so viele Male rasch hintereinander ab, daß sie erschrecken und vor Ueberraschung von dir lassen.«

»Gut! Wenn ich ergriffen werden sollte und du ziehst ihre Aufmerksamkeit nur so lange auf dich, daß sie einige Augenblicke nicht auf mich achten, wird das genügen, mich wieder frei zu machen.«

Ich gab also dem Nijora die schwere Büchse; Winnetou nahm meinen Stutzen, und dann entfernten wir uns nach Süden, wo die Quelle des Schattens lag.

Es war jetzt infolge der Wolke so düster, daß man nicht ein Zehntel soweit und so scharf sehen konnte wie vorhin, als die Sterne schienen. Nach etwas über zehn Minuten hielt Winnetou an und erklärte mir mit leiser Stimme:

»Wenn du noch hundert Schritte weiter gehst, wirst du dich bei den ersten Büschen befinden, welche du genau kennst, da wir dort gewesen sind. Geradeaus von dort kommt das Wasser, an dem der Häuptling sitzt, aus der Erde. Es fließt nach links; dort sitzen die andern Krieger. Zwischen ihnen und dem Häuptlinge steht der Wagen.«

»Und wo sind die Pferde?«

»Die weiden jenseits des Gebüsches im freien Grase.«

»So will ich versuchen, mich an den Häuptling zu machen.«

»Da muß mein Bruder aber außerordentlich vorsichtig sein.«

»Warum giebt mir Winnetou diesen Rat? Ist er bei mir nötig? Der Häuptling sitzt nahe am Quell; dort steht viel Gesträuch, hinter dem ich mich verstecken kann, wenn nicht rechts davon auch noch Krieger liegen.«

»Vorhin gab es dort keine.«

»So glaube ich auch nicht, daß sich später welche dort gelagert haben, denn dort giebt es kein Wasser.«

»Willst du etwa auch mit den Gefangenen sprechen?«

»Ja, wenn es möglich ist.«

»Da muß ich dich aber doch warnen, obgleich du vorhin meine Worte übelgenommen hast. Es ist sehr gefährlich, zu ihnen zu gelangen, und noch gefährlicher ist es, gar mit ihnen zu sprechen.«

»Ich werde keine Vorsicht außer acht lassen und meinen Vorsatz nur dann ausführen, wenn ich mich vorher überzeugt habe, daß ich es wagen darf. Also, wenn mir etwas passieren sollte, wirst du schießen, aber nicht eher, als bis du zwei oder drei Schüsse aus meinem Revolver gehört hast.«

»Ich werde das thun, doch ist es besser, wenn ich es nicht zu thun brauche.«

Jetzt verließ ich den Apatschen und schritt langsam und leise weiter. Mein Fuß stieß an einen Stein. Da kam mir ein Gedanke. Der Stein konnte mir von Vorteil sein. Er hatte die Größe einer halben Hand; ich hob ihn auf und steckte ihn ein. Darauf bückte ich mich nieder und tastete rings umher; es gab da noch fünf oder sechs Steine von ähnlicher Größe, welche ich auch zu mir steckte. Dann ging ich weiter.

Als ich vielleicht sechzig Schritte vorwärts gekommen war, legte ich mich nieder, um mich nun kriechend zu bewegen. Bald kam ich an die ersten Büsche. Es war ganz dunkel. Die Mogollons brannten keine Feuer. Darnach hatte ich Winnetou gar nicht gefragt, eine Unterlassungssünde, welche eigentlich unbegreiflich war.

Daß die Feinde im Dunkeln saßen, war mir unlieb und doch auch wieder lieb: ich konnte sie nicht sehen, aber desto schwerer konnten sie auch mich bemerken. Daß sie es unterlassen hatten, Feuer anzuzünden, schien ihrerseits doch die Folge von Vorsicht zu sein, denn sie verhielten sich so ruhig, daß ich kein Geräusch vernahm, obgleich ich mich bereits sehr nahe bei ihnen befand.

Immer nur Zoll um Zoll geradeaus kriechend, schob ich mich von einem Busche zum andern und hörte endlich Stimmen. Zugleich drang mir der Geruch von Tabak in die Nase, von Tabak, wie ihn die Indianer zu rauchen pflegen, nämlich eine Mischung von sehr viel wildem Hanf und sehr wenig Tabak. Und nun sah ich doch ein Feuer, aber ein so kleines, daß es von weitem schwer zu bemerken war. Es brannte in einer kleinen Vertiefung des Bodens, damit der Schein nicht weit dringen solle und wurde nur von einigen dünnen Zweigen genährt. Es hatte also nur den Zweck, mit Hilfe desselben die Pfeifen in Gang zu erhalten.

So klein es war, es verbreitete doch in seiner nächsten Nähe soviel Licht, daß ich den Häuptling und die drei alten Krieger, welche an der Quelle saßen, erkennen konnte. Es gab dort zwei nahe beisammenstehende Büsche; ich schob mich hin zu ihnen und schmiegte mich so eng an ihre Wurzelstöcke, daß selbst jemand, der vorüberging, mich nur dann sehen konnte, wenn er sich zufällig niederbückte. Jetzt befand ich mich so nahe bei den vier Roten, daß ich jedes ihrer Worte verstehen konnte.

Ja, jedes ihrer Worte – wenn sie nämlich gesprochen hätten; leider aber thaten sie das nicht. Sie rauchten und rauchten, ohne auch nur eine Silbe gegenseitig auszutauschen. Ich wartete fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde und noch eine Viertelstunde sie sprachen kein Wort! Das war nicht nur eine Geduldprobe, sondern weit mehr als das. Der starke, fatale Geruch des wilden Hanfes schien es nur auf mich abgesehen zu haben; er drang mir in die Nase und reizte mich zum Niesen. Glücklicherweise war ich geübt im Unterdrücken des Reizes zum Husten und Niesen, doch allzulange darf man sich dem auch nicht aussetzen. Schon wollte ich mich zurückziehen, da erschallte draußen vor den Büschen ein lauter Ruf:

»Uff!« sagte da der Häuptling. »Die Kundschaften«

Also Kundschafter kamen. Die mußten ihre Meldung machen, wobei es jedenfalls etwas zu erlauschen gab. Ich blieb also liegen und fühlte keine Spur mehr von dem vorigen Reize zum Niesen. Der Geist hat also auch die Nase in seiner Gewalt.

Jetzt hörte man den Hufschlag von Pferden und den dumpfen Stoß von Füßen, welche aus dem Sattel sprangen und die Erde berührten. Zwei Männer erschienen; der eine kam nahe heran, und der andere blieb weiter zurück stehen. Der erstere war der Sprecher, sagte aber noch nichts, weil er aus Ehrerbietung auf die Anrede des Häuptlings warten mußte. Dieser verharrte im Gefühle seiner Würde eine ganze Weile in tiefem Schweigen und unterbrach es endlich mit den Worten:

»Meine jungen Brüder kehren spät zurück; sie müssen weit nach Süden gekommen sein. Bis wohin sind sie gewesen?«

»Bis über das dunkle Thal hinaus.«

»Haben sie den Weideplatz der Nijoras gesehen?«

»Nein; so weit sind wir nicht gekommen.«

»Aber den Weg, welchen wir zu reiten haben, habt ihr euch eingeprägt?«

»Wir kennen ihn so gut, als ob wir ihn hundertmal geritten wären.«

»Ist er beschwerlich?«

»Nein. Nur auf die Platte des Cañons und dann wieder hinab zu kommen, wird für den Wagen schwer sein.«

»Habt ihr keinen von den Hunden der Nijoras gesehen?«

»Einen einzigen zwischen der Platte des Cañons und dem dunklen Thale.«

»Woher kam er?«

»Von Nord und ging nach Süd.«

»Er kam also von hier und ritt heimwärts?«

»Er ritt heimwärts; ob er aber von hier kam, das konnten wir nicht erfahren.«

»Hat er euch bemerkt?«

»Nein. Wir erblickten ihn eher, als er uns sehen konnte, und hatten Zeit, ihm auszuweichen.«

»Warum habt ihr ihn nicht gefangen genommen?«

»Wir glaubten, es sei besser, ihn vorüberreiten zu lassen.«

»Trug er Kriegsfarben?«

»Nein.«

»Also der Weg nach der Platte des Cañons und von dieser wieder hinab ist für den Wagen zu schwer?«

»Er ist so steil und eng, daß es große Mühe machen wird, ihn mit nach dem dunklen Thale zu nehmen.«

»Uff! Ich habe euch gehört; ihr könnt euch zu den andern lagern.«

Die beiden entfernten sich. Ich glaubte, die vier würden sich nun über das Gehörte besprechen, aber sie schwiegen wieder wie vorher. Es verging eine Viertelstunde, bis ich endlich erkannte, daß das Sprichwort:

»Gut Ding will Weile haben« ein sehr richtiges ist, denn da ließ der Häuptling die Frage hören:

»Was sagen meine drei Brüder zu den Worten dieser Kundschafter?«

»Uff!« antwortete der erste.

»Uff!« meinte nach einer Weile der zweite.

»Uff!« erwiderte der dritte. Und dieser war doch so redselig, hinzuzufügen: »Der Häuptling mag zuerst sagen, was seine Meinung ist.«

Der also Aufgeforderte wartete fünf oder sechs Minuten und sagte dann:

»Glauben meine Brüder, daß der Hund, dem unsere zwei Krieger begegnet sind, ein Kundschafter gewesen ist?«

»Nein,« antwortete der Aelteste von ihnen. »Er müßte hier gewesen sein, wenn er ein Kundschafter wäre. Wir haben aber, als wir ankamen, keine Spur gesehen. Also kam er aus einer andern Richtung und ist kein Kundschaften«

»Mein Bruder hat richtig gesprochen. Aber haben unsere Späher gut gehandelt, indem sie ihn vorüberließen?«

»Ja. Wenn er unbehelligt in sein Lager kommt, wird man nicht denken, daß Feinde so nahe sind.«

»Wenn er aber doch ein Späher gewesen wäre! Wir werden später sehen, ob es gut gewesen ist, daß sie ihn haben entkommen lassen.«

Der Häuptling befand sich ganz auf der richtigen Fährte, denn der Nijora, den die beiden Mogollons gesehen hatten, war derjenige, den ich heute früh vom tiefen Wasser fortgeschickt hatte. Doch wenn sie ihn auch ergriffen hätten, wäre das wohl nicht von Nachteil für uns gewesen, weil er jedenfalls nichts gestanden haben würde. Der Häuptling fuhr fort:

»Und was sagen meine Brüder zu dem Wagen?«

»Wir hätten ihn im Lager zurücklassen sollen,« antwortete wieder der Aelteste.

»Die Gefangenen können aber doch nicht reiten!«

»So hätten auch sie zurückbleiben müssen; sie waren uns dort sicher. Wir konnten einige erfahrene Krieger bei ihnen lassen!«

»Die hätten sie nicht verteidigen können.«

»Gegen Winnetou und Old Shatterhand?«

»Ja. Mein Bruder hat ja gehört, daß die beiden berühmten Männer mit ihren Gefährten auf dem Pueblo gewesen sind, um den Weißen zu fangen, welcher sich Melton nennt. Dieser ist ihnen entflohen, und sie werden ihm nachkommen.«

»Wenn sie seine Spur entdecken!«

»Diese zwei Krieger finden jede Fährte; sie werden auch die Spur Meltons finden und ihr folgen. Sie haben die Hunde der Nijoras gegen uns aufgehetzt; darum sandte ich ihnen Melton mit fünfzig Kriegern entgegen. Treffen diese auf sie, so werden sie gefangen genommen. Treffen unsere Krieger aber nicht auf sie, so wird Winnetou mit Old Shatterhand und den andern nach unserm Lager am weißen Felsen reiten, dort umkehren und uns nachkommen.«

»Dann haben wir eine große Gefahr in unserm Rücken!«

»Sie bilden keine Gefahr für uns, denn wenn sie uns einholen werden, haben wir die Nijoras längst besiegt und werden auch sie so in Empfang nehmen, daß sie uns nicht entkommen können. Es ist also gut, daß wir die Gefangenen mitgenommen haben, denn wenn wir sie an dem weißen Felsen zurückgelassen hätten, so wären selbst zwanzig oder dreißig Krieger nicht im stande, sie gegen die List Old Shatterhands und Winnetous festzuhalten.«

Der gute Häuptling der Mogollons hatte wirklich eine ganz vortreffliche Meinung von uns. Leider waren alle seine Voraussetzungen und Berechnungen falsch. Hätte er das geahnt und dazu gewußt, daß ich hier in seiner Nähe lag und seine Worte hörte, so wäre er wohl nicht so ruhig in seiner Rede fortgefahren, wie er es jetzt that:

»Den Wagen mußten wir nehmen, weil die Gefangenen nicht reiten können und zu Pferde unsern Zug verlangsamt hätten.«

»Aber wenn wir ihn nicht durch die Hohlwege bringen, so müssen sie doch noch reiten!« meinte der Aelteste.

»Es wird sich finden, ob die Hohlwege zu schmal sind. Wenn wir morgen früh mit dem ersten Grauen des Tages aufbrechen, so lassen wir die Gefangenen unter einer genügenden Bedeckung zurück; sie können uns in einigen Stunden nachfolgen. Wir erreichen also die Hohlwege eher als sie und können Stellen, welche zu eng sind, vielleicht weiter machen.«

»Haben wir Zeit genug, uns solange aufzuhalten?«

»Es bedarf jedenfalls nicht langer Zeit. Mit Hilfe der Tomahawks ist bald ein Stückchen Felsen losgeschlagen. Howgh!«

Dies Wort war das Zeichen, daß er die Angelegenheit als abgethan betrachtete, und da er nun nicht weiter sprach, so schwiegen die andern drei auch. Ich wußte, daß, wenn sie wieder ein Gespräch beginnen würden, dies erst nach einer langen Pause geschehen werde, und solange zu warten, konnte mir nicht einfallen. Ich kroch also unter den Büschen zurück und wendete mich nach links, wo, wie Winnetou gesagt hatte, der Wagen stand. Ich sah ihn am diesseitigen Ufer des Quellbächleins stehen, welches hier nur anderthalb Fuß breit war. Jenseits, doch ganz in der Nähe, saß ein Indianer im Grase, der sein Gewehr neben sich liegen hatte. Das war der Wächter.

Zunächst kroch ich noch weiter, denn ich mußte wissen, in welcher Entfernung sich die nächsten Mogollon befanden. Es waren vielleicht zwölf bis vierzehn Schritte bis zu ihnen. Als ich das erfahren hatte, kroch ich wieder zurück zum Wagen. Es war eine alte, hoch und breit gebaute Ueberlandpostkusche, ein wahres Ungetüm, wie es jetzt keins mehr giebt.

Wie bereits wiederholt erwähnt, hatte die Wolke die Sterne verfinstert, sodaß man nicht weit sehen konnte. Unter dem alten Karren aber war es noch finsterer als rund umher, und da ich im tiefen Schatten lag, konnte die Wache mich nicht erkennen, während ich sie ziemlich deutlich sitzen sah.

Zu meinem großen Erstaunen bemerkte ich, daß das nach meiner Seite gerichtete Fenster des Wagens offen war, eine große Unvorsichtigkeit der Mogollons, wenn die Gefangenen sich drin befanden. Vielleicht waren sie nicht drin, sondern anderswo, und Winnetou hatte sich geirrt. Vielleicht aber – hm, das wäre dumm! vielleicht saß ein zweiter Wächter drin bei ihnen, und dann war es allerdings zu erklären, daß ein Fenster offen stand.

Ich hatte mir vorgenommen, mit ihnen zu reden, und wollte nun, da ich einmal da war, nicht gern darauf verzichten. Wie das aber nun anfangen? Ich hielt nur zwei Fälle für annehmbar: entweder sie waren nicht drin, oder sie saßen drin, und dann befand sich jedenfalls ein Mogollon bei ihnen. Wie nun erfahren, welcher von den Fällen der richtige war, aber ohne mich dabei in Gefahr zu bringen? Ich erhob mich halb, doch beim Rade, sodaß zwei Räder zwischen mir und dem drüben sitzenden Wächter waren und er mich unmöglich sehen konnte, klopfte an die Thür und ließ mich dann sofort niederfallen. Ich hatte so geklopft, daß die Insassen es hören mußten, jener Wächter es aber nicht hören konnte. Saß ein Mogollon drin, so blickte er jetzt ganz gewiß zum offenen Fenster heraus. Ich sah empor. Mit gegen den Himmel gerichteten Augen konnte ich alles deutlich erkennen – es erschien kein Kopf. Ich klopfte noch einmal, doch mit demselben Erfolge. Mehr als Fortsetzung dieser Versuche, als weil ich mir einen Erfolg davon versprach, klopfte ich zum drittenmal, und da antwortete mir ein vorsichtig leises Klopfen am Boden des Wagens. Ah, sie waren also dennoch drin! Und zwar ohne Aufsicht! Aber wahrscheinlich gefesselt, sonst hätte man das Fenster nicht offen gelassen und ihnen einen Wächter hineingegeben. Ich richtete mich also ganz auf, hielt den Kopf an den offenen Schlag und fragte leise hinein:

»Mr. Murphy, seid Ihr da?«

»Yes,« antwortete es ebenso leise.

»Habt Ihr drin Platz auf dieser Seite?«

»Ja. Wollt Ihr etwa herein, Sir?«

»Ja.«

»Um Gottes willen, da gebt Ihr Euch ja augenblicklich gefangen!«

»Fällt mir nicht ein! Drin bin ich viel sicherer als hier außen. Schreit die Wagenthür, wenn sie geöffnet wird?«

»Nein. Die metallenen Angeln sind verloren gegangen und durch lederne Bänder ersetzt worden.«

»Gut, ich komme also hinein!«

Diese Fragen und Antworten waren, wie die Situation es mit sich brachte, in hastiger Weise gegeben worden. Ich ließ mich wieder in das Gras nieder und blickte zwischen den Vorder- und Hinterrädern zu dem Wächter hinüber. Er saß noch genau so dort wie vorher. Ich zog einen Stein heraus, zielte gut und warf ihn so, daß er mehrere Schritte jenseits des Wächters in das Gras fiel. Der letztere hörte das Geräusch; er stand schnell auf und horchte. Ich nahm einen zweiten Stein aus der Tasche und warf ihn weiter, als ich den ersten geworfen hatte. Der Mogollon ließ sich betrügen und entfernte sich in der Richtung des Schalles, den er gehört hatte; er sah und hörte also nicht nach uns herüber. Im Nu war ich wieder auf, öffnete die Thür, stieg ein und zog sie hinter mir wieder zu; sie gab dabei nicht das leiseste Geräusch von sich. Als ich nun mit den Händen tastete, fühlte ich links die beiden, welche nebeneinander saßen; der Sitz zu meiner rechten Hand war leer, und ich ließ mich darauf nieder. Zu meiner abermaligen Verwunderung sah ich, daß das jenseitige Fenster auch offen stand.

»Ihr seid es also doch, Sir!« flüsterte der Advokat mir hastig zu. »Welche Verwegenheit von Euch! Ihr wagt —«

»Still!« unterbrach ich ihn. »Jetzt kein Wort! Ich muß zunächst den Wächter beobachten.«

Als ich hinausblickte, sah ich diesen zurückkehren. Er war wohl mißtrauisch geworden, denn er trat drüben an den Wagenschlag und fragte in das Innere herein:

»Sind die beiden Bleichgesichter noch drin?«

Er hatte sich in einem ganz schlechten Englisch ausgedrückt.

»Yes!« antworteten beide zugleich.

Ich glaubte, dies werde genug für den Roten sein, hatte mich aber geirrt, denn er sagte, und zwar nun in seinem spanisch-indianischen Mischmasch:

»Es gab ein Geräusch. Sind die Fesseln noch fest? Ich werde sie untersuchen.«

Er setzte den Fuß auf den Wagentritt und langte mit den Armen durch das Fenster, um die drüben sitzende Sängerin zu betasten. Als er sich überzeugt hatte, daß ihre Fesseln in Ordnung waren, sprang er drüben ab und kam um den Wagen herum auf die andere Seite. Schnell rückte ich hinüber und drückte mich soviel wie möglich zusammen. Er erschien am andern Fenster, griff herein und untersuchte die Banden des Rechtsgelehrten. Als er auch diese im besten Zustande fand, verschwand er mit einem unverständlichen Murmeln. Ich rückte auf die Mitte meines Sitzes, und als ich von da aus hinauslauschte, sah ich, daß er sich auf seiner frühern Stelle wieder niedersetzte.

»Jetzt könnten wir sprechen,« sagte ich. »Nur hütet Euch, daß »s« und andere Zischlaute zu laut auszusprechen! Er hat sich beruhigt.«

»Mein Himmel, in welcher Gefahr habt Ihr Euch befunden!« meinte Murphy. »Er brauchte nur hinüber zu greifen, so hatte er Euch!«

»Oder ich ihn! Habt keine Sorge um mich! Es ist ganz so, wie ich sagte: ich bin hier viel sicherer als draußen. Ich werde hier in dem Wagen bleiben, so lange es mir gefällt, und ihn verlassen, wenn es mir beliebt.«

»Aber es handelt sich nicht nur um die Freiheit, sondern auch um das Leben!« hörte ich Martha mit zitternder Stimme sagen.

»Um keins von beiden; ich bin vollständig sicher! Welcher Art sind eure Fesseln?«

»Zunächst sind wir aneinander gebunden, durch ein Lasso, welches man um uns gewunden hat. Sodann hat man uns die Hände auf den Rücken befestigt. Und drittens tragen wir eine Schlinge um den Hals, deren Ende unten am Sitze befestigt ist. Wir können also gar nicht aufstehen, ohne uns zu erwürgen.«

»Das ist freilich eine sehr komplizierte Art, sich eurer Personen zu versichern. Da ist eigentlich gar kein Wächter nötig, und nun wundere ich mich nicht mehr darüber, daß man die Fenster geöffnet hat, um euch wenigstens Luft zu gönnen.«

»Die Fenster? Das ist hier eine höchst imaginäre Sache. Fenster giebt es ja nicht; der liebenswürdige Häuptling hat sie herausgemacht. Ihr werdet wissen, welchen ungeheuren Wert zwei Glasscheiben für einen solchen Kerl haben.«

»Allerdings. Also darum standen die Fenster offen! Schön! Nun handelt es sich vor allen Dingen darum, euch zu sagen, was ihr zu thun habt, falls ich hier bei euch entdeckt werden sollte.«

»Was?«

»Wartet noch! Erst muß ich eure Fesseln untersuchen; dann kann ich es euch sagen.«

Ich fand die Banden so, wie Murphy sie mir beschrieben hatte.

»So,« sagte ich dann, »Jetzt weiß ich, wohin ich mein Messer zu führen habe.«

»Euer Messer?«

»Ja. Hört wohl auf meine Worte! Bleibe ich jetzt unentdeckt, so wird eure Gefangenschaft bis morgen früh dauern; entdeckt man mich aber, so seid ihr sofort frei. Paßt auf! Wenn ich hier bemerkt werde, so ist es mein erstes, eure Fesseln zu zerschneiden. Dazu bedarf es nicht mehr als zehn Sekunden. Dann halte ich die Roten uns mit meinen zwei Revolvern vom Halse, während ihr die Thür hier zu meiner linken Hand öffnet, hinausspringt und in gerader Richtung durch die Büsche lauft. Dort werdet ihr Schüsse hören. Es ist Winnetou, den ihr bei seinem Namen ruft. Wenn ihr ihn erreicht habt, seid ihr sicher, denn alle diese drei- oder vierhundert Mogollons werden, wenn sie den Namen Winnetou rufen hören, es nicht wagen, euch in die Dunkelheit hinein zu verfolgen.«

»Gut, aber Ihr? Wollt Ihr etwa hier zurückbleiben?«

»Fällt mir nicht ein! Sobald ich bemerke, daß ihr fort und in Sicherheit seid, komme ich nach.«

»Wenn Ihr könnt! Man wird Euch umringen, Euch erstechen, erschießen!«

»Pshaw! Denkt doch nicht solche Sachen! Ihr kennt den Westen nicht; ich aber kenne ihn und weiß, wie es kommen wird. Vielleicht wird der Häuptling nach euch sehen, oder wenn der Wächter abgelöst wird, überzeugt sich der neue Posten, daß ihr noch da seid. Nur bei diesen beiden Gelegenheiten ist es möglich, daß man mich entdeckt. Wir haben es auf alle Fälle mit zwei, höchstens drei oder vier Personen zu thun, und diese schieße ich in nicht mehr und nicht weniger Augenblicken nieder. Das wird freilich Lärm, aber auch tüchtige Verwirrung geben, und niemand wird sich dahin wagen, wo geschossen wird, also hierher nach dem Wagen. Inzwischen seid ihr lange fort, und es bedarf höchstens noch einiger Schüsse, um auch mich in Sicherheit zu bringen. Wahrscheinlich aber kann ich gleich mit euch die Flucht ergreifen.«

»Tod und Wetter!« meinte der Advokat. »Es handelt sich hier um nicht weniger als um alles, und da redet Ihr in einer Weise, so kalt und so ruhig, als ob Ihr einem kleinen Kinde zu erklären hättet, daß zweimal acht nicht fünfzehn, sondern sechzehn giebt!«

»Wie anders soll ich sprechen? Es droht mir jetzt nicht die allerkleinste Gefahr. Also jetzt wißt ihr, was ihr zu thun habt für den Fall, daß irgend ein Neugieriger mich erwischt. Geschieht dies nicht, so werdet ihr morgen früh befreit werden.«

»Gebe der Himmel, daß Eure zuversichtlichen Worte sich bewahrheiten, daß wir frei werden! Dann aber sind wir noch lange nicht fertig. Es giebt noch mehr zu thun. Wir müssen Jonathan Melton haben.«

»Den habe ich.«

»Was – wie – Sir —!«

»Still, still!« warnte ich, ihn unterbrechend. »Nennt Ihr das »flüstern«? Wenn der Rote es hört!«

»Ist es wahr! Soll ich das glauben? Sir, ich möchte laut Hurra und Viktoria schreien!«

»Das laßt bleiben! Später könnt Ihr meinetwegen schreien, daß Euch der Atem ausgeht.«

»Wo habt Ihr ihn denn ergriffen?«

»Am tiefen Wasser, an welchem auch Euer Wagen gehalten hat. Die Millionen habe ich auch.«

»Wo, wo?« fragte er begierig.

»Hier in meiner Brusttasche.«

»Wie! Was? Ihr tragt die ungeheure Summe bei Euch!«

»Natürlich! Soll ich sie etwa an einen Baum hängen oder in die Erde vergraben?«

»Und wagt Euch damit hierher, mitten zwischen vierhundert Feinde und in diese Ueberlandpostkutsche hinein? Wenn man Euch erwischt, ist das Geld wieder verloren.«

»Man wird mich eben nicht erwischen! Ich bin der festen Ueberzeugung, daß hier meine Tasche ein besserer Aufbewahrungsort für dieses Geld ist, als es Euer Geldschrank in New Orleans war. Uebrigens mag Euch der Umstand, daß ich es bei mir trage, beweisen, wie sicher ich mich hier in der alten Kutsche fühle, und ich wünsche sehr, daß es, wenn ich es den rechtmäßigen Eigentümern übergeben habe, bei diesen keinen größeren Gefahren ausgesetzt ist als jetzt bei mir! Doch, wir sind von unserem eigentlichen Thema abgekommen. Wir wollen von Jonathan Melton reden.«

»Ja, wie er in Eure Hände gekommen ist. Ich wünsche, Ihr hättet sehen und hören können, wie er sich gegen mich benommen hat, als er zu den Mogollons kam und mich als deren Gefangenen vorfand!«

»Gab er sich noch immer für den wirklichen Small Hunter aus?«

»Das fiel ihm gar nicht ein. Ich hätte ihn mit meinen Händen erwürgen können!«

»Sein Geständnis wird uns später sehr nützlich sein.«

»Er teilte mir sogar mit teuflischer Schadenfreude mit, daß ich den Osten niemals wieder sehen würde und daß auch Mrs. Werner hier verschwinden müsse.«

»Dafür wird er ihn selbst wiedersehen, und zwar in Eurer und in unserer Gesellschaft. Er ist endlich unschädlich gemacht worden, obgleich er die Hoffnung hegt, sich wieder befreien zu können.«

»So! Hegt er die wirklich?«

»Er hat es mir in das Gesicht gesagt.«

»Der Schurke! Erzählt, erzählt, Sir! Ich muß wissen, wie er in Eure Hände geraten ist und wie er sich dabei benommen hat!«

Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß wir uns während der Unterredung mit der äußersten Vorsicht benahmen, und daß der draußen sitzende Wächter während derselben oft und scharf beobachtet wurde. Dem Advokaten, der sich wohl in seinen Gesetzesparagraphen aber nicht in der Wildnis heimisch fühlte, war es um sich selbst bange und um mich erst recht himmelangst zu Mute, und daß sich die Sängerin in nicht geringerer Angst befand, verstand sich von selbst. Ich aber hatte wirklich keine Sorge, weder um die beiden, noch um mich selbst. Der Innenraum der alten Kutsche war in Wirklichkeit für mich ein besserer Aufenthalt, als jeder andere Ort in der Nähe. So konnte ich denn mit beinahe vollständiger Unbefangenheit erzählen, was ich zu erzählen hatte, nur daß ich öfters einen Blick hinaus auf den Wächter warf, um zu sehen, daß er noch an seinem Platze saß. Aber so ganz ohne gefährliche Unterbrechung sollte mein Bericht denn doch nicht zu Ende gehen. Ich war damit noch nicht ganz fertig, als ich gezwungen war, zu schweigen. Ich hörte Schritte, und als ich hinausblickte, sah ich einen Roten kommen, der unsern Posten voraussichtlich abzulösen hatte. Der letztere stand auf; der erstere aber kam an den Wagen, stellte sich auf das Trittbrett und führte die Untersuchung der Fesseln ganz in der Weise, wie sein Vorgänger aus, erst auf der rechten dann auf der linken Seite der Kutsche. Es verstand sich ganz von selbst, daß ich mich beidemal in die entgegengesetzte Ecke meines Sitzes drückte, welchem Umstande ich es zu verdanken hatte, daß die Gefahr glücklich vorüberging.

Der vorige Wächter war fortgegangen, und der jetzige hatte sich fast genau an dieselbe Stelle gesetzt. Als die beiden Gefangenen nun kurz erfahren hatten, was ihnen über Jonathan Melton zu wissen nötig war, fuhr ich fort:

»Die Mogollons werden früh, sobald der Tag zu grauen beginnt, aufbrechen. Ihr sollt mit dem Wagen unter Bedeckung noch für einige Zeit zurückbleiben. Diese Bedeckung werden wir Ueberfallen, und dann seid ihr frei.»

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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Public Domain
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