Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 27
»Wie das klingt!« meinte der Advokat. »Die Bedeckung werden wir überfallen, und dann seid ihr frei! Als ob das nur so glatt abgehen müßte, wie beim Papierschneiden! Meint Ihr denn, daß die Bedeckung sich nicht wehren wird?«
»Vielleicht, oder sogar wahrscheinlich thut sie es.«
»Schrecklich! Und das sagt dieser Mann so ruhig! Sir, ich bitte Euch, bringt mich nur dieses Mal glücklich heim! Es soll mir nie im Leben wieder einfallen, nach dem wilden Westen zu gehen! Was meint Ihr wohl, wird die Bedeckung, die bei uns zurückzubleiben hat, stark sein?«
»Schwerlich. Der Häuptling wird sicher nur soviel Reiter bei euch lassen, wie unumgänglich nötig sind, ungefähr zehn.«
»Die können doch nichts gegen Euch und Eure hundert Nijoras machen!«
»Volle hundert haben wir nicht, da wir eine Anzahl zur Bewachung der heute gefangenen Mollogons verwenden müssen, dennoch werden wir aber eurer Bedeckung sechs- oder siebenmal überlegen sein. Dazu kommt der Schreck, den die Leute haben werden, wenn wir so unerwartet über sie herfallen. Ich denke, daß wir die Sache ganz ohne Blutvergießen abmachen werden. So, nun will ich gehen.«
»Nehmt Euch in acht, daß Euch nicht doch noch schließlich der Posten bemerkt!«
»Den schicke ich fort, wie den vorigen. Paßt auf!«
Ich zog zwei Steine aus der Tasche; da sagte Martha, und zwar in deutscher Sprache, während wir uns bis jetzt der englischen bedient hatten:
»Sie haben so viel, so außerordentlich viel für uns gethan und gewagt; fügen Sie jetzt noch die Erfüllung einer großen Bitte hinzu!«
»Gern, wenn ich kann.«
»Sie können. Schonen Sie sich! Warum müssen nur Sie immer voran sein! Ueberlassen Sie den Ueberfall morgen doch andern!«
»Ich danke Ihnen für die Freundlichkeit, welche für mich in Ihrer Bitte liegt. Daß ich mich schone, versteht sich ganz von selbst; doch will ich Ihnen gern versprechen, daß ich mich morgen ganz besonders in acht nehmen werde.«
Ich mußte ihre Bitte doch beantworten, und konnte dies nicht gut in einer andern Weise thun. Nun warf ich einen Stein hinaus. Wir paßten auf und sahen, daß der Posten aufmerksam wurde; beim zweiten Steine stand er auf, und als ich dann noch einen dritten, den letzten, weiter hinüberwarf, entfernte er sich in der Richtung des Geräusches, welches dadurch verursacht worden war.
»Gute Nacht! sagte ich. »Es wird alles gut ablaufen; habt also keine Sorge! Auf Wiedersehen morgen früh!«
Durch das Fenster greifend, öffnete ich die Thür, stieg hinaus und machte sie leise wieder zu, um mich dann gleich auf den Boden niederzuwerfen, denn ich sah, daß der Posten schon zurückkehrte. Auch ihn hatte der Fall der Steine mißtrauisch gemacht. Er setzte sich nicht nieder, sondern trat, ganz wie sein Vorgänger, zum Wagen, um das Innere zu untersuchen, glücklicherweise auf der mir entgegengesetzten Seite. Es war als wahrscheinlich anzunehmen, daß er dann auch diesseits kommen werde; darum rollte ich mich so schnell und so weit wie möglich fort und blieb dann liegen, um nicht etwa seine Aufmerksamkeit durch irgend eine Bewegung auf mich zu ziehen. Er kam aber nicht herüber, sondern blieb drüben und setzte sich wieder nieder. Nun kroch ich weiter. Da ich jetzt wußte, wo die Feinde sich befanden und daß ich keinen von ihnen vor mir hatte, konnte ich mich bald vom Boden erheben und den Weg zu Winnetou gehend zurücklegen.
Er stand noch genau da, wo ich ihn verlassen hatte. Ich fragte ihn: »Ist dir die Zeit lang geworden?«
»Nein,« antwortete er. »Mein Bruder ist zwar länger, als ich dachte, fortgeblieben, aber da kein Lärm zu hören war, wußte ich, daß er eine Gelegenheit zum Lauschen gefunden habe, und war also ohne Sorge um ihn.«
»Ja, ich habe gelauscht; doch komme fort zu unsern Pferden! Wir haben keine Veranlassung, hier stehen zu bleiben, und es ist für alle Fälle besser, wenn wir uns nicht so sehr in der Nähe des feindlichen Lagers befinden.«
Der Nijora saß bei den drei Pferden. Als er uns kommen sah, stand er ehrerbietig auf. Wir setzten uns und forderten ihn auf, dies auch zu thun. Er gehorchte, doch so, daß zwischen uns und ihm die bei den Roten gebräuchliche Respektentfernung lag.
Wir saßen eine Weile stumm. Ich wußte, daß Winnetou mich nicht fragen oder zum Sprechen aufforden werde, darum begann ich:
»Mein Bruder mag einmal raten, wo ich gesessen habe!«
Er warf mir einen prüfenden Blick zu, senkte das Auge nachdenklich zu Boden und antwortete dann:
»Waren die beiden Gefangenen noch in dem Wagen?«
»Ja.«
»So hast du bei ihnen gesessen. Weiß mein Bruder, was er da gethan hat?«
»Was?«
»Er hat den großen Geist versucht, welcher seine guten Menschen nur dann beschützt, wenn sie sich nicht ohne Ursache in Gefahr begeben. Wer sich ohne Grund in ein reißendes Wasser stürzt, kann, selbst wenn er ein guter Schwimmer ist, leicht darin umkommen. Ich muß meinen Bruder ob seiner Verwegenheit tadeln!«
»O, im Inneren des Wagens war ich weit sicherer, als anderswo!«
Ich erzählte ihm, was ich gesehen und gehört hatte. Am wichtigsten war für uns der Umstand, daß der Wagen nach dem Aufbruche der Mollogons zurückbleiben und erst später nachkommen sollte.
»Wir werden die Bedeckung überfallen und die beiden Gefangenen befreien,« sagte der Apatsche.
»Das ist auch meine Ansicht; es fragt sich aber, ob sie die richtige ist. Es gibt einen sehr triftigen Grund, den Wagen und seine Bedeckung unbelästigt fortzulassen, nämlich die Enge der beiden Hohlwege. Findet der Häuptling der Mogollons, daß sie so breit sind, daß der Wagen hindurch kann, so wird er unbesorgt weiterreiten und annehmen, daß derselbe ihm folgen werde. In diesem Falle können wir die Gefangenen befreien, ohne daß er es zu früh bemerkt.«
»Und wenn aber die Wege zu eng sind?«
»So wird er halten bleiben, um die schmalen Stellen mit Hilfe der Tomahawks erweitern zu lassen. Ist dann der Wagen zur bestimmten Zeit nicht da, so wird er Verdacht schöpfen und Boten zurücksenden. In diesem Falle ist es notwendig, von der Befreiung der beiden Gefangenen zunächst noch abzusehen.«
»Mein Bruder hat recht.«
Nach diesen Worten fiel er in ein längeres Nachdenken. Ich konnte leicht erraten, womit er sich beschäftigte, und hatte mich da nicht geirrt, denn als er zu einem Resultate gekommen war, sagte er:
»Wir können die Bedeckung des Wagens getrost überfallen, denn die Wege sind so breit, daß er hindurch kann.«
»Weißt du das genau?«
»Ja, ich habe den Wagen gesehen und kenne seine Breite. Da wir die Mogollons oben auf der Platte überfallen wollen, so handelt es sich nur um den einen Weg, welcher hinauf-, nicht aber auch um den andern, der jenseits wieder hinabführt; der erstere aber bietet kein Hindernis. Ich bin jetzt im Geiste dort gewesen, und habe mit den Augen meiner Seele jede Stelle ausgemessen. Der Wagen kann hindurch.«
»So werden sich die Mogollons also nicht unten aufhalten, sondern ohne Verzögerung hinauf zur Platte reiten.«
»So ist es. Wir können also die zurückgebliebene Bedeckung des Wagens getrost überfallen.«
»Wie meinst du, daß das am besten geschehen könnte?«
»Mein Bruder hat die Oertlichkeit gesehen und mag mir seine Meinung sagen!«
»Ich möchte dabei keinen Menschen töten oder verwunden. Um das zu erreichen, muß der Ueberfall eine Ueberrumpelung sein; er muß ganz plötzlich geschehen.«
»Hält mein Bruder dies für möglich? Jeder Mogollon, welcher hier zufällig außerhalb der Büsche steht, muß uns doch kommen sehen und wird Lärm machen.«
»So müssen wir nicht hier auf dem Wege, also von Norden her, sondern von Süden kommen, weil die Mogollons von dort her am allerwenigsten einen Feind erwarten können. Der Häuptling reitet mit über dreihundert Mann nach Süden. Wenn wir eine halbe Stunde später aus dieser Gegend kommen, können die Zurückgebliebenen uns unmöglich für Feinde halten. Ja, sie werden höchstwahrscheinlich denken, wir seien eine Schar der Ihrigen, welche aus irgend einem Grunde zurückkehren mußte, und erst dann, wenn sie unsere Gesichter erkennen, werden sie ihren Irrtum einsehen. Dann aber ist es schon zu spät für sie.«
»Mein Bruder hat das Richtige getroffen, wie immer; sein Plan wird ausgeführt. Was dann aber weiter?«
»Von der Quelle des Schattens bis auf die Platte des Cañons, auf welcher der Kampf stattfinden soll, sind drei Stunden zu reiten. Ich möchte die Gefangenen, welche wir heute gemacht haben und morgen früh noch machen werden, nicht mit nach der Platte nehmen. Sie hindern uns, und können uns sogar gefährlich werden.«
»Was soll denn mit ihnen geschehen?«
»Sie mögen unter hinreichender Aufsicht an der Schattenquelle zurückbleiben. Da sie sich nur drei Stunden von uns befinden, sind sie uns jedenfalls sicher genug. Lassen wir vierzig Nijoras bei ihnen, welche wir unter den Befehl Emerys stellen, so ist‘s gerade so gut, als ob sie sich unter unsern Augen befänden.«
»Auch darin stimme ich meinem Bruder bei, denn wenn wir sie mitnehmen, müssen wir kämpfen und sie zugleich beaufsichtigen, wobei ihnen irgend ein unerwarteter Umstand die Freiheit verschaffen kann. Sie mögen also zurückbleiben. Hat mein Bruder die Absicht, sich direkt am Kampfe zu beteiligen?«
»Das kommt auf die Umstände an. Ich töte nicht gern einen Menschen; aber die Nijoras sind unsere Freunde und Brüder geworden, und wir müssen ihnen also gegen die Mogollons beistehen, welche nicht nur ihre Feinde, sondern auch die unserigen sind. Wir haben die Aufgabe, den Mogollons zu folgen, sie durch den Hohlweg hinauf auf die Platte und den dort wartenden Nijoras in die Hände zu treiben. Das müssen wir auf jeden Fall thun. Was dann noch zu geschehen hat, werden die Umstände ergeben. Am liebsten wäre es mir freilich, wenn die Mogollons ihre Waffen streckten, ohne den Kampf zu beginnen.«
»Das werden sie nicht thun oder höchstens nur dann, wenn ihnen kein Zweifel bleibt, daß der Widerstand sie in den sichern Tod treiben würde.«
»So muß man ihnen das zu beweisen suchen! Der Plan, den wir dem Häuptlinge der Nijoras mitgeteilt haben, will ja diesen Erfolg erreichen.«
»Denkt mein Bruder, daß der Häuptling nach diesem Plane handeln wird?«
»Ich meine es; wenigstens wäre er ein großer Thor, wenn er es nicht thäte; und wie ein Thor ist er, den ich zwar nur erst einmal gesehen habe, mir nicht vorgekommen.«
»Dennoch wäre es nützlich, ja sogar notwendig, Gewißheit darüber zu erlangen, ob er unsern Vorschlägen Folge geleistet hat. Willst du ihm einen Boten senden, um ihn fragen zu lassen?«
»Nein, denn dazu ist die Zeit zu kurz. Ehe der Bote ihn erreicht und wieder zu uns zurückkehrt, ist es zu spät; auch würde er sicher den Mogollons begegnen und von ihnen weggefangen werden. Auch genügt es nicht, nur zu erfahren, ob der Häuptling nach unsern Weisungen handeln will, sondern es ist notwendig, zu wissen, daß er wirklich nach denselben handeln wird.«
»Du meinst also eine Beaufsichtigung. Dann müßte einer von uns beiden hin. Das ist‘s doch, was du sagen willst?«
»Das ist es. Und nur dann, wenn du bei ihm bist oder ich bei ihm bin, kann er bestimmt werden, von unnützem Blutvergießen abzusehen. Ich kenne die beiden Gefangenen, weiche hier zu befreien sind, und habe es mehr wie du mit der Erbschaftsangelegenheit, also mit der Bewachung Jonathan Meltons, zu thun, gehöre also mehr hierher. Du bist viel länger als ich ein Freund der Nijoras; also reite du zu ihrem Häuptlinge.«
»Du sagst es, und ich bin einverstanden; ich werde sofort aufbrechen.«
»Nimmst du den jungen Krieger mit, der sich bei uns befindet?«
»Ja.«
»So bitte ich dich, ja darauf zu sehen, daß auf der Platte der Wald dicht besetzt wird und hinter dem Felsenzuge sich genug Krieger aufstellen. Geschieht das, so giebt es für die Mogollons keinen Ausweg. Wenn sie sich nicht ergeben, so werden sie entweder wie zusammengetriebenes Wild niedergeschossen oder in den tiefen Cañon getrieben, dessen Grund sich mit ihren zerschmetterten Gliedern füllen würde.«
»Du kannst überzeugt sein, daß ich nichts unterlassen werde, was einen friedlichen Ausgang herbeizuführen vermag; gehen aber die Mogollons nicht darauf ein, so kann ich nicht verhindern, daß sie in den sichern Tod rennen. Bringe du sie nur den Hohlweg heraufgetrieben!«
Nachdem noch einige andere Bemerkungen ausgetauscht worden waren, setzte er sich zu Pferde; der Nijora stieg auch auf; dann ritten sie davon, natürlich zunächst einen Bogen schlagend, um das feindliche Lager zu umgehen. Die Entscheidung nahte.
Nun befand ich mich allein. Ich ritt noch ein Stück zurück, um beim Anbruche des Morgens nicht von den MogolIons gesehen zu werden, pflockte mein Pferd an und legte mich nieder. Zum Schlafen etwa? Ich hätte schlafen dürfen, denn ich befand mich an einer Stelle, an welcher kein Un- oder Ueberfall zu erwarten war; aber ich hatte am Tage genugsam ausgeruht, und mußte daran denken, daß wir jetzt, in der heutigen Nacht, an dem Schlusse unserer vielen und schweren Bemühungen standen. Die Hände unter dem Kopfe und die Augen gen Himmel gerichtet, an welchem die Sterne jetzt wieder erschienen, da das Gewölk im Westen verschwunden war, dachte ich an all die Ereignisse von jenem Tage an, an welchem ich Harry Melton, den Ermordeten, in Guaymas zum erstenmal gesehen hatte. Welche Ereignisse, welche Sorgen, Mühen, Enttäuschungen und Gefahren lagen zwischen jenem Tage und dem heutigen Abend! Die Lehre aus allem, allem, was ich in dieser Zeit erfahren und erlebt hatte, bestand in den wenigen und doch so schwerwiegenden Worten: Bewahre dir allezeit ein gutes Gewissen!
So sann und sann ich, bis meine Gedanken weniger scharf wurden; dann träumte ich halb, halb wachte ich, und endlich schlief ich doch ein. Da ich mich nicht in meine Decke gehüllt hatte, wurde ich von der empfindlich kühlen Luft geweckt. Der Stand der Sterne sagte mir, daß es ungefähr eine Stunde vor Morgen war.
Bald darauf hörte ich Pferdegetrappel von Norden her. Ich ging dem Schalle entgegen, und legte mich auf die Erde. Ein Zug von Reitern kam, eine Strecke voran zwei; der eine war ein Weißer, der andere ein Roter, welcher wohl den Führer machte. Ich stand auf und rief sie an, und zwar mit verstellter Stimme:
»Halloo, Mesch‘schurs! Wohin der Ritt?«
Die beiden parierten sofort ihre Pferde und griffen zu ihren Gewehren. Der Weiße antwortete:
»Wen geht es etwas an, wohin wir reiten? Komm näher, Bursche, und lasse dich sehen, wenn du keine Kugel kosten willst!«
»Versteht Ihr denn, einen Menschen zu treffen, Mister Emery?«
»Emery? Der Kerl kennt mich! Wer mag – – Alle Wetter, bin ich dumm!« unterbrach er sich. »Das ist doch jedenfalls kein anderer als der alte Charley, den sie Shatterhand nennen! Komm her, mein Kind, und sage uns, wo der Apatsche steckt!«
»Steigt ab; dann sollst du es erfahren. Wir müssen hier halten. Ist alles in Ordnung, Emery?«
»Alles.«
»Und Jonathan?«
»Kommt da hinten mit seiner lieben Judith geritten. Dunker hat sich sein erbarmt, und mag nun keinen Augenblick mehr von ihm lassen.«
Der Zug hielt an, und alle stiegen ab. Ich ging vor allen Dingen zu Melton. Eben war er vom Pferde genommen, und neben Judith auf die Erde gelegt worden. Dunker stand bei ihnen.
Dann sah ich nach den gefangenen Mogollons. Sie lagen auf der Erde, zwei und zwei mit den Rücken gegeneinander zusammengebunden. Die waren uns sicher; die konnten nicht entfliehen. Dann erzählte ich Emery, Dunker und dem Unterhäuptlinge, was ich mit dem Apatschen beobachtet und besprochen hatte, und fragte hierauf den letzteren:
»Kennt mein roter Bruder vielleicht eine nahe, an der Schattenquelle liegende Stelle, von welcher aus wir die abziehenden Mogollons beobachten können, ohne von ihnen bemerkt zu werden?«
»Es giebt eine solche,« antwortete er. »Sobald mein Bruder es wünscht, werde ich ihn zu derselben führen.«
»Gut! Wir müssen sehr bald aufbrechen, da der Morgen nahe ist. Fünfzig deiner Krieger mögen uns begleiten, um die zurückbleibenden Feinde zu überfallen. Die andern fünfzig bleiben zur Bewachung der Gefangenen hier.«
»Und ich?« fragte Dunker.
»Ihr müßt unbedingt bei Melton bleiben, den ich Euch anvertraut habe.«
»Well! Ich bin also sein Kerkermeister. Da mag er den Gedanken an eine Flucht nur immer fallen lassen!«
»Aber ich darf doch mit?« erkundigte sich Emery.
»Ich möchte dich bitten, auch hier zu bleiben.«
»Warum? Möchte gar zu gern dabei sein.«
»Um zu sehen, wie wir zehn oder zwölf Indianer fangen? Das ist nichts. Bedenke, daß wir außer Melton noch fünfzig Gefangene zu bewachen haben. Die muß ich unter ganz sicherer Obhut wissen. Es ist ein Vertrauensposten für dich, Emery.«
»Gut! Wenn du es mir von dieser Seite klar und fein machst, kann ich es nicht gut grob nehmen. Wann sollen wir nach der Quelle kommen?«
»Ich schicke euch einen Boten.«
Nach kurzer Zeit stiegen fünfzig Nijoras wieder auf. Ihr Unterhäuptling setzte sich mit mir an ihre Spitze, und führte uns nicht süd-, sondern westwärts, um die Quelle des Schattens nach dieser Richtung zu umgehen. Später lenkten wir nach Süden, und dann nach Osten ein; der Bogen war geschlagen, und wir hielten vor einer langgestreckten, nicht bedeutenden und schmalen Anhöhe, auf welcher Gebüsch zu stehen schien.
»Wir befinden uns an Ort und Stelle,« sagte der Unterhäuptling.
»Wie weit von der Quelle?« erkundigte ich mich.
»Fünf Minuten. Wer auf diese kleine Höhe steigt und sich da hinter das Gebüsch legt, kann die ganze Gegend der Quelle des Schattens überblicken und wird doch selbst nicht gesehen.«
»Das ist gut. Warten wir, bis es Tag geworden ist. Aber gebt gut auf die Pferde acht, damit nicht etwa eines davonläuft und uns verrät!«
Die Warnung war eigentlich unnütz, denn niemals wird ein Indianerpferd sich weit von seinesgleichen entfernen. Wir lagen am Fuße der Anhöhe, bis die Sterne nach und nach erblichen und ein leiser Dämmerschein im Osten zu bemerken war. Dann stieg ich mit dem Unterhäuptlinge hinauf. Wir legten uns hinter die Büsche und warteten, bis es hell genug war, die unter und vor uns liegende Gegend zu überblicken. Das dauerte nicht lange.
Das Gebüsch, welches uns Deckung gab, lief auf dem Rücken der Anhöhe hin, stieg jenseits derselben hinab, verbreiterte sich nach und nach, wurde da, wo die Quelle aus der Erde trat, wieder schmäler und hörte nachher ganz auf, um in die grasige Prairie überzugehen.
»Das ist ja herrlich!« sagte ich zu dem Indsman. »Wir können uns das Terrain ja gar nicht besser wünschen!«
»So ist mein weißer Bruder mit mir zufrieden?«
»Vollständig, vollständig! Die Stelle ist die allerbeste für unsere Absichten. Wir können die ganze Gegend überblicken und den Abzug der Mogollons beobachten. Dann brauchen wir gar keine Pferde, um die zurückgebliebenen Feinde durch die Schnelligkeit unseres Kommens zu überraschen; wir lassen sie vielmehr hier. Wir können ja ganz heimlich im Gebüsch hier hinuntersteigen, und uns bis an die Quelle schleichen. Besser konnten wir es wirklich nicht treffen.«
Der Indianer wollte es sich nicht merken lassen, doch sah ich es ihm sehr wohl an, daß er stolz auf das Lob war.
Wir sahen das Lager der Mogollons vor uns; sogar die Decke der Postkutsche war zu sehen; sie ragte aus den Büschen heraus. Die Roten waren vom Schlafe erwacht und bereiteten sich zum heutigen Ritte vor. Viele aßen; einige wuschen sich erst; andere hatten mit ihren Pferden zu thun. Nach einiger Zeit ertönte ein schriller Schrei, das Zeichen zum Aufbruche. Jeder eilte zu seinem Pferde, um es zu besteigen; dann bildete sich der Zug, immer ein Reiter hinter dem andern, sodaß wir sie leicht zählen konnten; es waren ihrer dreihundert und vier; ihre lange Linie bewegte sich nach Süden, wo, wie wir überzeugt waren, das Verderben ihrer wartete.
Die Zurückgebliebenen sahen den Davonziehenden nach; sie standen vor dem Gebüsch, ihrer zehn Mann. Daß es nicht mehr waren und vielleicht einer, oder einige noch hinter den Büschen steckten, ergab der Umstand, daß wir nur vierzehn Pferde weiden sahen, zehn Reitpferde und vier für den Wagen.
Als die Fortziehenden im Süden verschwunden waren, konnten wir an das Werk gehen. Zehn Mann zu überwinden, brauchten wir nicht mehr als eben so viele. Dennoch ordnete ich an, daß dreißig Mann mitgehen und die übrigen dann mit den Pferden nachkommen sollten; besser ist doch immer besser.
Durch die Büsche gedeckt, gingen wir auf der Anhöhe hin, stiegen jenseits hinab und folgten dann dem Gebüsch weiter, bis wir in der Nähe der Quelle ankamen. Ich kroch vor, um zu rekognoszieren. Die zehn armen Teufel saßen am Wasser, und machten Frühstück. Ich schämte mich fast, mit der dreifachen Uebermacht über sie herzufallen. Sie waren, als die Nijoras über sie kamen, so erschrocken, daß keiner von ihnen sich wehrte oder zu entfliehen suchte; in einem Nu hatte man sie gebunden. Ich aber war an die alte Postkutsche getreten, öffnete den einen Schlag derselben und rief hinein:
»Guten Morgen, Mrs. Werner und Mr. Murphy! Hier bin ich, um mein Wort zu halten.«
Martha stieß einen Jubelruf aus, und schloß dann die Augen. Sie war zwar nicht ohnmächtig geworden, aber die Freude übermannte sie. Ich zog das Messer, schnitt ihre Fesseln entzwei, hob sie heraus und setzte sie in das Gras, da sie zu schwach zum Stehen war. Da rief der Advokat ungeduldig:
»Nun auch mich, Sir! Wie lange soll ich warten!«
»Nur Geduld, Mr. Murphy! Man kann nicht mehreren auf einmal dienen. Auch Ihr sollt frei sein.«
Als ich ihn losgeschnitten hatte, kam er herausgestiegen, reckte und renkte seine Glieder und sagte:
»Gott sei Dank! Das Elend ist zu Ende. Das war eine fürchterliche Situation da drin in dem alten Karren!«
Für mich hatte er ein Wort des Dankes nicht, dafür aber eines von anderer Art. Er legte seine Linke auf meine Schulter und fragte:
»Sir, ist bei Euch noch alles in Ordnung?« Dabei klopfte er mir mit der Rechten auf die Brust. »Habt Ihr die Brieftasche noch?«
»Ja. Sonderbare Frage!«
»Weil ich wissen muß, wieviel es noch ist.«
»Warum müßt, hört Ihr, müßt denn gerade Ihr es wissen?«
»Weil ich – alle Wetter, das versteht sich doch ganz von selbst!«
»Nein, das versteht sich nicht so ganz von selbst.«
»Ich bin doch der Erbschaftsverwalter und habe zu bestimmen, was mit dem Gelde werden und wer es bekommen soll!«
»Bildet Euch das nicht ein! Erbschaftsverwalter waret Ihr, seid es aber nicht mehr. Und was aus dem Gelde werden und wer es bekommen soll, habt Ihr nicht mehr zu bestimmen, seit Ihr so pfiffig gewesen seid, die ganze Erbschaft einem Betrüger ohne alle genaue Prüfung nur so in die Tasche zu stecken.«
»So werde ich Euch eines andern belehren!«
Das sagte er in drohendem Tone; ich antwortete ruhig.
»Ich befürchte, daß Ihr da einen sehr unaufmerksamen Schüler an mir haben werdet.«
»O, Ihr werdet schon aufmerken müssen! Also gebt Ihr das Geld nicht heraus?«
»Nein.«
»Auch wenn ich es Euch befehle?«
»Befehlen? Laßt Euch doch nicht auslachen. Dieses Geld werde ich so lange behalten, bis der rechtmäßige Eigentümer gefunden ist.«
»Wollt Ihr etwa bestimmen, wer derselbe ist?«
»Das brauche ich nicht, denn er hat sich schon gefunden, und ich kenne ihn.«
»Ich kenne ihn auch. Er hat die Erbschaft auf amtlichem Wege aus meiner Hand zu erhalten. Also heraus damit! Wollt Ihr oder wollt Ihr nicht?«
»Nein! Uebrigens ersuche ich Euch, Euern jetzigen Ton abzulegen; ich bin ihn nicht gewohnt! Es würde Euch ein ganz anderer ziemen!«
»So? Meint Ihr? Welcher denn?«
»Der des Dankes. Ich bin Euer Retter, sogar Euer Lebensretter. Wäre ich nicht, so würdet Ihr den Osten niemals wiedersehen. Ich schnitt Euch hier los. Habe ich ein einziges Wort des Dankes dafür erhalten? Der Bettler sagt Dank für einen Bissen Brot. Ich habe Euch die Freiheit und das Leben zurückgegeben, und bekomme Grobheiten dafür! Wenn Ihr glaubt, mir damit zu imponieren, so irrt Ihr Euch sehr!«
»Und Ihr imponiert mir noch viel weniger. Warum Ihr das Geld nicht herausgeben wollt, das weiß ich gar zu wohl! Ihr wollt das Geld nicht herausgeben, um so im stillen für Euch – —«
»Halt! Nicht weiter, kein Wort weiter!« donnerte ich ihn an. »Es giebt Dinge, auf welche man nur mit der Faust antwortet!«
»Eure Faust? Phsaw! Vor der habe ich gar, gar keinen Respekt, obgleich Ihr Euch Old Shatterhand schimpfen laßt! Ihr wollt einen Teil des Geldes in Eure eigene Tasche verschwinden lassen, und – —«
Er sprach nicht weiter, denn er flog in einem weiten Boden durch die Luft, über den nächsten Strauch und jenseits desselben zur Erde nieder.
Martha war vor Angst emporgesprungen. Sie erfaßte meine beiden Hände, indem sie in flehendem Tone rief.
»Um Gottes willen, töten Sie ihn nicht! Er hat nicht eine Spur des Rechtes, so mit Ihnen zu reden; er hat Sie schwer beleidigt, ich fühle mich mit Ihnen gekränkt und werde nie wieder mit ihm reden, außer wenn ich muß; aber töten Sie ihn nicht!«
»Töten? Pah! Ich habe ihn nur auch ein wenig »wegwerfend« behandelt; das ist alles. Er wird sich wahrscheinlich hüten, mir jemals wieder so nahe zu kommen und so nahe zu treten wie jetzt, sonst werfe ich den Ehrentöter in die Luft, daß er an der Sichel des Mondes hängen bleibt!«
Da kamen die zwanzig Nijoras mit den Pferden. Ich gab einem von ihnen den Befehl, zurückzureiten und Emery und Dunker mit ihrer Truppe zu holen. Die Pferde thaten sich zunächst am Wasser gütlich, und verbreiteten sich sodann über die saftige Grasfläche. Murphy war aufgestanden, und hatte sich auf die Seite gedrückt. Er saß hinter einem Busche, und rieb sich verschiedene Teile seines Körpers. Martha hatte sich wieder erholt. Sie wollte von Dankesworten überfließen; ich bat sie aber, zu schweigen, und sie that mir den Gefallen, die Bitte zu erfüllen.
Dann kamen unsere zurückgebliebenen Krieger mit den Gefangenen geritten. Die zehn Mogollons stießen Ausrufe des Schreckens aus, als sie ihre fünfzig gefangenen Kameraden erblickten. Ich wollte eben einen Befehl geben, welcher die Ueberbringung der Leute betraf, als meine Aufmerksamkeit durch ein lautes Brüllen in Anspruch genommen wurde. Der Advokat stieß es aus. Er hatte Jonathan Melton gesehen, war aufgesprungen, warf sich auf diesen, den man schon vom Pferde genommen hatte, riß ihn zu Boden und bearbeitete mit beiden Fäusten und unter wütendem Geschrei das Gesicht des Betrügers, der sich gegen den Angriff nicht zu wehren vermochte.
Emery und Dunker warfen mir fragende Blicke zu. Sie wußten nicht, sollten sie Murphy wegreißen oder ihn gewähren lassen.
»Bindet schnell Melton los!« rief ich Dunker zu.
Da Jonathan soeben von dem Pferde gehoben worden war, hatte man ihm die Beine noch nicht wieder gefesselt, und nur seine Hände waren gebunden. Es genügte ein Augenblick, ihm dieselben frei zu geben, und kaum war dies geschehen, so gebrauchte er sie zur Abwehr gegen den Angreifer, der noch immer nicht von ihm lassen wollte. Es entstand ein Prügelei, welcher alle Indianer, Freie und Gefangene, mit unendlichem Behagen zuschauten. Bald war der eine oben, bald der andere; es dauerte lange, ehe es zur Entscheidung kam, wer der Sieger war, und als dieser Moment endlich eintrat, zeigte es sich, daß sie beide unterlegen waren, denn sie hatten einander so mitgespielt, daß sie beide nebeneinander vollständig ermattet liegen blieben.
Emery war zu mir getreten, hatte mich ganz verwundert angesehen und gefragt:
»Warum giebst du zu, daß Murphy solche Hiebe bekommt? Du hast Melton ja geradezu gegen ihn losgelassen!«
»Weil er sich nichts anmaßen soll. Wer giebt ihm das Recht, Melton zu maltraitieren? Vorhin verlangte er unter Drohungen das Geld von mir und sagte mir, anstatt sich für seine Befreiung zu bedanken, ich gäbe es nicht heraus, um mir einen Teil davon heimlich anzueignen.«
»Pfui! Du hast ihm doch dafür beide Fäuste in die Augen gegeben?«
»Nein. Ich habe die Züchtigung dem lieben Jonathan überlassen.«
»Well, auch kein übler Gedanke! Bist doch ein origineller Kerl, alter Scout! Nun liegen sie da und schnappen nach Atem. Ist beiden recht geschehen; kann weder dem einen noch dem andern etwas schaden. Aber den Melton sollen wir doch wieder fesseln?«
»Ja; doch Judith wird frei gegeben.«
»Die! Warum?«
»Damit sie Mrs. Werner bedienen kann.«
»Ganz richtig! Diesen Gedanken hätte ich nicht gehabt. Aber ob sie sich dazu hergeben wird?«
»Werde es ihr schon plausibel machen!«
Die Jüdin erstaunte nicht wenig darüber, daß man ihr die Fesseln abnahm; ich stand bei der Sängerin und rief sie zu mir her.
»Mamsell Silberberg, es liegt in Ihrer Hand, sich Ihre Lage zu erleichtern,« sagte ich.
»Wie – wie – wie nennen Sie mich?« fragte sie, indem sie mir frech in die Augen blickte. »Was haben Sie mit mir vor?«
»Sie werden dahin gebracht, wohin wir Melton bringen.«
»Ich gehe nicht mit! Ich habe andere und heiligere Pflichten.«
»Welche denn?«
»Ich muß zu meinem Vater, der mich braucht.«
»Wo ist denn der liebe Mann zu finden?«
»Das geht Sie nichts an!«
»Dann gehen mich auch die Rücksichten nichts an, welche Sie so plötzlich gegen ihn vorgeben. Sie haben ihn nie genannt, sich wahrscheinlich gar nicht um ihn gekümmert, und nun schützen Sie auf einmal diese »heiligen« Pflichten vor. Leider aber dürfen wir dieselben nicht beachten. Sie sind Meltons Mitschuldige; Sie können vollen Aufschluß über ihn und seine Verbrechen geben, und wir haben dafür zu sorgen, daß dies am richtigen Ort geschehen wird.«
»So wollen Sie mich weiter mit sich schleppen?«
»Nicht schleppen, sondern mitnehmen! Wir dürfen Sie doch nicht hier im wildesten Westen verkommen lassen und werden Sie in schönere und civilisiertere Gegenden bringen.«
»Ich will aber nicht!« rief sie aus, indem sie mit dem Fuße stampfte.
»Um Ihren Willen werden wir uns wohl nicht viel bekümmern. Also hören Sie: Mrs. Werner braucht eine Dienerin. Wollen Sie die Stelle annehmen, so wird Ihnen soviel wie möglich Erleichterung werden.«
»Dienerin, Dienstbote, Dienstmädchen?« lachte sie höhnisch auf. »Fällt mir nicht ein, mich so weit wegzuwerfen! Niemals!«
»Wie Sie wollen! Aber dann werden Sie wieder gefesselt!«
»Ist mir gleich; thun Sie es! Ich bin Lady; ich bin Dame; und gerade für diese Frau hier würde ich erst recht keinen Finger regen. Ich bin die Witwe eines Häuptlings, also eines Mannes, der ein Herrscher war!«
»Gut! Ich werde Ihnen also die ledernen Witwenschleier wieder um die Hände und Füße legen lassen«
Ein Wink von mir genügte; sie wurde wieder gebunden. Es war auch besser so, denn wenn sie die Erlaubnis gehabt hätte, sich frei zu bewegen, wäre es ihr doch vielleicht gelungen, heimlich mit Melton zu paktieren und ihm zur Flucht zu verhelfen.