Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 28
Seit dem Abzuge der Mogollons waren nun beinahe drei Viertelstunden vergangen. Emery machte mich auf diesen Umstand aufmerksam. »Wir müssen fort,« sagte er, »sonst kommen wir nicht zur rechten Zeit an den Hohlweg.«
»Du sagst »wir«?«
»Natürlich! Oder ist das falsch? Heißt das etwa, daß ich nicht mitgehen soll?«
»Ja.«
»Das bilde dir nicht ein; ich bleibe auf keinen Fall hier zurück!«
»Ich denke, du wirst nicht nur bleiben, sondern dich sogar freiwillig dazu erklären.«
»Den Kuckuck werde ich! Während andere kämpfen, will ich nicht als Faulpelz oder gar als Feigling hier auf der Bärenhaut liegen bleiben!«
»Es kann weder von Faulheit noch gar von Feigheit die Rede sein. Du weißt, daß Winnetou fort ist, um darauf zu sehen, daß unser Plan strikte ausgeführt wird. Er mußte fort, sonst hätten uns die Nijoras vielleicht alles verdorben. Wenn alles klappen soll, muß einer von uns unten am Hohlwege stehen; er hat mit wenigen Leuten die ganze Gewalt des Rückstoßes, welcher die Mogollons wieder den Hohlweg herabdrängen wird, auszuhalten. Wer soll das sein?«
»Du natürlich. Das ist eine heikle Aufgabe und ich habe nicht Lust, mir später wegen irgend eines Fehlers die Schuld am Mißlingen zuschieben zu lassen. Wer da unten postiert ist, muß mit dem Apatschen, der oben kommandiert, im innern Zusammenhange stehen; das ist bei dir der Fall, bei mir aber nicht.«
»Gut! Also Winnetou oben auf der Platte und ich unten am Hohlwege; das siehst du ein, und das ist abgemacht. Nun giebt es noch einen dritten Posten, welcher zwar anderer Art, aber ebenso wichtig ist wie die beiden vorhergehenden.«
»Der hier an der Quelle?«
»Ja. Es handelt sich um die Gefangenen, von denen Melton der wichtigste ist. Entkommt er, so weißt du, was das heißt. Dabei sind sechzig Mogollons zu bewachen, die Yumas der Jüdin gar nicht mitgerechnet. Ein kleiner, ganz unbedachter Umstand kann die Kerls zur Rebellion bringen und zur Freiheit führen,«
»Sie sind ja alle gefesselt!«
»Dies gibt uns eben nur dann Sicherheit, wenn ein zuverlässiger Mann hier gebietet; ist dies aber nicht der Fall, so kann das kleinste Versehen zum Verderben führen. Denke dir den Schreck, wenn ich mit fünfzig oder sechzig Mann hier fortritte, um über dreihundert Mogollons in den Hohlweg zu treiben, und es erschienen plötzlich hinter uns die sechzig oder siebzig Gefangenen, welche sich losgemacht hätten!«
»Alle Wetter! Das wäre allerdings eine fatale Geschichte. Ihr würdet zwischen den beiden Haufen erdrückt, und mit euerm ganzen schönen Plane wäre es zu Ende!«
»Das siehst du also ein? Wir brauchen hier einen tüchtigen Kerl. Soll ich den Posten etwa Dunker anvertrauen?«
»Dunker? Hm! Er ist ein guter Pfadfinder und auch sonst ein ganz passabler Mensch, aber ihm Wichtiges oder gar sehr Wichtiges anvertrauen, das möchte ich doch nicht.«
»Ganz meine Meinung. Dann bleibt von uns nur einer übrig.«
»Well! So muß ich es also übernehmen. Du hast mich richtig breitgeschlagen.«
»Habe ich dir nicht gesagt, daß du dich selbst anbieten würdest? Ich wußte es.«
»Hm, eigentlich wußte ich es auch; aber es wäre mir lieb gewesen, wenn ich da oben auf der Platte hätte mit zuschlagen dürfen.«
»Es fragt sich noch, ob es überhaupt zum Zuschlagen kommt. Also du wirst hier kommandieren. Wie viel Leute brauchst du, um die Gefangenen in Schach zu halten?«
»Zehn werden genügen, da alle gefesselt sind. Denkst du nicht?«
»Ich denke es. Siebzig eng gefesselte Menschen sind sogar mit noch weniger Kräften in Schach zu halten, nämlich wenn nichts passiert. Da man aber nicht eine Stunde weit in die Zukunft blicken kann, ist es besser, man sieht sich vor. Nimm dreißig! Mir bleiben da noch immer siebzig.«
»Dafür hast du aber auch die schwerste Partie eures Planes auszuführen, und zwar mit noch nicht ganz einmal dem vierten Teile der Leute, welche Winnetou oben auf der Platte hat.«
»Es genügt. Was mir an Leuten mangelt, muß ich durch die Taktik zu ersetzen suchen.«
»Taktik! Ganz militärwissenschaftlich!«
»Allerdings,« lachte ich. »Hundertundsiebzig Leute brauche ich; siebzig habe ich; folglich fehlen gerade hundert. An die Stelle der hundert muß hier die alte Ueberlandpostkutsche treten. Ist das nicht Taktik?«
»Sprichst du im Ernste? Willst du sie etwa als Kanone gebrauchen? Dann bin ich neugierig, womit du sie laden wirst!«
»Nicht als Kanone, sondern als Sturmbock.«
»Sturmbock? Das ist ja eine ganz und gar mittelalterliche Maschine!«
»Die ich aber in die Neuzeit übersetze, denn mein Sturmbock wird lebendig und nicht von totem Holz und Eisen sein.«
»Begreife ich nicht!«
»Und ist doch so ungeheuer einfach! Du siehst doch ein, daß wir den Wagen mitnehmen müssen?«
»Nein, das sehe ich vielmehr ganz und gar nicht ein. Wie wollt ihr euch frei bewegen können, wenn ihr den alten Kasten mit euch schleppt!«
»So höre! Wir dürfen den Mogollons, wenn sie in den Hohlweg eingedrungen sind, keine Zeit und auch keinen Raum lassen, umzukehren. Wir müssen uns also hart hinter ihnen befinden; das ist aber gefährlich, weil sie sich umdrehen und auf uns werfen können. Da dient uns denn die Kutsche als Maske. Wenn diese hinter den Mogollons erscheint, werden die letzteren uns für ihre eigenen Krieger halten.«
»Ah, richtig! Fein ausgedacht! Aber die Sache hat einen Haken. Bei der Kutsche waren zehn Krieger; du aber kommst mit siebzig, das muß doch verdächtig erscheinen.«
»O nein. Du hast die fünfzig vergessen, die bei Melton waren und hier gefangen liegen. Man wird denken, daß es diese sind.«
»Richtig, richtig! Die fünfzig haben die zehn mit der Kutsche hier getroffen und sich mit ihnen vereinigt. Da beträgt der Unterschied nur zehn, was wohl nicht auffallen wird. Und dann? Was geschieht dann?«
»Das wirst du sofort hören.«
Ich rief den Unterhäuptling zu mir und bat ihn:
»Rufe deine Leute zusammen und sage ihnen, daß ich sechs gute Reiter brauche, welche sich mit mir zu einem gefährlichen Unternehmen freiwillig vereinigen sollen!«
Er folgte der Aufforderung und da meldeten sich denn nicht mehr und nicht weniger als – alle. Nun erklärte ich ihm und den Seinen, sodaß sie alle es hörten:
»Wir müssen den Mogollons mit dem Wagen folgen, sodaß sie uns für die Ihrigen halten und wir gleich nach ihnen in den Hohlweg eindringen können. Wenn sie die Platte oben erreicht haben und da sehen, daß sie eure tapfern Brüder in einer unangreifbaren Stellung vor sich haben, werden sie umkehren wollen. Das müssen wir verhüten. Ich will ihnen durch den Wagen den Rückweg versperren. Um den steilen Hohlweg hinanzukommen, muß ich wenigstens acht Pferde anspannen. Keiner von euch kann fahren; ich werde mich also selbst auf den Bock setzen, um die hintersten zwei Pferde an der Deichsel zu lenken. Auf jedem der sechs vorderen Pferde soll einer von euch sitzen, um sie anzutreiben. Wenn wir hinter den Mogollons anlangen, werden sie die sechs zunächst für Brüder ihres Stammes halten. Später aber, wenn wir ihnen näher kommen, steht zu befürchten, daß sie uns erkennen und auf uns schießen. Also haben die sechs Reiter vor dem Wagen eine sehr gefährliche Aufgabe zu erfüllen. Darum wünsche ich, daß die Leute sich freiwillig melden möchten. Wer jetzt noch Lust hat, mag seinen rechten Arm erheben!«
Da flogen alle Arme empor.
»Du siehst, daß es keinen Feigling unter uns giebt,« sagte der Häuptling mit stolzem Lächeln. »Wenn Old Shatterhand sich vorn auf den Wagen setzt und sein Leben wagt, wird kein einziger dieser Krieger zurückbleiben.«
»Gut, machen wir es also noch anders! Die sechs Krieger, welche ich haben will, müssen ausgezeichnete Reiter sein, denn es gilt, den Wagen im Galopp den Hohlweg emporzureißen und unter den voranreitenden Mogollons eine möglichst große Verwirrung anzurichten. Ich kenne euch nicht; ihr selbst müßt euch kennen. Sucht mir die sechs besten und sichersten Reiter aus!«
Das nahm der Unterhäuptling in die Hand. Es war auch nicht leicht, da es galt, keinen zurückzusetzen und keinen zu beleidigen, doch brachte er in kurzer Zeit die sechs zusammen, ohne daß die andern murrten. Wie ich zu meiner Beruhigung hörte, waren die Stangenpferde noch da, welche den Wagen bis an den weißen Felsen gezogen hatten. Hätte ich zwei halbwilde Indianerpferde an die Deichsel nehmen müssen, so wäre diese mir ganz sicher abgebrochen worden. Es war auch schon ohnedies anzunehmen, daß die Fahrt eine gefährliche sein werde. Glücklicherweise befand sich das Riemenzeug in leidlichem Zustande. Die sechs Vorderpferde brauchten kein Geschirr; es reichte für jedes ein Lasso hin, welcher an die Deichsel und an den Bauchgurt befestigt wurde. Die Vorbereitungen wurden schnell getroffen, und bald stand der Wagen mit acht Pferden bereit zur Fahrt. Emery kam zu mir und sagte in ungewöhnlich ernstem Tone:
»Konnte sich kein anderer auf den Bock setzen? Mußt gerade du dich den feindlichen Kugeln bieten?«
»Wahrscheinlich wird nicht viel geschossen werden,« antwortete ich, »und es trifft, wie du weißt, nicht jede Kugel. Aber ich will nicht leichtsinnig sein. Ich könnte doch eine Kugel bekommen oder stürzen oder sonstwie verletzt oder gar von den Pferden fortgerissen werden. Da gilt es, unser Geld in Sicherheit zu bringen. Willst du die Brieftasche aufbewahren, bis ich wiederkomme?«
»Gern, wenn du es wünschest. Wann aber denkst du, daß du wiederkommst?«
»Ich denke, daß in vier Stunden alles entschieden sein wird. Kann ich dann aus irgend einem Grunde nicht zurückkehren, so werde ich dir wenigstens einen Boten senden.«
»Thue das, Charley! Ich werde die Ankunft desselben mit der größten Spannung erwarten.«
»Und laß dir Melton nochmals an das Herz gelegt sein. Mag geschehen, was nur immer geschehe, er darf nicht wieder loskommen. Jage ihm lieber eine Kugel in den Kopf, als daß du ihn entwischen läßt!«
»Hab‘ kein Sorge! Dunker läßt ihn keinen Augenblick aus der Beobachtung. Der schneidet sich eher die rechte Hand ab, als daß er ihn entfliehen läßt. Um eins bitte ich dich, wenn du es mir nicht übel nimmst!«
»Was?«
»Wage nicht zu viel, alter Charley! Du weißt, es giebt Leute in dieser Gegend, die lieber selbst dem leibhaftigen Tode entgegenblicken als dir in die erstarrten Augen sehen möchten. Versprich mir das, he, ja?«
Wahrhaftig, dem braven Englishman standen die Thränen im Auge, so sehr hing er an mir! Er stellte sich die Gefahr, welcher ich entgegenging, viel größer vor, als sie war. Ich reichte ihm gerührt die Hand und antwortete:
»Hab‘ Dank, guter Emery, für deine Sorge! Du darfst versichert sein, daß ich mich nicht blind ins Verderben stürze. Es giebt noch andere Leute, welche auch wünschen, daß ich noch lange lebe. Denke daran, daß ich Eltern daheim habe, die ich bald wiedersehen will! Freilich, dem Mutigen lacht der Erfolg, und wenn ich ihn durch ein kleines Wagnis leichter und schneller erringen kann als sonst, so stehe ich nicht gern hintenan. Hier ist die Brieftasche mit dem Gelde; komm mit hinter den Wagen, damit niemand sieht, daß du sie einsteckst!«
Als wir miteinander fertig waren, kam auch noch Martha und sagte:
»Es giebt so auffällige Vorbereitungen, und ich höre hier und da ein Wort, aus dem ich schließe, daß Sie beabsichtigen, sich in eine Gefahr zu stürzen. Bitte dringend, mir zu sagen, ob dies wirklich so ist!«
»Es ist nicht so,« antwortete ich. »Ich unternehme mit Ihrem Wagen eine Fahrt nach der Platte des Cañons; das ist alles.«
»Nach der Platte, auf welcher der Kampf stattfinden soll! Also wohl gar eine Fahrt in den Tod?«
Ihre Augen hatten sich erweitert und waren mit einem großen, ängstlich starren Blicke auf mich gerichtet.
»In den Tod?« lachte ich heiter auf. »Das lassen Sie sich von einer Befürchtung sagen, welche gar keinen Grund hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich die sehr ungefährliche Rolle eine Friedensvermittlers auf mich zu nehmen haben.«
»So gehen Sie mit Gott! Es bleibt hier jemand zurück, dessen beste Wünsche Sie begleiten.«
Noch war ich damit beschäftigt, zur Anfeuerung der Pferde aus Riemen und dem mehrfach zusammengelegten Lasso, welcher den elastischen Stiel bilden sollte, einen Kantschu zusammenzusetzen, da schickte Jonathan Melton zu mir, um mir zu sagen, daß er notwendig mit mir zu sprechen habe. Als ich zu ihm kam und ihn nach seinem Begehr fragte, antwortete er, mich finster anblickend:
»Ich sehe, daß Ihr fort wollt. Wohl in den Kampf?«
»Ja.«
»Habt Ihr das Geld einstecken?«
»Warum fragt ihr?«
»Weil Ihr es nicht der Vernichtung aussetzen dürft!«
»Wenn ich es bei mir habe, wird es nicht vernichtet.«
»Doch! Ich sage Euch, daß Ihr nicht zurückkehren werdet. Ihr geht dem sichern Tode entgegen. Aber wenn Ihr versprecht, mich frei zu lassen, werde ich Euch retten, indem ich Euch den Plan der Mogollons verrate.«
»So! Also Eure Freunde und Bundesgenossen wollt Ihr verraten! Das sieht Euch ähnlich, wird Euch aber nichts nützen, denn ich kenne den Plan schon lange.«
»Woher?«
»Weil ich, wie Ihr schon wißt, die Beratung der Mogollons am weißen Felsen und dann auch vorgestern abend Euer Gespräch mit der Jüdin am Bache des Schlangenberges belauscht habe. Die Mogollons wollen nach dem dunkeln Thale; wir aber haben uns darauf vorbereitet, sie schon vorher in der Weise zwischen uns zu nehmen, daß wohl keiner von ihnen entkommen wird. In einigen Stunden schon werde ich Euch die Siegesbotschaft senden.«
»So setzt Euch in den Wagen, fahrt zum Teufel und bleibt in der Hölle in alle Ewigkeit!«
Er drehte sich von mir ab, und ich ging. Dieser Wunsch aus dem Munde eines solchen Mannes konnte mir nur Glück bringen. Ihm die Freiheit für die Enthüllung einer Thatsache geben, die mir schon längst bekannt war, lächerlich!
Der Kantschu wurde fertig gemacht; dann konnte die Fahrt beginnen. Da mir zwei Gewehre dabei zu viel waren, ließ ich den Bärentöter bei Emery zurück. Den Stutzen hing ich um und bestieg dann den hohen Bock der Kutsche; Dunker gab mir die Zügel herauf; die sechs Vorreiter schwangen sich auf ihre Pferde, und der alte Postkasten setzte sich in Bewegung. Ich mußte unwillkürlich denken: »In welchem Zustande wird er mit uns oben auf der Platte des Cañons ankommen!«
Die Stangen- oder Deichselpferde waren das Ziehen am Wagen gewohnt, die andern aber nicht. Letztere sprangen bald vorwärts, bald herüber oder hinüber; sie machten die ersteren irre, und so wurde die Kutsche zunächst nicht fortgezogen, sondern fortgeschleudert. Erst als die sechs Roten ihre Zügel und Schenkel in der richtigen Weise gebrauchten, hörte das Schleudern auf, und die Bewegung des Wagens wurde weniger gefährlich. Da es aber hier nicht das gab, was man einen Weg zu nennen pflegt, und die Vorreiter nicht die Hindernisse, welche der Boden uns bot, zu vermeiden verstanden, war die Fahrt trotzdem keine bequeme, und wir kamen über Stellen, an denen ich meine ganze Aufmerksamkeit aufbieten mußte, um das Umwerfen zu vermeiden.
Die Nijoras, welche unter Emerys Aufsicht die Gefangenen an der Quelle des Schattens zu bewachen hatten, blieben natürlich zurück; die andern folgten uns, indem sie einer hinter dem andern hinter dem Wagen herritten.
Es war nicht nötig, den Weg nach der Platte des Cañons zu kennen; wir brauchten nur den Spuren zu folgen, welche die Mogollons hinterlassen hatten. Die Entfernung dorthin betrug drei Stunden. Ich mußte so fahren, daß wir die Mogollons kurz vor dem Hohlwege einholten. Eher uns sehen zu lassen, war nicht geraten, weil da die Gefahr nahe lag, daß sie uns als Feinde erkennen und, anstatt weiter zu reiten, sich gegen uns wenden würden. Wir hatten auch in dieser Beziehung den gefährlichsten Teil unserer kriegerischen Aufgabe auf uns genommen. Um nicht etwa vor der Zeit an einer dazu geeigneten stelle, welche uns der Aussicht beraubte, auf sie zu stoßen, schickte ich einen Reiter voran, welcher ihren Nachtrab beobachten und uns benachrichtigen sollte, falls wir demselben früher, als ich es beabsichtigte, nahe kamen.
Zunächst ritten und fuhren wir rasch, um den Vorsprung, welchen die Mogollons hatten, einzuholen; später war das nicht so gut möglich, weil, wie ich hörte, das Terrain immer schwieriger wurde. Nach fast zwei Stunden trafen wir auf den Kundschafter, welcher uns benachrichtigte, daß die Mogollons ungefähr zehn Minuten weit vor uns seien. Wir durften nun nur noch gleichen Schritt mit ihnen halten. Wäre die Gegend eben gewesen, so hätten sie uns sehen müssen; so aber gab es jetzt Berge, Thäler und Wegeswindungen, in und hinter denen wir verborgen bleiben konnten.
Nach abermals einer Viertelstunde brachte uns der Kundschafter einen Nijoraindianer, auf den er gestoßen war. Der erstere meldete mir:
»Dieser Krieger hat hinter einem Felsen gesteckt, um nicht von den Feinden gesehen zu werden. Er will dir eine Botschaft von Winnetou bringen.«
»Was läßt er mir sagen?«
»Daß alles so geschehen ist, wie du angeordnet hast.«
»So stecken eure Krieger hinter der Felsenhöhe verborgen?«
»Ja und auch im Walde, bis fast heran an die Stelle, wo der Hohlweg auf die Platte des Cañons mündet.«
»Wo habt ihr eure Pferde?«
»Hinter der Höhe, wo sie so verborgen sind, daß sie von den Mogollons nicht gesehen werden können.«
»Das ist gut. Wo aber hast du denn das deinige?«
»Ich habe es zurückgelassen. Winnetou gebot es mir, weil ich da keine sichtbaren Spuren mache und mich auch leichter verbergen kann.«
»Du dachtest also, daß wir gleich hinter den Mogollons kommen würden?«
»Der Häuptling der Apatschen sagte es. Ich bin im Hohlweg herab und dann euch vorsichtig entgegengegangen. Als ich die Mogollons erblickte, versteckte ich mich, und als sie vorüber waren, ging ich weiter, bis ich auf deinen Kundschafter traf, den ich als einen Freund erkannte.«
»Wie reitet der Häuptling der Mogollons?«
»An der Spitze seiner Leute.«
»Und wie lange haben wir noch zu reiten, bis wir an den Anfang des Hohlweges kommen?«
»Die Hälfte der Zeit, welche die Bleichgesichter eine Stunde nennen.«
»Es ist gut. Schließ dich unsern Kriegern an. Du wirst auch zu Fuße leicht mit ihnen fortkommen, weil sie jetzt langsam reiten müssen.«
Unser Zug setzte sich wieder in Bewegung. Die Bodengestaltung war uns jetzt so günstig, daß wir den Mogollons noch näher rücken konnten. Der Kundschafter war wieder vorausgeritten. Als wir das nächste Mal auf ihn trafen, meldete er, daß der Feind nur noch fünf Minuten von uns entfernt sei. Es ging immer in Windungen zwischen Bergen dahin, und wir hatten endlich die Mogollons in der nächsten Krümmung vor uns. Wir gelangten in diese. Als wir ihr Ende erreichten, traten die Bergwände auseinander, indem sie sich auf einen freien Platz öffneten.
Dieser war nicht groß. Rechts und links gab es hohe Felsen, und jenseits lag eine sehr steile, mit dichtem Walde bewachsene Höhe. Am Fuße, ganz rechts unten, wo der Wald aufhörte, sah ich die Mündung des Hohlwegs, in welchen die Mogollons soeben eindrangen. Wir warteten, bis die letzten von ihnen verschwunden waren, und jagten dann über den freien Platz hinweg, um dann unten am Wege für einige Augenblicke halten zu bleiben.
Jetzt befand sich der Feind in der Falle. Droben auf der Platte erwarteten ihn unsere Genossen, und unten befanden wir uns. Wir waren stark genug, ihm die Rückkehr unmöglich zu machen.
Bisher war das Gelingen noch zweifelhaft gewesen. Hätten die Mogollons uns hinter sich bemerkt und sich gegen uns gewendet, so wären wir nicht stark genug gewesen, sie zurückzuwerfen. Und selbst wenn uns dies gelungen wäre, hätte der größte Teil von ihnen nach den Seiten hin entkommen können, allerdings nur unter Zurücklassung ihrer Pferde, da die Flucht nur durch das Ueberklettern der Bergwände zu bewerkstelligen möglich gewesen wäre. Nun aber steckten sie im Hohlwege, dessen hohe und steile Seiten nicht zu erklettern waren; sie mußten also vorwärts, weil sie weder zurück noch seitwärts konnten.
Das Plateau, auf welchem sie eingeschlossen werden sollten, hatte folgende Gestalt:
[Bild eines Dreiecks]
Es bildete ein Dreieck, dessen Fläche aus Felsen bestand. Die hintere Seite a ist die langgestreckte, felsige Höhe, hinter welcher ein Teil unserer Krieger versteckt lag. Die vordere Seite b deutet den Wald an, in welchem sich der andere Teil der Nijoras verborgen hatte; er fiel von der Platte sehr steil nach unten. Das c bezeichnete den tiefen Cañon, auf dessen Grund niemand, ohne zerschmettert zu werden, gelangen konnte. Bei e ist die Oeffnung des Hohlweges auf die Platte, und bei d führt der Weg jenseits wieder hinab.
Das hochgelegene Dreieck, welches für die Mogollons verhängnisvoll werden sollte, war von dreihundert Nijoras besetzt. Hunderfünfzig steckten hinter der Höhe a; sie wurden von ihrem Häuptlinge kommandiert. Die andern hundertfünfzig lauerten im Walde, und Winnetou war es, der hier befehligte. Der Plan war nun, die Mogollons bei e heraufkommen und längs des Cañons c ruhig bis beinahe nach dem Auswege d weiterreiten zu lassen. Ehe sie diesen erreichten, mußte ich mit meinen Nijoras bei e erschienen sein. Dann waren die Mogollons so fest eingeschlossen, daß sie sich, wenn sie vernünftig handeln wollten, ergeben mußten. Sie befanden sich frei und schutzlos auf der oberen Platte, während die Nijoras durch den Wald und die Felsenhöhe gedeckt waren. Um sie da zu vertreiben, hätten beide gestürmt werden müssen, wobei der Untergang der Mogollons unausbleiblich gewesen wäre. Und hierbei muß berücksichtigt werden, daß es Indianern niemals einfällt, einen solchen Sturmangriff zu unternehmen.
Der Häuptling der Mogollons langte als der Voranreitende zuerst auf der Platte an. Er blieb einige Augenblicke halten, um sich umzusehen. Als er nichts Verdächtiges bemerkte, ritt er weiter, und seine Leute folgten ihm. Dieser Mann war von einer so unvorsichtigen Sicherheit, daß er nicht einen einzigen seiner Leute vorausgesandt hatte, um die Gegend nach Feinden abzusuchen. Als der letzte der Mogollons auf der Platte erschien, war die Spitze ihres Zuges auf dem Halbierungspunkte der Länge des Cañons angelangt. Man mußte sie nun noch zwei Minuten reiten lassen und sich ihnen dann zeigen. Leider aber war der Häuptling der Nijoras zu ungeduldig, diesen Zeitpunkt abzuwarten. Er lag auf der Höhe a hinter einem großen Steine, legte sein Gewehr auf den Anführer der Mogollons an und schoß, doch ohne zu treffen. Sofort erhoben sich seine Leute hinter ihren Verstecken, ließen ihr Kriegsgeheul erschallen und schossen ihre Gewehre auch ab, freilich mit demselben Mißerfolge, weil die Entfernung jetzt noch zu groß war. Winnetou sagte sich, daß die mit ihm im Walde versteckten Nijoras dem schlechten Beispiele folgen würden, und rief mit seiner weithin schallenden Stimme:
»Noch nicht schießen! Bleibt im Walde stecken!«
Es lag ihm dabei nicht nur daran, einen übereilten Angriff zu verhindern, sondern noch vielmehr wünschte er, unnützes Blutvergießen zu verhüten. Das war ja die Hauptforderung, welche wir gestellt hatten und auf die der Häuptling der Nijoras eingegangen war. Leider aber hatte Winnetou seinen Befehl in den Wind gerufen. Seine hunderfünfzig Nijoras erschienen unter den vordersten Bäumen und schossen unter Ausstoßung ihres Kampfgeheules auch auf die Mogollons. Viele der letzteren wurden getroffen.
»Starker Wind« der Häuptling derselben, hatte sein Pferd erschrocken angehalten. Er sah die Höhe vor sich mit Feinden besetzt; zu seiner Linken wimmelte der Wald ebenso von ihnen; rechts gähnte der tiefe Cañon; ritt man vorwärts, so kam man der Felsenhöhe näher, von welcher aus die Kugeln jetzt noch nicht hatten treffen können; übrigens war es viel weiter dorthin, als nach dem Hohlwege zurück, wo sich noch jetzt das Ende seines Zuges befand. Darum warf er sein Pferd herum, richtete sich hoch im Sattel auf, winkte mit dem erhobenen Arme zurück und schrie seinen Leuten zu:
»Umkehren, umkehren! Wir sind eingeschlossen. Schnell wieder den Hohlweg hinab!«
Winnetou oder ich an seiner Stelle hätte freilich anders gehandelt; ihm aber hatte der Schreck über den so ganz unerwarteten Angriff auf dem gefährlichen Terrain die Ueberlegung geraubt. Er sprengte zurück, und seine Leute folgten seinem Beispiele. Dabei wurden die einen von den andern aufgerollt, und es bildete sich ein wirrer Knäuel von Reitern, deren jeder danach trachtete, so rasch wie möglich den Hohlweg zu erreichen. Und in diesen Knäuel wurde Kugel um Kugel von den Nijoras aus dem Walde gesandt. Das war das reine Morden. Darum sprang der Apatsche aus dem Walde in das Freie heraus, schwang sein Gewehr abwehrend in der Luft und rief:
»Nicht schießen, nicht schießen! Winnetou befiehlt es euch!«
Glücklicherweise hatte sein Anblick eine größere Wirkung auf seine Untergebenen als vorhin seine Worte; das Schießen hörte auf. Aber die Folgen des vorzeitigen Angriffes schienen nicht verhindert werden zu können, denn die Mogollons hatten den Hohlweg wieder erreicht und drangen hinein.
Was nun thun? War ich denn noch nicht da? Als Winnetou sich dieses fragte, sah er, daß die Flucht der Feinde stockte; sie konnten nicht weiter, nicht zurück, und das hatte seinen guten Grund.
Als ich mit meinen Nijoras unten am Waldessaume angekommen war, hatte ich nur für einige Minuten halten lassen. Ich horchte nach oben. Nichts ließ sich hören. Da lenkten die sechs Vorreiter auf meinen Zuruf in den Hohlweg ein, und hinter dem Wagen folgten die Krieger. Die Entscheidung war da. Wie würden wir oben ankommen?
Die beiden Seiten des Hohlweges bestanden aus Glimmerschiefergestein; sie traten so nahe zusammen, daß allerdings stellenweise nur zwei Reiter nebeneinander Platz fanden. Das waren aber auch die engsten Stellen; der Wagen hatte also den nötigen Raum. Dafür aber machte uns das Geröll zu schaffen, mit welchem der Boden bedeckt war. Es gab oft auch größere Steine, an denen die Räder zerbrechen konnten. Da galt es, auszuweichen. Wir fuhren in raschem Schritte bergauf und hatten, wie ich nachher merkte, die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ich oben Schüsse fallen hörte.
»Habt ihr es gehört? Man schießt!« rief ich den Vorreitern zu. »Man hat den Kampf begonnen, ohne auf uns zu warten. Treibt die Pferde an! Jetzt muß es im Galoppe gehen!«
Sie trieben ihre Tiere mit den Sporen an, und ich schlug mit dem Kantschu auf die Deichselpferde; sie griffen aus, und rissen den Wagen im raschen Laufe vorwärts. Da gab es freilich kein vorsichtiges Lenken und kein Ausweichen mehr. Die alte Kutsche neigte sich bald nach rechts, bald nach links; sie machte Sätze wie ein Tier, welches über Steine springt. Ich hielt mich mit der linken Hand auf meinem hohen Sitze fest und mußte mir alle Mühe geben, nicht herabgeschleudert zu werden, zumal ich mit derselben Hand auch die Zügel zu halten hatte; mit der Rechten schwang ich den Kantschu.
Da ertönte vor uns ein mehrstimmiger Schrei. Ich blickte auf, und sah zusammengedrängte Reiter vor uns im Hohlwege halten. Das waren die zurückfliehenden Mogollons.
»Weiter, weiter!« schrie ich den Vorreitern zu. »Ja nicht halten! Reitet und fahrt sie über den Haufen!«
Die braven, verwegenen Kerls gehorchten. Laut aufbrüllend trieben sie ihre Pferde weiter. Die letzteren hatten noch nie einen Wagen gezogen; auf besserem Wege vorhin hatten sie doch gehorcht; jetzt aber hörten sie hinter sich das Rattern und Krachen der alten Kutsche, dazu die Hiebe, die sie bekamen, die Sporen, das Geheul – sie wurden scheu und stürmten vorwärts, unaufhaltsam, ohne auf das Hindernis, welches ihnen entgegenstand, zu achten. Der Zusammenprall erfolgte. Wird er gelingen? Wer wird zurückgedrängt werden, wir, die wir von unten kommen, oder die Mogollons, welche von oben kommen, also größere Stoßkraft besitzen?
Ein Augenblick des Stockens trat ein; die vordern Pferde der beiden Parteien waren zusammengestoßen; unser Wagen stand.
»Vorwärts, vorwärts!« schrie ich. »Haut mit den Flintenkolben auf ihre Pferde ein!«
Die Mogollons brauchten nur unsere Vorderpferde niederzuschießen; daran dachten sie aber nicht. Hinter sich den Feind, und vor sich jetzt den eigenen Wagen mit fremden Reitern und einen weißen Kutscher, der sich wie toll gebärdete; sie verloren einige kostbare Sekunden. Meine sechs Nijoras folgten meinem Rufe; sie rissen ihre Gewehre von den Schultern und schlugen mit ihnen nach vorn, auf alles, was sie erreichen konnten; ihre eigenen Pferde drängten schäumend vorwärts; ich hieb mit aller Kraft auf die Deichselpferde ein; der Wagen bewegte sich wieder; die Mogollons drehten sich um, und drängten heulend zurück. Wir folgten, keine Spanne Raum zwischen ihnen und uns lassend – wir hatten gewonnen; der lebendige Sturmbock that seine Schuldigkeit. Hinter dem Wagen folgten meine Nijoras; sie schrieen und brüllten aus Leibeskräften; es war wirklich kein Wunder, wenn die Feinde schon allein durch diesen Spektakel zurückgetrieben wurden.
Jetzt erreichte der Wagen die Stelle, an welcher der Hohlweg auf die Platte mündete. Mit einem Blicke übersah ich die ganze Situation. Links die Abteilung des Apatschen unter den Bäumen, er selbst außerhalb des Waldes, mit der Silberbüchse in der Hand nach uns herüberblickend – jenseits der Platte die andere Abteilung der Nijoras auf dem Felsen – nahe bei und vor mir die Feinde, dicht zusammengedrängt, alle mit dem Blicke des Schreckens nach dem Wagen starrend. Das mußte ausgenutzt werden.
»Nicht weiter! Setzt euch hier fest, und laßt keinen durch!« rief ich zurück, und im nächsten Augenblicke hörten die sechs Vorreiter meinen Befehl:
»Immer weiter, weiter! Geradeaus, mitten unter sie hinein!«
Und vorwärts ging es! Wir drangen in den wirren Haufen der Mogollons ein; wir zerteilten ihn; wir brachen uns Bahn. Ich hatte freilich auf die Bestürzung dieser Indianer gerechnet, aber daß sie ihre Waffen nicht gegen uns erheben würden, das hatte ich nicht für möglich gehalten. Sie wichen heulend und schreiend rechts und links zurück und ließen den Wagen vorüber, ohne zu versuchen, ihn auf irgend eine Weise anzuhalten. Dies geschah ganz nahe am Cañon. Wie leicht konnten unsere scheugewordenen Pferde uns nach dem Rande, und dann hinabreißen! Aber die sechs Nijoras waren so gute Reiter, daß sie selbst jetzt noch ihre Tiere in der Gewalt hatten.
So drangen wir durch den Haufen der Feinde, welcher sich hinter uns immer wieder schloß, hindurch, indem ich mich um keinen von ihnen kümmerte, sondern nur immer auf meine beiden Pferde einhieb. Es war – – ah, da hielt, als fast der hinterste von ihnen, einer auf seinem Pferde und starrte mir mit weitgeöffneten Augen entgegen. Auch er war von der Ueberraschung wie gelähmt. Ich kannte ihn, denn ich hatte ihn gesehen, als ich am weißem Felsen, im Wasser steckend, die Versammlung der Mogollons belauschte; es war der starke Wind, ihr Häuptling.