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Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 29

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»Links über die Ebene; haltet drüben an den Felsen!« rief ich meinen sechs Vorreitern zu.

Mit der Rechten die Zügel schnell über den dazu angebrachten Eisenhaken werfend, griff ich mit der Linken nach meinem Stutzen und sprang, gerade als der Wagen nach links gerissen wurde, von dem hohen Bocke herab. Ich kam nicht nur mit den Füßen, sondern auch mit den Händen auf der Erde an, richtete mich aber schnell auf, stand mit einem schnellen Sprunge bei dem Häuptlinge, griff in die Zügel seines Pferdes und riß es vorn empor. Es knickte hinten zusammen – ein rascher Schwung, und als es vorn wieder niederkam, saß ich hinter dem Häuptlinge auf der Kruppe seines Pferdes, welches mit uns beiden davonschoß, hinter dem Wagen her, über die Platte nach links hinüber.

Einen solchen Ueberfall hatte er nicht erwarten können; aber er besaß Geistesgegenwart genug, nach seinem Messer zu greifen; das Gewehr war ihm entfallen. Er wollte von vorn nach hinten auf mich stechen, kam aber nicht dazu, denn ich warf, um die Hände frei zu bekommen, mein Gewehr über und legte ihm alle zehn Finger so nachdrücklich um den Hals, daß er die Hand mit dem Messer sinken ließ und dann mit den beiden Armen machtlos in der Luft herumfuhr. Der Atem ging ihm aus.

Von dem Augenblicke an, in welchem ich mit dem Wagen die Platte erreicht hatte, bis jetzt war gewiß nicht mehr als kaum eine Minute vergangen. Man glaubt nicht, was in solcher Lage alles in einer Minute geschehen kann. Hinter mir heulten die Mogollons vor Wut über die Entführung ihres Häuptlings; am Walde und von der Felsenhöhe herab brüllten die Nijoras vor Entzücken, und ich, o ich selbst war gar nicht etwa sehr entzückt. Ich hatte den Häuptling am Halse festzuhalten; mein Gewehr hing locker und schlug mir um die Ohren; das Pferd war ganz konfus geworden, was ich ihm übrigens gar nicht verdenken konnte; es rannte bald nach rechts, bald nach links; es bockte; es wollte uns herunter haben, und ich hatte doch keine Macht darüber, denn der Häuptling hatte die Zügel fallen lassen; sie schleiften nach, und ich saß soweit hinten, daß ich nicht mit den Füßen in die Bügel konnte; es war das reine Kunst-Jokey-Reiten, nur schwerer und gefährlicher, als man es im Zirkus zu sehen bekommt. Es ging nicht anders, ich mußte den Häuptling abwerfen; hoffentlich brach er nicht den Hals. Er hatte die Bügel ebenso wie die Zügel verloren; ich zog ihn auf die Seite und gab mir Mühe, das eine seiner Beine auf die andere Seite zu bringen, denn ich wollte ihn herabgleiten lassen, wobei er nicht so leicht verunglücken konnte, als wenn er herabgeschleudert wurde. Aber diese menschenfreundliche Absicht hatte einen weniger freundlichen Erfolg. Er war ohnmächtig geworden, lag schwer in meinem rechten Arme, und als ich mich vorbog, um mit der andern Hand sein linkes Bein zu heben, machte das Pferd, durch diese ungewöhnliche Bewegung noch mehr beunruhigt, einen mächtigen Seitensprung und wir flogen beide auf die hier leider steinharte Mutter Erde herab.

Einige Augenblicke lag ich da, gerade so bewegungslos wie er; dann versuchte ich, mich aufzurichten. Es war mir, als ob ich von einem Windmühlenflügel über ganz Elberfeld und Barmen hinweggeschleudert worden wäre; im Kopfe hatte ich wenigstens zwanzig summende Bienenstöcke, und vor meinen Augen flimmerten so viele Nordlichter, wie man droben in Lappland binnen zehn Jahren zu sehen bekommt. Ich mußte manches und verschiedenes gebrochen haben.

Da hörte ich Schüsse. Dadurch aufmerksam gemacht, blickte ich zurück und sah mehrere Mogollons, welche auf mich zujagten, um ihren Häuptling wiederzuholen; es war von den Nijoras auf sie geschossen worden. Wenn sie mich erreichten, war ich verloren, und sie befanden sich schon so nahe, daß sie mich haben mußten, ehe jemand mir zu Hilfe kommen konnte. In dieser Gefahr erfuhr ich, wie schon so oft, wieder einmal, was der Geist über den Körper vermag: Ich sprang auf; die Bienenstöcke waren weg, die Nordlichter verschwanden, und von Schmerzen fühlte ich keine Spur mehr, wenigstens in diesem Augenblicke. Unweit von mir lag mein Stutzen, der glücklicherweise nicht zerbrochen war. Ich sprang hin, hob ihn auf und legte ihn auf die vier Kerls an – – vier Schüsse und vier Kugeln, jedem Pferde eine in die Brust; die Tiere brachen nach wenigen Schritten zusammen; die abgeworfenen Reiter rafften sich auf und hinkten eiligst von dannen, indem von rechts und links her Schüsse auf sie fielen, welche aber nicht so gut trafen, wie die meinigen getroffen hatten.

Kaum hatten die vier sich zur Flucht gewendet, so fühlte ich die Schmerzen wieder, der Kopf brummte wie vorher und die brillanten Nordlichter flammten abermals vor den Augen. Da kam der Häuptling der Nijoras auf die gute Idee, mir eine Anzahl seiner Leute zu senden. Er konnte das eher und leichter thun als Winnetou, da ich mich mehr in der Nähe der Felsenhöhe, als in der des Waldes befand. Diese Leute fingen das Pferd des »starken Windes« ein, fesselten letzteren und trugen ihn fort, während ich, auf zwei von ihnen gestützt, mit nach der Höhe humpelte.

Dabei bemerkte ich, daß ich nichts gebrochen hatte; aber tüchtige Quetschungen waren vorhanden, und man weiß, daß Quetschungen weit schmerzhafter als Brüche sind. Bei der Felsenhöhe angelangt, legte man den gefangenen Häuptling nieder und setzte mich neben ihn. Der Mann war uns so wichtig, daß ich ihn selbst bewachen wollte, da ich in meinem Zustande jetzt doch nichts anderes und besseres zu thun vermochte.

Das Flimmern vor den Augen und das Summen um die Ohren ließen auf Blutandrang nach dem Kopfe schließen; da waren kalte Umschläge angezeigt. Diese wären gewiß zu haben gewesen, weil Wasser wahrscheinlich zu finden war. Der Wald lag in der Nähe, und wo Wald ist, pflegt es auch Wasser zu geben. Aber ich verzichtete doch auf die Umschläge, da ich mich mit denselben vor den Roten hätte schämen müssen.

Wie die Angelegenheit drüben am Cañon stand, konnte ich wegen des Flimmerns nicht sehen. Daß jemand dort laut sprach, das hörte ich, konnte aber wegen des Summens vor den Ohren die Stimme nicht unterscheiden. Da kam der »schnelle Pfeil«, der Häuptling der Nijoras, zu mir, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen.

»Ich bin gestürzt, habe aber nichts gebrochen,« antwortete ich kurz. »Wer ist es, der da drüben redet?«

»Winnetou.«

Zu wem spricht er?«

»Zu den Feinden.«

»Was wird der Häuptling der Apatschen zu den Mogollons sagen?«

»Daß sie sich nicht wehren, sondern sich ergeben sollen.«

»Dürfen sie ohne ihren Häuptling darüber beschließen?«

»Warum nicht? Sie müssen, wenn sie nicht wollen. Er ist unser Gefangener, und kann ihnen also keinen Rat erteilen. Ja, er ist unser Gefangener, und das wird uns große Vorteile bringen. Wir haben es deiner Verwegenheit zu verdanken.«

»Es war keine Verwegenheit, sondern nur ein rasch entschlossenes Handeln. Ich sah den Schreck, welcher die Mogollons alle befangen hielt, und machte ihn mir zu nutze. Und wenn eine Gefahr dabei war, so war sie wenigstens nicht bedeutend.«

»Sie konnten auf dich schießen!«

»Sie haben es aber nicht gethan. Wer aber hat denn hier oben geschossen, ehe ich vorhin gekommen war? Die Mogollons?«

»Nein,« antwortete er verlegen. »Wir haben es gethan, ich glaubte, die Feinde sicher zu haben.«

»Du hättest nichts glauben, sondern dich genau nach unserm Plane richten sollen! Hätte ich mich noch nicht im Hohlwege befunden, so wären die Mogollons gewiß entkommen. Ich übergab dir einen Gefangenen. Hast du ihn gut bewachen lassen?«

»Ja. Wir haben ihn mitgebracht. Er ist bei den Pferden, welche hinter der Felsenhöhe weiden.«

»Warum brachtest du ihn mit?«

»Weil ich glaubte, du möchtest ihn möglichst bald sehen, und weil er bei den Kriegern besser aufgehoben ist, als im Dorfe bei den Squaws und Greisen.«

»Du hast recht gehandelt. Und das junge Bleichgesicht, welches ich dir auch mitgab?«

»Ist auch mit da. Er wollte nicht von dem Gefangenen weichen, sondern ihn bewachen. Soll ich beide holen lassen?«

»Später, doch jetzt noch nicht. Kommt dort nicht Winnetou mit zwei Indianern auf uns zu?«

»Ja.«

Daß ich die drei zu erkennen vermochte, bewies, daß es mit meinen Augen doch schon besser stand. Der Kopf war mir leichter geworden. Nicht so gut schien es mit dem gefangenen Häuptlinge zu stehen. Er lag noch immer mit geschlossenen Augen da. Das konnte nicht nur die Folge davon sein, daß ich ihn am Halse festgepackt hatte; der Sturz vom Pferde mußte ihm noch mehr geschadet haben.

Die beiden Indianer, welche Winnetou brachte, waren Mogollons, alte Krieger, welcher Umstand erraten ließ, daß sie zur Beratung gekommen seien. Sie blieben ernst und höflich in einiger Entfernung stehen; der Apatsche trat heran, und wendete sich zunächst in beinahe strengem Tone an den Häuptling der Nijoras mit den Worten:

»Wer war es, der bei euch den ersten Schuß abgegeben hat?«

»Ich. Ich glaubte, daß die richtige Zeit gekommen sei.«

»Wir hatten doch besprochen, daß ich zuerst schießen sollte, falls dies mir als notwendig erscheinen würde. Du bist ein Häuptling, und hättest dich mehr als jeder andere nach unsern Vereinbarungen halten sollen. Weißt du, wieviel Tote die Feinde haben?«

»Nein.«

»Acht, und verwundet sind weit mehr. Das hätte unterbleiben können.«

»Sie haben es verdient. Wenn ihnen ihr Vorhaben geglückt wäre, hätten sie viele meiner Krieger getötet und dann auch noch andere Greuelthaten begangen.«

»Das ist richtig; aber du hättest doch Wort halten sollen. Winnetou hat noch nie das seinige gebrochen.«

Nach diesem Verweise wendete er sich an mich:

»Mein Bruder hat eine große Heldenthat vollbracht. Man wird an allen Orten davon erzählen. Wie steht es an der Quelle des Schattens?«

»Gut. Wir haben die Bedeckung des Wagens ergriffen, und die Gefangenen sind gut bewacht.«

»Und wie steht es mit meinem lieben Bruder? Der Fall vom Pferde war schwer. Hat er dir Schaden gethan?«

»Meine Glieder sind ganz geblieben.«

»So schone dich! Die kleinste Verletzung kann die schlimmsten Folgen tragen. Du hast mehr als genug gethan; was noch zu thun ist, das mögen andere Leute thun.«

»Ich fühle mich beinahe wieder so wohl, wie vorher. Du hast zwei Krieger der Mogollons mitgebracht. Wahrscheinlich soll eine Beratung stattfinden?«

»Ja; sie wollen mit ihrem Häuptlinge sprechen.«

»Hier liegt er. Er hat sich noch nicht geregt. Hoffentlich hat er nicht den Hals gebrochen.«

»Ich werde ihn untersuchen.«

Er beugte sich zu ihm nieder, und meldete nach einer Weile:

»Es ist ihm weiter nichts geschehen, als daß er mit dem Kopfe auf den Felsen aufgeschlagen ist. Er wird nach einiger Zeit erwachen, und wir müssen also solange warten.«

»So werde ich inzwischen in den Hohlweg zu meinen Nijoras gehen. Ich muß einen zu Emery nach der Quelle des Schattens senden.«

»Um ihm unsern Sieg zu verkünden?«

»Ja, und auch um ihm mit allen, die sich bei ihm befinden, herbeizurufen.«

»Daran thut mein Bruder recht, denn sonst würde Emery den zurückkehrenden Mogollons begegnen.«

Ich stand auf und ging fort. Winnetou hatte gesagt: »Sonst würde Emery den zurückkehrenden Mogollons begegnen.« Das war wieder einmal ein Beweis, wie innerlich wir miteinander einverstanden waren, ohne daß wir miteinander über den Gegenstand zu sprechen brauchten. Er wollte die Mogollons zurückkehren, sie also nicht als Gefangene der Nijoras gelten lassen, und das war auch meine Ansicht.

Die ersten Schritte, welche ich vorwärts that, verursachten mir ziemliche Schmerzen, welche ich aber ertragen mußte. Dann minderten sie sich ein wenig, doch nicht viel. Dennoch gab ich mir Mühe, gerade und mit erhobenem Haupte über die Platte zu gehen und dem Hohlwege zuzuschreiten. Als ich mich dem Walde näherte, riefen mir die dort befindlichen Nijoras frohlockend zu.

Links, in der Nähe des Cañonrandes, hockten die Mogollons in drei langen Reihen am Boden, wobei jeder den Zügel seines hinter ihm stehenden Pferdes hielt. Sie sahen mich kommen und blieben, indem ich vorüberschritt, mit ihren Augen an mir hangen, ohne eine Miene zu verziehen; dabei aber flogen zwischen ihnen aus den halbgeöffneten Lippen leise Worte hin und her, und ich sah ihnen an, daß der Sturz vom Pferde mich bei ihnen doch nicht in Unehre gebracht hatte.

Als ich einen Nijora als Boten abgeschickt hatte, kehrte ich wieder zu Winnetou zurück. Die beiden Mogollons hatten sich auf der Stelle, an welcher sie vorhin gestanden hatten, niedergesetzt. Winnetou saß neben ihrem Häuptlinge; ich setzte mich an die andere Seite desselben, und der »schnelle Pfeil« hockte sich nach Indianerart uns gegenüber nieder.

Nach einiger Zeit begann der »starke Wind« sich zu regen. Er wollte erst die Arme und dann die Beine bewegen, vermochte das aber nicht, weil er gefesselt war; dann schlug er die Augen auf. Sein erster Blick fiel auf mich. Er starrte mich eine Weile an, und fragte dann:

»Ein Bleichgesicht! Wer bist du?«

»Man nennt mich Old Shatterhand,« antwortete ich.

»Old Shatterhand!« wiederholte er mit sichtlichem Schreck. Dann schloß er die Augen. Er schien nachdenken zu wollen, aber seine Gedanken schwer sammeln zu können, wie ich aus dem Spiele seiner Mienen ersah. Dann hob er die Lider wieder empor und sagte:

»Ich bin gefesselt. Wer hat mich binden lassen?«

»Ich.«

Wieder schloß er die Augen; als er sie dann öffnete, hatten sie einen helleren Ganz. Die Besinnung war ihm jetzt vollständig zurückgekehrt. Er schien mich mit seinem Blicke durchbohren zu wollen, als er sagte:

»Ich besinne mich. Du kamst auf dem Wagen, sprangst herab zur Erde und dann auf mein Pferd. Weiter weiß ich nichts, denn du nahmst mich beim Halse, um mich zu erwürgen.«

»Du irrst. Ich wollte dich nicht erwürgen, nicht töten, sondern dich nur einstweilen unschädlich machen. Das ist mir gelungen.«

»Ja, es ist dir gelungen. Ein Bleichgesicht springt auf mein Pferd, reitet mit mir fort, betäubt mich und macht mich zum Gefangenen. Wer so kühn gewesen wäre, mir vorher zu sagen, daß dies möglich sei, dem hätte ich mit meinem Tomahawk den Kopf gespalten. Ich darf mich nie wieder vor meinen Kriegern sehen lassen. Es ist eine Schande, in dieser Weise gefangen zu werden.«

»Nein. Es ist nie eine Schande, von Winnetou oder Old Shatterhand besiegt zu werden.«

»Aber du wirst mir meine Medizin nehmen!«

»Nein. Ich lasse sie dir; du darfst sie behalten.«

»Oder meinen Skalp!«

»Auch den nicht. Hast du jemals gehört, daß einer der beiden, die ich nannte, einen Feind skalpiert hat?«

»Nein.«

»Du wirst also sowohl deinen Skalp, als auch deine Medizin behalten; glaubst du noch immer, daß du dich vor den deinen nicht mehr sehen lassen darfst?«

»Nein. Ich weiß jetzt, daß ich mich nicht zu schämen brauche. Old Shatterhand hat Häuptlinge geworfen, welche noch nie besiegt worden waren; sie waren vorher berühmt, und sind auch dann berühmt geblieben. Aber bist du nicht in dem Pueblo der Yumas gewesen?«

»Ich war dort mit Winnetou.«

»Wie seid ihr dann geritten?«

»Nach dem Berge der Schlangen, und von da aus hierher.«

Ich sagte ihm die Wahrheit, ohne ihm die näheren Einzelheiten mitzuteilen. Er betrachtete mich lange mit einem nachdenklich schlauen Blicke, und fragte dann:

»Bist du unterwegs nicht von einem Bleichgesichte angegriffen worden?«

»Ja.«

»Woher hast du den Wagen, auf dem du saßest, als du kamst?«

»Der Wagen gehört jetzt mir,« antwortete ich ausweichend.

»Uff! Noch niemand hat gehört, daß Old Shatterhand und Winnetou im Wagen fahren! Wo ist Winnetou?«

»Hier an deiner andern Seite.«

Er hatte nach mir gewendet gelegen, und Winnetou noch nicht gesehen. Jetzt drehte er sich zu ihm und sagte:

»Der berühmte Häuptling der Apatschen hat meine Krieger geschont; er wollte nicht auf sie schießen lassen. Wie viele Krieger der Nijoras sind hier vorhanden?«

Ich antwortete an Winnetous Statt:

»So viele, daß ihr ihnen nicht entgehen könnet.«

»Weshalb hatten sie die Platte des Cañons umzingelt?«

»Um euch zu fangen.«

»Aber wußte er denn so gewiß, daß wir heute kommen würden?«

»Erst nicht. Er hat es später von mir erfahren.«

»Du?« fragte er erstaunt, »Von wem hast denn du es erfahren?«

»Von dir. Ich habe dich am weißen Felsen belauscht, als ihr Beratung hieltet.«

»Uff! Am weißen Felsen? Die Beratung wurde mitten in unserm Lager gehalten!«

»Ich weiß es, denn ich war dort. Ihr redetet so laut, daß ich jedes Wort zu hören vermochte. Ich war den Fluß herabgeschwommen, und legte mich gerade hinter dir am Ufer hin. Als ich genug gehört hatte, schwamm ich weiter, bis ich aus dem Lager kam. Da die Nijoras meine Freunde sind, du mich aber fangen lassen wolltest, habe ich sie natürlich benachrichtigt und ihnen den Rat gegeben, euch hier auf der Platte des Cañons zu erwarten.«

»So bist also du es, dem wir unsere Niederlage zu verdanken haben?«

»Ja.«

Es war ein ganz eigentümlicher Blick, den er lange auf mir ruhen ließ; es lag nicht Haß, nicht Rache oder dergleichen darin. Dann fragte er:

»Hast du alle gesehen, welche an der Beratung dort am Wasser teilgenommen haben?«

»Ja. Es war auch ein Bleichgesicht dabei, welches Melton heißt.«

»Der Mann sagte uns, daß du unser Feind seist!«

»Er hat euch belogen. Old Shatterhand ist der Freund aller roten Männer, die sich nicht feindlich zu ihm verhalten.«

»Weißt du, wo sich Melton jetzt befindet?«

»Er wird seiner weißen Squaw entgegengeritten sein, mit welcher er in dem Pueblo wohnte.«

Diese diplomatische Antwort befriedigte ihn, wie ich aus seiner Miene ersah. Er nahm an, daß wir Melton mit seinen fünfzig Kriegern nicht begegnet seien, und mochte von diesem Rettung erhoffen. Dann fragte er weiter:

»Bist du an der Quelle des Schattens gewesen?«

»Ja, am Abende nach eurer Beratung, als ich mich unterwegs zu den Nijoras befand.«

Nach einem längeren Sinnen fuhr er fort:

»Warum sitzen die beiden alten Krieger meines Stammes hier?«

»Sie sind gekommen, sich mit dir zu beraten über die Bedingungen, unter denen du wieder frei werden kannst.«

»Welche Bedingungen sind das?«

Er hatte dem gerade vor ihm sitzenden Häuptlinge der Nijoras noch keinen Blick gegönnt; jetzt antwortete dieser:

»Danach muß du mich fragen.«

Der Mogollon antwortete, ohne ihn auch jetzt anzusehen:

»Ich spreche mit Old Shatterhand, und mit keinem andern. Also, welche Bedingungen sind dies?«

Ich erklärte ihm:

»Eigentlich wäre euer Leben verfallen, dazu eure Skalpe, eure Medizinen, eure Pferde und Waffen und alles, was ihr bei euch habt; wir aber, nämlich Winnetou und ich, werden mit dem Häuptlinge der Nijoras reden, daß er euch weniger strenge Forderungen stellt.«

»Warum dieser?«

»Weil er der Sieger ist.«

»Du irrst. Wir sind von Old Shatterhand und Winnetou besiegt worden, und die beiden sind es also, denen wir erlauben werden, uns Bedingungen zu stellen. Ich bin bereit, sie von dir zu hören.«

Er sah mich erwartungsvoll an, ich hingegen warf einen fragenden Blick auf Winnetou. Dieser antwortete mir:

»Was mein Bruder Charlieh sagt, ist gut; ich werde ihm beistimmen.«

Nun konnte ich dem »starken Wind« meine Antwort geben:

»Ihr seid ausgezogen, die Nijoras zu überfallen. Ich weiß, daß du nicht nur ein tapferer, sondern auch ein wahrheitsliebender Krieger und Häuptling bist, der sich vor nichts und niemand fürchtet; du wirst mir also die Wahrheit nicht verschweigen?«

»Nein,« antwortete er stolz.

»Was hättet ihr gethan, wenn die Nijoras sich verteidigt hätten?«

»Sie getötet, ihre Frauen und Jungfrauen mit uns fortgeführt, und alle ihre Habe mit uns genommen.«

»Ich höre, daß du die Wahrheit gesagt hast. Das Gesetz der Wildnis aber heißt: »Gleiches mit Gleichem«. Jetzt sind die Nijoras Sieger. Was habt ihr zu erwarten?«

»Dasselbe Schicksal.«

»Mit diesen Worten hättest du eigentlich euer Schicksal selbst entschieden, wenn ich mich nicht mit Winnetou hier befände. Wir haben den Nijoras unsere Hilfe angeboten, ihnen aber unsere Bedingungen gesagt, unter denen wir dies thun würden.«

»Welche waren das?« fragte er, rasch aufblickend.

»Euer Leben soll geschont werden.«

»Wie steht es aber mit unsern Medizinen?«

»Die dürft ihr behalten.«

»Uff! Wir dürfen also heimkehren nach unserm Lager am weißen Felsen?«

»Ja.«

»So binde mich los! Ich gehe sofort darauf ein. Wir werden augenblicklich zurückreiten.«

»Halt! So schnell geht das nicht! Das Leben und die Medizinen haben wir beide euch erhalten; ob wir euch auch noch anderes erhalten können, ist eine andere Frage, welche der Häuptling der Nijoras zu entscheiden hat.«

Letzterer machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte:

»Meine Brüder haben bemerkt, daß der gefangene Häuptling der Mogollons nicht mit mir reden will, ja er hat mich sogar noch nicht ein einzigesmal angeblickt. Wie soll ich da mit ihm reden? Wie kann er gute Bedingungen von mir erwarten!«

Da fiel der Mogollon schnell ein:

»Ich spreche mit dir. Schau her, ich sehe dich an! Also sprich, was du von uns verlangst!«

Der Nijora zögerte eine Weile; dann antwortete er:

»Winnetou, der berühmte Häuptling der Apatschen, und Shatterhand, der große Jäger und Krieger der Wildnis, sind meine Freunde und Brüder. Ihre Herzen sind mild und weich, obgleich ihre Arme die Stärke des Bären besitzen. Sie erblicken nicht gern Blut, und sehen nicht gern die Wolke der Betrübnis über ein Angesicht gehen. Ich möchte so handeln wie sie, um ihnen dankbar zu sein dafür, daß sie die Pfeife der Bruderschaft mit mir geraucht haben. Das ist das eine. Die MogolIons wollten uns überfallen, um uns zu töten und alle unsere Habe mit sich fortzunehmen; es ist ihnen nicht gelungen; anstatt dessen haben wir sie besiegt, und es ist kein Tropfen Blut von unserer Seite geflossen. Das ist das andere. Darum ist auch meine Seele zur Milde geneigt, und so will ich von den Mogollons nur ihre Pferde und ihre Waffen verlangen.«

»Uff!« rief der »starke Wind«, »darauf gehen wir nicht ein!«

»So seid ihr meine Gefangenen und werdet das Schicksal erleiden, welches wir bei euch erlitten hätten.«

»Nur besiegte Krieger können in Gefangenschaft geraten. Sind die meinigen besiegt?«

»Ja.«

»Nein! Schau hin! Dort sitzen sie. Haben sie nicht alle ihre Waffen noch in den Händen? Sie werden sich verteidigen!«

»Um vom ersten bis zum letzten niedergeschossen zu werden. Und dann soll dir ein anderes Schicksal bereitet werden: du wirst am Marterpfahle sterben und mit dir alle deine Krieger, welche in unsere Hände geraten; das aber werden alle sein, welche nicht erschossen werden, denn keiner, kein einziger wird uns entkommen!«

»Versuche es doch! Ihr könnet und dürfet uns doch gar nicht töten, da ihr Winnetou und Old Shatterhand unser Leben und unsere Medizinen versprochen habt!«

Wenn er allein hierauf pochte, konnte es freilich zu keiner Einigung kommen; darum sagte ich ihm in ernstem Tone:

»Es war da vorausgesetzt, daß ihr euch ergebt; thut ihr das nicht, so können wir euch nicht retten. Ich kann dir nur raten, auf die Bedingungen des Häuptlings der Nijoras einzugehen.«

»Sie sind zu hart!«

»Nein, sondern sie sind zu mild. Du würdest ganz andere stellen, wie du ja selbst gesagt hast.«

»Darf ich mir diese schwere Sache überlegen?«

»Ja. Ist die Hälfte des Sonnenlaufes genug dafür?«

»Ja,« antwortete er.

»Gut. Deine beiden alten Krieger mögen näher kommen, um sich mit dir zu besprechen. Vorher aber verlange ich, daß alle deine Leute ihre Waffen an uns abgeben.«

»Das werden sie nicht!«

»O, das werden sie! Denn wenn du nicht schnell den Befehl erteilst, laß ich den Kampf beginnen, der dann nur in einer Niedermetzelung eurer Leute bestehen wird.«

»Aber das darfst du doch nicht! Du hast mir ja soeben eine Frist gegeben und mir gesagt, daß ich mit den beiden Kriegern beraten soll! Die Waffen können wir ja erst dann abgeben, wenn die Frist zu Ende ist und wir uns in eure Forderungen fügen!«

»Das ist richtig. Dennoch verlange ich sie schon jetzt von euch, doch nur vorläufig, weil ich sicher sein will, daß deine Leute die Waffen nicht eher brauchen, als bis die Frist abgelaufen ist.«

»Bekommen sie sie wieder?«

»Wenn die Frist zu Ende ist, natürlich, und erst dann sollst du uns sagen, was du beschlossen hast.«

Da rief ihm einer der beiden Alten zu:

»Das ist eine schlimme Falle, o Häuptling! Wenn du in dieselbe gehst, sind wir alle verloren.«

»Schweigt« herrschte er ihm zu. »Hast du schon einmal gehört, daß Old Shatterhand sein Wort gebrochen oder daß Winnetou eine Lüge gesagt hat? Wenn die beiden es versprechen, ist es so, als hätte es der große Manitou gesagt!«

Und sich wieder an mich wendend, fuhr er gelassen fort:

»Also du befürchtest Unruhen, und nur darum sollen wir die Waffen einstweilen übergeben.«

»Ja.«

»Und wir bekommen sie wieder, noch bevor ich meine Entscheidung sage?«

»Ich gebe dir mein Wort.«

»Und Winnetou verspricht es auch?«

»Auch ich gebe mein Wort,« antwortete der Apatsche.

Da gebot der »starke Wind« seinen beiden Alten:

»Die Worte der beiden großen Krieger sind wie zwei Eide. Geht hin zu unsern Kriegern; fordert ihnen die Waffen ab, und laßt sie auf einen Haufen in die Mitte der Platte tragen, den die Leute der Nijoras dann bewachen mögen! Das befehle ich; es soll sogleich geschehen! Dann kehrt ihr hierher zu mir zurück, um mit mir Beratung zu halten!«

Sie standen vom Boden auf, und entfernten sich. Ich und der Mogollon wußten recht wohl, was wir thaten, nur waren unsere Gründe verschieden.

Ich erwartete Emery mit den Gefangenen. Wenn er kam, und die hier auf der Platte befindlichen Mogollons sahen ihre Kameraden als Gefangene, dann war es sicher, daß sie, wenn sie ihre Waffen hatten, zu denselben griffen, um sie zu befreien. Aus diesem Grunde hatte ich mein Verlangen gestellt. Wenn die Mogollons unbewaffnet waren, so konnte Emery getrost erscheinen.

Und er, der Mogollon? Er rechnete eben auf Jonathan Melton mit seinen fünfzig und auf die zehn, welche bei dem Advokaten und der Sängerin zurückgeblieben waren. Diese sechzig, zu denen übrigens noch die Yumas kamen, konnten schon etwas erreichen. Darum ging er auf meine Forderung ein, um uns einzuschläfern und sicher zu machen.

Die Mogollons gehorchten ihrem Häuptlinge ohne Widerstreben. Als wir einige Nijoras zu ihnen schickten, lieferten sie ihnen nach und nach alle ihre Flinten, Pfeile, Lanzen, Messer und Tomahawks aus. Diese Gegenstände wurden in die Mitte der Platte in einen Haufen zusammengetragen und dann auf meinen Befehl von nicht weniger als zwanzig wohlbewaffneten Nijoras bewacht. Darauf kehrten die beiden Alten zu ihrem Häuptlinge zurück. Sie setzten sich bei ihm nieder, denn wir hatten ihnen Platz gemacht. Es war nicht unsere Absicht, zu erfahren, was sie mit ihm sprachen; darum stellten wir ihnen zwar zwei Posten hin, welche aufpassen Sollten, daß die Fesseln des Häuptlings nicht gelockert oder gar gelöst würden, doch in solcher Entfernung, daß auch diese nichts hören oder gar verstehen konnten.

Es war gar nicht nötig, daß wir selbst bei ihm blieben; er war uns sicher. Selbst wenn die beiden Wächter nicht gut aufgepaßt hätten und er von seinen Banden befreit worden wäre, hätte er nach keiner Richtung entkommen können, weil rundum alles von den Nijoras besetzt war. Darum hatte ich nun Zeit, mich von dem Häuptlinge der letzteren hinter die Felsenhöhe zu Franz Vogel führen zu lassen. Winnetou ging nicht mit; er blieb auf der Platte zurück, um die Oberaufsicht zu führen. Dazu war kein Mensch so vortrefflich geeignet wie er mit seinen so außerordentlich scharfen und geübten Sinnen.

Es gab keinen Weg über die felsige Höhe. Wir mußten von Stein zu Stein klettern, wobei jeder einzelne Schritt mir Schmerzen bereitete. Ich bemerkte, daß ich die Folgen meines Sturzes vom Pferde doch längere Zeit mit mir tragen würde.

Jenseits der Höhe, um deren Fuß sich der so oft erwähnte Wald herumzog, gab es eine Art Prairie, auf welcher dichtes Gras zu finden war. Dort floß das Wasser, dessen Dasein ich vermutet hatte. Die Pferde der Nijoras weideten unter der Aufsicht einiger junger Krieger. An in die Erde gerammten Pflöcken war ein auf der Erde liegender Gefangener befestigt – Thomas Melton, und bei ihm saß Franz Vogel, der Geiger, der beste und zuverlässigste Wächter, dem man den alten Spitzbuben anvertrauen konnte. Franz sah uns kommen, sprang auf, kam mir entgegen und rief in der lieben, deutschen Sprache: »Endlich, endlich sehe ich Sie! Was für eine Angst habe ich ausgestanden! Wie leicht konnte etwas Unvorhergesehenes geschehen und Sie abhalten oder gar Sie ins Unglück bringen!«

»In diesem Falle wäre ich meiner Ansicht nach meines Wortes entbunden gewesen. Es ist aber nichts derartiges vorgekommen, und so sehen Sie mich bei Ihnen.«

»Zu meiner großen Freude! Nun geben Sie mir aber vor allen Dingen Auskunft. Ich hörte vor einiger Zeit jenseits der Höhe schießen; dann war es wieder still. Das war so unheimlich. Ein Kampf mit einem Feinde, welcher einige hundert Köpfe stark ist, muß doch wohl länger dauern!«

»Wenn gute Vorbereitungen getroffen sind, wie es hier geschehen ist, nein. Wir haben einstweilen Waffenstillstand.«

»Wie lange?«

»Gegen vier Stunden noch. Uebrigens bin ich in der Lage, Ihnen einige außerordentlich freudige Botschaften zu bringen.«

»Welche, welche? Reden Sie doch!«

»Setzen wir uns ruhig nieder! Wer wird stehen bleiben, wenn er so schönen weichen Rasen unter sich hat!«

»Ja, setzen wir uns! Doch dann reden Sie! Welche Ueberraschungen sind es, von denen Sie sprechen?«

Als wir nun nebeneinander saßen, antwortete ich:

»Ich denke zunächst an zwei, obgleich es noch mehrere giebt. Sie werden Besuch bekommen von einem Herrn, der Sie eigentlich drüben in Frisco zu finden hoffte, Fred Murphy nämlich.«

»Murphy? Etwa der Advokat aus New Orleans?«

»Derselbe.«

»Was will er von mir?«

»Das wird er Ihnen selber sagen. Uebrigens ist seine Reise vollständig unnütz gewesen. Aber Sie bekommen noch weiteren Besuch.«

»Mit diesem Murphy?«

»Ja.«

»Wen denn?«

»Eine Dame, Ihre Schwester.«

»Was ist das doch wunderbar, so außerordentlich wunderbar! Dazu gehört ein Mut, den ich weder meiner Schwester noch dem Advokaten zugetraut hätte!«

»Mut? Sagen wir lieber, wenn wir offen sein wollen, Leichtsinn, oder um es etwas milder auszudrücken, eine vollständige Unkenntnis der Gefahren und Beschwerden, welche hier zu bestehen sind. Vor diesen habe ich Ihre Schwester damals in Albuquerque gewarnt, als sie, wie Sie sich erinnern werden, die Absicht aussprach, uns zu begleiten.«

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
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