Kitabı oku: «Waldröschen X. Erkämpftes Glück. Teil 3», sayfa 16
Da machte er abermals die Augen zu, aber aus einem ganz anderen Grund als vorher. Sein Gesicht nahm einen eigentümlich seelenvollen Ausdruck an, der es verschönte, und ohne die Augen zu öffnen, antwortete er:
»O doch, Mademoiselle! Einer einzigen bin ich gut. Aber nein, gut sein, das ist nicht der richtige Ausdruck, das ist viel, viel zu wenig. Ich denke an sie bei Tag und Nacht. Ich träume von ihr. Ich möchte ihr jeden Tropfen meines Blutes einzeln opfern. Ich könnte auf alles und jedes Glück verzichten, um sie nur froh zu sehen. Ich wäre imstande, tausendfaches Herzeleid zu erdulden, nur damit sie mich einmal freundlich anblicken möchte.«
Da wurde das Auge Emilias groß und feucht. Ihr schönes Angesicht zeigte einen tiefen Ernst, und ihre Stimme vibrierte leise, als sie fragte:
»Darf ich nicht wissen, wer die ist, die Ihr so unendlich liebt?«
Da öffnete er, wie erschrocken, rasch die Augen und antwortete:
»Nein, um Gottes willen nein!« – »Warum nicht?« – »Weil Ihr zornig, entsetzlich zornig werden würdet.« – »Nun, wenn Ihr es mir nicht mitteilt, so will ich es Euch sagen.« – »Das könnt Ihr nicht. Ihr wißt es ja nicht.« – »Ich will Euch beweisen, daß ich es weiß. Legt einmal den Kopf so nach hinten und macht dabei die Augen zu, gerade wie Ihr es vorhin getan habt.«
Er gehorchte, ohne zu ahnen, was sie wollte. Da, kaum hatte er die Augen geschlossen, fühlte er sich von zwei warmen, weichen Armen umfangen, zwei Lippen legten sich auf seinen Mund, und dann hörte er die leisen, liebevollen Worte:
»Ich bin es, ich! Nicht wahr, ich weiß es, wen du lieb hast?«
Er antwortete nicht, er öffnete auch die Augen nicht. Er bewegte sich nicht, sondern er blieb liegen wie ein Hund, den die schöne Herrin liebkost und der vor Freude und Entzücken darüber vergehen und sich in Wonne auflösen möchte.
Sie drückte ihn an sich, küßte ihn abermals und fragte wieder:
»Antworte mir. André! Nicht wahr, ich bin es, die du so unendlich lieb hast?« – Ja«, wagte er ganz leise zu sagen. – »So schlage deine Augen auf.«
Er gehorchte. Er erblickte ihr schönes, freudeglänzendes Gesicht so nahe an dem seinigen. Er fühlte, daß der Hauch ihres Atems ihn berührte, es war ihm so eigentümlich, so traumhaft, so wirr im Kopf. Er strich sich langsam die Haare aus der Stirn und fragte:
»Träume ich, oder ist es wirklich wahr?! O Gott, es ist des Glückes zu viel!«
Sanft entwand er sich den Fesseln der Liebe und erhob sich.
Langsam und fast taumelnd schritt er zum Fenster. Dort stand er lange, lange Zeit mit gefalteten Händen und in die Nacht hinaus zu den Sternen emporblickend. Sie ließ ihn ruhig gewähren. Sie hatte den Wert dieses rauhen Mannes kennengelernt. Wurde sie auch nicht von der Glut zu ihm gezogen, die sie Gerard gegenüber gefühlt hatte, so war sie ihm, ihrem Lebensretter, dagegen mit jenem stillen, reinen Gefühl ergeben, das der Volksmund »von Herzen gut sein« nennt und das mehr Bürgschaft eines dauernden Glückes bietet, als ein hell aufloderndes, aber ebenso schnell wieder in sich zusammensinkendes Herzensfeuer.
Sie war Spionin gewesen. Was hatte sie zu hoffen? Sollte sie ihre Schönheit einem auf Adel oder Reichtum stolzen Protzen opfern, um dann von ihm verlassen zu werden? Nein. Sie wußte, daß sie schön war, aber sie wußte auch, daß sie mit dieser Gottesgabe hier einem braven Mann ein unendliches Glück bereiten werde, und sie zog dies letztere vor, nicht aus Berechnung, sondern weil ihr Herz sie dazu trieb. Sie war ihm ja so herzensgut, diesem einfachen, biederen Andreas, dessen Charakter ihr mehr Gewähr eines wirklichen und dauerhaften Glückes bot, als die egoistische, genußsüchtige Liebe all der vornehmen Anbeter, die sie bisher gehabt hatte.
Da drehte er sich um und kehrte langsam zu ihr zurück. Sein ehrliches Gesicht glänzte wie verklärt, und in seinen Augen standen Tränentropfen, die ihm über die Wangen rollten.
»Weißt du, was ich jetzt getan habe?« fragte er. – »Was? Sage es!« – »Gebetet. Ja, gebetet habe ich, daß der liebe Gott mir den Verstand und die Gedanken lasse. Ich habe jetzt erkannt, daß es ebenso schwer ist, sich in ein großes Glück zu finden wie in ein schweres Herzeleid. Und nun sage mir, ob du wirklich im Ernst gesprochen hast, und ob es wahr ist, daß ich dich in Wirklichkeit besitzen soll, dich, die ich im stillen angebetet habe, als ob du meine Königin seiest, und ich, der Sklave, der Untertan, der bereit ist, für dich zu leben, aber auch für dich zu jeder Stunde in den Tod zu gehen!«
Die Frage, die er aussprach, glänzte ihr auch aus seinen ehrlichen, treuen Augen entgegen, und zwar so angstvoll und unsicher, daß sie ihre Hände ausstreckte, die seinigen ergriff und schnell antwortete:
»Ja, es ist wahr, mein lieber André. Ich will dein Weib sein, deine Hausfrau, bei der du eine Heimat findest, nachdem du so lange Jahre ruhe- und heimatlos gewesen bist.«
Da stieß er einen Ruf des höchsten Entzückens aus. Er schlang die Arme um sie, drückte sie fest und innig an sich und sagte:
»Gott segne dich für dieses Wort! Oh, nun bin ich ein ganz anderer Kerl! Nun tausche ich nicht mit Sternau oder Mariano, mit keinem einzigen Menschen! Mögen sie mich immerhin den Kleinen André nennen. Ich fühle mich jetzt auf einmal so groß, so groß, daß es mir gar nicht einfallen kann, einen von ihnen zu beneiden.«
Da schob sie ihn leise von sich, maß unter einem glücklichen Lächeln seine Gestalt, zog ihn wieder an sich heran, so daß sie wieder Brust an Brust standen und sagte:
»Messen wir uns einmal, lieber André. Bin ich etwa länger als du?«
Er verglich ihre Höhe mit der seinigen und meinte ganz erstaunt:
»Wahrhaftig, ich bin noch einen Zoll länger als du. Wer hätte das gedacht!« – »Du siehst, daß der Schein trügt. Wir Frauen sehen größer aus, als wir sind. Wir passen sehr gut zusammen. Nicht?« – »Außerordentlich gut. Ich bekomme Respekt vor mir selber. Und nun wirst du sehen, daß auch die anderen den gleichen Respekt haben sollen. Die Liebe ist doch ein wunderbares Ding, ich glaube, daß sie gar imstande sein wird, aus dem Kleinen André einen großen Kerl zu machen.«
24. Kapitel
Einige Zeit später hielt der wieder zu allen Ehren und Würden gelangte Präsident Juarez seinen Einzug in der Hauptstadt Mexiko. Es herrschte ein unbeschreiblicher Jubel unter der Bevölkerung, als der Zapoteke, der einst zur Flucht gezwungen gewesen war, aber trotzdem seinen starren Mut nicht verloren und auf seinen Titel verzichtet hatte, nun als Retter des Vaterlandes in der Stadt einritt. Alle Straßen waren mit Ehrenpforten, Girlanden und Flaggen geschmückt, und ein wahrer Regen von duftenden Blumen flog auf ihn und das Pferd, das ihn trug und mit stolzen Schritten über die lieblichen Kinder Floras hinwegtänzelte.
Aber am ersten Tag nach seinem Einzug hatte sich der laute Jubel in eine stille Erwartung umgewandelt; Juarez begann zu sichten. In unerbittlicher Gerechtigkeit prüfte er diejenigen, die seit dem ersten Tag der französischen Invasion eine Rolle gespielt hatten, auf ihren patriotischen Wert. Er begann die Schafe von den Böcken zu scheiden und das Gewürm von dem Baum der nationalen Wohlfahrt zu schütteln. Tausende fühlten sich im Besitz eines bösen Gewissens. Viele entflohen heimlich, als sie sahen, wie ernst es dem Präsidenten war. Wo es möglich war, ließ er Gnade walten, aber wo er erkannte, daß Milde nicht angewandt oder gar für das Allgemeinwohl gefährlich sei, da ließ er sich von seinem guten Herzen nicht hinreißen, sondern strafte mit jener einsichtsvollen Unnachsichtigkeit, der man es dankbar anmerkt, daß sie nicht aus Persönlichkeit und Eigennutz entspringt.
Da er selbst eine ruhelose Tätigkeit entfaltete, so dauerte es nur kurze Zeit, bis in allen Abteilungen des Regierungsmechanismus die größte Ordnung herrschte, und so kam es, daß er selbst von denjenigen Regierungen, die vorher mit Napoleon geliebäugelt hatten, als Herrscher des mexikanischen Reiches anerkannt wurde.
* * *
Eines Spätabends, als die Bewohner der Hauptstadt im Schlummer lagen, näherte sich der letzteren von Norden her ein Reiterzug. Der Mond schien hell, und so konnte man erkennen, daß derselbe aus mehreren Gefangenen und ihrer Eskorte bestand. Die ersteren waren sorgfältig gefesselt und auf ihre Pferde gebunden. Zwei Maultiere trugen eine Art von Sänfte, aus der fast ununterbrochen das Wimmern einer weiblichen Stimme erscholl, um das sich die Begleiter aber nicht im geringsten kümmerten.
Dieser Trupp erreichte die Stadt, ritt durch einige Straßen und hielt dann vor dem Regierungsgebäude, an dessen Tor die Reiter der Eskorte sich von ihren Pferden schwangen. Einer von ihnen trat ein und wurde von dem wachhabenden Posten gefragt, was er wolle und wen er bringe.
»Ist der Präsident noch wach?« lautete die kurze Gegenfrage. – »Ja. Er arbeitet alle Nächte bis zum Anbruch des Morgens.« – »So lassen Sie mich melden. Ich heiße Sternau. – »Sternau? Hm. Man darf niemand melden. Der Präsident will ungestört sein. Kommen Sie am Tag wieder.« – »Ob und wann ich wiederkommen soll, haben nicht Sie zu bestimmen. Sie haben mich melden zu lassen, und der Präsident wird mich empfangen.«
Diese Worte waren in einem so befehlenden Ton gesprochen, daß der Posten gehorchte, ohne einen weiteren Einwand zu wagen. Es dauerte auch nur eine kurze Zeit, so wurde Sternau benachrichtigt, daß Juarez bereit sei, ihn zu empfangen.
Als er bei dem Präsidenten eintrat, wollte er sich wegen seines späten Erscheinens entschuldigen, wurde aber durch den freundlichen Ausruf unterbrochen:
»Endlich, endlich kommen Sie! Ich habe Sie bereits längst mit Ungeduld erwartet.« – »Wir konnten nicht eher, Señor. Wir hatten auf die Herren und Damen der Hazienda zu warten, und unterdessen war Josefa Cortejo so krank geworden, daß es unmöglich war, sie nach der Hauptstadt zu transportieren.« – »Was fehlte ihr?« – »Sie wissen, Señor, daß sie auf der Hazienda von einem Vaquero so gegen die Wand und Diele geworfen wurde, daß sie einige Verletzungen davontrug, die vollständig falsch behandelt worden sind. Die Folgen davon stellten sich nun in Santa Jaga ein, und zwar in Gestalt einer heftigen Entzündung, deren ich kaum Herr werden konnte.« – »Aber jetzt ist sie bereits wiederhergestellt?« – »Nein. Sie wird nicht wiederhergestellt werden.« – »Was Sie sagen!« rief Juarez beinahe erschrocken. »Verstehe ich Sie recht? Sie meinen, daß sie sterben werde?« – Ja.« – »Doch nicht eher, als bis wir mit ihr fertig sind?« – »Ich hoffe das. Ich habe alle Sorgfalt und alle künstlichen Mittel anwenden müssen, um sie nach hier zu bringen. Sie hat trotzdem unbeschreibliche Schmerzen auszustehen gehabt. Sie wimmert Tag und Nacht. Wenn die Wirkung meiner Mittel zu Ende ist, wird sie aufhören zu leben.«
Juarez nickte leise mit dem Kopf und meinte ernsten Tones:
»Da ist Gott selbst eingetreten, um sie zu bestrafen, noch ehe die Gesetze des menschlichen Richters aufgeschlagen zu werden brauchen. Es gibt, das sehen wir auch hier wieder, eine Gerechtigkeit, die zwar nur sich selbst verantwortlich ist, aber gerechter straft, als wir es vermögen. Sie haben die anderen Gefangenen auch mitgebracht?« – »Alle, außer einem, dem Neffen des Paters nämlich.« – »Warum diesen nicht?« – »Auch ihn hat Gottes Strafe getroffen, oder vielmehr, er ist sein eigener Richter gewesen. Er hat sich in der Zelle, in der er aufbewahrt wurde, erhängt.« – »Das ist mir außerordentlich unangenehm. Ich glaubte, die Geheimnisse des Paters entdecken zu können, und nun ist dieser an den Folgen des Schlaganfalles gestorben, und sein Neffe, der jedenfalls sein einziger Vertrauter war, hat sich getötet.« – »Ich verzweifle noch nicht an der Enthüllung jener Geheimnisse. Es ist wahrscheinlich, daß sich bei einer genauen Durchforschung des Klosters della Barbara vieles entdecken läßt, was uns jetzt noch entgangen ist. Ich werde eine gründliche Durchsuchung aller Räume vornehmen lassen.« – »Aber, wie steht es, Señor Sternau, haben Sie die Gefangenen ins Verhör genommen?« – Ja.« – »Und irgendwie ein Geständnis erhalten?« – »Leider nein.« – Das habe ich erwartet. Die Charaktere, mit denen wir es zu tun haben, sind so verstockt, daß ein offenes Geständnis gar nicht zu erwarten ist. Wir werden also notgedrungen einen genauen Beweis führen müssen.«
Sternau wiegte bedenklich den Kopf hin und her und antwortete:
»Einem Beweis, selbst wenn er mit aller Logik und vollster Sicherheit gezogen wird, haftet immer eine kleine Portion Zweifelhaftigkeit an. Er gibt dem Verbrecher noch Gelegenheit zum Leugnen und zu der Behauptung, daß er unschuldig sei, trotz aller Beweise. Das ist um so unangenehmer, als selbst der scharfsinnigste Richter nicht untrüglich ist. Daher möchte ich eine Überführung auf Zeugenaussagen hin, mögen sie noch so untrüglich sein, gern vermeiden, zumal wir es hier mit einem außerordentlichen Fall zu tun haben und auch zur möglichsten Geheimhaltung wenigstens einstweilen gezwungen sind.« – »So meinen Sie, daß wir auf ein Geständnis noch hoffen dürfen?« – »Ja, nämlich von seiten der Josefa Cortejo. Wir haben einen kräftigen Verbündeten in den Schmerzen, die sie zu erdulden hat. Ich habe dieselben durch meine Mittel zu lindern gesucht. Das werde ich nicht länger tun. Ich bin überzeugt, daß sich diese Schmerzen in so fürchterliche Qualen verwandeln, wie sie von der Tortur nicht schlimmer hervorgebracht werden können. Das muß und wird ihrer Verstocktheit ein Ende machen.« – »Als Mensch bedaure ich dieses Mädchen, als Jurist aber muß ich sagen, daß sie ihr Los verdient hat. Sie sind eben erst angekommen?« – »Ja.« – »Sie werden natürlich alle Wohnung bei mir nehmen. Das Palais hat mehr als genug Zimmer für Sie. Landola und die Cortejos werde ich streng in Gewahrsam nehmen. Ich will sofort die nötigen Befehle erteilen.«
Er griff zur Klingel, Sternau aber hinderte ihn, jetzt schon das Zeichen zu geben, und sagte:
»Noch eins, Señor! Sie wissen, daß Graf Emanuel noch irrsinnig ist, und zwar infolge des Giftes, das man ihm gegeben hat. Ich habe Ihnen auch erzählt, daß ich das Gegengift kenne und es bereits einmal bereitete. Es gelang mir damals, meine Frau mit demselben herzustellen. Jetzt brauche ich eine Dosis dieses Gegengiftes.« – »Ja, Sie haben mir einmal davon erzählt. Ich entsinne mich dieses Gegengiftes und seiner Zubereitungsweise. Es ist dazu der Mundschaum eines Menschen nötig, der fast bis zum Wahnsinn gekitzelt wird?« – »Allerdings. Ich muß diese Prozedur eine unmenschliche nennen, aber ebenso muß ich den Grafen herstellen.« – »Ich verstehe Sie. Einer der Gefangenen ist es, der Ihnen diesen Schaum liefern soll. Auf welchen ist Ihre Wahl gefallen?« – »Auf Landola. Er ist der Böseste und Schlimmste von allen. Die Prozedur muß natürlich im geheimen vorgenommen werden und ist unmöglich, wenn ich nicht die Erlaubnis dazu erhalte.«
Juarez schritt einige Male im Zimmer auf und ab, dann blieb er vor Sternau stehen und sagte:
»Gut! Eigentlich widerstrebt es mir, aber der arme Graf muß gerettet werden, und Landola, der tausendfache Bösewicht, verdient ein Mitleid nicht. Ich erteile Ihnen die notwendige Erlaubnis, doch unter der Bedingung, daß Sie ihn nicht töten oder wahnsinnig machen.« – »Das wird nicht geschehen. Ich glaube im Gegenteil, daß wir ihn durch dieses Verfahren zu einem Geständnis bringen werden. Auch ich bin Mensch und habe als solcher meine Gefühle; aber wenn zum Beispiel die Vivisektion unschuldige Tiere ohne Zahl in teuflischer Weise quälen darf, um Fragen zu beantworten, die teils untergeordneter Natur und teils durch die Sektion lebender Geschöpfe gar nicht zu lösen sind, so sehe ich kein Verbrechen darin, einen Teufel, wie Landola ist, zu zwingen, sein Gift herzugeben, um einen der vielen Unschuldigen zu retten, die er ins Elend stürzte.«
So waren die beiden also einig, und nun wurden die Angekommenen mit aller Sorgfalt untergebracht.
Am anderen Tag begann das Verhör, es hatte keinen Erfolg. Aber es verging nur kurze Zeit, so zeigte sich, daß Sternau richtig vermutet hatte. Die Schmerzen Josefas steigerten sich in einer Weise, daß sie dieselben nicht mehr ertragen konnte. Es gab Minuten, in denen sie vor Qual brüllte und heulte. Sternau riet, ihren Vater nun in ihre Zelle zu führen.
Pablo Cortejo, so verstockt er war, konnte doch den Zustand seiner Tochter nicht ersehen und ihr Geschrei nicht erhören, ohne davon nicht nur ergriffen, sondern geradezu niedergeschmettert zu werden. Er sah, daß sie nur noch Stunden zu leben habe, gräßliche Stunden, sie, für die er gesündigt hatte und ein Verbrecher geworden. Es war ihm, als ob ein verzehrendes Feuer in ihm brenne. Ein herbeigeholter Priester benutzte diesen Augenblick, Vater und Tochter zu einem Geständnis zu bewegen und dadurch wenigstens ihr Gewissen zu reinigen und ihre Seelen zu retten. Josefa, dem Tode nahe, schrie mit zitternder Stimme, daß sie alles sagen wolle, da gab es auch für ihren Vater kein Zurückhalten mehr. Juarez selbst eilte herbei. Sämtliche Zeugen kamen mit ihm, und das Geständnis der beiden wurde zu Protokoll genommen und in gehöriger rechtsgültiger Weise unterzeichnet.
Nur eine Stunde später war Josefa eine Leiche.
Nun galt es noch, auch Landola und Gasparino Cortejo zum Bekenntnis ihrer Taten zu bringen. Sie blieben beim Leugnen, obgleich ihnen das erwähnte Protokoll verlesen wurde.
Aber in der nächsten Nacht wurden beide in ein tiefliegendes Gewölbe geschafft, in dem Sternau, Juarez, Büffelstirn und Bärenherz sich befanden. Was da unten vorgenommen wurde, ist Geheimnis geblieben. Wäre aber jemand auf den Gedanken gekommen, an dem Luftloch zu horchen, das von außen nach diesem Gewölbe hinabführte, so hätte er, obgleich dieses Loch von innen sehr sorgfältig verstopft war, ein nicht ganz zu unterdrückendes Brüllen und Stöhnen vernommen, das aus keiner menschlichen Kehle zu kommen schien. Und als die beiden dann nach ihren Zellen gebracht wurden, war Landola ohnmächtig und steif wie eine Leiche, und Cortejo wankte in völlig gebrochener Haltung zwischen seinen Führern, so daß sie ihn halten und stützen mußten.
Nach ihnen verließen auch die anderen das Gewölbe. Die beiden Indianer schienen kalt und teilnahmslos; aber Juarez und Sternau waren bleich. Der letztere steckte ein Fläschchen in die Tasche, und der erstere trug ein Aktenstück in der Hand, das alle Aussagen enthielt, die ihnen in der letzten halben Stunde gemacht worden waren.
Erst in seinem Zimmer angekommen, ergriff der Präsident das Wort:
»Das war fürchterlich, entsetzlich! Das war haarsträubend! Hätte ich das vorher gewußt, so wäre es sehr fraglich gewesen, ob ich mitgegangen wäre. Aber wir haben nun alles beisammen, was wir brauchen, und können kurz verfahren. Landola und Gasparino Cortejo gehen mit Ihnen nach Spanien, und Pablo Cortejo – hm.«
Er brach ab, um in ein nachdenkliches Schweigen zu verfallen.
»Was geschieht mit ihm?« fragte Sternau. – »Er bleibt hüben. Er ist meiner Gerichtsbarkeit verfallen. Übrigens hat er als Empörer den Tod verdient. Sprechen wir nicht weiter über ihn, wir haben heute abend genug Schreckliches zu sehen und zu hören gehabt.«
Am anderen Tag bemerkten die Nachbarn des Palastes der Rodriganda, der nach Abzug der Franzosen fast leergestanden hatte, daß derselbe jetzt von mehr Personen als vorher bewohnt sei. Aber wer diese Personen seien, erfuhr niemand. Diese letzteren ließen sich nicht sehen, da die Kunde, daß Graf Ferdinando noch lebe, nicht eher nach Spanien dringen sollte, als dieser selbst dort angelangt war.
Es gab in Schnelligkeit sehr vieles und Schwieriges zu ordnen, und nach einiger Zeit trabte des Nachts eine ziemliche Anzahl von Reitern, die einige Wagen umgaben, durch die Stadt, um den Weg einzuschlagen, den die Diligence zu fahren pflegte, wenn sie nach Verakruz ging.
Der alte, brave Haziendero nebst seiner Tochter Emma und seinem Schwiegersohn Helmers blieben zurück. Sie hatten von dem Grafen den Auftrag bekommen, die Verwaltung seiner mexikanischen Besitzungen unter dem Schutz des Präsidenten einstweilen zu übernehmen.
Eine kurze Zeit später verlautete das Gerücht, daß der verschwundene Prätendent Pablo Cortejo, lächerlichen Andenkens, ergriffen worden sei. Und bald darauf erzählte man sich, daß er, als Anführer und auch noch aus anderen Gründen zum Tode verurteilt, im Hof des Gefängnisses eine Kugel vor den Kopf bekommen habe.