Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 16
»Wenn sie deine Feinde sind, so sind sie auch die unserigen, sobald wir ihnen den Rauch des Friedens wieder genommen haben. Ich werde dir die Beiden schenken.«
»Gut! So laß den Anführer der Bleichgesichter hierher kommen! Wenn ich mit ihm rede, so wirst du bald erkennen, wie recht ich habe, wenn ich behaupte, daß er Anhänger des Juarez ist.«
Der Häuptling winkte. Einer seiner Krieger kam herbei und erhielt den betreffenden Befehl. Er schritt auf einen Weißen zu, sagte ihm einige Worte, und dann kam dieser zu uns, eine hohe, starke Gestalt, mit bärtigem Gesicht und von martialischem Aussehen.
»Was soll ich?« fragte er, indem er uns mit einem finstern, feindseligen Blicke maß. Ich war jedenfalls von Gibson erkannt worden, und dieser hatte ihm gesagt, daß von uns nichts Gutes zu erwarten sei. Meine Neugierde, zu hören, wie Old Death seinen Kopf aus der Schlinge ziehen werde, war nicht gering. Der alte, pfiffige Scout sah dem Frager mit sehr freundlichem Blicke in das Gesicht und antwortete auf das höflichste:
»Ich habe Euch von Sennor Cortesio in La Grange zu grüßen, Sennor.«
»Kennt Ihr ihn denn?« fragte der Mann schnell, ohne zu ahnen, daß er soeben an eine sehr gefährliche Angel beiße.
»Natürlich kenne ich ihn,« meinte der Alte. »Wir sind Freunde seit langer Zeit. Leider kam ich zu spät, um Euch bei ihm zu treffen, doch gab er mir die Richtung an, in welcher wir Euch treffen könnten.«
»Wirklich? So müßt Ihr freilich ein guter Freund von ihm sein. Welche Richtung nannte er?«
»Die Furt zwischen dem Las Moras und Rio Moral, und dann über Baya und Tabal nach Chihuahua. Ihr seid allerdings von dieser Route ein wenig abgewichen.«
»Weil wir unsere Freunde, die Comanchen trafen.«
»Eure Freunde? Ich denke, die Krieger der Comanchen sind Eure Gegner!«
Der Mann kam ganz sichtlich in große Verlegenheit; er räusperte sich und hustete, um Old Death ein Zeichen zu geben, welcher aber nichts zu bemerken schien. Old Death fuhr fort:
»Ihr haltet es ja mit Juarez; die Comanchen aber kämpfen für die Franzosen.«
Jetzt hatte sich der Mexikaner gefaßt. Er erklärte:
»Sennor, da irrt Ihr Euch sehr. Auch wir stehen auf der Seite der Franzosen.«
»Und schafft Angeworbene aus den Vereinigten Staaten nach Mexiko?«
»Ja, aber für Napoleon.«
»Ah so! Also Sennor Cortesio wirbt für Napoleon an?«
»Natürlich! Für wen anders?«
»Ich denke für Juarez.«
»Das fällt ihm gar nicht ein!«
»Schön! Ich danke Euch für diese Aufklärung, Sennor! Ihr könnt jetzt wieder an Euren Platz zurückkehren.«
Über das Gesicht des Mannes zuckte es zornig. Sollte er sich von diesem unscheinbaren Menschen wie ein Untergebener fortweisen lassen?
»Sennor,« sagte er, »woher habt Ihr das Recht, mich so einfach in dieser Weise gehen zu heißen?«
»An diesem Feuer sitzen nur Häuptlinge und hervorragende Personen.«
»Ich bin ein Offizier!«
»Des Juarez?« fragte Old Death schnell emporfahrend.
»Ja – nein, nein, Napoleons, wie ich bereits sagte.«
»Nun, soeben habt Ihr Euch glanzvoll versprochen. Ein Offizier, zumal in solchen Verhältnissen, sollte seine Zunge doch besser bewahren können. Ich bin mit Euch fertig, Ihr könnt gehen.«
Der Offizier wollte noch etwas sagen. Da aber machte der Häuptling eine gebieterisch fortweisende Armbewegung, welcher er gehorchen mußte.
»Nun, was sagt mein Bruder jetzt?« fragte Old Death.
»Sein Gesicht klagt ihn an,« antwortete der »weiße Biber«, »aber auch das ist noch kein Beweis.«
»Du bist aber überzeugt, daß er Offizier und bei jenem Sennor Cortesio gewesen ist?«
»Ja.«
»Er muß also zu der Partei gehören, für welche Cortesio anwirbt?«
»So ist es. Beweise mir aber, daß dieser Mann für Juarez anwirbt, so bin ich befriedigt!«
»Nun, hier ist der Beweis.«
Er griff in die Tasche und zog den Paß hervor, welcher mit Juarez« unterschrieben war. Er öffnete ihn und fuhr fort:
»Um uns selbst zu überzeugen, daß Cortesio für Juarez arbeitet und daß alle Bleichgesichter, welche zu ihm kommen, Freunde von Juarez sind, haben wir so getan, als ob auch wir uns anwerben lassen wollten. Er hat uns angenommen und jedem von uns einen Paß gegeben, welcher mit dem Namen Juarez unterzeichnet ist. Mein Gefährte kann dir den seinigen ebenfalls zeigen.«
Der Häuptling nahm den Paß und betrachtete ihn genau. Ein grimmiges Lächeln glitt über sein Gesicht.
»Der »weiße Biber« hat nicht die Kunst der Weißen gelernt, auf dem Papiere zu sprechen,« sagte er; »aber er kennt das Zeichen ganz genau, welches er hier sieht; es ist das Totem des Juarez. Und unter meinen Kriegern ist ein junger Mann, ein Halbblut, welcher als Knabe viel bei den Bleichgesichtern gewesen ist und die Kunst versteht, das Papier sprechen zu lassen. Ich werde ihn rufen.«
Er rief laut einen Namen aus. Ein junger, hell gefärbter Mann trat herbei und nahm auf einige Worte des Häuptlings den Paß in die Hand, kniete neben dem Feuer nieder und las, zugleich übersetzend, die Worte vor. Ich verstand ihn nicht; aber Old Deaths Gesicht wurde heller und immer heller. Als der Halbwilde geendet hatte, gab er den Paß mit sichtlichem Stolz, eine solche Kunst ausgeübt zu haben, zurück und entfernte sich. Old Death steckte den Paß ein und fragte:
»Soll auch mein Gefährte den seinigen zeigen?«
Der Häuptling schüttelte den Kopf.
»Weiß mein roter Bruder nun, daß diese Bleichgesichter ihn belogen haben und seine Feinde sind?«
»Er weiß es nun ganz gewiß. Er wird seine hervorragendsten Krieger sofort versammeln, um mit ihnen zu beraten, was geschehen soll.«
»Soll ich an dieser Beratung teilnehmen?«
»Nein. Mein Bruder ist klug im Rate und mutig bei der Tat; aber wir brauchen ihn nicht, denn er hat bewiesen, was er beweisen wollte. Was nun zu geschehen hat, ist nur Sache der Comanchen, welche belogen worden sind.«
»Noch eins. Es gehört zwar nicht zu der bisherigen Angelegenheit, ist aber von großer Wichtigkeit für uns. Warum ist mein roter Bruder so weit südwärts gezogen? Warum wagt er sich hinauf auf die Höhen der Wüste?«
»Die Comanchen wollten erst weiter nördlich reiten; aber sie haben erfahren, daß Winnetou mit großen Scharen nach dem Rio Conchos ist, und daß infolgedessen die Dörfer der Apachen hier unbewacht stehen. Wir haben uns daher schnell nach Süden gewendet und werden hier eine so große Beute machen, wie noch keine heimgeschafft wurde.«
»Winnetou nach dem Rio Conchos! Hin! Ist diese Nachricht zuverlässig? Von wem hast du sie? Wohl von den zwei Indianern, welche nordwärts von hier auf euch trafen?«
»Ja. Ihr habt ihre Fährte gesehen?«
»Wir sahen sie. Was für Indianer waren es?«
»Sie sind vom Stamme der Topia, Vater und Sohn.«
»Befinden sie sich noch bei dir, und darf ich mit ihnen sprechen?«
»Mein Bruder darf alles tun, was ihm gefällt.«
»Auch mit den beiden Bleichgesichtern sprechen, welche du mir ausliefern wirst?«
»Wer soll dich daran hindern?«
»So habe ich nur noch eine Bitte: Erlaube mir, um das Lager zu gehen! Wir sind in Feindesland, und ich möchte mich überzeugen, daß alles zu unserer Sicherheit Erforderliche geschehen ist.«
»Tue es, obgleich es nicht nötig ist. Der »weiße Biber« hat das Lager und die Wachen geordnet. Auch sind unsere Kundschafter vor uns. Also ist alles in Ordnung.«
Seine Freundschaft für Old Death mußte sehr groß sein, da er sich nicht beleidigt fühlte durch das Verlangen des Scout, selbst nach den getroffenen Sicherheitsmaßregeln zu sehen. Die beiden vornehmen Comanchen, welche vollständig wortlos bei ihm gesessen hatten, erhoben sich jetzt und schritten in gemessener Haltung davon, um die Teilnehmer der Beratung zusammen zu holen. Die andern Comanchen nahmen nun wieder an ihren Feuern Platz. Die beiden Langes und Sam bekamen einen Platz an einem derselben angewiesen und drei tüchtige Stücke gebratenen Pferdefleisches vorgelegt. Old Death aber nahm mich beim Arme und zog mich fort nach dem Feuer, an welchem die Weißen allein saßen. Als man uns dort kommen sah, stand der Offizier auf, kam uns zwei Schritte entgegen und fragte in englischer Sprache in feindseligem Tone:
»Was hatte denn eigentlich das Examen zu bedeuten, Master, welches Euch beliebte, mit mir anzustellen?«
Der Alte grinste ihn freundlich an und antwortete:
»Das werden Euch nachher die Comanchen sagen; darum kann ich mir die Antwort ersparen. Übrigens befinden sich unter euch Pferdediebe. Sprecht ja nicht in einem so hochtrabenden Tone mit Old Death! Es stehen sämtliche Comanchen zu mir und gegen euch, so daß es nur eines kleinen Winkes von mir bedarf, und es ist um euch geschehen.«
Er wendete sich mit stolzer Gebärde von ihnen ab, blieb aber stehen, um mir Gelegenheit zum Sprechen zu lassen. Gibson und William Ohlert saßen ebenfalls in der Runde. Der letztere sah außerordentlich leidend und verkommen aus. Seine Kleidung war zerrissen und sein Haar verwildert. Die Wangen waren eingefallen, und die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Er schien weder zu sehen noch zu hören, was um ihn vorging, hatte einen Bleistift in der Hand und ein Blatt Papier auf dem Knie liegen und stierte in einemfort auf dasselbe nieder. Mit ihm hatte ich zunächst nichts zu tun. Er war willenlos. Darum wendete ich mich an seinen Verführer:
»Treffen wir uns endlich, Master Gibson? Hoffentlich bleiben wir von jetzt an für längere Zeit beisammen.«
Er lachte mir geradezu in das Gesicht und antwortete:
»Mit wem redet Ihr denn da, Sir?«
»Mit Euch natürlich!«
»Nun, so natürlich ist das wohl nicht. Ich ersehe nur aus Eurem Blicke, daß ich gemeint bin. Ihr nanntet mich Gibson, glaube ich?«
»Allerdings.«
»Nun, so heiße ich nicht.«
»Seid Ihr nicht in New Orleans vor mir davongelaufen?«
»Master, bei Euch rappelt es wohl unter dem Hute! Ich heiße nicht Gibson.«
»Ja, wer so viele Namen hat, kann sehr leicht einen von ihnen verleugnen. Nanntet Ihr Euch nicht in New-Orleans Clinton? Und in La Grange hießt Ihr wieder Sennor Gavilano?«
»Das ist allerdings mein richtiger und eigentlicher Name. Was wollt Ihr überhaupt von mir? Ich habe nichts mit Euch zu schaffen. Laßt mich in Ruhe! Ich kenne Euch nicht!«
»Glaube es. Ein Polizist kommt zuweilen in die Lage, nicht erkannt zu werden. Mit dem Leugnen entkommt Ihr mir nicht. Ihr habt Eure Rolle ausgespielt. Ich bin Euch nicht von New York aus bis hierher gefolgt, um mich von Euch auslachen zu lassen. Ihr werdet mir von jetzt an dahin folgen, wohin ich Euch führe.«
»O! Und wenn ich es nicht tue?«
»So werde ich Euch hübsch auf ein Pferd binden, und ich denke, daß das Tier mir dann gehorchen wird.«
Da fuhr er auf, zog den Revolver und schrie.
»Mann, sagt mir noch ein solches Wort, so soll Euch der Teufel auf – —«
Er kam nicht weiter. Old Death war hinter ihn getreten und schlug ihm den Gewehrkolben auf den Arm, daß er den Revolver fallen ließ.
»Führt nicht das große Wort, Gibson!« sagte der Alte. »Es befinden sich hier Leute, welche sehr im stande sind, Euch den großen Mund zu stopfen!«
Gibson hielt sich den Arm, wendete sich um und schrie:
»Herr, soll ich Euch das Messer zwischen die Rippen geben? Meint Ihr, weil Ihr Old Death heißt, soll ich mich vor Euch fürchten?«
»Nein, mein Junge, fürchten sollst du dich nicht; aber gehorchen wirst du. Wenn du noch ein Wort sagst, welches mir in die Nase fährt, so niese ich dich mit einer guten Büchsenkugel an. Hoffentlich wissen es uns die Gentlemen Dank, wenn wir sie von so einem Halunken befreien, wie Ihr seid.«
Sein Ton und seine Haltung waren nicht ohne Einfluß auf Gibson. Dieser meinte bedeutend kleinlauter:
»Aber, ich weiß ja gar nicht, was ihr wollt. Ihr verkennt mich. Ihr verwechselt mich mit einem Andern!«
»Das ist sehr unwahrscheinlich. Du hast ein so ausgesprochenes Spitzbubengesicht, daß es nie mit einem andern verwechselt werden kann. Und übrigens sitzt der Hauptzeuge gegen dich hier neben dir.«
Er deutete bei diesen Worten auf William Ohlert.
»Der? Ein Zeuge gegen mich?« fragte Gibson. »Das ist wieder ein Beweis, daß ihr mich verkennt. Fragt ihn doch einmal!«
Ich legte William die Hand auf die Schulter und nannte seinen Namen. Er erhob langsam den Kopf, stierte mich verständnislos an und sagte nichts.
»Master Ohlert, Sir William, hört Ihr mich nicht?« wiederholte ich. »Euer Vater sendet mich zu Euch.«
Sein leerer Blick blieb an meinem Gesichte haften, aber er sprach kein Wort. Da fuhr Gibson ihn in drohendem Tone an:
»Deinen Namen wollen wir hören. Nenne ihn sofort.«
Der Gefragte wendete den Kopf nach dem Sprecher und antwortete halblaut in ängstlichem Tone wie ein eingeschüchtertes Kind:
»Ich heiße Guillelmo.«
»Was bist du?«
»Dichter.«
Ich fragte weiter:
»Heißest du Ohlert? Bist du aus New York? Hast du einen Vater?« Aber alle Fragen verneinte er, ohne sich im mindesten zu besinnen. Man hörte, daß er abgerichtet war. Es war gewiß, daß, seit Ohlert sich in den Händen dieses raffinierten Mannes befand, sich sein Geist mehr und mehr umnachtet hatte.
»Da habt ihr euern Zeugen!« lachte der Bösewicht. »Er hat euch bewiesen, daß ihr euch auf einem falschen Wege befindet. Also habt die Gewogenheit, uns von jetzt an ungeschoren zu lassen!«
»Will ihn doch um etwas Besonderes fragen,« sagte ich. »Vielleicht ist sein Gedächtnis doch noch stärker als die Lügen, die ihr ihm eingepaukt habt.«
Mir war ein Gedanke gekommen. Ich zog die Brieftasche hervor. Ich hatte das Zeitungsblatt mit Ohlerts Gedicht in derselben, nahm es heraus und las langsam und mit lauter Stimme den ersten Vers. Ich glaubte, der Klang seines eigenen Gedichtes werde ihn aus seiner geistigen Unempfindlichkeit reißen. Aber er blickte fort und fort auf sein Knie nieder. Ich las den zweiten Vers, ebenso vergeblich. Dann den dritten:
»Kennst du die Nacht, die auf den Geist dir sinkt,
Daß er vergebens um Erlösung schreit,
Die schlangengleich sich ums Gedächtnis schlingt
Und tausend Teufel ins Gehirn dir speit?«
Die letzten beiden Zeilen hatte ich lauter als bisher gelesen. Er erhob den Kopf; er stand auf und streckte die Hände aus. Ich fuhr fort:
»O sei vor ihr ja stets in wachen Sorgen —
Denn diese Nacht allein hat keinen Morgen!«
Da schrie er auf, zu mir hinspringend und nach dem Blatte greifend. Ich ließ es ihm. Er bückte sich zu dem Feuer nieder und las selbst, laut, von Anfang bis zu Ende. Dann richtete er sich auf und rief in triumphierendem Tone, so daß es -weit durch das nächtliche stille Tal schallte:
»Gedicht von Ohlert, von William Ohlert, von mir, von mir selbst! Denn ich bin dieser William Ohlert, ich selbst. Nicht du heißest Ohlert, nicht du, sondern ich!«
Die letzten Worte waren an Gibson gerichtet. Ein fürchterlicher Verdacht stieg in mir auf. Gibson befand sich im Besitze von Williams Legitimationen – sollte er, trotzdem er älter als dieser war, sich für ihn ausgeben wollen? Sollte er —? Aber ich fand keine Zeit, diesen Gedanken auszudenken, denn der Häuptling kam, ganz die Ratsversammlung und seine Würde vergessend, herbeigesprungen, stieß William auf den Boden nieder und gebot:
»Schweig, Hund! Sollen die Apachen hören, daß wir uns hier befinden? Du rufst ja den Kampf und den Tod herbei!«
William Ohlert stieß einen unverständlichen Klageruf aus und sah mit einem stieren Blick zu dem Indianer empor. Das Aufflackern seines Geistes war plötzlich wieder erloschen. Ich nahm ihm das Blatt aus der Hand und steckte es wieder zu mir. Vielleicht gelang es mir mit Hilfe desselben später wieder, ihn zum Bewußtsein seiner selbst zu bringen.
»Zürne ihm nicht!« bat Old Death den Häuptling. »Sein Geist ist umnachtet. Er wird fortan ruhig sein. Und nun sage mir, ob diese beiden Männer die Topias sind, von denen du zu mir sprachest!«
Er deutete auf zwei indianisch gekleidete Gestalten, welche mit an dem Feuer der Weißen saßen.
»Ja, sie sind es,« antwortete der Gefragte. »Sie verstehen die Sprache der Comanchen nicht gut. Du mußt mit ihnen in der Sprache der Grenze reden. Aber sorgt dafür, daß dieser Weiße, dessen Seele nicht mehr vorhanden ist, sich still verhalte, sonst muß ich ihm den Mund verbinden lassen!«
Er kehrte wieder zu dem Feuer der Beratung zurück. Old Death entfernte sich noch nicht, ließ vielmehr seinen Blick scharf und forschend über die beiden Indianer gleiten und fragte den Ältesten von ihnen:
»Meine roten Brüder sind von dem Hochlande von Topia herabgekommen? Sind die Krieger, welche da oben wohnen, die Freunde der Comanchen?«
»Ja,« antwortete der Mann. »Wir leihen unsere Tomahawks den Kriegern der Comanchen.«
»Wie kommt es aber, daß eure Fährte vom Norden herbei führte, wo nicht eure Brüder wohnen, sondern diejenigen, -welche die Feinde der Comanchen sind, die Llanero- und Taraconapachen?«
Diese Frage schien den Indianer in Verlegenheit zu setzen, was man deutlich sehen konnte, weil weder er, noch sein Sohn eine Malerei im Gesicht trug. Er antwortete nach einer Weile:
»Mein weißer Bruder tut da eine Frage, welche er sich sehr leicht selbst beantworten kann. Wir haben das Kriegsbeil gegen die Apachen ausgegraben und sind nach Norden geritten, um den Aufenthaltsort derselben auszukundschaften.«
»Was habt ihr da gefunden?«
»Wir haben Winnetou gesehen, den größten Häuptling der Apachen. Er ist mit allen seinen Kriegern aufgebrochen, um den Krieg über den Rio Conchos zu tragen. Da kehrten wir zurück, dies den Unsern zu melden, damit dieselben sich beeilen möchten, über die Dörfer der Apachen herzufallen. Wir trafen dabei auf die Krieger der Comanchen und haben sie hierher geführt, damit auch sie das Verderben über unsere Feinde bringen möchten.«
»Die Comanchen werden euch dankbar dafür sein. Aber seit wann haben die Krieger der Topias vergessen, ehrliche Leute zu sein?«
Es war klar, daß der Alte irgend einen Verdacht gegen die Beiden hegte; denn er sprach zwar sehr freundlich mit ihnen, aber seine Stimme hatte eine eigentümliche Färbung, einen Klang, welchen ich stets an derselben beobachtet hatte, wenn er die heimliche Absicht hegte, jemand zu überlisten. Den vermeintlichen Topias waren seine Fragen sehr unbequem.
Der jüngere blitzte ihn mit feindseligen Augen an. Der ältere gab sich alle Mühe, freundlich zu antworten, doch hörte man, daß seine Worte nur widerstrebend über seine Lippen kamen.
»Warum fragt mein weißer Bruder nach unserer Ehrlichkeit?« sagte er jetzt. »Welchen Grund hat er, an ihr zu zweifeln?«
»Ich habe nicht die Absicht, euch zu kränken. Aber wie kommt es, daß ihr nicht bei den Kriegern der Comanchen sitzet, sondern euch hier bei den Bleichgesichtern niedergelassen habt?«
»Old Death fragt mehr, als er sollte. Wir sitzen hier, weil es uns so gefällt.«
»Aber ihr erweckt dadurch die Meinung, daß die Comanchen die Topias verachten. Es sieht ganz so aus, als ob sie Vorteil von euch ziehen wollen, euch aber nicht erlauben, bei ihnen zu sitzen.«
Das war eine Beleidigung. Der Rote brauste auf:
»Sprich nicht solche Worte, sonst hast du mit uns zu kämpfen. Wir haben bei den Comanchen gesessen und sind nun zu den Bleichgesichtern gekommen, um von ihnen zu lernen. Oder ist es vielleicht verboten, zu erfahren, wie es in den Gegenden und Städten der Weißen zugeht?«
»Nein; das ist nicht verboten. Aber ich an eurer Stelle würde vorsichtiger verfahren. Dein Auge hat den Schnee vieler Winter erblickt; darum solltest du wissen, was ich meine.«
»Wenn ich es nicht weiß, so sage es mir!« erklang es höhnisch. Da trat Old Death nahe zu ihm hin, bückte sich ein wenig zu ihm nieder und fragte in fast strengem Tone:
»Haben die Krieger der Comanchen mit euch die Pfeife des Friedens geraucht, und habt ihr auch den Rauch des Calumets durch eure Nasen geblasen?«
»Ja.«
»So seid ihr streng verpflichtet, nur das zu tun, was zu ihrem Vorteile dient.«
»Meinst du etwa, daß wir dies nicht tun wollen?«
Die Beiden sahen einander scharf in die Augen. Es war, als ob ihre Blicke sich umkrallen wollten, um miteinander zu ringen. Dann antwortete Old Death:
»Ich sehe es dir an, daß du mich verstanden und meine Gedanken erraten hast. Wollte ich dieselben aussprechen, so wäret ihr beide verloren.«
»Uff!« rief der Rote, indem er emporsprang und zu seinem Messer griff. Auch sein Sohn richtete sich drohend auf und zog den Tomahawk aus dem Gürtel. Old Death aber beantwortete diese feindlichen Bewegungen nur mit einem ernsten Kopfnicken und sagte:
»Ich bin überzeugt, daß ihr euch nicht lange bei den Comanchen befinden werdet. Wenn ihr zu denen zurückkehrt, welche euch ausgesandt haben, so sagt ihnen, daß wir ihre Freunde sind. Old Death liebt alle roten Männer und fragt nicht, zu welchem Stamme sie gehören.«
Da zischte ihm der Andere die Frage entgegen:
»Meinst du vielleicht, daß wir nicht zu dem Stamme der Topias gehören?«
»Mein roter Bruder mag bedenken, wie unvorsichtig es von ihm ist, diese Frage auszusprechen. Ich habe meine Gedanken verschwiegen, weil ich nicht dein Feind sein will. Warum verrätst du sie selbst? Stehst du nicht inmitten eines fünfhundertfachen Todes?«
Die Hand des Roten zuckte mit dem Messer, als ob er zustoßen wolle. »Sage mir also, wofür du uns hältst!« forderte er den Alten auf:
Dieser ergriff den Arm, dessen Hand das Messer hielt, zog den Indianer ein Stück beiseite, bis hin zu mir und sagte leise, doch so, daß ich es hörte, zu ihm die Worte: »Ihr seid Apachen!« Der Indianer trat einen Schritt zurück, riß seinen Arm aus der Hand des Alten, zückte das Messer zum Stoße und sagte.
»Hund, du lügst!«
Old Death machte keine Bewegung, den Stoß von sich abzuwehren. Er raunte dem Aufgeregten leise zu:
»Du willst den Freund Winnetous töten?«
War es der Inhalt dieser Worte oder war es der scharfe, stolze Blick des Alten, welcher die beabsichtigte Wirkung hervorbrachte, kurz und gut, der Indianer ließ den Arm sinken. Er näherte seinen Mund dem Ohre Old Deaths und sagte drohend:
»Schweig!«
Dann wendete er sich ab und setzte sich wieder nieder. Sein Gesicht war so ruhig und von undurchdringlichem Ausdrucke, als ob gar nichts geschehen sei. Er sah sich durchschaut, aber es war ihm nicht die geringste Spur von Mißtrauen oder Furcht anzusehen. Kannte er Old Death so genau, um ihm keinen Verrat zuzutrauen? Oder wußte er sich aus irgend einem andern Grunde sicher? Auch sein Sohn setzte sich ganz ruhig neben ihm nieder und steckte den Tomahawk wieder in den Gürtel. Die beiden Apachen hatten es gewagt, sich als Führer an die Spitze ihrer Todfeinde zu stellen, eine Kühnheit, welche bewundernswert war. Wenn ihre Absicht gelang, so waren die Comanchen dem sichern Verderben geweiht. Wir wollten nun die Gruppen verlassen, aber eine unter den Comanchen entstehende Bewegung veranlaßte uns, stehen zu bleiben. Wir sahen, daß die Beratung zu Ende war. Die Teilnehmer hatten sich erhoben, und den Roten war von ihrem Häuptlinge ein Befehl geworden, infolgedessen auch sie ihre Feuer verließen und einen dichten Kreis um dasjenige bildeten, an welchem wir uns befanden. Die Weißen wurden von ihnen eingeschlossen. Der »weiße Biber« trat in würdevoller Haltung in den Kreis und erhob den Arm, zum Zeichen, daß er sprechen wolle. Tiefes Schweigen herrschte rundum. Die Weißen ahnten noch nicht, was jetzt kommen werde. Sie waren aufgestanden. Nur die beiden vermeintlichen Topias blieben sitzen und blickten ruhig vor sich nieder, als ob der Vorgang sie gar nichts angehe. Auch William Ohlert saß noch auf seinem Platze und starrte auf den Bleistift, den er wieder in den Fingern hielt.
Jetzt begann der Häuptling in langsamer, schwer betonter Rede:
»Die Bleichgesichter sind zu den Kriegern der Comanchen gekommen und haben ihnen gesagt, daß sie ihre Freunde seien. Darum wurden sie von ihnen aufgenommen und haben mit ihnen die Pfeife des Friedens geraucht. Jetzt aber haben die Comanchen erfahren, daß sie von den Bleichgesichtern belogen wurden. Der »weiße Biber« hat alles, was für sie und was gegen sie spricht, genau abgewogen und mit seinen erfahrensten Männern beraten, was geschehen soll. Er ist mit ihnen darüber einig geworden, daß die Bleichgesichter uns belogen haben und unsere Freundschaft und unsern Schutz nicht länger verdienen. Darum soll von diesem Augenblicke an der Bund mit ihnen aufgehoben sein und die Feindschaft soll an die Stelle der Freundschaft treten.«
Er hielt für einen Augenblick inne. Der Offizier ergriff schnell die Gelegenheit, indem er fragte:
»Wer hat uns verleumdet? jedenfalls sind es die vier Männer gewesen, welche mit ihrem Schwarzen gekommen sind, eine Gefahr über uns heraufzubeschwören, welche wir nicht verdient haben. Es ist von uns bewiesen worden, und wir wiederholen es, daß wir Freunde der Comanchen sind. Die Fremden aber mögen den Beweis bringen, daß sie es ehrlich mit unsern roten Brüdern meinen! Wer sind sie, und wer kennt sie? Haben sie Böses über uns gesprochen, so verlangen wir, es zu erfahren, um uns verteidigen zu können. Wir lassen uns nicht richten, ohne angehört worden zu sein! Ich bin Offizier, also ein Häuptling unter den Meinen. Ich kann und muß verlangen, an jeder Beratung, welche über uns stattfinden soll, teilnehmen zu dürfen!«
»Wer hat dir die Erlaubnis gegeben, zu sprechen?« fragte der Häuptling in strengem, stolzem Tone. »Wenn der »weiße Biber« redet, so hat jeder zu warten, bis er ausgesprochen hat! Du verlangst, gehört zu werden. Du bist gehört worden, als Old Death vorhin mit dir sprach. Es ist erwiesen, daß ihr Krieger von Juarez seid. Wir aber sind Freunde von Napoleon; folglich seid ihr unsere Feinde. Du fragst, wer diese vier Bleichgesichter seien, und ich sage dir: sie sind tapfere, ehrliche Kriegen Wir kannten Old Death viele Winter vorher, bevor wir eure Gesichter erblickten. Du forderst, an unserer Beratung teilnehmen zu dürfen, Ich sage dir, daß selbst Old Death nicht die Erlaubnis dazu erhalten hat. Die Krieger der Comanchen sind Männer. Sie bedürfen nicht der List der Bleichgesichter, um zu wissen, was klug oder unklug, was richtig oder falsch ist. Ich bin jetzt zu euch getreten, um euch zu sagen, was wir beschlossen haben. Ihr habt das ruhig anzuhören und kein Wort dazu zu sagen, denn —«
»Wir haben das Calumet mit euch geraucht,« unterbrach ihn der Offizier. »Wenn ihr uns feindselig behandelt, so —«
»Schweig, Hund!« donnerte ihn der Häuptling an. »Du hattest jetzt eine Beleidigung auf den Lippen. Bedenke, daß ihr von über fünfhundert Kriegern umgeben seid, welche bereit sind, dieselbe augenblicklich zu rächen! Ihr habt das Calumet nur infolge einer Täuschung, einer Lüge bekommen. Aber die Krieger der Comanchen kennen den Willen des großen Geistes. Sie achten die Gesetze, welche bei ihnen herrschen, und wissen, daß ihr euch noch jetzt unter dein Schutze des Calumets befindet und daß sie euch als Freunde behandeln müssen, bis ihr aus demselben getreten seid. Rot ist der heilige Pfeifenton, aus welchem das Calumet geschnitten wird. Rot ist die Farbe des Lichtes, des Tages und der Flamme, mit welcher das Calumet in Brand gesteckt wird. Ist sie erloschen, so gilt der Friede, bis das Licht von neuem erscheint. Wenn das Licht des Tages beginnt, ist die Ruhe vorüber und unser Bund zu Ende. Bis dahin seid ihr unsere Gäste. Dann aber wird Feindschaft sein zwischen uns und euch. Ihr sollt hier sitzen und schlafen, und niemand wird euch berühren. Aber sobald der Tag zu grauen beginnt, sollt ihr davonreiten in der Richtung, aus welcher ihr mit uns gekommen seid. Ihr sollt einen Vorsprung haben von einer Zeit, welche ihr fünf Minuten nennt; dann werden wir euch verfolgen. Ihr sollt bis dahin alles behalten und mitnehmen dürfen, was euch gehört; dann aber werden wir euch töten und es uns holen. Die beiden aber unter euch, welche Old Death für sich haben will, sollen zwar auch bis dahin unsere Gäste sein, weil sie auch das Calumet mit uns rauchten; aber sie werden nicht mit euch reiten dürfen, sondern hier bleiben als Gefangene Old Deaths, welcher mit ihnen machen kann, was ihm beliebt. Das ist der Beschluß, den ihr hören sollt. Der »weiße Biber«, der Häuptling der Comanchen, hat gesprochen!«
Er wendete sich ab.
»Was?« rief Gibson. »Ich soll ein Gefangener dieses alten Mannes sein? Ich werde —«
»Seid still!« unterbrach ihn der Offizier. »Es ist an den Anordnungen des Häuptlings nichts mehr zu ändern. Ich kenne die Roten. Übrigens bin ich überzeugt, daß der gegen uns gezielte Schlag auf die Verleumder zurückfallen wird. Noch ist es nicht Morgen. Bis dahin kann sehr viel geschehen. Vielleicht ist die Rache näher, als man denkt.«
Sie setzten sich wieder nieder, wie sie vorhin gesessen hatten. Die Comanchen aber nahmen ihre Sitze nicht wieder ein, sondern verlöschten ihre Feuer und lagerten sich in einem vierfachen Kreis um die Weißen, so daß diese von allen Seiten eingeschlossen waren. Old Death nahm mich aus diesem Kreise hinaus. Er wollte rekognoszieren gehen.
»Meint Ihr, daß wir Gibson nun sicher haben, Sir?« fragte ich ihn.
»Wenn nicht etwas Unerwartetes geschieht, so kann er uns nicht entgehen,« antwortete er.
»Am allerbesten wäre es wohl, wir bemächtigten uns der Beiden sofort?«
»Das ist unmöglich. Die verteufelte Friedenspfeife macht uns zu schaffen. Vor dem Anbruche der Morgenröte werden die Comanchen nicht dulden, daß wir Hand an Gibson legen. Dann aber können wir ihn kochen oder braten, mit oder ohne Gabel verzehren, ganz wie es uns beliebt.«
»Ihr spracht von etwas Unerwartetem. Befürchtet ihr so etwas?«
»Leider! Ich kalkuliere, daß sich die Comanchen von den beiden Apachen in eine gefährliche Falle haben locken lassen.«
»So haltet Ihr sie in der Tat für Apachen?«
»Ihr sollt mich aufhängen dürfen, wenn sie keine sind. Zunächst kam es mir verdächtig vor, als ich hörte, daß zwei Topias vom Rio Conchos her gekommen seien. Das darf man wohl einem roten Comanchen, nicht aber so einem alten Scout weismachen, wie ich bin. Als ich sie dann sah, wußte ich sofort, daß mein Verdacht mich nicht irre geführt habe. Die Topias gehören zu den halbzivilisierten Indianern. Sie haben einen weichen, verschwommenen Gesichtsausdruck. Nun seht Euch dagegen diese scharfen, spitzen, kühn geschnittenen Züge der zwei Roten an! Und gar dann, als ich sie sprechen hörte! Sie verrieten sich sofort durch die Aussprache. Und dann, als ich dem Einen ins Gesicht sagte, daß er ein Apache sei, hat mir da nicht sein ganzes Verhalten recht gegeben?«
»Könnt Ihr Euch nicht täuschen?«
»Nein. Er nannte Winnetou den »größten Häuptling der Apachen«. Wird ein Feind der Apachen sich eines Ausdruckes bedienen, welcher eine solche Ehre und Auszeichnung enthält? Ich wette mein Leben, daß ich mich nicht irre.«