Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 18
»So werden die Weißen nicht mitreiten? ich hatte sie für kühne Leute gehalten!«
»Wir sind es. Aber wir sind auch vorsichtig. Wir sind die Gäste der Comanchen. Wann ist bei ihnen die Sitte aufgekommen, ihre Gäste, die sie doch beschützen sollten, grad an die Spitze zu stellen, wo der Tod unvermeidlich ist? Mein Bruder ist schlau, aber wir sind nicht dumm. Auch mein Bruder ist ein sehr tapferer Krieger, und darum bin ich überzeugt, daß er seinen Leuten voranreiten wird, denn das ist die Stelle, wohin er gehört.«
Der Rote wurde verlegen. Seine Absicht, uns zu opfern, um sich zu retten, war sehr unverfroren. Als er sah, daß er bei uns nicht durchkam, wurde er nicht nur verlegen, sondern auch zornig. Sein bisher ruhiger Ton wurde strenger, als er sich erkundigte:
»Was werden die Bleichgesichter tun, wenn die Comanchen fort sind? Werden sie sich etwa den Apachen anschließen?«
»Wie wäre das möglich, da mein Bruder die Apachen doch vernichten will! Es sind dann also gar keine vorhanden, denen wir uns anschließen könnten.«
»Aber es werden welche nachkommen. Wir dürfen nicht dulden, daß die Bleichgesichter hier zurückbleiben. Sie müssen mit uns fort.«
»Ich habe bereits gesagt, daß wir bleiben.«
»Wenn die Weißen nicht mit uns gehen, müssen wir sie als unsere Feinde betrachten.«
»Und wenn die Roten uns als solche ansehen, werden wir sie auch als Feinde behandeln.«
»Wir werden ihnen ihre Pferde nicht geben.«
»Und wir haben sie uns bereits genommen. Da werden sie uns eben gebracht.«
In der Tat kamen unsere Freunde gerade mit unsern Pferden heran. Der Häuptling zog die Brauen finster zusammen und sagte:
»So haben die Weißen also bereits ihre Vorkehrungen getroffen. Ich sehe, daß sie uns feindlich gesinnt sind, und werde sie von meinen Kriegern gefangen nehmen lassen.«
Der Scout ließ ein kurzes, unheimlich klingendes Lachen hören und antwortete:
»Der Häuptling der Comanchen täuscht sich sehr in uns. Ich habe dem »weißen Biber« bereits gesagt, daß wir hier bleiben werden. Wenn wir diesen Entschluß nun ausführen, so enthält er nur das, was ich gesagt habe, aber nicht die mindeste Feindseligkeit gegen die Comanchen. Es ist also gar kein Grund vorhanden, uns gefangen zu nehmen.«
»Wir werden es aber dennoch tun, wenn die Weißen mir nicht sofort versprechen, mit uns zu reiten und sich an unsere Spitze zu stellen.«
Der Blick Old Deaths schweifte forschend umher. Über sein Gesicht glitt jenes Grinsen, welches bei ihm stets anzeigte, daß er im Begriffe stehe, jemandem eine Schlappe beizubringen. Wir drei standen am Feuer. Wenige Schritte von uns hielten die Andern mit den Pferden. Kein einziger Comanche befand sich mehr in der Nähe. Sie waren alle zu ihren Pferden gegangen. Old Death sagte in deutscher Sprache, so daß der Comanche seine Worte nicht verstehen konnte:
»Wenn ich ihn niederschlage, dann schnell auf die Pferde und mir nach, dem Eingange des Tales zu, denn die Comanchen befinden sich auf der andern Seite.«
»Mein Bruder mag nicht diese Sprache reden. Ich will wissen, was er seinen Gefährten zu sagen hat.«
»Das soll der Häuptling sofort erfahren. Ihr habt heute wiederholt meinen Rat mißachtet und seid durch den darauf folgenden Schaden selbst jetzt noch nicht klug geworden. Ihr geht dem sicheren Tode entgegen und wollt uns zwingen, euch und uns selbst hineinzuführen. Ihr kennt, wie es scheint, Old Death noch immer nicht. Meinst du, ich ließe mich zwingen, etwas zu tun, was ich zu unterlassen beschlossen habe? Ich sage dir, daß ich mich weder vor dir noch all deinen Comanchen fürchte. Du willst uns gefangen nehmen? Merkst du denn nicht, daß du dich in meiner Hand befindest. Sich diese Waffe! Nur die kleinste Bewegung, so schieße ich dich nieder!«
Er hielt ihm den Revolver entgegen. Der Indianer wollte nach seinem Messer greifen; aber sofort saß ihm Old Deaths Waffe auf der Brust.
»Die Hand weg!« donnerte ihn der Alte an. Jener ließ die Hand sinken.
»So! Ich mache keinen Spaß mit dir. Du zeigst dich als Feind von uns, und so gebe ich dir die Kugel, wenn du mir nicht augenblicklich gehorchst!«
Die bemalten Züge des Roten kamen in Bewegung. Er blickte sich forschend um, aber Old Death bemerkte:
»Suche nicht Hilfe von deinen Leuten! Selbst wenn sie sich hier befänden, würde ich dich niederschießen. Deine Gedanken sind so schwach, wie diejenigen eines alten Weibes, dessen Gehirn vertrocknet ist. Du bist von Feinden eingeschlossen, denen ihr unterliegen müßt, und doch schaffst du dir in. uns weitere Feinde, welche noch mehr zu fürchten sind, als die Apachen. Wie wir bewaffnet hier stehn, schießen wir hundert von euch nieder, bevor ein Pfeil von euch uns erreichen kann. Willst du deine Leute mit aller Gewalt in den Tod führen, so tue es. Für uns aber gelten deine Befehle nicht.«
Der Indianer stand eine kurze Weile schweigend. Dann sagte er:
»Mein Bruder muß bedenken, daß meine Worte nicht so gemeint waren!«
»Ich nehme deine Worte, wie sie klingen. Was du mit denselben meinst, das geht mich nichts an.«
»Nimm deine Waffe weg, und wir wollen Freunde bleiben!«
»Ja, das können wir. Aber bevor ich die Waffe von deiner Brust nehme, muß ich Sicherheit haben, daß es mit deiner Freundschaft ehrlich gemeint ist.«
»Ich habe es gesagt, und mein Wort gilt.«
»Und soeben noch sprachst du davon, daß du deine Worte anders meinst, als sie klingen. Man kann sich also auf deine Rede und dein Versprechen nicht verlassen.«
»Wenn du mir nicht glaubst, so kann ich dir keine weitere Sicherheit geben.«
»O doch. Ich verlange von dir, daß du mir deine Friedenspfeife gibst und – —«
»Uff!« rief der Indianer, ihn erschrocken unterbrechend. »Das Calumet gibt man nicht weg.«
»Ich bin damit aber noch gar nicht zufrieden. Ich verlange nicht nur dein Calumet, sondern auch deine Medizin.«
»Uff, uff, uff! Das ist unmöglich!«
»Du sollst mir beides nicht für immer geben, nicht schenken. In dem Augenblicke, in welchem wir uns friedlich trennen, erhältst du es wieder.«
»Kein Krieger gibt seinen Medizinbeutel aus der Hand!«
»Und doch verlange ich ihn. Ich kenne eure Sitte. Habe ich dein Calumet und deine Medizin, so bin ich du selbst und jede Feindseligkeit gegen uns würde dich um die Freuden der ewigen Jagdgründe bringen.«
»Und ich gebe sie nicht her!«
»Nun, so sind wir also fertig. Ich werde dir jetzt die Kugel geben und dir dann auch deinen Skalp nehmen, so daß du nach deinem Tode mein Hund und Sklave wirst. Ich werde meine linke Hand dreimal erheben. Beim drittenmal schieße ich, wenn du mir nicht gehorchst.«
Er erhob die Hand zum ersten-, und zum zweitenmal, während er mit der Rechten den Revolver noch immer auf das Herz des Roten gerichtet hielt. Schon war die dritte Handbewegung halb vollendet, da sagte der Indianer:
»Warte! Wirst du mir beides wiedergeben?«
»Ja.«
»So sollst du es haben. Ich werde —«
Er erhob die Hände, wie um nach dem Medizinbeutel und der Pfeife, welche beide er um den Hals hängen hatte, zu greifen.
»Halt!« fiel Old Death ihm in die Rede. »Nieder mit den Händen, sonst schieße ich! Ich traue dir erst dann, wenn ich diese beiden Gegenstände wirklich besitze. Mein Gefährte mag sie dir von dem Halse nehmen, um sie mir an den meinigen zu hängen.«
Der Comanche ließ die Hände wieder sinken. Ich nahm ihm die Sachen ab und hing sie Old Death um, worauf dieser den ausgestreckten Arm mit dem Revolver zurückzog.
»So!« sagte er. »Jetzt sind wir wieder Freunde, und mein Bruder mag nun tun, was ihm beliebt. Wir werden hier zurückbleiben, um abzuwarten, wie der Kampf ausfällt!«
Der Häuptling hatte wohl noch nie eine solche Wut wie jetzt gefühlt. Seine Hand fuhr nach dem Messer, aber er wagte doch nicht, dasselbe herauszuziehen. Doch tat er wenigstens das Eine, in zischendem Tone hervorzustoßen:
»Die Bleichgesichter sind jetzt sicher, daß ihnen nichts geschieht, aber sobald sie mir das Calumet und die Medizin zurückgegeben haben, wird Feindschaft zwischen ihnen und uns sein, bis sie am Marterpfahle gestorben sind!«
Er wendete sich um und eilte von dannen.
»Wir sind jetzt so sicher wie in Abrahams Schoß,« sagte der Scout, »trotzdem aber wollen wir keine Vorsichtsmaßregel unterlassen. Wir bleiben nicht hier beim Feuer, sondern ziehen uns nach dem Hintergrunde des Tales zurück und warten da ganz ruhig ab, was nun geschehen wird. Kommt, Mesch‘schurs, nehmt die Pferde mit!«
Jeder nahm sein Pferd am Zügel. So begaben wir uns in die bezeichnete Gegend, wo wir die Pferde anpflockten und uns am Fuße der Talwand unter den Bäumen niederließen. Das Feuer leuchtete vom verlassenen Lagerplatze her. Rundum herrschte tiefe Stille.
»Warten wir die Sache ab,« sagte der Scout. »Ich vermute, daß der Tanz sehr bald beginnen wird. Die Comanchen werden unter einem satanischen Geheul losbrechen, aber mancher von ihnen wird seine Stimme zum letztenmal erhoben haben. Da – da habt ihr es ja schon!«
Das Geheul, von welchem er gesprochen hatte, erhob sich jetzt, als ob eine Herde wilder Tiere losgelassen worden sei.
»Horcht! Hört ihr einen Apachen antworten?« fragte der Alte. »Gewiß nicht. Die sind klug und machen ihre Arbeit in aller Stille ab.«
Die Felswände gaben das Kriegsgeschrei in vervielfachter Stärke zurück, ebenso wiederholte das Echo die beiden Schüsse, welche jetzt fielen.
»Das ist wieder Winnetous Silberbüchse,« sagte der Scout, »ein sicheres Zeichen, daß die Comanchen angehalten werden.«
Wenn abgeschossene Pfeile und geworfene Lanzen einen Schall oder Knall verursachten, so wäre das Tal ganz gewiß jetzt von einem wilden Getöse erfüllt gewesen. So hörten wir nur die Stimmen der Comanchen und die fortgesetzten Schüsse Winnetous. Das dauerte wohl gegen zwei Minuten. Dann aber erklang ein mark- und beindurchdringendes »Iwiwiwiwiwiwi« zu uns herüber.
»Das Apachen sein!« jubelte Sam. »Haben gesiegt und Comanchen zurückgeschlagen.«
Jedenfalls hatte er recht; denn als dieses Siegesgeheul verklungen war, trat tiefe Stille ein, und zu gleicher Zeit sahen wir am Feuer die Gestalten von Reitern erscheinen, zu denen sich mehrere und immer mehrere gesellten. Es waren die Comanchen. Der Durchbruch war nicht gelungen. Für einige Zeit herrschte beim Feuer eine außerordentliche Verwirrung. Wir sahen, wie Menschen herbeigetragen wurden, welche tot oder verwundet waren, und das bereits erwähnte Klagegeheul hob jetzt von neuem an. Old Death rückte in größtem Ärger auf seinem Platze hin und her und schimpfte in allen Tonarten über die Unvernunft der Comanchen. Nur eins erwähnte er beifällig, nämlich, daß sie eine Schar von Posten in der Richtung der beiden Ausgänge fortschickten, denn das war eine ganz nötige Vorsichtsmaßregel. Als nach langer Zeit die Totenklagen verstummt waren, schienen die Comanchen sich zu einer Beratung niedergesetzt zu haben. Von da an verging wohl eine halbe Stunde; dann sahen wir mehrere der Krieger sich von dem Lager entfernen und in der Richtung nach der hintern Seite des Tales zerstreuen, wo wir uns befanden.
»Jetzt werden wir gesucht,« sagte Old Death. »Sie haben wohl eingesehen, welche Dummheiten sie begangen haben, und werden nicht zu stolz sein, auf unsern Rat zu hören.«
Einer der ausgesandten Boten kam in unsere Nähe. Old Death hustete leise. Der Mann hörte es und kam herbei.
»Sind die Bleichgesichter hier?« fragte er. »Sie sollen an das Feuer kommen.«
»Wer sendet dich?«
»Der Häuptling.«
»Was sollen wir dort?«
»Eine Beratung soll abgehalten werden, an welcher die Bleichgesichter diesesmal teilnehmen dürfen.«
»Dürfen? Wie gütig von euch! Sind wir es endlich einmal wert, von den klugen Kriegern der Comanchen angehört zu werden? Wir liegen hier, um zu ruhen. Wir wollen schlafen. Sage das dem Häuptlinge! Eure Feindschaft mit den Apachen ist uns von jetzt an sehr gleichgültig.«
Jetzt legte sich der Rote aufs Bitten. Das blieb nicht ohne Erfolg auf den gutherzigen Alten, denn er sagte:
»Nun wohl, wenn ihr ohne unsern Rat keinen Weg der Rettung findet, so sollt ihr ihn haben. Aber es beliebt uns nicht, uns von eurem Häuptlinge kommandieren zu lassen. Sage ihm, daß er her zu uns kommen solle, wenn er mit uns sprechen will.«
»Das tut er nicht, denn er ist ein Häuptling.«
»Höre, Mann, ich bin ein viel größerer und berühmterer Häuptling als er. Ich kenne nicht einmal seinen Namen. Sag ihm das!«
»Auch kann er nicht gehen, selbst wenn er wollte, weil er am Arm verwundet ist.«
»Seit wann gehen die Söhne der Comanchen nicht mehr auf den Beinen, sondern auf den Armen? Wenn er nicht zu uns kommen will, so mag er bleiben, wo er ist. Wir brauchen ihn und euch alle nicht!«
Das war in einem so entschiedenen Tone gesprochen, daß der Rote nun doch meinte:
»Ich werde ihm die Worte Old Deaths mitteilen. Vielleicht kommt er doch.«
»So sage ihm aber, daß er allein kommen soll. Zu einer langen Beratung unter vielen habe ich keine Lust. Nun gehe!«
Der Mann entfernte sich. Wir sahen ihn nach dem Feuer gehen und dort in den Kreis der Krieger treten. Eine geraume Zeit verging, ehe etwas geschah. Endlich sahen wir, daß eine Gestalt sich in der Mitte der Sitzenden erhob, das Lagerfeuer verließ und auf uns zukam. Er trug Adlerfedern auf dem Kopfe.
»Schaut, er hat dem toten »weißen Biber« den Häuptlingsschmuck abgenommen und sich selbst angelegt. Jetzt wird er mit größter Grandezza herbeisteigen.«
Als der Häuptling näher kam, sahen wir, daß er allerdings den linken Arm in einem Riemen trug. Der Ort, an welchem wir uns befanden, mußte ihm ganz genau beschrieben worden sein, denn er kam grad auf denselben zu und blieb vor uns stehen. Er hatte wohl erwartet, angeredet zu werden, denn er sagte nichts. Old Death aber blieb ruhig liegen und schwieg. Wir Andern verhielten uns natürlich ganz ebenso.
»Mein weißer Bruder ließ mich bitten, zu ihm zu kommen?« fragte der Rote nun doch.
»Old Death hat nicht nötig, zu einer Bitte niederzusteigen. Du wolltest mit mir sprechen. Also du bist es, welcher zu bitten hat, wenn überhaupt von einer Bitte die Rede sein kann. Jetzt aber werde ich dich sehr höflich ersuchen, mir deinen Namen zu sagen. Ich kenne ihn noch nicht.«
»Er ist bekannt über die ganze Prairie. Ich werde der »flinke Hirsch« genannt.«
»Ich bin auf allen Prairien gewesen, habe aber trotzdem diesen Namen nicht gehört. Du mußt sehr heimlich damit umgegangen sein. Nun aber, da ich ihn gehört habe, erlaube ich dir, dich zu uns zu setzen.«
Der Häuptling trat einen Schritt zurück. Erlauben wollte er sich nichts lassen; aber er fühlte sehr wohl, daß die Umstände ihn zwangen, nachzugeben. Darum ließ er sich langsam und gravitätisch Old Death gegenüber nieder, und nun erst richteten wir uns in sitzende Stellung auf. Erwartete der Comanche, daß der Scout das Gespräch beginnen werde, so hatte er sich geirrt. Letzterer behielt seine angenommene Gleichgültigkeit bei, und der Rote mußte anfangen:
»Die Krieger der Comanchen wollen eine große Beratung abhalten, und die Bleichgesichter sollen an derselben teilnehmen, damit wir ihren Rat hören.«
»Das ist überflüssig. Ihr habt meinen Rat schon oft gehört und doch nie befolgt. Ich aber bin gewohnt, daß meine Worte Beachtung finden, und so werde ich von jetzt an meine Gedanken für mich behalten!«
»Will mein Bruder wohl bedenken, daß wir seiner Erfahrung bedürfen!«
»Ah, endlich! Haben die Apachen euch belehrt, daß Old Death doch klüger war, als alle fünfhundert Comanchen? Wie ist euer Angriff ausgefallen?«
»Wir konnten nicht durch den Ausgang, denn er war mit Steinen, Sträuchern und Bäumen versperrt.«
»Dachte es mir! Die Apachen haben die Bäume mit ihren Tomahawks gefällt, und ihr hörtet es nicht, weil ihr eure Toten zu laut beklagtet. Warum habt ihr das Feuer nicht verlöscht? Seht ihr denn nicht ein, daß ihr euch dadurch in großen Schaden bringt?«
»Die Krieger der Comanchen mußten tun, was beraten worden war. Jetzt wird man etwas Klügeres beschließen. Du wirst doch mit uns sprechen?«
»Aber ich bin überzeugt, daß ihr meinen Rat abermals nicht befolgen werdet.«
»Wir befolgen ihn.«
»Wenn du mir das versprichst, so bin ich bereit, ihn euch zu geben.«
»So komme mit mir zum Feuer!«
»Ich danke! Dorthin komme ich nicht. Es ist eine große Unvorsichtigkeit, ein Feuer zu unterhalten, denn da können die Apachen sehen, was bei euch geschieht. Auch habe ich keine Lust, mich mit deinen Roten herumzustreiten. Ich werde sagen, was ich denke, und du kannst tun, was dir beliebt.«
»So sage es!«
»Die Apachen befinden sich nicht nur an den beiden Ausgängen des Tales, sondern sie sind im Tale selbst. Sie haben sich da vorn festgesetzt und die Ausgänge verbarrikadiert. So können sie sich nach links und rechts wenden, ganz wie es ihnen nötig erscheint. Sie zu vertreiben, ist unmöglich.«
»Wir sind ihnen ja weit überlegen.«
»Wie viele Krieger habt ihr bereits eingebüßt?«
»Der große Geist hat viele von uns zu sich gefordert. Es sind schon über zehnmal zehn. Und auch Pferde sind zu Grunde gegangen.«
»So dürft ihr in dieser Nacht nichts mehr unternehmen, weil es euch grad so ergehen würde, wie das letztemal. Und am Tage werden die Apachen sich so aufstellen, daß sie euch mit ihren Waffen, ihr aber nicht sie mit den eurigen erreichen könnt. Dann werden auch die Scharen eintreffen, nach denen Winnetou gesandt hat, und es sind nachher mehr Apachen als Comanchen vorhanden. Ihr seid dem Tode geweiht.«
»Ist das wirklich die Meinung meines Bruders? Wir werden seinen Rat befolgen, wenn er uns zu retten vermag.«
»Da du von Rettung sprichst, so hast du hoffentlich eingesehen, daß ich recht hatte, als ich dieses Tal eine Falle nannte. Wenn ich über die Sache nachdenke, so finde ich zwei Wege, auf denen die Rettung versucht werden könnte, aber auch nur versucht, denn ob sie wirklich gelingen wird, das kann ich nicht wissen. Der erste ist, daß ihr versucht, ob es möglich ist, an den Felsen empor zu klettern. Aber ihr müßtet dafür den Anbruch des Tages abwarten; die Apachen würden euch somit sehen und sich jenseits des Tales auf euch werfen. Dort sind sie euch überlegen, weil ihr eure Pferde nicht mitnehmen könnt. Es gibt also nur noch ein Mittel, euch zu retten. Tretet in Unterhandlung mit den Apachen!«
»Das tun wir nicht!« brauste der Häuptling auf. »Die Apachen würden unsern Tod verlangen.«
»Das verdenke ich ihnen auch nicht, weil ihr ihnen Grund dazu gegeben habt. Ihr habt mitten im Frieden ihre Dörfer Überfallen, ihre Habe geraubt, ihre Weiber und Töchter fortgeführt und ihre Krieger getötet oder zu Tode gemartert. Ihr habt dann ihren Abgesandten das Wort gebrochen und sie ermordet. So schändliche Taten schreien um Rache, und es ist darum gar kein Wunder, daß ihr keine Gnade von den Apachen zu erwarten habt. Du siehst das selbst ein und gibst damit‘ zu, daß ihr ganz unverantwortlich an ihnen gesündigt habt.«
Das war höchst aufrichtig gesprochen, so aufrichtig, daß der Häuptling für eine ganze Weile verstummte.
»Uff!« stieß er dann hervor. »Das sagst du mir – mir, dem Häuptling der Comanchen!«
»Ich würde es dir sagen, auch wenn du der große Geist selber wärest. Es war eine Schändlichkeit von euch, in dieser Weise an den Apachen zu handeln, welche euch nichts zugefügt hatten. Was taten euch ihre Gesandten, daß ihr sie tötetet? Was taten sie euch wieder, daß ihr den jetzigen Kriegszug unternehmt, um Tod, Verderben und Schande über sie zu bringen? Antworte mir!«
Der Indianer stieß erst nach längerer Zeit grimmig hervor:
»Sie sind unsere Feinde.«
»Nein. Sie lebten im Frieden mit euch, und kein Abgesandter von euch hat ihnen die Botschaft gebracht, daß ihr das Kriegsbeil gegen sie ausgegraben habt. Ihr seid euch eurer Schuld sehr wohl bewußt. Darum hegst du die Überzeugung, daß ihr keine Gnade zu erwarten habt. Und doch wäre es möglich, einen leidlichen Frieden mit ihnen zu schließen. Es ist ein Glück für euch, daß Winnetou ihr Anführer ist, denn er trachtet nicht nach Blut. Er ist der einzige Häuptling der Apachen, welcher sich vielleicht zur Milde gegen euch entschließen könnte. Sendet einen Mann an ihn, um eine Unterhandlung herbeizuführen. Ich selbst will mich sogar bereit finden lassen, zu gehen, um ihn nachgiebig für euch zu stimmen.«
»Die Comanchen werden lieber sterben, als die Apachen um Gnade bitten.«
»Nun, das ist eure Sache. Ich habe dir jetzt meinen Rat erteilt. Ob du ihn befolgest oder nicht, das ist mir außerordentlich gleichgültig.«
»Weiß mein Bruder keine andere Hilfe? Er redet zu Gunsten der Apachen; also ist er ein Freund derselben.«
»Ich bin allen roten Männern wohlgesinnt, so lange sie mich nicht feindselig behandeln. Die Apachen haben mir nicht das geringste Leid getan. Warum soll ich ihr Feind sein? Aber ihr habt uns feindselig behandeln wollen. Du wolltest uns gefangen nehmen. Nun wäge ab, wer größeres Anrecht auf unsere Freundschaft hat, ihr oder sie!«
»Du trägst mein Calumet und meinen Medizinbeutel, also ist das, was du sagst, grad so, als ob es meine Worte seien.
Darum darf ich dir nicht die Antwort geben, welche ich dir geben möchte. Dein Rat taugt nichts. Du hast damit die Absicht, uns in die Hände der Apachen zu bringen. Wir werden nun selbst wissen, was wir zu tun haben.«
»Nun, wenn ihr das wißt, warum willst du dann meinen Rat haben? Wir sind fertig und haben nichts mehr zu besprechen.«
»Ja, wir sind fertig,« stimmte der Comanche bei. »Aber bedenke wohl, daß du trotz des Schutzes, unter welchem du jetzt noch stehst, unser Feind bist. Du darfst mein Calumet und meine Medizin nicht behalten. Du wirst sie hergeben müssen, ehe wir diesen Ort verlassen, und dann wird alles über dich kommen, was du veranlaßt hast.«
»Well! Ich bin einverstanden. Was über mich kommen soll, erwarte ich mit großer Ruhe. Du hast Old Death gedroht. Ich wiederhole, daß wir mit einander fertig sind, und du kannst gehen.«
»Uff!« stieß der Häuptling wild hervor. Dann wendete er sich ab und kehrte gemessenen Schrittes nach dem Feuer zurück.
»Diese Kerls sind wirklich wie vor den Kopf geschlagen,« zürnte Old Death hinter ihm her. »Sie können sich wirklich nur dadurch retten, daß sie um Frieden bitten. Anstatt dies zu tun, bauen sie noch immer auf ihre Überzahl. Aber wie die Verhältnisse jetzt liegen, ist Winnetou allein für hundert Mann zu rechnen. Das werdet Ihr nicht glauben, weil Ihr ein Neuling im wilden Westen seid und also gar nicht ahnt, was unter Umständen ein einziger tüchtiger Kerl zu bedeuten hat. Ihr solltet zum Beispiel nur wissen, was dieser junge Apache mit: seinem weißen Freunde Old Shatterhand ausgeführt hat. Habe ich Euch schon davon erzählt?«
Er nannte meinen Namen jetzt zum ersten Male.
»Nein,«antwortete ich. »Wer ist dieser Old Shatterhand?«
»Ein grad so junger Mann, aber doch ein ganz anderer Kerl als Ihr. Schlägt alle Feinde mit der Faust zu Boden, schießt mit dem Teufel um die Wette und ist ein Pfiffikus, an den kein Anderer kommt.«
Da raschelte es leise hinter uns, und eine unterdrückte Stimme sagte:
»Uff! Old Death hier? Das habe ich nicht gewußt. Wie freu‘ich mich darüber!«
Der Alte drehte sich erschrocken um, zog sein Messer schnell und fragte:
»Wer ist da? Wer wagt es, uns hier zu belauschen?«
»Mein alter, weißer Bruder mag das Messer in seinem Gürtel lassen; er wird doch Winnetou nicht stechen wollen!«
»Winnetou? Alle Teufel! Allerdings nur Winnetou konnte es fertig bringen, sich hinter Old Death zu schleichen, ohne von ihm bemerkt zu werden. Das ist ein Meisterstück, welches ich mir nicht getraue, nachzumachen!«
Der Apache kam vollends herangekrochen und antwortete, ohne sich merken zu lassen, daß er mich kannte:
»Der Häuptling der Apachen hat keine Ahnung davon gehabt, daß Old Death hier ist, sonst hätte er sich schon eher zu ihm geschlichen und mit ihm gesprochen.«
»Aber du begibst dich ja in eine ganz außerordentliche Gefahr! Du hast dich durch die Posten und dann noch bis hierher schleichen müssen und mußt auch wieder zurück.«
»Nein, das habe ich nicht. Die Bleichgesichter sind meine Freunde, und ich kann ihnen mein Vertrauen schenken. Dieses Tal liegt im Gebiete der Apachen, und Winnetou hat es zu einer Falle eingerichtet für Feinde, welche etwa bei uns eindringen wollen. Diese Felswände sind nicht so unwegbar, wie es scheint. Die Apachen haben einen schmalen Pfad angelegt, welcher in der Höhe mehrerer Männer rund um das Tal läuft. Durch einen Lasso kommt man leicht hinauf und wieder herab. Die Comanchen sind durch meine Kundschafter in diese Falle gelockt worden und sollen darin untergehen.«
»Ist ihr Tod denn wirklich beschlossen?«
»Ja. Winnetou hat dein Gespräch mit dem Häuptling gehört und aus demselben ersehen, daß du dich zur Seite der Apachen neigest. Du hast gesagt, was die Comanchen an uns verbrochen haben, und gibst es zu, daß wir diesen vielfältigen Mord zu rächen haben.«
»Aber müssen deswegen Ströme Blutes fließen?«
»Du hast selbst gehört, daß die Comanchen weder ihre Sünde bekennen, noch das tun wollen, was du ihnen rietest und was die Klugheit ihnen gebietet. So mag nun ihr Blut über sie selbst kommen. Die Apachen werden ein Beispiel geben, wie sie den Verrat zu bestrafen wissen. Das müssen sie tun, um vor Wiederholungen sicher zu sein.«
»Es ist grauenhaft! Doch fühle ich keinen Beruf, meinen Rat abermals vor Ohren hören zu lassen, welche desselben gar nicht zu bedürfen vermeinen.«
»Du würdest abermals nicht gehört. Ich vernahm aus deinen Worten, daß du die Heiligtümer des Häuptlings besitzest. Wie bist du zu ihnen gekommen?«
Old Death erzählte es. Als er geendet hatte, sagte Winnetou:
»Da du ihm versprochen hast, sie ihm wiederzugeben, so mußt du dein Wort halten. Du wirst sie ihm gleich jetzt geben und zu uns kommen. Ihr werdet als Freunde bei uns aufgenommen werden.«
»Gleich jetzt sollen wir zu euch kommen?«
»Ja. In drei Stunden werden über sechshundert Krieger der Apachen hier ankommen. Viele von ihnen haben Gewehre. Ihre Kugeln streichen über das Tal weg, und euer Leben ist nicht mehr sicher.«
»Aber wie sollen wir es anfangen, zu euch zu kommen?«
»Das fragt Old Death?«
»Hm, ja! Wir setzen uns auf die Pferde und reiten zum Lagerfeuer. Dort gebe ich dem Häuptling seine Heiligtümer zurück, und dann sprengen wir fort, den Apachen entgegen. Die im Wege stehenden Posten reiten wir nieder. Wie aber kommen wir über die Barrikaden hinweg?«
»Sehr leicht. Wartet nur, wenn ich hier fort bin, noch zehn Minuten, bevor ihr aufbrecht. Dann werde ich rechts, am Ausgange des Tales, stehen und euch empfangen.«
Er huschte davon.
»Na, was sagt Ihr nun?« fragte Old Death.
»Ein außerordentlicher Mann!« antwortete Lange.
»Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Wäre dieser Mann ein Weißer, ein Soldat, er könnte es bis zum Feldherrn bringen. Und wehe den Weißen, wenn es ihm in den Sinn käme, die Roten um sich zu versammeln, um ihre angestammten Rechte zu verfechten. Er aber liebt den Frieden und weiß, daß die Roten trotz allen Sträubens dem Untergange gewidmet sind, und verschließt die fürchterliche Last dieser Überzeugung still in seiner Brust. Na, setzen wir uns also auf zehn Minuten wieder nieder.«
Es blieb so ruhig im Tale, wie es in der letzten halben Stunde gewesen war. Die Comanchen berieten noch. Nach zehn Minuten stand Old Death wieder auf und stieg in den Sattel.
»Macht genau das nach, was ich tue!« sagte er.
Langsamen Schrittes ritten wir bis zum Lagerplatze. Der Kreis der Comanchen öffnete sich, und wir ritten in denselben hinein. Wären die Gesichter nicht bemalt gewesen, so hätten wir gewiß das größte Erstaunen in denselben bemerken können.
»Was wollt ihr hier?« fragte der Häuptling, indem er aufsprang. »Weshalb kommt ihr zu Pferde?«
»Wir kommen als Reiter, um den tapfern und klugen Kriegern der Comanchen eine Ehre zu erweisen. Nun, was werdet ihr also tun?«
»Die Beratung ist noch nicht zu Ende. Aber steigt ab! Ihr seid unsere Feinde, und wir dürfen nicht zugeben, daß ihr zu Pferde seid. Oder kommst du vielleicht, mir meine Heiligtümer zurückzubringen?«
»Wäre das nicht sehr unklug von mir gehandelt? Du hast ja gesagt, daß von dem Augenblicke an, an welchem du dein Eigentum zurück hast, Feindschaft zwischen euch und uns sein solle, bis wir am Marterpfahle sterben.«
»So wird es sein. Ich habe es gesagt, und ich halte Wort. Der Zorn der Comanchen wird euch vernichten!«
»Wir fürchten uns so wenig vor diesem Zorne, daß ich die Feindschaft gleich jetzt beginnen lasse. Da hast du deine Sachen! Und nun seht, was ihr uns tun könnt!«
Er riß die beiden Gegenstände vorn Halse und schleuderte sie weit von sich. Zugleich spornte er sein Pferd an, daß es in einem weiten Bogen über das Feuer wegsetzte und drüben eine Bresche in die Reihen der Comanchen riß. Sam, der Neger, war der erste hinter ihm. Er ritt den Häuptling nieder. Wir andern Drei folgten augenblicklich. Zehn oder fünfzehn Comanchen wurden umgeritten, dazu einer der draußen dem voranstürmenden Old Death im Wege stehenden Posten; dann flogen wir über die ebene Grasfläche hin, verfolgt von einem unbeschreiblichen Wutgeheul unserer bisherigen so unzuverlässigen Freunde.
»Uff!« rief uns eine Stimme entgegen. »Anhalten! Dasteht Winnetou!«
Wir parierten die Pferde. Vor uns stand eine Anzahl Apachen, welche unsere Tiere an den Zügeln nahmen, als wir abgestiegen waren. Winnetou geleitete uns nach der Enge, welche aus dem Tale führte. Dort war bereits Platz gemacht worden, so daß wir und auch die Pferde einzeln passieren konnten.
Als wir die Barrikade hinter uns hatten, wurde der Ausgang breiter, und bald sahen wir einen hellen Schein. Die Enge öffnete sich, und nun erblickten wir ein schwach brennendes Feuer, an welchem zwei Rote bei einem improvisierten Bratspieße hockten. Sie entfernten sich ehrerbietig, als wir uns näherten. Auch die andern Apachen zogen sich zurück, als sie unsere Pferde angepflockt hatten. In einiger Entfernung weidete eine ganze Schar von Pferden, bei denen Wächter standen. Das hatte fast einen militärischen Anstrich. Die Bewegungen der Apachen waren so exakt und sicher, fast wie einexerziert gewesen.
»Meine Brüder mögen sich an das Feuer setzen,« sagte Winnetou. »Ich habe ein Stück Lende des Büffels braten lassen. Sie können davon essen, bis ich wiederkehre.«
»Bleibst du lange fort?« fragte Old Death.
»Nein. Ich muß in das Tal zurück. Die Comanchen könnten sich von dem Zorne über euch haben fortreißen lassen, sich meinen Kriegern zu nähern. Da werde ich ihnen einige Kugeln geben.«