Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 24
»Wenn mein Bruder in Gefahr ist, so mag er den Schrei des Prairiehuhnes ausstoßen. Ich werde dann kommen, ihm zu helfen.«
Er bewegte sich vorwärts, und ich schlug, immer am Boden kriechend und aufmerksam jedes Geräusch beachtend, eine schräge Richtung nach dem Bahnkörper ein. Lange dauerte es, ehe ich ihn erreichte. Dann aber überkroch ich ihn und hielt auf seiner andern Seite mit verdoppelter Vorsicht auf die Stelle zu, an welcher ich die Ponkas gesehen hatte. Ich gelangte glücklich in ihre Nähe und bemerkte, daß sie sich bei der Arbeit befanden. Es gab in dieser Gegend, was sonst in der Prairie selten ist, große Steine. Darum wohl hatten die Ponkas diese Stelle zur Ausführung ihres Vorhabens ausersehen. Ich hörte, daß sie Steine auf die Schienen häuften, und es mußten sehr große und schwere sein, wie ich aus dem tiefen Atem der Träger schloß.
Hier war nicht die mindeste Zeit zu versäumen, und nachdem ich nur eine kurze Strecke rückwärts geschlichen war, erhob ich mich und sprang den Weg zurück, welchen ich gekommen war. Ich kannte den Punkt der Bahnstrecke nicht, an welchem wir uns befanden, und wußte ebensowenig die Zeit, in welcher ein Zug vorüberkommen mußte, doch erriet ich die Richtung, aus welcher er zu erwarten war. Das konnte alle Augenblicke geschehen, und zur Warnung war ein bedeutender Vorsprung nötig. Ich befand mich in einer nicht unbedeutenden Aufregung und wäre von Winnetou, an welchen ich fast anrannte, beinahe verkannt und niedergestochen worden.
Nach einigen Worten der Verständigung saßen wir zu Pferde und bewegten uns in scharfem Trabe längs des Schienengeleises nach Osten zu. Ein wenig Mondenschein wäre uns jetzt zwar willkommen gewesen, aber der klare Schimmer der Sterne genügte ja auch so ziemlich, uns die Strecke erkennen zu lassen.
Eine Viertelstunde verging und noch eine. Gefahr für den herannahenden Zug war also nicht mehr zu befürchten, sobald es nur gelang, uns bemerklich zu machen. Aber besser noch war es, wenn dies ohne Wissen der Indianer geschehen konnte, und bei dem platten Terrain war das durchdringende Licht, wie es die amerikanischen Maschinen bei sich führen, auf mehrere Meilen weit bemerklich. Also ließen wir die Pferde laufen und legten so, wortlos nebeneinander haltend, noch eine ansehnliche Strecke zurück.
Jetzt schien es mir an der Zeit. Ich hielt an und sprang vom Pferde. Winnetou tat dasselbe. Nachdem die Tiere gehörig gefesselt waren, sammelte ich einen Haufen ausgedörrten Grases, dessen trockenste Teile ich zu einer Art Fackel zusammendrehte. Mit Hilfe einigen aufgestreuten Pulvers war dieselbe leicht in Brand zu stecken, und nun konnten wir das Kommende ruhig erwarten.
Auf unseren Decken gelagert, lauschten wir in die Nacht hinein und verwandten fast kein Auge von der Richtung, aus welcher der Zug kommen mußte.
Da, nach einer kleinen Ewigkeit, blitzte in weiter, weiter Ferne ein Licht auf, erst klein und kaum wahrnehmbar, aber nach und nach immer größer werdend. Dann machte sich das Nahen der Wagen durch ein immer vernehmlicher werdendes Rollen bemerklich, welches nach und nach zu einem Geräusche anwuchs, das dem Grollen eines entfernten Donners glich.
Der Augenblick war gekommen. Einen blendenden Lichtkeil vor sich herwerfend, brauste der Zug heran. Ich zog den Revolver und drückte auf die Lunte los, Im Nu flammte das Pulver auf und brachte das dürre Gras in glimmenden Brand. Die Lunte schwingend, versetzte ich sie in helle Flamme und gab mit dem andern Arme das Zeichen zum Halten.
Der Maschinist mußte das Zeichen durch die Glastafeln des Wetterschutzes sofort bemerkt haben; denn schon nach den ersten Schwingungen des Brandes ertönte ein sich scharf wiederholender Pfiff, fast in demselben Augenblicke wurden die Bremsen angezogen und mit donnerndem Dröhnen flog die Wagenreihe an uns vorüber. Ich gab Winnetou ein Zeichen, mir zu folgen, und sprang dem seine Geschwindigkeit zusehends verringernden Zuge nach.
Endlich hielt er. Ohne zunächst die sich von ihren erhöhten Plätzen herabbeugenden Beamten zu beachten, eilte ich an den Wagen vorüber bis vor die Lokomotive, warf meine Decke, welche ich vorsorglich in die Hand genommen hatte, über den Reflektor und rief zu gleicher Zeit mit möglichst lauter Stimme:
»Lichter aus!«
Sofort verschwanden die Laternen. Die Angestellten der Pazificbahn sind ein geistesgegenwärtiges und schnell gefaßtes Völkchen.
»‘ sdeath!« rief es von der Maschine herab; »warum verdeckt Ihr unsere Flamme, Mann? Ich hoffe nicht, daß da vorn irgend etwas los ist!«
»Wir müssen im Finstern sein, Sir,« antwortete ich; »es sind Indianer vor uns, welche den Zug entgleisen lassen wollen.«
»Alle Teufel! Wenn das so ist, so seid Ihr der bravste Kerl, der jemals durch dieses verfluchte Land stolperte.« Und zur Erde herabspringend, drückte er mir die Hand, daß ich hätte aufschreien mögen.
In einigen Augenblicken waren wir von den wenigen Passagieren umringt, welche sich in dem Zuge befunden hatten.
»Was ist‘s? – was gibt‘s? – warum halten wir?« rief es rund im Kreise.
Mit kurzen Worten erklärte ich ihnen die Verhältnisse und brachte dadurch eine nicht geringe Aufregung unter den Männern hervor.
»Gut, sehr gut!« rief der Ingenieur. »Zwar bringt das eine Störung im Betriebe hervor; aber das hat nichts zu sagen gegen die prächtige Gelegenheit, den roten Halunken einmal Eins aufs Fell zu brennen. Glücklicherweise sind wir zwar nur wenig Leute, aber alle gut bewaffnet. Wißt Ihr, wieviel Rote es sind?«
»Dreißig Ponkas habe ich gezählt.«
»Well! So nehmen wir es gut und gern mit ihnen auf. Aber was steht denn da drüben für ein Mann? Bei Gott, eine Rothaut!«
Er griff in den Gürtel und wollte sich auf Winnetou stürzen, welcher mir gefolgt war und nun in aufrechter, zuwartender Haltung seitwärts im Halbdunkel stand.
»Bleibt ruhig hier, Sir! Es ist mein Jagdgenosse, der sich freuen wird, die kühnen Reiter des Feuerrosses kennen zu lernen.«
»Das ist was Anderes. Ruft den Mann her! Wie heißt er?«
»Es ist Winnetou, der Häuptling der Apachen.«
»Winnetou?« rief es da laut im Hintergrunde, und ein Mann drängte sich hastig durch die Umstehenden. »Winnetou, der große Häuptling der Apachen ist hier?«
Es war ein Mann von wahrhaft riesigen Körperformen, wie ich in der Dunkelheit erkennen konnte; auch schien er mir nicht die Kleidung der ihm rasch Platz machenden Beamten und Reisenden, sondern das Gewand eines Prairiejägers zu tragen. Er stellte sich vor den Häuptling und fragte mit hörbar freudigem Tone:
»Hat Winnetou die Gestalt und die Stimme seines Freundes vergessen?«
»Uff!« antwortete mit ebensolcher Freude der Gefragte. »Wie kann Winnetou vergessen Old Firehand, den größten unter den weißen Jägern, obgleich er ihn seit vielen Monden nicht gesehen habe!«
»Glaub‘s, glaub‘s, mein lieber Bruder – geht mir mit dir ja ebenso; aber —«
»Old Firehand?« rief‘s, ihn unterbrechend, rund im Kreise, und fast ehrerbietig traten die Anwesenden einen Schritt von dem Genannten zurück, diesem berühmtesten unter den Indianerfeinden, an dessen Person sich die Erzählung von fast unglaublichen Kühnheiten knüpfte, so daß ihn der Aberglaube der Prairiejäger mit einem durch immer neue Berichte wachsenden Nimbus umgab.
»Old Firehand?« rief auch der Ingenieur. »Warum habt Ihr mir Euern Namen nicht genannt, als Ihr aufstieget, Mann? Ich hätte Euch einen besseren Platz angewiesen, als jedem Andern, den man aus Gefälligkeit ein Stück mit in den Westen hineinnimmt!«
»Danke, Sir; war gut genug! Aber laßt uns die kostbare Zeit nicht verschwatzen, sondern beraten, was wir gegen die Indsmen vorzunehmen haben.«
Sofort gruppierte sich alles, als wäre er selbstverständlich derjenige, dessen Ansicht die beste sei, um ihn, und ich mußte meinen Bericht eingehender wiederholen.
»So seid Ihr also Winnetous Freund?« fragte er, als ich geendet hatte. »Ich mag so leicht nicht von jemandem was wissen; aber wem der seine Achtung schenkt, der kann auch auf mich rechnen. Hier habt Ihr meine Hand!«
»Ja, er ist mein Freund und Bruder,« erklärte Winnetou. »Wir haben das Blut der Vereinigung miteinander getrunken.«
»Das Blut getrunken?« fragte Old Firehand schnell, indem er näher zu mir herantrat, um mich zu betrachten. »So ist dieser Mann wohl gar – wohl gar – —«
»Old Shatterhand, unter dessen Faust jeder Gegner zusammenbricht,« ergänzte Winnetou.
»Old Shatterhand, Old Shatterhand!« riefen die Umstehenden, indem sie sich an mich drängten.
»Ihr seid Old Shatterhand?« fragte der Ingenieur in frohem Tone. »Old Firehand, Old Shatterhand und Winnetou! Welch ein glückliches Zusammentreffen! Die drei berühmtesten Männer des Westens, die drei Unüberwindlichen! Nun kann es uns ja gar nicht fehlen! Nun sind die roten Kanaillen verloren! Mesch‘schurs, sagt uns nur, was wir tun sollen, wir werden euch gehorchen.«
»Es sind dreißig rote Lumpen,« antwortete Old Firehand, »mit denen wir gar keine Umstände machen werden. Wir schießen sie alle über den Haufen.«
»Sie sind Menschen, Sir,« warf ich ein.
»Vertierte Menschen, ja,« entgegnete er. »Ich habe genug von Euch gehört, um zu wissen, daß Ihr selbst in der größten Gefahr noch nachsichtig mit diesen Kerlen seid; ich aber bin ganz anderer Meinung. Wenn Ihr erlebt hättet, was ich erlebt habe, so würde niemand von Old Shatterhand, dem Schonungsvollen, erzählen können. Und da diese Sippe von Parranoh, dem abtrünnigen und hundertfachen Mörder, angeführt wird, so soll mein Tomahawk sie erst recht nun alle, alle fressen! Ich habe eine Rechnung mit ihm auszugleichen, eine Rechnung, welche mit Blut geschrieben ist!«
»Howgh!« stimmte der sonst so milde Winnetou bei. Er mußte triftige Gründe haben, ganz gegen seine Gewohnheit heut einmal eine strengere Anschauung der meinigen vorzuziehen.
»Ihr habt sehr recht, Sir,« erklärte auch der Ingenieur; »Schonung würde hier Sünde sein. Also sagt, welchen Plan Ihr hegt!«
»Das Zugpersonal hat bei den Waggons zu bleiben. Ihr seid Beamte, die wir nicht mit in den Kampf verwickeln dürfen. Aber die andern Gentlemen können sich alle das Vergnügen machen, an dem Abenteuer teilzunehmen und den Kerls die Lehre beizubringen, daß es nicht geraten ist, einen Bahnzug auszurauben. Wir schleichen uns im Dunkeln stracks auf sie zu und fällert über sie her. Da sie keine Ahnung davon haben, wird der Schreck noch weit größere Wirkung als ihre Waffen haben. Sobald wir sie verjagt haben, geben wir ein Feuerzeichen, auf welches der Zug nachfolgen kann, aber langsam, denn wir wissen nicht, ob es uns bis zu seiner Ankunft gelingen wird, die Hindernisse wegzuräumen. Also wer will mit?«
»Ich, ich, ich – —!« riefen alle, welche außer dem Zugpersonal anwesend waren. Keiner wollte sich ausschließen.
»So nehmt eure Waffen, und kommt! Wir haben keine Zeit zu versäumen, denn die Roten wissen jedenfalls, wann der Zug zu kommen hat, und wenn er zögert, können sie leicht mißtrauisch werden.«
Wir brachen auf, Winnetou und ich als Führer voran. Tiefe Stille lag über der Gegend, denn wir bemühten uns, alles und selbst das leiseste Geräusch zu vermeiden. Nichts verriet, daß der auf der weiten Ebene ruhende scheinbare Frieden die Vorbereitung zu einer blutigen Katastrophe in sich berge.
Zunächst legten wir eine ansehnliche Strecke in aufrechter, bequemer Stellung zurück, dann aber, nachdem wir die Nähe des mutmaßlichen Kampfplatzes erreicht hatten, legten wir uns nieder und krochen, Einer hinter dem Andern, auf Händen und Füßen an der Böschung entlang.
Der Mond war mittlerweile aufgegangen und warf ein ruhiges, klares Licht über die Gegend, so daß es möglich war, in sehr geraume Entfernung zu blicken. Diese Helligkeit erschwerte zwar das Anschleichen, war uns aber in anderer Beziehung wieder von Vorteil. Bei der Gleichheit der Hebungen und Senkungen des Bodens wäre es uns im Dunkel nicht leicht geworden, den Ort genau zu bestimmen, an welchem wir die Ponkas gesehen hatten, und möglicherweise konnten wir also ganz unversehens auf sie stoßen; das war jetzt nicht zu befürchten.
Von Zeit zu Zeit im Vorwärtsdringen einen Augenblick innehaltend und mich vorsichtig erhebend, warf ich einen forschenden Blick über den Damm hinaus und gewahrte jetzt auf der seitwärts liegenden Erhöhung eine Gestalt, welche sich leicht kenntlich am Horizonte abzeichnete. Man hatte also jetzt eine Wache ausgestellt, und wenn der Mann sein Augenmerk nicht bloß in die Ferne auf den von ihm erwarteten Bahnzug, sondern auch auf die nähere Umgebung richtete, so mußte er uns unbedingt bemerken.
Nach wenigen Minuten konnten wir die Übrigen sehen, welche bewegungslos am Boden lagen. Eine kurze Strecke hinter ihnen hielten die angekoppelten Pferde, ein Umstand, der einen plötzlichen Überfall sehr erschwerte, da die Tiere leicht zu Verrätern werden konnten. Zu gleicher Zeit erblickte ich die Vorrichtung, welche die Indianer getroffen hatten, um den Zug aufzuhalten. Es waren noch mehr Steine, als wir vorhin gesehen hatten, auf das Geleis gelegt worden, und mit Schaudern dachte ich an das Schicksal, welches die Insassen der Wagen hätte treffen müssen, wenn das Vorhaben der Wilden nicht von uns bemerkt worden wäre.
Wir setzten unsere Bewegung so lange fort, bis wir uns der Truppe gerade gegenüber befanden, und blieben nun, die Waffen zum sofortigen Gebrauch bereit haltend, erwartungsvoll liegen.
Die Aufgabe war jetzt, zunächst den Posten unschädlich zu machen, ein Vornehmen, welches ich kaum einem andern als Winnetou zutraute. Der Mann konnte im hellen Mondschein die geringste Kleinigkeit seiner Umgebung genau erkennen und mußte bei der ringsum herrschenden Ruhe das leiseste Geräusch bemerken. Und selbst wenn es gelang, ihn zu Überraschen, so war es doch, um ihn durch einen gutgeführten Messerstich unschädlich zu machen, notwendig, aufzuspringen, und dann mußte man ja sofort von den Andern gesehen werden. Dennoch übernahm Winnetou bereitwillig die Lösung dieses schwierigen Problemes. Er schlich sich fort, und kurze Zeit später sahen wir den Posten plötzlich wie in den Boden hinein verschwinden, im nächsten Augenblicke aber schon wieder in seiner früheren Haltung aufrecht stehen. Nur einen einzigen, blitzschnellen Moment hatte diese Bewegung in Anspruch genommen; aber ich wußte sogleich, was sie zu bedeuten hatte. Der jetzt scheinbar Wache Haltende war nicht mehr der Ponka, sondern Winnetou. Er mußte sich unmittelbar an den Posten geschlichen haben und war in demselben Augenblicke, an welchem Letzterer von dem Andern bei den Füßen niedergerissen und sofort eines Lautes unfähig gemacht wurde, kerzengrad in die Höhe gefahren.
Das war wieder eines seiner bewundernswerten Indianerstücke, und da die Feinde in ihrer Unbeweglichkeit verharrten, so mußte der Vorgang ihnen entgangen sein. Das Schwerste war somit glücklich vollbracht, und nun konnten wir den Angriff beginnen.
Aber noch war das Zeichen dazu nicht gegeben, da krachte hinter mir ein Schuß. Ein Unvorsichtiger von unsern Leuten war mit dem Finger an den Drücker seines gespannten Revolvers gekommen. So wenig die Roten einen Angriff erwartet hatten, sie ließen sich doch nicht aus der Fassung bringen. Wir sprangen infolge des vorzeitigen Schusses auf und auf sie zu. Sie sahen uns und eilten unter durchdringenden Schreien zu ihren Pferden, um zunächst schnell aus unserer Nähe zu kommen und dann in gesicherter Stellung einen Entschluß zu fassen.
»Have care!« rief Old Firehand. »Schießt auf die Pferde, daß die Kerls herunter müssen, und dann drauf!«
Unsere Salve krachte, und sogleich bildete die Schar der Indsmen einen wirren Knäuel von gestürzten Pferden mit niedergerissenen Indianern und von Reitern, welche zu entkommen suchten. Dieses Letztere zu verhindern, wurde mir durch meinen Henrystutzen leicht. Sobald ein Ponka ausbrechen wollte, gab ich seinem Pferde eine Kugel, die es niederwarf.
Old Firehand und Winnetou hatten sich sofort, ihre Tomahawks schwingend, auf den Knäuel geworfen; auf eine kräftige Hilfe seitens der andern Weißen hatte ich im Stillen gleich von vornherein nicht gerechnet, und nun sah ich, daß diese Voraussetzung richtig gewesen war. Sie pafften mit ihren Revolvern und sonstigen Schießzeugen von weitem auf die Indianer los, meist ohne zu treffen, und rissen schmählich aus, als einige Rote brüllend auf sie zusprangen.
Als ich meine letzte Kugel verschossen hatte, legte ich den Bärentöter und den Stutzen weg, zog den Tomahawk und eilte an die Seite von Old Firehand und Winnetou. Wir Drei waren die einzigen, welche eigentlich gegen die Ponkas kämpften.
Winnetou kannte ich genugsam und ließ ihn also unbeachtet; mit Gewalt dagegen drängte es mich in die Nähe von Old Firehand, dessen Anblick mich an jene alten Recken mahnte, von denen ich als Knabe so oft und mit Begeisterung gelesen hatte. Mit auseinandergespreizten Beinen stand er grad und aufrecht da und ließ sich von uns die Indianer in das Schlachtbeil treiben, welches, von seiner riesenstarken Faust geführt, bei jedem Schlage zerschmetternd auf die Köpfe der Feinde sank. Die langen, mähnenartigen Haare wehten ihm um das entblößte Haupt, und in seinem, vom Monde hell beschienenen Angesichte sprach sich eine Siegesgewißheit aus, welche den Zügen einen geradezu befremdenden Ausdruck gab.
Ich sah Parranoh mitten im Haufen der Indianer und suchte, an ihn zu kommen. Mir ausweichend, kam er in die Nähe des Apachen, wollte aber auch diesen vermeiden. Das sah Winnetou, sprang auf ihn ein und rief:
»Parranoh! Will der Hund von Atabaskah laufen vor Winnetou, dem Häuptling der Apachen? Der Mund der Erde soll sein Blut trinken, und die Kralle des Geiers soll zerreißen den Leib des Verräters; aber sein Skalp wird zieren den Gürtel des Apachen!«
Er warf den Tomahawk weit von sich, riß das Messer aus dem mit Kopfhäuten geschmückten Gürtel und packte den weißen Häuptling bei der Kehle. Aber er wurde von dem tödlichen Stiche abgehalten.
Als er gegen seine sonstige Gewohnheit sich mit so lautem Rufe auf den Ponka stürzte, hatte Old Firehand einen raschen Blick herüber geworfen, welcher das Gesicht des Feindes streifte. Trotz der Flüchtigkeit dieses Blickes aber hatte er doch ein Gesicht gesehen, das er haßte mit der tiefsten Faser seines Innern, welches er lange, lange Jahre mit fürchterlicher Anstrengung, aber vergebens gesucht hatte, und das ihm nun so unerwartet an diesem Orte vor die Augen kam.
»Tim Finnetey,« schrie er, schlug mit den Armen die Indianer wie Grashalme auseinander und sprang mitten durch sie hindurch auf Winnetou zu, dessen soeben zum Stoße erhobene Hand er packte. »Halt, Bruder, dieser Mann gehört mir!«
Vor Schrecken starr stand Parranoh, als er seinen eigentlichen Namen rufen hörte; kaum aber hatte er einen Blick in das Angesicht Old Firehands geworfen, so riß er sich von der Hand Winnetous, der seine Aufmerksamkeit geteilt hatte, los und stürmte wie von der Sehne geschnellt von dannen. Im Augenblicke machte auch ich mich von dem Indianer, mit welchem ich während dieser Szene im Kampfe stand, los und setzte dem Fliehenden nach. Zwar hatte ich für meine Person keinerlei Abrechnung mit ihm zu halten, aber selbst wenn er auch nicht als der eigentliche Urheber des beabsichtigten Überfalles Anrecht auf eine Kugel gehabt hätte, so wußte ich doch, daß er ein Todfeind Winnetous sei, und ebenso hatten mich die letzten Augenblicke belehrt, daß Old Firehand an der Habhaftwerdung seiner Person gelegen sein müsse.
Beide hatten sich ebenfalls augenblicklich zur Verfolgung in Bewegung gesetzt; aber ich wußte, daß sie den Vorsprung, welchen ich vor ihnen hatte, nicht verringern würden, und mußte freilich auch zu gleicher Zeit bemerken, daß ich es mit einem außerordentlich guten Läufer zu tun hatte. Obgleich Old Firehand nach dem, was ich von ihm gehört hatte, ein Meister in allen Fertigkeiten, welche das Leben im Westen verlangt, sein mußte, so befand er sich doch schon nicht mehr in den Jahren, welche einen Wettlauf auf Tod und Leben begünstigen, und Winnetou hatte mir schon öfters eingestanden, daß er mich nicht einzuholen vermöge.
Zu meiner Genugtuung bemerkte ich, daß Parranoh den Fehler beging, ohne seine Kräfte gehörig abzumessen, Hals über Kopf immer gradaus zu rennen, und in seiner Bestürzung die gewöhnliche Taktik der Indianer, im Zickzack zu fliehen, nicht befolgte, während ich den Odem zu sparen suchte, und in vollständiger Berechnung meiner Kräfte und der möglichen Ausdauer die Anstrengung des Laufes abwechselnd von einem Beine auf das andere legte, eine Vorsicht, welche mir stets von Vorteil gewesen war.
Die beiden Andern blieben immer weiter zurück, so daß ich das Geräusch ihres Atems, welches ich erst dicht hinter mir gehört hatte, nicht mehr vernahm, und jetzt erscholl auch aus schon ziemlicher Entfernung die Stimme Winnetous.
»Old Firehand mag stehen bleiben! Mein junger, weißer Bruder wird die Kröte von Atabaskah fangen und töten. Er hat die Füße des Sturmes, und niemand vermag, ihm zu entkommen.«
So schmeichelhaft dieser Ruf für mich klang, ich konnte mich doch nicht umsehen, um zu gewahren, ob der grimme Jäger ihm auch Folge leiste. Zwar schien der Mond, aber bei der Trüglichkeit seines Schimmers mußte ich den Flüchtling immer fest im Auge behalten.
Bisher war ich ihm noch um keinen Schritt näher gerückt; aber als ich jetzt bemerkte, daß seine Geschwindigkeit im Abnehmen begriffen sei, holte ich weiter aus, und in kurzer Zeit flog ich so nahe hinter ihm her, daß ich sein keuchendes Schnaufen vernahm. Ich hatte keine andere Waffe bei mir, als die beiden abgeschossenen Revolver und das Bowiemesser, welches ich jetzt zog. Das Beil hätte mich am Laufen gehindert und war deshalb schon nach den ersten Schritten von mir weggeworfen worden.
Da plötzlich sprang er zur Seite, um mich im vollen jagen an sich vorüberschießen zu lassen und dann von hinten an mich zu kommen; aber ich war natürlich auf dieses Manöver gefaßt und bog in ebendemselben Momente seitwärts, so daß wir mit voller Gewalt zusammenprallten und ihm dabei mein Messer bis an den Griff in den Leib fuhr.
Der Zusammenstoß war so kräftig, daß wir beide zur Erde stürzten, von welcher er sich allerdings nicht wieder erhob, während ich mich augenblicklich zusammenraffte, da ich nicht wissen konnte, ob er tödlich getroffen sei. Aber er bewegte kein Glied, und tief Atem holend, zog ich das Messer zurück.
Es war nicht der erste Feind, welchen ich niedergestreckt hatte, und mein Körper zeigte manches Andenken an nicht immer glücklich bestandene Rencontres mit den kampfgeübten Bewohnern der amerikanischen Steppen; aber hier lag ein Weißer vor mir, der von meiner Waffe gestorben war, und ich konnte mich eines beengenden Gefühls nicht erwehren. Doch hatte er den Tod jedenfalls verdient und war des Bedauerns also nicht wert.
Noch mit mir zu Rate gehend, welches Zeichen meines Sieges ich mit mir nehmen sollte, hörte ich hinter mir den eiligen Lauf eines Menschen. Rasch warf ich mich nieder; aber ich hatte nichts zu befürchten; denn es war Winnetou, welcher mir in freundschaftlicher Besorgnis doch gefolgt war und jetzt an meiner Seite hielt.
»Mein Bruder ist schnell wie der Pfeil des Apachen, und sein Messer trifft sicher das Ziel,« sagte er, als er den Toten liegen sah.
»Wo ist Old Firehand?« fragte ich.
»Er ist stark wie der Bär zur Zeit des Schneefalls; aber sein Fuß wird gehalten von der Hand der Jahre. Will mein Bruder sich nicht schmücken mit der Skalplocke des Atabaskah?«
»Ich schenke sie meinem roten Freunde!«
Mit drei Schnitten war die Kopfhaut des Gefallenen vom Schädel gelöst. Wie grimmig mußte der sonst so menschenfreundliche Apache diesen Tim Finnetey gehaßt haben, da er ihm die Kopfhaut nahm! Ich hatte mich, um von dieser Prozedur nicht berührt zu werden, abgewandt, da war es mir, als bewegten sich einige dunkle Punkte langsam auf uns zu.
»Winnetou mag sich zur Erde strecken; er wird den Skalp des weißen Häuptlings verteidigen müssen!« warnte ich.
Die Kommenden nahten sich mit sichtbarer Vorsicht; es waren ungefähr ein halbes Dutzend Ponkas, welche beabsichtigten, etwa versprengte Ihrige aufzusuchen.
Der Apache kroch, tief zur Erde gedrückt, seitwärts, und ich folgte, seine Absicht erratend. Längst schon hätte Old Firehand bei uns sein müssen; aber vermutlich hatte er, sobald Winnetou ihm aus den Augen geraten war, eine falsche Richtung eingeschlagen. Jetzt bemerkten wir, daß die Nahenden Pferde bei sich hatten, welche sie am Zügel nachführten; auf diese Weise waren sie für alle Fälle zur schnellen Flucht bereit; uns aber konnte dieser Umstand gefährlich werden und wir mußten uns deshalb in den Besitz der Tiere setzen. Wir schlugen daher einen kleinen Bogen ein, eine Bewegung, welche uns in ihren Rücken und die Pferde zwischen uns und sie bringen mußte.
In dieser Entfernung vom eigentlichen Kampfplatze hatten sie natürlich keinen Toten vermutet und stießen ein verwundertes »Uff!« aus, als sie einen regungslosen menschlichen Körper vor sich erblickten. Hätten sie vermutet, daß er hier getötet worden sei, so wären sie gewiß mit weniger Eile auf ihn zugeschritten; sie schienen aber anzunehmen, daß er sich verwundet aus dem Handgemenge bis hierher geschleppt habe, bückten sich unverzüglich auf ihn nieder und stießen, als sie ihn und seine Entstellung erkannten, ein unterdrücktes Wutgeheul aus.
Das war der geeignete Augenblick für uns. Im Nu hatten wir die Pferde, welche sie im Schrecken losgelassen hatten, bei den Riemen, saßen auf und jagten im Galopp den Unsrigen zu. An einem Kampfe konnte uns nichts gelegen sein; es war genug, daß wir, fast waffenlos, wie wir waren, den dreifach Überlegenen entkamen und außer dem Skalpe des feindlichen Anführers noch eine Anzahl Pferde mitbrachten.
Mit sehr verzeihlichem Vergnügen dachte ich an die verdutzten Gesichter, welche die Betrogenen uns jedenfalls nachschnitten, und selbst der so ernste Winnetou konnte ein lachendes »Uff« nicht unterdrücken. Zugleich aber war eine kleine Sorge um Old Firehand sicher gerechtfertigt, da er ebensogut wie wir mit einer Truppe der Verschlagenen zusammengetroffen sein konnte.
Und diese Sorge erwies sich als gerechtfertigt; denn wir fanden ihn bei unserer Rückkehr an dem Platze des Überfalles nicht vor, trotzdem seit unserer Entfernung eine geraume Zeit vergangen sein mußte.
Der Kampf war beendet; die Weißen, die uns geholfen oder vielmehr nicht geholfen hatten, trugen die toten Indianer zusammen; die verwundeten Roten waren natürlich mit den unbeschädigten fort. In der Nähe derjenigen Stelle, an welcher die Steine auf den Schienen lagen, brannten zwei hochlodernde Feuer, welche die nötige Helle verbreiteten und zugleich dem Zugpersonale als Signal dienten.
Es wurde bemerkt, und bald kam der Train herbei, um bei den Feuern zu halten. Die Beamten sprangen herab und erkundigten sich nach dem Resultate des Kampfes. Als ich es ihnen gesagt hatte, erteilten sie uns ihr Lob, welches sie besser hätten unterlassen mögen, und der Konduktor versprach uns, in seinem Berichte uns rühmend zu erwähnen und dafür zu sorgen, daß unsere Namen überall genannt würden.
»Ist nicht nötig, Sir,« entgegnete ich ihm. »Wir sind einfache Westmänner und verzichten gern auf solchen Ruhm. Wenn es Euch aber gar so sehr drängt, Euch erkenntlich zu zeigen, so posaunt die Namen dieser andern tapfern Gentlemen in den Staaten aus. Sie haben viel Pulver verknallt, und ich denke, es ist nur billig und gerecht, wenn sie dafür eine Anerkennung erhalten.«
»Ist das Euer Ernst, Sir?« fragte er, da er aus dem Tone, in welchem ich dies sagte, nicht recht klug werden konnte.
»Allerdings.«
»Sie sind also tapfer gewesen?«
»Über alle Maßen.«
»Freut mich ungemein. Werde also ihre Namen notieren und veröffentlichen. Aber wo ist denn Old Firehand? Ich sehe ihn nicht. Ich will nicht hoffen, daß er bei den Gefallenen liegt!«
Hierauf antwortete Winnetou.
»Mein Bruder Old Firehand hat verloren die Fährte Parranohs und wird auf neue Feinde gestoßen sein. Ich werde mit Old Shatterhand gehen, ihn zu suchen.«
»Ja, wir müssen schnell wieder fort,« stimmte ich bei, »denn es steht zu vermuten, daß er sich in Gefahr befindet. Hoffentlich seid Ihr noch hier, wenn wir wiederkommen.«
Wir beide, Winnetou und ich, nahmen unsere Gewehre und Tomahawks, welche wir vor der Verfolgung Parranohs weggeworfen hatten, wieder auf und eilten fort, natürlich in der Richtung, in welcher wir vorhin gewesen waren, weil dies diejenige war, in der wir Old Firehand zu suchen hatten.
Sehen konnten wir ihn auf größere Entfernung nicht; dazu war das Mondlicht zu bleich und schwach. Wir mußten uns also mehr als auf unsere Augen auf unser Gehör verlassen. In den ersten Minuten war auch dies vergeblich, weil der Lärm, welcher vom Bahnzuge ausging, jedes andere Geräusch unvernehmlich machte; aber als wir uns soweit entfernt hatten, daß dieser nicht mehr zu hören war und die tiefe Stille der Nacht um uns herrschte, blieben wir von Zeit zu Zeit stehen, um zu lauschen.
Auch dies war lange ohne Erfolg, und schon wollten wir wieder umkehren, weil wir glaubten, daß Old Firehand sich nun wieder an der Bahn befinden werde, als wir einen Ruf vernahmen, welcher aus der Ferne zu uns drang.
»Das muß unser Bruder Old Firehand sein, denn den fliehenden Ponkas wird es nicht einfallen, sich durch Rufe zu verraten,« sagte Winnetou.
»Das ist auch meine Meinung,« antwortete ich. »Laufen wir schnell hin!«
»Ja, schnell! Er befindet sich in Gefahr, sonst würde er nicht rufen.«
Wir liefen, aber Winnetou nach Nord und ich nach Ost. Darum blieben wir sofort wieder halten, und der Apache fragte:
»Warum eilt mein Bruder dorthin? Es war im Norden.«
»Nein, sondern im Osten. Horch!«
Der Ruf wiederholte sich, und ich fügte hinzu: »Es ist im Osten: ich höre es ganz deutlich.«
»Es ist im Norden; mein Bruder Old Shatterhand irrt sich abermals.«
»Und ich bin überzeugt, daß ich recht habe. Er befindet sich in Gefahr, und wir haben also keine Zeit, die irrige Meinung zu berichtigen. Winnetou mag also nördlich gehen, während ich östlich laufe; einer von uns findet ihn dann bestimmt.«
»Ja, so soll es geschehen!«
Mit diesen Worten sprang er, der sich sonst in solchen Dingen niemals irrte, fort, und ich lief, so schnell ich konnte, in der von mir behaupteten Richtung davon. Schon nach kurzer Zeit bemerkte ich, daß ich recht gehabt hatte, denn der Ruf erklang wieder, und zwar viel deutlicher als vorher. Und dann sah ich vor mir eine Gruppe von kämpfenden Menschen.