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Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 26

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Ich wählte zu meinem Gange den äußersten Saum des Tales und schritt zwischen dem Gebüsch und der meist senkrecht aufsteigenden, oft sogar überhängenden Felswand entlang. In derselben bemerkte ich zahlreiche mit Tierfellen verschlossene Öffnungen, welche jedenfalls zu Wohnungen oder Lagerräumen führten, deren die Jägerkolonie ja notwendig bedurfte.

Jedenfalls bestand dieselbe aus mehr Personen, als sich uns bei dem Empfange gezeigt hatten; wenigstens konnte ich das aus der Anzahl Squaws schließen, welche ich während meines Ganges erblickte; aber die meisten waren wohl auf Jagdzügen abwesend und kehrten erst bei Beginn des Winters, dessen Nahen allerdings in nicht mehr langer Zeit zu erwarten war, zurück.

Während ich so dahinschlenderte, bemerkte ich auf einer der, wie es schien, unbesteigbaren Klippen eine kleine, aus knorrigen Ästen ausgeführte Hütte. Von ihr aus mußte das ganze Tal mit allen seinen Einzelheiten vollständig zu überschauen sein, und ich beschloß, hinaufzusteigen. Bald fand ich, wenn auch keinen Pfad, so doch die Spuren von Fußtritten, die sich da hinaufgearbeitet hatten, und folgte ihnen empor.

Nur noch eine kurze Strecke hatte ich zurückzulegen, da sah ich aus der schmalen und niederen Türe eine Gestalt schlüpfen, welche wohl kaum durch mein Kommen gestört worden sein konnte; denn sie bemerkte mich gar nicht und trat, den Rücken mir zugewendet, an den Rand des Felsens und warf, das Auge mit der erhobenen Hand beschattend, einen Blick hinunter in die Tiefe.

Sie trug ein buntes, starkstoffiges Jagdhemde, an der äußeren Naht von der Hüfte bis zum Knöchel mit Fransen verzierte Leggins; die kleinen Mokassins waren reich mit Glasperlen und Stachelschweinborsten besetzt. Um den Kopf war turbanartig ein rotes Tuch geschlungen, und eine ebenso gefärbte Schärpe vertrat die Stelle des gewöhnlicheren Gürtels.

Als ich den Fuß auf die kleine Plattform setzte, vernahm die Person das Geräusch meiner Schritte und wandte sich schnell um. War es Wahrheit oder Täuschung? Ich rief freudig überrascht aus:

»Harry! Ist‘s möglich?« und trat mit raschen Schritten auf ihn zu.

Aber ernst und kalt blickte sein Auge, und kein Zug seines jetzt tiefer gebräunten Angesichtes verriet auch nur die leiseste, freundliche Regung über mein Kommen.

»Wenn es nicht möglich wäre, würdet Ihr mich nicht hier treffen, Sir,« antwortete er. »Aber die Berechtigung zur Frage liegt wohl mehr auf meiner als auf Eurer Seite. Welche Ursache gab Euch die Erlaubnis, Euern Weg in unser Lager zu nehmen?«

War das ein Empfang, wie ich ihn verdient hatte? Kälter und gemessener noch als er erwiderte ich nur das eine Wort:

»Pshaw!« und glitt, ihm den Rücken wendend, vorsichtigen Fußes wieder hinab.

Es war also doch so, wie ich vermutet hatte, daß er der Sohn Old Firehands sei, und nun war mir auch das Andere so ziemlich klar.

Obgleich ich nur einen Knaben vor mir hatte, wollte mir das Verhalten desselben nach all dem Geschehenen doch einen kleinen Ärger verursachen. Die Behauptung Old Firehands, daß Harry mich für feig gehalten habe, stimmte allerdings mit der damaligen Äußerung des Letzteren vollständig überein, aber es war mir absolut unmöglich, zu sagen, worin diese Feigheit eigentlich bestanden habe. Ich bezwang meine Verstimmung und kehrte nach dem Lagerplatze zurück.

Es ward Abend. In der Mitte das weiten Talkessels brannte ein hoch empor züngelndes Feuer, um welches sämtliche anwesende Bewohner der »Festung« sich versammelt hatten. Auch Harry, welcher, wie ich bald bemerkte, den Männern in jeder Beziehung gleichberechtigt war, hatte mitten unter denselben Platz genommen und betrachtete mich, wie es mir schien, mit weniger gehässigen Blicken als vorhin.

Es wurden eine Reihe selbsterlebter Abenteuer erzählt, denen ich aufmerksam lauschte, bis ich mich erhob, um nach alter Gewohnheit mich einmal nach meinem Pferde umzusehen. Ich verließ das Feuer und schritt in das Dunkel hinaus, über welches sich der Himmel so freundlich, klar und sonnenhell ausbreitete, als strahlten seine Millionen Lichter nicht auf eine Erde hernieder, deren höchstorganisierte Wesen sich mit den Waffen in der Hand einander gegenüber stehen, um sich zu zerfleischen.

Ein leises, freudiges Wiehern am Saume des Gebüsches, welches den Bach berandete, rief mich zu Swallow, welcher mich erkannt hatte und nun den Kopf zärtlich an meiner Schulter rieb. Er war mir doppelt lieb geworden, seit er mich durch Glut und Flut getragen hatte, und liebkosend drückte ich meine Wange an seinen schlanken, weichen Hals.

Ein kurzes Schnaufen seiner Nüstern, welches mir als Warnungszeichen bekannt war, ließ mich zur Seite blicken. Eine Gestalt kam auf uns zugeschritten, und ich sah den Zipfel des um den Kopf geschlungenen Tuches sich bewegen. Es war Harry.

»Verzeiht, wenn ich störe,« klang seine jetzt etwas unsichere Stimme. »Ich dachte an Euren Swallow, welchem ich das Leben zu danken habe, und wollte das brave Tier gern begrüßen.«

»Hier steht es. Ich werde diese Begrüßung nicht durch meine Gegenwart beeinträchtigen. Good night!«

Ich wandte mich zum Gehen, hatte aber kaum ein Dutzend Schritte getan, als ich den halblauten Ruf vernahm:

»Sir!«

Ich blieb stehen. Zögernden Fußes kam Harry mir nach, und das eigentümliche Vibrieren seiner Stimme verriet die Verlegenheit, welche er nicht so schnell überwinden konnte.

»Ich habe Euch beleidigt!«

»Beleidigt?« erwiderte ich kühl und ruhig; »Ihr irrt, Sir! Ich kann Euch gegenüber wohl Nachsicht, nie aber das Gefühl des Beleidigtseins empfinden.«

Es dauerte eine Minute, ehe er eine Antwort auf diese vielleicht unerwarteten Worte fand.

»Dann verzeiht meinen Irrtum.«

»Gern; ich bin an ihn gewöhnt.«

»Eure Nachsicht werde ich wohl nicht wieder in Anspruch nehmen.«

»Sie steht Euch trotzdem zu jeder Zeit zur Verfügung.«

Schon wollte ich mich wieder abwenden, als er mir mit einem schnellen Schritt nahe trat und die Hand auf den Arm legte.

»Lassen wir Persönlichkeiten jetzt unberührt. Ihr habt mit der größten Gefahr für Euer eigenes Leben mir dasjenige meines Vaters an einem Abende zweimal erhalten; ich muß Euch danken und wenn Ihr noch so böse und abstoßende Worte sprecht. Ich erfuhr erst vorhin, was Ihr getan habt.«

»Jeder Westmann ist zu dem bereit, was ich getan habe, und es geschehen noch ganz andere Dinge als das ist, was Ihr da erwähnt. Was der Eine für den Andern tut, ist ihm von noch Anderen vielleicht schon zehnfach geschehen und kaum der Rede wert. Ihr dürft nicht nach dem Maßstabe urteilen, welchen Eure Kindesliebe Euch in die Hand gibt.«

»Erst war ich es, jetzt aber seid Ihr‘s, der ungerecht gegen sich selbst ist. Wollt Ihr‘s auch gegen mich sein?«

»Nein!«

»Dann darf ich wohl eine Bitte sagen?«

»Sprecht sie aus!«

»Zürnt mir, Sir; seid böse auf mich, so sehr Ihr nur immer könnt, wenn ich nicht recht tue, aber sprecht nicht wieder von Nachsicht! Wollt Ihr?«

»Ich will.«

»Danke! Und nun kehrt mit mir zum Feuer zurück, um den Andern gute Nacht zu sagen. Ich werde Euch Euren Schlafraum anweisen, und wir müssen bald die Ruhe suchen, da es morgen einen zeitigen Aufbruch geben wird.«

»Aus welchem Grunde?«

»Ich habe am Bee-fork meine Fallen gestellt, und Ihr sollt mit mir gehen, nach dem Fange zu sehen.«

Einige Minuten später standen wir vor einer der erwähnten Felltüren, welche er zurückschlug, um mich in einen dunklen Raum zu führen, der indes bald durch eine primitive und mit Hilfe des »Punks« entzündete Hirschtalgkerze erleuchtet wurde.

»Hier ist Euer bed-room (Schlafzimmer), Sir. Die Companymänner pflegen sich in diese Räume zurückzuziehen, wenn sie unter freiem Himmel einen Rheumatismus befürchten.«

»Und Ihr meint, daß dieser schlimme Gesell auch mir nicht unbekannt sei?«

»Will Euch das Gegenteil wünschen; aber das Tal ist feucht, da die rundum liegenden Berge dem Winde den Zutritt verwehren, und Vorsicht ist zu allen Dingen nütze, wie man drüben in der Heimat sagt. Schlaft wohl!«

Er bot mir die Hand und schritt dann mit freundlichem Kopfnicken hinaus.

Als ich allein war, blickte ich mich in der kleinen Klause um. Sie war nicht eine natürliche Höhle, sondern durch menschliche Hand in das Gestein gehauen worden. Den felsigen Fußboden hatte man mit gegerbten Häuten belegt; ebenso waren die Wände mit denselben behangen, und an der hinteren Wand stand die Lagerstätte, bestehend aus einer allerdings nur aus glatten Kirschbaumstämmchen zusammengesetzten Bettstelle, über welche sich auf einer dicken Lage weißer Yutafelle eine sehr hinreichende Anzahl echter Navajodecken breiteten.

Mehrere in den Ritzen eingeschlagene Holzpflöcke trugen Gegenstände, welche mich bald zu der Überzeugung brachten, daß Harry mir sein eigenes Kabinett abgetreten habe.

Nur die große Müdigkeit, welche ich nun doch fühlte, vermochte mich, in dem engen, abgeschlossenen Raume zu bleiben; denn wer seine Nächte in der Unendlichkeit der freien, offenen Prairie zugebracht hat, kann sich nur schwer entschließen, sich gleich darauf zur Benutzung desjenigen Gefängnisses zu bequemen, welches der zivilisierte Mensch eine »Wohnung« nennt.

Die Abgeschlossenheit meines Boudoirs mochte doch wohl schuld sein, daß mich der Schlaf etwas fester als gewöhnlich in seine Arme nahm; denn noch hatte ich mich nicht erhoben, als ich durch eine weckende Stimme wachgerufen wurde.

»Pooh! Sir, ich glaube gar, Ihr seid noch nicht ganz fertig, die Decken zu messen, meine ich. Streckt Euch noch ein wenig, aber nicht in die Länge, sondern in die Höhe; das wird gut sein, wie mir scheint!«

Ich sprang empor und sah mir den Störenfried, welcher unter der zurückgeschlagenen Tür stand, an. Es war Sam Hawkens. Während er gestern nur mit der Büchse versehen gewesen war, sah ich ihn jetzt in vollständiger Trapperausrüstung meiner warten, ein Beweis, daß er uns begleiten werde.

»Bin gleich fertig, lieber Sam.«

»Hoffe es; der kleine Sir steht, denke ich, schon am hole.«

»Ihr geht mit?«

»Scheint so, wenn ich mich nicht irre. Der kleine Sir soll doch das »Gerät« nicht etwa tragen, und Old Shatterhand ist das auch nicht zuzumuten.«

Vor die Türe tretend, bemerkte ich Harry welcher am Eingange der Schlucht meiner wartete. Sam nahm einige zusammengebundene Fallen auf, warf sie über die Achsel und schritt, ohne sich zu überzeugen, daß ich ihm auch nachfolgte, auf die unser Harrenden zu.

»Lassen wir die Pferde hier?« fragte ich.

»Meine nicht, daß Euer Tier gelernt hat, ein regelrechtes Eisen zu legen oder einen Dickschwanz vom Grunde des Flusses herauf zu angeln. Wir müssen die Beine auseinander nehmen, wenn wir zu rechter Zeit fertig sein wollen. Kommt also!« antwortete Sam in seiner bekannten Weise.

»Muß doch erst nach dem Pferde sehen, Alter!«

»Ist nicht notwendig! Der kleine Sir hat‘s schon getan, wenn ich nicht irre.«

Ohne daß er es wußte, sagte er mir mit den letzten Worten etwas höchst Erfreuliches. Harry hatte sich also schon bei grauendem Tage um Swallow bekümmert, ein Zeichen, daß er auch an seinen Herrn gedacht habe. Jedenfalls hatte sein Vater von mir gesprochen und den Anstoß zur Änderung seiner Meinung gegeben. Eben wollte es mich wundern, daß er, der Wachsame, noch nicht zu sehen war, als er mit Winnetou und einem der Jäger durch den Bach gewatet kam.

Winnetou machte Harry sein indianisches Kompliment:

»Der Sohn Ribannas ist stark wie die Krieger vom Ufer des Gila. Sein Auge wird viele Biber sehen und seine Hand nicht tragen können die große Zahl der Felle.« Und den Blick bemerkend, welchen ich, nach Swallow suchend, über das Tal warf, meinte er beruhigend: »Mein guter Bruder kann gehen; sein Freund wird sorgen für das Roß, welches auch besitzt die Liebe des Apachen.«

Nachdem wir durch die Kluft gegangen waren, wandten wir uns, der Richtung, aus der wir gestern kamen, entgegengesetzt, nach links und schritten den Lauf des Wassers abwärts, bis wir an die Stelle gelangten, an der es sich in den Mankizila ergoß.

Dichtes, fast undurchdringliches Gestrüpp bestand die Ufer des Flusses, und die Ranken des wilden Weines kletterten an den engstehenden Stämmen empor, liefen von Zweig zu Zweig, ließen sich, fest ineinander geschlungen, von oben hernieder, stiegen am nächsten Baum wieder in die Höhe und bildeten so ein Wirrwarr, in welches man sich nur mit Hilfe des Messers Eingang zu verschaffen vermochte.

Sam, der Kleine, war immer vor uns hergegangen, und seine vollbepackte Gestalt erinnerte mich lebhaft an die slovakischen Mausefallenhändler, welche sich drüben in meinem freundlichen Heimatsstädtchen von Zeit zu Zeit sehen ließen. Trotzdem in der Nähe kein feindliches Wesen zu vermuten war, vermied sein großbeschuhter Fuß mit bewundernswerter Behendigkeit jeden Punkt, welcher eine Spur seines leisen Trittes zurückbehalten konnte, und die kleinen Äuglein streiften mit ununterbrochener Beweglichkeit bald rechts, bald links über die reiche Vegetation, welche trotz der späten Jahreszeit mit der Üppigkeit zu wetteifern vermochte, welche die jungfräulichen Bottoms des Mississippitales hervorbringen.

Jetzt hob er einige Ranken in die Höhe und kroch, sich bückend, unter ihnen hindurch.

»Kommt, Sir,« forderte Harry, ihm folgend, mich auf. »Hier zweigt unser Biberpfad ab.«

Wirklich zog sich hinter dem grünen Vorhange eine schmale, offene Linie durch das Dickicht und wir schlüpften, immer parallel mit dem Flusse, eine ansehnliche Weile zwischen dem Baum- und Strauchgewirr hindurch, bis Sam bei einem halb knurrenden, halb pfeifenden Laute, welcher vom Wasser her vernehmlich wurde, innehielt und, sich zu uns wendend, die Hand an den Mund legte.

»Wir sind da,« flüsterte Harry, »und die Wache hat Verdacht geschöpft.«

Nach einer Weile, während welcher die tiefste Stille in der Umgebung herrschte, schlichen wir wieder vorwärts und gelangten an eine Biegung des Flusses, welche uns Gelegenheit bot, eine ansehnliche Biberkolonie zu beobachten.

Ein breiter, für einen vorsichtigen menschlichen Fuß gangbarer Damm war weit in das Wasser hinein gebaut, und die vierfüßigen Bewohner desselben waren eifrig beschäftigt, ihn zu befestigen und zu vergrößern. Drüben am andern Ufer sah ich eine Anzahl der fleißigen Tiere bemüht, vermittelst ihrer scharfen Zähne schlanke Stämmchen so zu durchnagen, daß sie in das Wasser fallen mußten; andere waren mit dem Transporte dieser Bäume beschäftigt, die sie schwimmend vor sich herschoben, und noch andere beklebten den Bau mit fettem Erdreiche, welches sie vom Ufer herbeibrachten und vermittelst der Füße und des breiten, als Kelle gebrauchten Schwanzes an das Holz- und Strauchwerk befestigten.

Mit Interesse betrachtete ich das Treiben des regsamen Völkchens und hatte ganz besonders meine Aufmerksamkeit auf ein ungewöhnlich großes Exemplar gerichtet, welches in wachsamer Haltung auf dem Damme saß und allem Augenscheine nach als Sicherheitsposten fungierte. Da plötzlich spitzte der dicke Kerl die kurzen Ohren, machte eine halbe Drehung um seine Achse, stieß den schon erwähnten Warnungsruf aus und war im nächsten Augenblicke unter dem Wasser verschwunden.

Im Nu folgten die andern nach, und es war höchst possierlich zu sehen, wie sie beim Untertauchen den Hinterkörper in die Höhe warfen und der Wasserfläche mit dem platten Schwanze einen Schlag versetzten, daß es weithin schallte und das Wasser hoch in die Höhe spritzte.

Freilich war es nicht Zeit, sich humoristischen Betrachtungen hinzugeben; denn diese unerwartete Störung konnte bloß durch das Nahen eines feindlichen Wesens hervorgerufen worden sein, und der größte Feind dieser friedlichen und so gesuchten Tiere ist – der Mensch.

Noch war deshalb der letzte der Biber nicht unter der Wasserfläche verschwunden, so lagen wir schon, die Waffe in der Hand, unter den tief herabhängenden Zweigen einiger Pinien und erwarteten mit Spannung das Erscheinen des unwillkommenen Gastes. Nicht lange dauerte es, so bewegten sich eine Strecke aufwärts von uns die Spitzen des Röhrichtes, und nur wenige Augenblicke später sahen wir zwei Indianer schleichenden Schrittes am Ufer herabkommen. Der eine hatte mehrere Fallen über der Schulter hängen; der andere trug eine Anzahl Felle, beide aber waren vollständig bewaffnet und beobachteten eine Haltung, welcher man es anmerkte, daß sie sich in Feindesnähe wußten.

»Zounds!« zischte Sam durch die Zähne; »sind die Schurken über unsere Fallen geraten und haben geerntet, wo sie nicht gesäet haben, wenn ich nicht irre. Wartet, ihr Halunken, meine Liddy hier mag euch sagen, wem die Eisen gehören und die Pelze!«

Er nahm die Büchse langsam auf und machte sich schußfertig. Ich war von der Notwendigkeit, die beiden Rothäute ohne Lärm niederzustoßen, so sehr überzeugt, daß ich den alten Trapper am Arme faßte. Auf den ersten Blick hatte ich bemerkt, daß es Ponkas waren, und die Färbung des Gesichtes gab mir die Gewißheit, daß sie sich nicht auf einem Jagdzuge, sondern auf dem Kriegspfade befanden. Sie waren also nicht allein in der Nähe und jeder Schuß konnte ihnen Helfer oder doch wenigstens Rächer herbeirufen.

»Nicht schießen, Sam! Nehmt das Messer. Sie haben den Kriegspfeil ausgegraben und sind also wohl nicht nur zu zweien.«

Der kleine, schießlustige Mann entgegnete:

»Das sehe ich natürlich auch, sollte ich meinen, und freilich ist es besser, sie im Stillen auszulöschen; aber mein altes Messer ist zu sehr abgeschliffen, als daß es sich durch zwei solcher Männer hindurchbeißen könnte.«

»Pah! Ihr nehmt den Einen und ich den Andern; come on!«

»Hm! Viere von unsern besten Fallen; kostet jede dreieinhalb Dollars. Würde mich freuen, wenn sie zu den gestohlenen noch ihre eigenen beiden Felle hergeben müßten!«

»Vorwärts, Sam, ehe es zu spät ist!«

Die beiden Indianer standen jetzt von uns abgewendet, gerade vor uns und suchten nach Fußspuren im Boden. Leise, leise schob ich mich, die Büchse zurücklassend und das Messer zwischen die Zähne nehmend, vorwärts. Da flüsterte es ängstlich ganz nahe an meinem Ohre:

»Bleibt, Sir! Ich werde es an Eurer Stelle tun.« Harry sprach diese Worte.

»Danke, bringe es auch noch fertig!«

Mit diesen leise geflüsterten Worten hatte ich auch schon den Rand des Gebüsches erreicht, sprang empor, hatte im nächsten Augenblicke den mir am nächsten stehenden der Indianer mit der Linken beim Nacken und stieß ihm mit der Rechten das Messer zwischen die Schultern, daß er sofort lautlos zusammenbrach. Ich tat dies freilich nur notgedrungen; da es Ponkas waren, durften sie nicht geschont werden, denn wenn sie die »Festung« entdeckten, galt es unser Leben. Rasch drehte ich mich mit der zurückgezogenen Klinge zur Seite, um nötigenfalls den Andern auch zu nehmen; aber auch dieser lag auf der Erde, und Sam stand mit ausgespreizten Beinen über ihm, hatte sich die lange Skalplocke um die Linke gewickelt, und zog ihm die losgeschnittene Kopfhaut vom Schädel.

»So, mein Junge; nun kannst du in den ewigen Jagdgründen so viele Fallen stellen, wie es dir beliebt, aber die unsrigen wirst du dort nicht gebrauchen können.«

Und den blutenden Skalp im Grase abwischend, fügte er mit kurzem Lachen hinzu:

»Das eine Fell haben wir, und das andere wird sich Old Shatterhand nehmen.«

»Nein,« antwortete ich. »Ihr wißt ja, wie ich über das Skalpieren denke. Es wundert mich sehr, zu sehen, daß Ihr Euch jetzt damit befaßt!«

»Das hat seine guten Gründe, Sir. Seit wir uns zum letzten Male sahen, nämlich Ihr und ich, habe ich viel Böses erlebt und mich in der Weise mit den Roten herumschlagen müssen, daß ich keine Schonung kenne. Sie haben mich auch nicht geschont. Da seht her!«

Er riß sich den traurigen Filz vom Kopfe und zog dabei die eigene langhaarige Haut mit ab. Ich kannte den Anblick schon, welchen der kahle, blutigrote Schädel bot.

»Was sagt Ihr dazu, Sir, wenn ich mich nicht irre? Hatte meine Haube von Kindesbeinen an ehrlich und mit vollem Rechte getragen und kein Lawyer hat es gewagt, sie mir streitig zu machen, bis so ein oder zwei Dutzend Pawnees um mich waren und mir die Haare nahmen. Bin dann nach Tekama gegangen und habe mir dort eine neue Haut gekauft. Nannten es eine Perücke, und kostete mich drei dicke Bündel Biberfelle, meine ich. Schadet aber nichts; denn die neue ist zuweilen praktischer als die alte, besonders im Sommer; kann sie abnehmen, wenn mich schwitzt. Aber trotzdem hat manche Rothaut dafür untergehen müssen, und ein Skalp macht mir mehr Vergnügen als der feinste Dickschwanz.«

Während dieser Worte hatte er sich Hut und Perücke wieder aufgestülpt; aber es war jetzt keine Zeit zu solchen Erinnerungen und langen Reden, denn hinter jedem Baume konnte die Sehne eines Bogens schwirren oder der Hahn einer Büchse knacken, und es war vor allen Dingen notwendig, das Lager zu alarmieren und die Jäger auf die Nähe der Indianer aufmerksam zu machen. Darum forderte ich Hawkens auf:

»Greift zu, Sam; wir wollen die Indsmen unsichtbar machen!«

»Habt recht, Sir! ist notwendig, das, meine ich. Aber der kleine Sir mag doch ein wenig hinter die Büsche treten; ich wette meine Mokassins gegen ein Paar Ballettschuhe, daß es in kurzer Zeit hier rote Männer geben wird.«

Harry folgte der Warnung des Alten, und wir verbargen die Leichen, welche wir vorsichtigermaßen nicht in das Wasser stoßen durften, unter dem Uferschilf. Als wir damit fertig waren, meinte Hawkens:

»So, das wäre getan, und nun geht Ihr mit dem kleinen Sir nach der »Festung« und warnt unsere Leute, während ich diese Spuren zurückgehen werde, um etwas mehr zu erfahren, als die beiden Braunen uns gesagt haben.«

»Mögt nicht lieber Ihr zum Vater gehen, Sam Hawkens?« fragte Harry. »Ihr versteht besser, mit den Fallen umzugehen und vier Augen sehen mehr als zwei.«

»Hm! Wenn der kleine Sir es nicht anders will, so muß ich‘s schon tun, meine ich; aber wenn »der Stock anders schwimmt«, als er es jetzt denkt, so mag ich nicht die Schuld haben.«

»Habt sie auch nicht, Alter! Wißt schon, daß ich nicht gern etwas Anderes tue, als was mir beliebt. Euern Skalp habt Ihr; muß sehen, daß ich mir mein Teil auch hole. Kommt, Sir!«

Er ließ den kleinen Trapper stehen und wand sich durch das Dickicht weiter vorwärts. Ich folgte ihm.

Obgleich es die Umstände erforderten, daß ich meine volle Aufmerksamkeit auf die Umgebung richtete, konnte ich doch nicht umhin, an das Verhalten des Knaben zu denken, welcher mit der vollständigen Gewandtheit eines erfahrenen Waldläufers sich geräuschlos durch das Gestrüpp arbeitete und in jeder seiner Bewegungen ein Bild der angestrengtesten Vorsicht bot.

Es war nicht anders möglich, er mußte schon von Jugend auf mit dem Leben im »Jagdlande« vertraut sein, mußte Eindrücke empfangen haben, welche seine Sinne geschärft, sein Gefühl gehärtet und dem Laufe seines Schicksales eine so ungewöhnliche Richtung gegeben hatten.

Wohl beinahe eine Stunde lang waren wir ununterbrochen vorwärts gedrungen, als wir an eine zweite Biberkolonie kamen, deren Bewohner aber nicht außerhalb ihrer Wohnungen zu erblicken waren.

»Hier hatten wir die Fallen gestellt, welche wir den Rothäuten wieder abgenommen haben, Sir, und weiter droben teilt sich der Bee-fork ab, wo wir ursprünglich hinwollten. Doch wird‘s wohl anders kommen, denn seht, die Spuren laufen nach dem Walde, aus welchem sie gekommen sind. Wir müssen sie verfolgen.«

Er stand im Begriffe, weiter zu gehen, als ich ihn zurückhielt.

»Harry!«

Er blieb stehen und sah mich fragend an.

»Wollt Ihr nicht lieber umkehren und das Andere mir allein überlassen?«

»Wie kommt Ihr auf diesen Gedanken?«

»Kennt Ihr die Gefahren, welche unser da vorn vielleicht warten?«

»Warum sollte ich nicht? Sie können unmöglich größer sein als diejenigen, denen ich schon getrotzt und die ich überwunden habe.«

»Ich möchte Euch erhalten!«

»Das will ich und das werde ich ja auch. Oder glaubt Ihr etwa, daß mich der Anblick eines buntbemalten Mannes zu erschrecken vermöge?«

Wieder ging es vorwärts. Wir entfernten uns jetzt vom Flusse und schritten leicht zwischen den schlanken und freien Stämmen des Hochwaldes hin, welcher ein dichtes, grünes Dach über den mit feuchten Moosen überzogenen Boden wölbte; infolge der weichen Beschaffenheit desselben konnten wir die Fußeindrücke ohne besonderen Scharfsinn erkennen.

Da blieb Harry, welcher immer noch voranschritt, stehen. Es waren jetzt die Spuren nicht von zwei, sondern von vier Männern zu erkennen, welche zusammen gegangen waren und sich hier getrennt hatten. Die beiden von uns unschädlich gemachten hatten die vollständige Kriegsbewaffnung getragen, und da ich annahm, daß eine größere Anzahl ihrer Stammesgenossen vorhanden sei, die nur durch ein wichtiges Unternehmen veranlaßt sein konnten, einen so weiten Weg mitten durch das Gebiet feindlicher Horden zu machen, so kam ich jetzt auf den Gedanken, daß dieses Unternehmen vielleicht mit dem gestörten Bahnüberfalle in Verbindung stehe und einer jener Rachezüge sei, bei denen die Indianer alles aufbieten, um eine erlittene Beleidigung oder einen gehabten Verlust quitt zu machen.

»Was tun?« fragte Harry. »Diese Spuren führen in der Richtung nach unserem Lager, welches wir der Entdeckung nicht aussetzen dürfen. Verfolgen wir sie, oder teilen wir uns, Sir?«

»Und diese vierfache Spur geht jedenfalls zum Lager der Rothäute, welche sich natürlich verborgen haben und die Rückkehr ihrer Kundschafter abwarten. Vor allen Dingen müssen wir dieses aufsuchen, um Gewißheit über ihre Zahl und Zwecke zu bekommen. Der Eingang zu unserer Ritterburg wird ja von einem Posten bewacht, der das Seinige schon tun wird, unser Geheimnis zu bewahren.«

»Ihr habt Recht. Gehen wir vorwärts!«

Der Wald lief von der Höhe, zu welcher das Flußtal emporstieg, eine ansehnliche Strecke in die Ebene hinein und war von tiefen, felsigen Rinnen durchschnitten, in welchen Farnkraut und wildes Beergesträuch üppig wucherte. Eben nahten wir uns leise einer dieser Einsenkungen, als ich einen brenzlichen Geruch bemerkte und, dadurch aufmerksam gemacht, mit schärferem Blicke die Waldung zu durchdringen suchend, eine leichte, dünne Rauchsäule wahrnahm, welche oft unterbrochen oder auch ganz verschwindend, in spielender Bewegung gerade vor uns zu den Baumkronen in die Höhe stieg.

Dieser Rauch konnte nur von einem Indianerfeuer kommen; denn während der Weiße das Holz gleich in seiner ganzen Länge in die Glut wirft und dadurch eine breite und hochleckende Flamme hervorbringt, welche stets eine ansehnliche und oft verräterische Menge Rauches erzeugt, schiebt der Wilde die Scheite nur mit den Spitzen in das Feuer, wodurch nur eine kleine Flamme mit kaum wahrnehmbarem Rauch entsteht. Winnetou pflegte von solchen großen Feuern der Weißen zu sagen: »Die Bleichgesichter machen mit ihrem Feuer so viel Hitze, daß sie sich nicht daran setzen können, um sich zu wärmen.«

Ich hielt Harry zurück und machte ihn auf meine Bemerkung aufmerksam.

»Streckt Euch hinter jenes Gestrüpp; ich werde mir die Leute ansehen!«

»Warum nicht auch ich?«

»Einer genügt; bei zweien ist die Gefahr des Entdeckens eine doppelt große.«

Er nickte zustimmend und schritt, behutsam jede Spur verwischend, seitwärts, während ich, von Stamm zu Stamm Deckung suchend, gegen die Rinne schlich.

Auf dem Grunde derselben saßen oder lagen, eng aneinander gedrängt, eine solche Menge Rothäute, daß die Vertiefung sie kaum zu fassen vermochte; unten am Ausgange derselben stand, bewegungslos wie eine eherne Statue, ein junger, langhaariger Bursche, und auch hüben und drüben am Rande bemerkte ich Wachen, denen mein Nahen glücklicherweise vollständig entgangen war.

Ich versuchte, die Lagernden zu zählen, und nahm deshalb jeden Einzelnen ins Auge, hielt aber bald in größter Überraschung inne. Als der nächste am Feuer saß – war es denn nur auch möglich? – der weiße Häuptling Parranoh oder Tim Finnetey, wie er von Old Firehand genannt worden war. Ich hatte in jener Nacht sein Gesicht beim Scheine des Mondes und dann beim Niederstoßen seiner Person zu deutlich gesehen, um mich jetzt täuschen zu können, und doch wurde ich irre an mir selbst; denn von seinem Kopfe hing die prächtigste Skalplocke herab, während Winnetou sie ihm doch genommen und nicht eine Minute lang aus seinem Gürtel gebracht hatte.

Da machte der Wachtposten, welcher diesseits der Schlucht stand, eine Bewegung nach dem Orte zu, an welchem ich, von einem Felsstücke verborgen, lag, und ich mußte mich deshalb schleunigst zurückziehen.

Glücklich bei Harry angelangt, winkte ich ihm, mir zu folgen, und schritt nun den Weg, welchen wir gekommen waren, wieder bis zu der Stelle zurück, an welcher sich die Spuren teilten. Von hier aus verfolgten wir die neue Fährte, welche durch das dichteste Pflanzengewirr immer gerade auf das Tal zu lief, durch welches wir gestern gekommen und von dem Posten angerufen worden waren.

Es war mir jetzt klar, daß die Ponkas sich verstärkt hatten und uns dann Schritt um Schritt gefolgt waren, um sich an uns zu rächen. Unser Aufenthalt während der Krankheit Old Firehands hatte ihnen Zeit gegeben, alle verfügbaren Kräfte zusammenzuziehen; aber warum sich wegen uns Dreien eine so große Zahl streitbarer Krieger versammelt hatte, warum sie nicht schon längst über uns hergefallen waren und statt dessen uns ruhig hatten ziehen lassen, das konnte ich nicht begreifen, wenn ich nicht annehmen wollte, daß Parranoh von der Jägerniederlassung wisse und seine Pläne auf sämtliche Angehörigen derselben erstrecke.

Die beiden Vorangeschlichenen hatten uns gut Bahn gebrochen, so daß wir verhältnismäßig schnell vorwärts kamen und uns gar nicht mehr weit von dem senkrecht unsere Richtung durchschneidenden Tale befinden konnten, als ich ein leises Klirren vernahm, welches hinter einem dichten Gebüsch wilder Kirschenstämmchen hervorklang.

Harry mit einer Handbewegung bedeutend, sich zu verstecken, legte ich mich sogleich auf den Boden nieder, zog das Messer und kroch auf einem Umwege der erwähnten Richtung zu. Das nächste nicht an diesen Ort Gehörige, was ich erblickte, war ein Haufen eiserner Biberfallen, neben welchem ein Paar krumme Beinchen sichtbar wurden, deren Füße in riesigen Mokassins staken. Weiter heranschleichend, bemerkte ich auch einen langen, weiten Jagdrock, auf dessen oberem Teile die breite, runzelige Krempe eines uralten Filzhutes lag, und etwas abwärts von dieser Krempe sah ich die geraden und dornig abstehenden Spitzen eines verworrenen Bartes, aus welchem zwei kleine Äuglein munter und aufmerksam durch das Blätterwerk lugten.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
630 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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