Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 31
Ehe wir hinausgingen, machte der Wirt gegen uns die Bemerkung:
»Ich bin gewöhnt, die Tür zu verriegeln. Soll ich sie heut offen lassen, Mesch‘schurs?«
»Warum das?«
»Ihr könntet etwas zu wünschen haben.«
»Wir werden nichts wünschen. In diesen Gegenden ist es nicht geraten, die Türen des Nachts unverschlossen zu halten. Hätten wir Euch ja etwas zu sagen, so würden wir es durch das Fenster tun.«
»Ja, die werden nicht zugemacht.«
Als wir aus dem Hause getreten waren, hörten wir deutlich, daß der Wirt hinter uns den Riegel vor die Türe schob. Der Mond stand so niedrig, daß das Gebäude seinen Schatten über die Umfriedigung warf, in welcher sich die Pferde befanden; wir gingen also dahinein, um im Dunkeln zu liegen. Swallow und Winnetous Pferd hatten sich nebeneinander niedergetan; ich breitete neben dem ersteren meine Decke aus, legte mich auf dieselbe und nahm den Hals des Rappen zum Kopfkissen, wie ich schon oft getan hatte. Er war dies nicht nur gewöhnt, sondern er hatte es sehr gern. Bald schlief ich ein.
Ich mochte eine Stunde geschlafen haben, als ich durch eine Bewegung meines Pferdes aufgeweckt wurde. Es rührte sich nie, so lange ich bei ihm lag, außer wenn etwas Ungewöhnliches passierte; jetzt hatte es den Kopf hoch erhoben und sog die Luft mißtrauisch durch die Nüstern. Sofort war ich auf und ging in der Richtung, nach welcher Swallow windete, nach der Fenz; dies tat ich in gebückter Haltung, um nicht von außen gesehen zu werden. Indem ich vorsichtig über die Umzäunung lugte, bemerkte ich in der Entfernung von vielleicht zweihundert Schritten eine Bewegung, welche sich langsam näherte. Das war eine Anzahl von Menschen, welche am Boden lagen und herbeigekrochen kamen. Ich drehte mich um, Winnetou schnell zu benachrichtigen; da stand er schon hinter mir; er hatte im Schlafe die leisen Schritte gehört, mit denen ich fortgeschlichen war.
»Sieht mein Bruder die Gestalten dort?« fragte ich ihn.
»Ja,« antwortete er; »es sind rote Krieger.«
»Wahrscheinlich Okanandas, welche das Blockhaus überfallen wollen.«
»Old Shatterhand hat das Richtige erraten. Wir müssen in das Haus.«
»Ja, wir stehen dem Settler bei. Aber die Pferde können wir nicht hier lassen, denn die Okanandas würden sie mitnehmen.«
»Wir schaffen sie mit in das Haus. Komm schnell! Es ist gut, daß wir uns im Schatten befinden; da sehen uns die Sioux nicht.«
Wir kehrten schnell zu den Pferden zurück, ließen sie aufstehen und führten sie aus dem umfenzten Platze nach dem Hause. Eben wollte Winnetou die Schläfer drin durch das offene Fenster wecken, da sah ich, daß die Türe nicht verschlossen war, sondern eine Lücke offen stand; ich stieß sie vollends auf und zog Swallow in das Innere. Winnetou folgte mir mit seinem Pferde und schob hinter sich den Riegel vor. Das Geräusch, welches wir verursachten, weckte die Schlafenden auf.
»Wer ist da? Was gibt es? Pferde im Hause?« fragte der Settler, indem er aufsprang.
»Wir sind es, Winnetou und Old Shatterhand,« antwortete ich, weil er uns nicht erkennen konnte, denn das Feuer war ausgegangen.
»Ihr? Wie seid ihr hereingekommen?«
»Durch die Tür.«
»Die habe ich doch zugemacht!«
»Sie war aber offen.«
»Alle Wetter! Da muß ich den Riegel nicht ganz zugeschoben haben, als ihr hinausginget. Aber warum bringt ihr die Pferde herein?«
Er hatte freilich den Riegel vorgeschoben, aber der Händler hatte denselben, als die Settlers schliefen, wieder aufgemacht, damit die Indianer hereinkönnten. Ich antwortete:
»Weil wir sie uns nicht stehlen lassen wollen.«
»Stehlen lassen? Von wem?«
»Von den Okananda-Sioux, welche soeben herangeschlichen kommen, euch zu überfallen.«
Es läßt sich denken, welche Aufregung diese Worte hervorriefen. Corner hatte zwar am Abend gesagt, er fürchte sich nicht vor ihnen, aber nun sie wirklich kamen, erschrak er ungeheuer. Rollins gab sich den Anschein, als ob er ebenso entsetzt sei wie die Andern. Da gebot Winnetou Ruhe, indem er sagte:
»Seid still! Mit Schreien kann man keinen Feind besiegen. Wir müssen eiligst darüber einkommen, wie wir die Okananda von uns abwehren wollen.«
»Darüber brauchen wir doch nicht erst zu beraten,« antwortete Corner. »Wir putzen sie mit unserm‘ Gewehr weg, einen nach dem andern, grad so, wie sie kommen. Erkennen können wir sie, denn der Mond scheint hell genug dazu.«
»Nein, das werden wir nicht tun,« erklärte der Apache.
»Warum nicht?«
»Weil man nur dann Menschenblut vergießen soll, wenn es durchaus notwendig ist.«
»Hier ist es notwendig, denn diese roten Hunde müssen eine Lehre bekommen, welche die Überlebenden nicht so leicht vergessen werden.«
»Mein weißer Bruder nennt die Indianer also rote Hunde? Er mag doch beherzigen, daß ich auch ein Indianer bin. Ich kenne meine roten Brüder besser, als er sie kennt. Wenn sie sich an einem Bleichgesichte vergreifen, so haben sie stets Ursache dazu. Entweder sind sie von ihm angefeindet worden, oder ein anderer Weißer hat sie durch irgend ein Vorgeben, dem sie Glauben schenken müssen, dazu beredet. Die Ponkas überfielen uns bei Old Firehand, weil ihr Anführer ein Weißer war, und wenn diese Okananda-Sioux jetzt kommen, um dich zu berauben, so ist ganz gewiß auch ein Bleichgesicht schuld daran.«
»Das glaube ich nicht.«
»Was du glaubst, das ist dem Häuptling der Apachen sehr gleichgültig, denn er weiß, daß es ganz gewiß so ist, wie er sagt!«
»Und wenn es so wäre, so müßten die Okanandas auf das strengste dafür bestraft werden, daß sie sich haben verführen lassen. Wer bei mir einbrechen will, den schieße ich nieder; das ist mein Recht und ich bin entschlossen, es auszuüben.«
»Dein Recht geht uns nichts an; wahre du es, wenn du allein bist; jetzt aber sind Old Shatterhand und Winnetou hier, und überall, wo sie sich befinden, sind sie gewohnt, daß man sich nach ihnen richtet. Von wem hast du dieses Settlement gekauft?«
»Gekauft? Daß ich so dumm wäre, es zu kaufen! Ich habe mich hierher gesetzt, weil es mir hier gefiel, und wenn ich die von dem Gesetze vorgeschriebene Zeit hier bleibe, gehört es mir.«
»Die Sioux, denen dieses Land gehört, hast du also wohl nicht gefragt?«
»Ist mir nicht eingefallen!«
»Und da wunderst du dich, daß sie dich als ihren Feind, als den Dieb und Räuber ihres Landes behandeln? Da nennst du sie rote Hunde? Da willst du sie erschießen? Tu nur einen einzigen Schuß, so jage ich dir eine Kugel durch den Kopf!«
»Aber was soll ich denn tun?« fragte der Settler, jetzt kleinlaut geworden, da er von dem berühmten Apachen in dieser Weise angesprochen wurde.
»Nichts sollst du tun, gar nichts,« antwortete dieser. »Ich und mein Bruder Old Shatterhand werden für dich handeln. Wenn du dich nach uns richtest, wird dir nichts, gar nichts geschehen.«
Diese Reden waren so schnell gewechselt worden, daß sie kaum mehr als eine Minute in Anspruch genommen hatten. Ich stand indessen an einem der Fenster und sah hinaus, um die Annäherung der Okanandas zu beobachten. Es war noch keiner zu sehen. Sie umschlichen das Haus jedenfalls erst von weitem, um sich zu überzeugen, daß sie nichts zu befürchten hätten und ihr Kommen nicht bemerkt worden sei. Jetzt kam Winnetou zu mir hin und fragte:
»Sieht mein Bruder sie kommen?«
»Noch nicht,« antwortete ich.
»Bist du mit mir einverstanden, daß wir keinen von ihnen töten?«
»Ganz und gar. Der Settler hat ihnen ihr Land gestohlen, und vielleicht hat ihr Kommen auch noch einen andern Grund.«
»Sehr wahrscheinlich. Wie aber machen wir es, sie von hier zu vertreiben, ohne Blut zu vergießen?«
»Mein Bruder Winnetou weiß das ebensogut wie ich.«
»Old Shatterhand errät meine Gedanken wie stets und immer. Wir fangen einen von ihnen.«
»Ja, und zwar den, der an die Tür kommt, um zu lauschen. Oder nicht?«
»Ja. Es wird jedenfalls ein Späher kommen, um zu horchen; den nehmen wir fest.«
Wir gingen an die Tür, schoben den Riegel zurück und öffneten sie so weit, daß nur eine kleine Spalte entstand, grad weit genug, um hinausblicken zu können. An diese stellte ich mich und wartete. Es verging eine geraume Zeit. Im Innern des Hauses war es absolut dunkel und still. Niemand regte sich. Da hörte ich den Späher kommen, oder vielmehr, ich hörte ihn nicht, denn es war wohl nicht das Ohr, mit welchem ich seine Annäherung vernahm, sondern jener eigenartige Instinkt, welcher sich bei jedem guten Westmann ausbildet, sagte es mir. Und wenige Augenblicke später sah ich ihn. Er lag an der Erde und kam an die Tür gekrochen. Die Hand erhebend, befühlte er dieselbe. Im Nu hatte ich sie ganz geöffnet, lag auf ihm und faßte mit beiden Händen seinen Hals; er versuchte, sich zu wehren, strampelte mit den Beinen und schlug mit den Armen um sich, konnte aber keinen Ton hervorbringen. Ich zog ihn auf und schaffte ihn in das Haus, worauf Winnetou die Tür wieder verriegelte.
»Macht Licht, Mr. Corner!« forderte ich den Settler auf. »Wollen uns den Mann einmal ansehen.«
Der Ansiedler kam dieser Aufforderung nach, indem er eine Hirschtalgkerze anzündete und mit derselben dem Indianer, den ich beim Halse losgelassen, aber bei den beiden Oberarmen wieder gepackt hatte, in das Gesicht leuchtete.
»Das »Braune Pferd«, der Häuptling der Okananda-Sioux!« rief Winnetou aus. »Da hat mein Bruder Old Shatterhand einen sehr guten Fang gemacht!«
Der Indsman war unter meinem Griffe beinahe erstickt. Er holte jetzt einigemal tief Atem und stieß dann bestürzt hervor:
»Winnetou, der Häuptling der Apachen!«
»Ja, der bin ich,« antwortete der Genannte. »Du kennst mich, denn du hast mich schon gesehen. Dieser da aber hat noch nicht vor deinen Augen gestanden. Hast du seinen Namen gehört, den ich soeben genannt habe?«
»Old Shatterhand?«
»Ja. Daß er es ist, hast du empfunden, denn er hat dich ergriffen und hereingebracht, ohne daß du ihm zu widerstehen vermochtest. Du befindest dich in unserer Gewalt. Was meinst du wohl, daß wir mit dir anfangen werden?«
»Meine berühmten Brüder werden mich wieder freigeben und fortgehen lassen.«
»Denkst du das wirklich?«
»Ja.«
»Warum?«
»Weil die Krieger der Okanandas nicht Feinde der Apachen sind.«
»Sie sind Sioux, und die Ponkas, welche uns kürzlich überfallen haben, gehören zu demselben Volke.«
»Wir haben nichts mit ihnen zu tun.«
»Das darfst du Winnetou nicht sagen. Ich bin der Freund aller roten Männer, aber wer unrecht tut, der ist mein Feind, von welcher Farbe er auch sei. Und wenn du behauptest, mit den Ponkas nichts zu tun zu haben, so ist das eine Unwahrheit, denn ich weiß ganz genau, daß die Okanandas und die Ponkas sich niemals gegenseitig bekriegt haben und grad jetzt sehr eng miteinander verbunden sind; deine Ausrede gilt also nichts in meinen Ohren. Ihr seid gekommen, diese Bleichgesichter hier zu überfallen; meinst du, daß ich und Old Shatterhand dies dulden werden?«
Der Okananda blickte eine Weile finster vor sich nieder und fragte dann:
»Seit wann ist Winnetou, der große Häuptling der Apachen, ungerecht geworden? Der Ruhm, welcher von ihm ausgeht, hat darin seinen Grund, daß er stets bestrebt gewesen ist, keinem Menschen unrecht zu tun. Und heut tritt er gegen mich auf, der ich in meinem Rechte bin!«
»Du täuschest dich, denn das, was ihr hier tun wollt, ist nicht recht.«
»Warum nicht? Gehört dieses Land nicht uns? Hat nicht jeder, der hier wohnen und bleiben will, die Erlaubnis dazu von uns zu holen?«
»Ja.«
»Diese Bleichgesichter haben es aber nicht getan; ist es da nicht unser gutes Recht, daß wir sie vertreiben?«
»Ja; dieses Recht euch abzusprechen, liegt mir fern; aber es kommt auf die Art und Weise an, in welcher ihr es ausübt. Müßt ihr denn sengen, brennen und morden, um die Eindringlinge los zu werden? Müßt ihr wie Diebe und Räuber, die doch sie sind, ihr aber nicht seid, des Nachts und heimlich kommen? jeder tapfere Krieger scheut sich nicht, dem Feinde sein Angesicht offen und ehrlich zu zeigen; du aber kommst mit so viel Kriegern des Nachts, um einige wenige Menschen zu überfallen. Winnetou würde sich schämen, dies zu tun; er wird überall, wohin er kommt, erzählen, welch furchtsame Leute die Söhne der Okanandas sind; Krieger darf man sie gar nicht nennen.«
»Braunes Pferd« wollte zornig auffahren, aber das Auge des Apachen ruhte mit einem so mächtigen Blicke auf ihm, daß er nicht wagte, es zu tun, sondern nur in mürrischem Tone sagte:
»Ich habe nach den Gewohnheiten aller roten Männer gehandelt; man überfällt den Feind des Nachts.«
»Wenn ein Überfall nötig ist!«
»Soll ich diesen Bleichgesichtern etwa gute Worte geben? Soll ich sie bitten, wo ich befehlen kann?«
»Du sollst nicht bitten, sondern befehlen; aber du sollst nicht wie ein Dieb des Nachts geschlichen kommen, sondern offen, ehrlich und stolz als Herr dieses Landes am hellen Tage hier erscheinen. Sage ihnen, daß du sie nicht auf deinem Gebiete dulden willst; stelle ihnen einen Tag, bis zu welchem sie fort sein müssen, und dann, wenn sie deinen Willen nicht achten, kannst du deinen Zorn über sie ergehen lassen. Würdest du so gehandelt haben, so sähe ich in dir den Häuptling der Okananda, der mir gleichsteht; so aber erblicke ich in dir einen Menschen, der sich heimtückisch an Andere schleicht, weil er sich nicht offen an sie wagt.«
Der Okananda starrte in eine Ecke des Raumes und sagte nichts; was hätte er dem Apachen auch entgegnen können! Ich hatte seine Arme losgelassen; er stand also frei vor uns, aber freilich in der Haltung eines Mannes, welcher sich bewußt ist, sich in keiner beneidenswerten Situation zu befinden. Über Winnetous ernstes Gesicht ging ein leises Lächeln, als er sich jetzt mit der Frage an mich wendete:
»»Braunes Pferd« hat geglaubt, daß wir ihn freigeben. Was sagt mein Bruder Old Shatterhand dazu?«
»Daß er sich da verrechnet hat,« antwortete ich. »Wer wie ein Mordbrenner kommt, wird als Mordbrenner behandelt. Er hat das Leben verwirkt.«
»Will Old Shatterhand mich etwa ermorden?« fuhr der Okananda auf.
»Nein; ich bin kein Mörder. Ob ich einen Menschen ermorde oder ob ich ihn mit dem wohlverdienten Tode bestrafe, das ist ein großer Unterschied.«
»Habe ich den Tod verdient?«
»Ja.«
»Das ist nicht wahr. Ich befinde mich auf dem Gebiete, welches uns gehört.«
»Du befindest dich im Wigwam eines Bleichgesichtes; ob dieses auf deinem Gebiete liegt, das ist gleichgültig. Wer ohne meine Erlaubnis in mein Wigwam eindringt, der hat nach den Gesetzen des Westens den Tod zu erwarten. Mein Bruder Winnetou hat dir gesagt, wie du hättest handeln sollen, und ich stimme vollständig mit ihm überein. Es kann uns kein Mensch tadeln, wenn wir dir jetzt das Leben nehmen. Aber du kennst uns und weißt, daß wir niemals Blut vergießen, wenn es nicht unumgänglich nötig ist. Vielleicht ist es möglich, mit dir ein Übereinkommen zu treffen, durch welches du dich retten kannst. Wende dich an den Häuptling der Apachen; dieser wird dir sagen, was du zu erwarten hast.«
Er war gekommen, um zu richten, und nun standen wir als Richter vor ihm; er befand sich in großer Verlegenheit; dies war ihm anzusehen, obgleich er sich große Mühe gab, es zu verbergen. Er hätte wohl gern noch etwas zu seiner Verteidigung gesagt, konnte aber nichts vorbringen. Darum zog er es vor, zu schweigen, und sah dem Apachen mit einem Ausdrucke, welcher halb derjenige der Erwartung und halb der des unterdrückten Zornes war, in das Gesicht. Hierauf schweifte sein Auge zu Rollins, dem Gehilfen des Pedlars, hinüber. Ob dies Zufall war, oder ob es absichtlich geschah, das wußte ich in diesem Augenblicke nicht, doch kam es mir vor, als ob in diesem Blicke eine Aufforderung, ihn zu unterstützen, liege. Der Genannte nahm sich auch wirklich seiner an, indem er sich an Winnetou wendete:
»Der Häuptling der Apachen wird nicht blutgierig sein. Man pflegt selbst hier im wilden Westen nur Taten zu bestrafen, welche wirklich ausgeführt worden sind; es ist aber hier noch nichts geschehen, auf was eine Strafe folgen muß.«
Winnetou warf ihm, wie ich sah, einen mißtrauisch forschenden Blick zu und antwortete:
»Was ich und mein Bruder Old Shatterhand zu denken und zu beschließen haben, das wissen wir, ohne daß jemand es uns zu sagen braucht. Deine Worte sind also unnütz, und du magst dir merken, daß ein Mann kein Schwätzer sein soll, sondern nur dann redet, wenn es notwendig ist.«
Warum diese Zurechtweisung? Winnetou wußte es wohl selbst kaum, aber wie es sich später herausstellte, hatte sein stets bewährter Instinkt auch hier wieder einmal das Richtige gefunden. Er fuhr, sich wieder an den Okananda wendend, fort:
»Du hast die Worte Old Shatterhands gehört; seine Meinung ist auch die meinige. Wir wollen dein Blut nicht vergießen, aber nur dann, wenn du mir jetzt die Wahrheit sagest. Versuche nicht, mich zu täuschen; es würde dir nicht gelingen. Sag mir also ehrlich, weshalb ihr hierher gekommen seid. Oder solltest du so feig sein, es leugnen zu wollen?«
»Uff!« stieß der Gefragte zornig hervor. »Die Krieger der Okananda sind keine so furchtsamen Menschen, wie du vorhin sagen wolltest. Ich leugne nicht. Wir wollten dieses Haus überfallen.«
»Und verbrennen?«
»Ja.«
»Was sollte mit den Bewohnern geschehen?«
»Wir wollten sie töten.«
»Habt ihr dies aus eigenem Antriebe beschlossen?«
Der Okananda zögerte mit der Antwort; darum sprach Winnetou sich deutlicher aus:
»Seid ihr vielleicht von irgend jemand auf diesen Gedanken gebracht worden?«
Auch jetzt schwieg der Gefragte, was in meinen Augen ebensoviel wie ein laut ausgesprochenes ja bedeutete.
»Das »Braune Pferd« scheint keine Worte zu finden,« fuhr der Apache fort. »Er mag bedenken, daß es sich um sein Leben handelt. Wenn er es erhalten will, muß er reden. Ich will wissen, ob es einen Urheber dieses Überfalles gibt, welcher nicht zu den Kriegern der Okanandas gehört.«
»Ja, es gibt einen solchen,« ließ der Gefangene sich endlich hören.
»Wer ist es?«
»Würde der Häuptling der Apachen einen Verbündeten verraten?«
»Nein,« gab Winnetou zu.
»So darfst du mir nicht zürnen, wenn auch ich den meinigen nicht nenne.«
»Ich zürne dir nicht. Wer einen Freund verrät, verdient, wie ein räudiger Hund erschlagen zu werden. Du magst also den Namen verschweigen; aber ich muß wissen, ob der Mann ein Okananda ist.«
»Er ist keiner.«
»Gehört er zu einem andern Stamme?«
»Nein.«
»So ist er ein Weißer?«
»Ja.«
»Befindet er sich mit draußen bei deinen Kriegern?«
»Nein; er ist nicht hier.«
»So ist es also doch so, wie ich dachte, und auch mein Bruder Old Shatterhand hat es geahnt: es hat ein Bleichgesicht die Hand im Spiele. Das soll uns zur Milde stimmen. Wenn die Okananda-Sioux keine widerrechtliche Niederlassung der Bleichgesichter auf dem ihnen gehörigen Gebiete dulden wollen, so ist ihnen dies nicht zu verdenken; aber zu morden brauchen sie deshalb doch nicht. Die Absicht dazu war da; sie ist jedoch nicht zur Ausführung gekommen, und so soll ihrem Häuptlinge das Leben und die Freiheit geschenkt sein, wenn er auf die Bedingung eingeht, die ich ihm stelle.«
»Was forderst du von mir?« fragte »Braunes Pferd«.
»Zweierlei. Erstens mußt du dich von dem Weißen, der euch verführt hat, lossagen.«
Diese Bedingung gefiel dem Okananda nicht; aber er ging nach einigem Zögern doch auf sie ein; als er dann nach der zweiten fragte, erhielt er zur Antwort:
»Du forderst von diesem Bleichgesichte hier, welches sich Corner nennt, die Ansiedlung von euch zu kaufen oder sie zu verlassen. Erst wenn er keine von diesen beiden Forderungen erfüllt, kehrst du mit deinen Kriegern zurück, ihn von hier zu vertreiben.«
Hierauf ging »Braunes Pferd« schneller ein; aber der Settler war dagegen. Er berief sich auf das Heimstättengesetz und brachte eine lange Rede hervor, auf welche ihm Winnetou die kurze Antwort gab:
»Wir kennen die Bleichgesichter nur als Räuber unserer Ländereien; was bei solchen Leuten Gesetz, Recht oder Sitte ist, geht uns nichts an. Wenn du glaubst, hier Land stehlen zu dürfen und dann von eurem Gesetze gegen die Bestrafung geschützt zu werden, so ist das deine Sache. Wir haben für dich getan, was wir tun konnten; mehr darfst du nicht verlangen. Jetzt werden Old Shatterhand und ich mit dem Häuptlinge der Okananda das Calumet rauchen, um dem, was wir ausgemacht haben, Geltung zu verleihen.«
Das war in einem solchen Tone gesprochen, daß Corner darauf verzichtete, etwas dagegen vorzubringen. Winnetou stopfte seine Friedenspfeife, und dann wurde das Übereinkommen, welches wir mit dem »Braunen Pferde« getroffen hatten, unter den gewöhnlichen, wohlbekannten Zeremonien besiegelt. Ob dem Okanandahäuptlinge darauf zu trauen sei, das bezweifelte ich kaum, und Winnetou war derselben Ansicht, denn er ging zu der Tür, schob den Riegel zurück und sagte zu ihm:
»Mein roter Bruder mag zu seinen Kriegern hinausgehen und sie fortführen; wir sind überzeugt, daß -er das, was er versprochen hat, ausführen wird.«
Der Okananda verließ das Haus. Wir schlossen hinter ihm wieder zu und stellten uns an die Fenster, um als vorsichtige Leute ihn so weit wie möglich mit unseren Blicken zu verfolgen. Er entfernte sich nur einige Schritte und blieb dann im Mondscheine stehen; er wollte also von uns gesehen werden. Zwei Finger in den Mund steckend, ließ er einen gellenden Pfiff hören, auf welchen seine Krieger herbeigeeilt kamen. Sie waren natürlich höchst erstaunt darüber, von ihm so laut und auffällig zusammengerufen zu werden, während sie doch von ihm jedenfalls angewiesen worden waren, äußerst vorsichtig zu sein und ja kein Geräusch zu verursachen. Da erklärte er ihnen mit lauter Stimme, so daß wir jedes Wort hörten:
»Die Krieger der Okananda mögen hören, was ihr Häuptling ihnen zu sagen hat! Wir sind gekommen, um das Bleichgesicht Corner dafür zu züchtigen, daß es sich ohne unsere Erlaubnis hier bei uns eingenistet hat. Ich schlich mich voran, um das Haus zu umspähen, und dies wäre mir gelungen, wenn sich nicht die zwei berühmtesten Männer der Prairie und der Berge hier befänden. Old Shatterhand und Winnetou, der Häuptling der Apachen, sind gekommen, um diese Nacht bei diesem Hause zu lagern. Sie hörten und sie sahen uns kommen und öffneten ihre starken Arme, um mich zu empfangen, ohne daß ich dies ahnen konnte; ich wurde ihr Gefangener und von der Faust Old Shatterhands in das Haus gezogen. Von ihm besiegt worden zu sein, ist keine Schande, sondern es ist eine Ehre, mit ihm und Winnetou ein Bündnis zu schließen und das Calumet zu rauchen. Wir haben das getan und dabei beschlossen, daß den Bleichgesichtern, welche dieses Haus bewohnen, das Leben geschenkt sein soll, wenn sie es entweder kaufen oder zu einer Zeit verlassen, welche ich ihnen bestimmen werde. Dies ist zwischen uns fest bestimmt worden, und ich werde das Wort halten, welches ich gegeben habe. Winnetou und Old Shatterhand stehen an den Fenstern und hören, was ich meinen Kriegern jetzt sage. Es ist Friede und Freundschaft zwischen uns und ihnen. Meine Brüder mögen mir folgen, nach unsern Wigwams heimzukehren.«
Er ging und verschwand mit seinen Leuten um die Ecke der Fenz. Wir verließen natürlich alle das Haus, um ihnen nachzusehen und uns zu überzeugen, daß sie sich wirklich entfernten. Sie taten dies, und wir waren sicher, daß es ihnen nicht einfallen würde, zurückzukehren. Darum holten wir unsere Pferde wieder aus dem Hause und legten uns da zu ihnen nieder, wo wir vorher gelegen hatten. Rollins aber, der Händler, war mißtrauisch und ging ihnen nach, sie noch länger zu beobachten. Später freilich stellte es sich heraus, daß er sich aus einem ganz andern Grunde entfernt hatte. Wann er zurückgekehrt war, wußten wir nicht, doch als wir am Morgen aufstanden, war er da. Er saß mit dem Wirte auf einem Baumklotze, welcher als Bank diente, vor der Tür.
Corner bot uns einen guten Morgen, welcher keineswegs freundlich klang. Er war wütend über uns, denn er hegte die Überzeugung, daß es unbedingt vorteilhafter für ihn gewesen wäre, wenn wir die Roten alle weggeputzt hätten, wie er sich ausdrückte. Nun mußte er entweder fort oder bezahlen. Er tat mir übrigens nicht allzu sehr leid; warum hatte er sich in dieses Territorium gewagt. Was würde man in Illinois oder Vermont sagen, wenn ein Sioux-Indianer käme, sich mit seiner Familie in eine Gegend, die ihm gefiele, setzte und nun behauptete, »das ist mein!«
Wir machten uns aus seinem Gezanke nichts, bedankten uns für das bei ihm Genossene und ritten fort.
Der Händler begleitete uns natürlich, doch war es fast ebenso, als ob er sich nicht bei uns befunden hätte, denn er hielt sich nicht zu uns, sondern ritt in gewisser Entfernung hinter uns her, ungefähr so wie ein Untergebener, welcher in dieser Weise den Vorgesetzten seinen Respekt zu erzeigen hat. Das hatte an sich gar nichts Auffälliges und war uns sogar lieb, da wir ungestört miteinander sprechen konnten und uns nicht mit ihm zu beschäftigen brauchten.
Erst nach einigen Stunden kam er an unsere Seite, um mit uns über das abzuschließende Geschäft zu sprechen. Er erkundigte sich nach der Art und der Zahl der Fellvorräte, welche Old Firehand zu verkaufen beabsichtigte, und wir gaben ihm diejenige Auskunft, die wir zu geben vermochten. Hierauf fragte er nach der Gegend, wo Old Firehand auf uns wartete, und nach der Art und Weise, wie er seine Felle dort versteckt halte. Wir hätten ihm auch hierauf antworten können, taten dies aber nicht, weil wir ihn noch gar nicht kannten und es überhaupt nicht Gepflogenheit eines Westmannes und Jägers ist, von den Verstecken zu sprechen, an denen er seine Vorräte heimlich aufbewahrt. Ob er uns dies übel nahm oder nicht, das war uns gleich; er hielt sich von nun an wieder zurück, und zwar in noch größerer Entfernung als vorher.
Wir hatten auf dem Rückwege dieselbe Richtung eingeschlagen, aus welcher wir hergekommen waren, und fanden infolgedessen keine Veranlassung, die Gegend, durch welche wir ritten, so zu untersuchen, wie es nötig gewesen wäre, wenn wir sie nicht gekannt hätten. Ausgeschlossen war dabei natürlich aber nicht diejenige Vorsicht, welche der Westmann selbst an Orten anwendet, die er so genau wie seine Tasche kennt. Wir blickten also immer nach Spuren von Menschen oder Tieren aus, und diese immerwährende Aufmerksamkeit war die Ursache, daß uns gegen Mittag eine Fährte auffiel, welche uns andernfalls vielleicht entgangen wäre, weil sichtlich sehr viel Sorgfalt darauf verwendet worden war, sie zu verwischen. Vielleicht hätten wir sie dennoch übersehen, wenn wir nicht an einer Stelle auf sie getroffen wären, wo die Betreffenden eine kurze Rast gemacht hatten und das Gras, welches von ihnen niedergedrückt worden war, sich noch nicht wieder ganz aufgerichtet hatte. Wir hielten natürlich an und stiegen ab, um die Spur zu untersuchen. Während wir dies taten, kam Rollins heran und sprang auch aus dem Sattel, die Eindrücke zu betrachten.
»Ob dies wohl von einem Tiere oder von einem Menschen ist?« fragte er dabei.
Winnetou antwortete nicht; ich aber hielt es für unhöflich, auch zu schweigen, und machte darum die Bemerkung:
»Ihr scheint im Fährtenlesen nicht sehr geübt zu sein. Hier muß einem doch gleich der erste Blick sagen, wer dagewesen ist.«
»Also wohl Menschen?«
»Ja.«
»Das glaube ich nicht, denn da wäre das Gras weit mehr zerstampft.«
»Meint Ihr, daß es hier Leute gibt, welche es sich zum Vergnügen machen, den Boden zu zerstampfen, um dann entdeckt und ausgelöscht zu werden?«
»Nein; aber mit Pferden ist es gar nicht zu umgehen, deutlichere Spuren zu verursachen.«
»Die Personen, welche hier gewesen sind, haben eben keine Pferde gehabt.«
»Keine Pferde? Das wäre auffällig, vielleicht sogar verdächtig. Ich denke, in dieser Gegend kann kein Mensch, der nicht beritten ist, existieren.«
»Ist auch meine Meinung; aber habt Ihr noch nicht erlebt oder gehört, daß jemand auf irgend eine Weise um sein Pferd gekommen ist?«
»Das wohl. Aber Ihr redet nicht von einem, sondern von mehreren Menschen. Einer kann sein Pferd verlieren, ob aber mehrere – —?!«
Er tat so altklug, obgleich er nicht viel zu verstehen schien; ich hätte ihm nicht wieder geantwortet, selbst wenn ich nicht jetzt von Winnetou gefragt worden wäre:
»Weiß mein Bruder Old Shatterhand, woran er mit dieser Fährte ist?«
»Ja.«
»Drei Bleichgesichter ohne Pferde; sie haben nicht Gewehre, sondern Stöcke in den Händen getragen. Sie sind von hier aus fortgegangen, indem einer in die Stapfen des andern trat und der hinterste die Eindrücke zu verwischen suchte; sie scheinen also anzunehmen, daß sie verfolgt werden.«
»Das kommt auch mir so vor. Ob sie vielleicht gar keine Waffen haben?«
»Wenigstens Flinten haben diese drei Weißen nicht. Da sie ausgeruht haben, müßten wir die Spuren ihrer Gewehre sehen.«
»Hm! Sonderbar! Drei unbewaffnete Bleichgesichter in dieser gefährlichen Gegend! Man kann sich das nur damit erklären, daß sie Unglück gehabt haben, vielleicht gar überfallen und beraubt worden sind.«
»Mein weißer Bruder hat ganz meine Meinung. Diese Männer haben sich auf Stöcke gestützt, welche sie abgebrochen haben; man sieht die Löcher deutlich im Boden. Sie bedürfen wohl der Hilfe.«
»Wünscht Winnetou, daß wir sie ihnen gewähren?«
»Der Häuptling der Apachen hilft gern jedem, der seiner bedarf, und fragt nicht, ob es ein Weißer oder ein Roter ist. Doch mag Old Shatterhand bestimmen, was wir tun. Ich möchte helfen, aber ich habe kein Vertrauen.«
»Warum nicht?«
»Weil das Verhalten dieser Bleichgesichter ein zweideutiges ist. Sie haben sich große Mühe gegeben, ihre weiterführenden Spuren auszulöschen; warum haben sie die hier an der Lagerstelle nicht ebenso vertilgt?«
»Vielleicht glaubten sie, keine Zeit dazu zu haben. Oder: daß sie hier ausgeruht haben, das konnte man wissen; aber wohin sie dann gegangen sind, das wollten sie verbergen.«
»Vielleicht ist es so, wie mein Bruder sagt; aber dann sind diese Weißen nicht gute Westmänner, sondern unerfahrene Leute. Wir wollen ihnen nach, um ihnen zu helfen.«
»Ich bin gern einverstanden, zumal es nicht den Anschein hat, daß wir da von unserer Richtung sehr abzuweichen brauchen.«
Wir stiegen wieder auf; Rollins aber zögerte damit und sagte in bedenklichem Tone:
»Ist es nicht besser, diese Leute sich selbst zu überlassen? Es kann uns doch nichts nützen, ihnen nachzureiten.«
»Uns freilich nicht, sondern ihnen,« antwortete ich.
»Aber wir versäumen unsere Zeit dabei!«
»Wir sind nicht so pressiert, daß wir versäumen müßten, Leuten zu helfen, -welche der Unterstützung sehr wahrscheinlich bedürfen.«